Suche löschen...
Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 21.06.1903
- Erscheinungsdatum
- 1903-06-21
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-190306214
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-19030621
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-19030621
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1903
- Monat1903-06
- Tag1903-06-21
- Monat1903-06
- Jahr1903
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 21.06.1903
- Autor
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
BezugS-PretS tu der Hmrpttxpedttio« oder deren Ä n-gabe» stelle» abgeholt: vierteljährlich 8.—. bei zweimaliger täglicher Zustellung in» Han» ^S 8.75. Durch die Post bezogen für Deutsch land u. Oesterreich vierteljährlich 4.50, für di« übrigen Länder laut Zeüung-pretSliste. Redaktion und Expedition; JohanntSgaff, 8. Fernsprecher 158 und SSL. Flltal«vp«dtti»«a» r Alfred Hahn, Bnchhaudlg, UuwerMtSstr.8, L. Lösche, Kathartueustr. 14» «. Küntgspl. 7. Haupt-Filiale Vresdeu: Marteustraß» 84. Fernsprecher Amt I Nr. 1718. Haupt-Filiale Berlin: Earl Duncker, Herzgl. Bayr. Hüfbuchhandlg, Lützowstraße 10. Fernsprecher Amt VI Nr. 4608» KipMer. TagMM Anzeiger. ÄmLsNatt -es Königlichen Land- «nd -es Königliche« Amtsgerichtes Leipzig, -es Rates nn- -es Rolizeiamtes -er Lta-t Leipzig. Anzeigen-Pret- die 6 gespaltene Petitzeile LS H. Reklamen unter dem RedakttonSftttch (4gespalten) 75 vor de» Familiennach- richten (6 gespalten) 50 H. Tabellarischer und Ztffernsatz entsprechend Häher. — Sebübrea für Nachweisnugeu uud Offerttuamuyme 25 («xcl. Porto). Ertrn-Beilagen (gesalzt)» nur mit der Morgen-AuSgab«, ohn« PostbesSrderung ust SE—, mit Postbesörderuug 70»—» Amrahuuschluß für I^eizr«: Abead-AuSgab«: Bormitlag» 10 Uhr. Morge».ku-gab«: Nachmittag« 4 Uhr, Anzeige« find stet» an di« Expedition pl richten. Di« Expedition ist Wochentag» ununterbrochen geöffnet von MH 8 bi» abend» 7 Uhr. Druck und Verlag voa ist, Bolz in Leipzig. Nr. 310. Sonntag den 21. Juni 1903. 97. Jahrgang. Rus der Woche. 3« den Augenblicken großer Entscheidungen gilt eS, sich vor Optimismus wie vor Pessimismus iu gleicher Weise zu hüten. Ungünstige Symptome dürfen wir nicht auf dir leichte Achsel nehmen. Wir sollen aber auch nicht lediglich Schatten sehen, wo immerhin einiges Licht wahrzunehmen ist. Nur wenn wir aus der Bahn kaltblütiger uud nüchterner Erwägung bleiben, habe« wir Aussicht, Siege zu erringen, wo der Gegner sich zwar stark gezeigt, die Reihen deS Bürgertum- aber nicht bezwungen bat. Wir dürfen die ReichStagSwahlen noch nicht so besprechen, al» wenn schon alle« erledigt wäre. Wir müssen die politische Betrachtung frucht bar machen für da», was noch zu leisten ist. Und da» ist, wie wir alle wissen, sehr, sehr viel, wenn auch für un» Sachsen nur fünf Wahlkreise überhaupt noch zu rette» sind. Aber darunter ist unser Leipzig, besten glorreiche Wahlgeschichte wir daS letzte Mal an unserem Auge haben vorüberziehen lasten, nicht um zu prahlen, sondern um zu erkenne«, um welch hohen Preis zu kämpfen sei. «Selbst Leipzig-Stadt ist nahe dem sozialdemokratischen Siege", — heißt e» in dem ersten HymnuS deS „Vorwärts" über die Wahlen. Dieses Wörtchen „selbst" zeigt uns, für eine wie starke Festung auch von unseren Feinden Leipzig gehalten wird. Sollte da nicht da» gesamte Bürgertum aufstehen wie «in Mann, um den Sieg, den die Genosten schon in solcher Nähe wähnen, an die Fahne von Vaterlandsliebe und Fortschritt geheftet zu halten? ES ist wahrlich nicht ohne Belang, ob Sachsen nur Sozialdemokraten in den Reichstag entsendet und ob die Fülle wirtschaftlichen und fein-geistigen Schaffens, da» so ganz besonder» geartete nationale Empfinden der Leipziger Bevölkerung im Reichshause künftig nicht mehr zur Geltung gebracht werden soll. Vergeffea wir aber auch nicht, daß zu dem Gesamtresultate jedes ein zelne Wahlergebnis beiträgt, daß sehr viel darauf ankommt, ob die Sozialdemokraten einige Mandate mehr oder weniger erringen. Stimmen die Kommentare der Zeitungen darin überein, daß die Sozialdemokraten einen enormen Erfolg, da» extreme Agrariertum und der Freisinn schwere Niederlagen erlitten haben, so werden Ursachen wie Konsequenzen dieser Erscheinung doch sehr verschieden aufgefaßt. Um mit einer Kuriosität anzufangen so erblickt der Pariser „GauloiS" in dem Anwachsen ideS Sozialismus, deS französischen wie deS deutschen, rin fluch würdiges WerkBiümarckS, der da« Gift der Revolution verbreitet bade, indem er Frankreich zur Republik zwang und der Welt eine unermeßliche Waffenrüstung auferlegte. Ueber solche Albernheiten ist ja kein Wort zu verlieren! Aber auch die in sozial demokratischen und in freisinnigen Blättern deS Inlandes wie deS Auslandes gegebene Deutung, al» sei da» Wahlergebnis ein Protest gegen den „Brotwucher", mit anderen Worten gegen den Zolltarif, bat keine Begründung. Di« Niederlage der Landwirt - Bündler beweist, daß für die extremen Forderungen die öffentlich« Meinung nicht zu haben ist. Der Freisinn bat seinen Mißerfolgen die Lehre zu entnehmen, daß die grundsätzliche Versagung de» Zollschutzes für die natio nale Produktion bei den bürgerlichen Wählern keinen Rückhalt findet. Aber die Sozialdemokratie! Der Ein wurf trägt den Schein der Berechtigung, wenn man deS Brotwucher-Geschreies gedenkt, mit dem alle sozial demokratischen Politiker und Publizisten ihre Leser seit Jahren in Unruhe halten. Aber wann wäre der Lohnarbeiter jemals für höhere Auflagen, seien sie direkt oder indirekt, zu haben gewesen? Ein solcher Wähler entscheidet sich überall und immer für denjenigen Kandidaten, von dessen Wirken er die größte Schonung seines Geldbeutels erwartet. Diese» Auschwellen der Sozialdemokratie erklärt sich aber noch, von den allgemeinen Vor teilen radikaler Parteien bei den breiten Masten abgesehen, aus einer nicht zu leugnenden Unzufriedenheit mitdem Geist,in welchem heute regiert wird. Die ZentrumSblätter verweisen auf das Anwachsen der ultramontaur» Stimmung mit der Behauptung, nur ihre Partei bilde einen Damm gegen die Sozialdemo kratie. Nein, je stärker da» Zentrum und sein Einfluß werden, um so mehr wächst die Unzufriedenheit uud mit ihr die Zahl der Sozialdemokraten-Mitläufer. Nur tritt das nicht dort zu Tage, wo, wie in Bayern, Württemberg oder am Rheine der schwarze Rock herrscht »nd der Pfarrer ein ebenso wirkungsvoller Agitator ist, wie in den Industrie städten der Sozialdemokrat. Die ultramoatane Behauptung wäre erst daun aceeptabel, wenn mit dem strigeuven Ein flüsse deS Zentrum» die Sozialdemokratie zurvckgegangen wäre. So aber sehen wir, daß, seitdem Zentrum „Trumpf" ist, die Sozialdemokraten an Wählerstimmen wie an Man- baten immer und immer zugeuommeu habe«. Leider läßt sich da« Zentrum ja sogar unmittelbare Förderung der roten Partei zu schulden kommen, indem e» jetzt für München, wie für Pforzheim, Karlsruhe und Mannheim zur Stichwahl Stimmenthaltung empfiehlt und damit zur Sicherung de» sozialdemokratischen Siege» rät. Also von dieser Panacre gegr« die sozialdemokratisch« Gefahr kann mit Recht nicht di« Red« sein! Der Ernst der Besorgnis über ihre gewaltige Zunahme kann nur dadurch ge mildert werden, daß wir auch an diesem Riesenbaume schon den Wurm nagen sehen, der seinem Wachstum der einst da» Ende bringen wird. Es ist die maßlose Selbst überhebung, die Unfähigkeit zu moralischem Gleichgewicht im Erfolg, die der Sozialdemokratie die Ansicht nimmt, jemals die regierende Partei zu werden. Zum Wahnsinne steigert sich der Rausch, wenn ein Publizist deS „Vorwärts" auSruft: „So ungefähr mögen im alten Rom die Heiden priester e» nicht haben begreifen können, daß selbst die an ständigsten Menschen Christen wurden. Die leuchtende Kraft des Sozialismus ist die Lösung deS Rätsels. Sozialdemokraten sind nicht nur die anständigsten Menschen, sondern sie sind die besten und edelsten Kräfte des deutsche» Volke», der wahre Adel der Nation, die einzige Partei, die Kraft, Energie, Bildung, Einsicht und Idealismus besitzt. Die Sozialdemo kratie ist das Volk in seinem höchsten und reinsten Sinn, alle guten Geister der Zeit leben in ihr." Der Geist, der aus solchen Worte» spricht, kann zwar das Volk auswüblen, er kann sich Mandate erobern, aber er muß zu nichte werden bei der ersten Probe auf die Regie- rungSfähigkeit, da eS auf Erden kein Volk gibt, daS die Tyrannei deS Radikalismus auf längere Zeit sich gefallen ließe. Noch hat ja der wirkliche Entscheidungtkampf zwischen Bürgertum und Sozialdemokraten garnicht begonnen. Die große Zabl der unentschiedenen Wahle» beweist, daß auch diese» Mal die Parole „Gemeinsame Front gegen die Sozialdemokratie", von einigen wenigen Kreisen abgesehen, garnicht gegolten bat. Wenn diese Stunde einmal schlägt, dann wird eS mit den sozialdemokratischen Wahlerfolgea abwärts gehn. Uud sie wird schlagen. Jedes Lustrum bringt un» ihr näher. Nur die Kurzsichtigkeit deS Bürgertum« hiaderi, daß die Größe der Gefahr und damit die Notwendigkeit der Gegenwehr erkannt wird, bevor sie unS unmittelbar auf den Leib gerückt ist. Es kann die Erkenntnis nicht finden, wenn so viele Blätter jetzt, um den Zorn über den sozialdemokratischen Er folg zu verbergen, erklären, an den Verhältnissen im Reichstag und in der Regierung werde da« Anwachsen der Sozial demokratie nicht» ändern. Und wenn nur die eine Folge sich ergibt, daß der Terrorismus in allgemeinen Debatten mit Dauerreden im Verhältnis de« Stimmen- und Mandatzuwachses sich vergrößert, so haben wir schon eine weitere Lähmung de« ohnehin so tief gesunkenen Parla mentarismus. War denn nicht schon die Anormalität, mit der die Zolltarif-Gesetze zur Erledigung gebracht wurden, eine Folg« der Starke, zu der die Sozialdemokratie e» 1898 gebracht hatte? Würde e» etwa die Leidenschaft der Ge- »offen im Reichstage nicht erheblich dämpfe», wenn sie bei den Wahle» auch nur eine» Sitz verloren hätten? Die Abstimmungen werden ja — aber auch nur, wenn die Ver treter der anderen Parteien mit der Absenz brechen! — noch kein Unheil anstiften, falls wirklich die Zahl der sozial demokratische» Abgeordneten auf 80 steige» sollte. Es wäre aber sträflicher Leichtstn», mit dieser Erwägung sich beruhige» zu wolle». Darum gilt schon jetzt die Pflicht, Farbe zu bekenne«, den Kampf aufzunehmev mit Ueberwindung von Skepsis, Nörgelsucht uad Gleich gültigkeit. Zu guter Zeit wird gerade jetzt erinnert an folgende- Wort auS Gottfried Keller» Tagebücher«: „Webe einem Jede«, der nicht sein Schicksal an dasjenige der öffentliche» Gemeinschaft bindet k Dean er wird nicht nur keine Ruhe finden, sondern dazu noch allen inneren Halt verlieren und der Mißachtung de» Volke» preis- gegeben sein, wie ein Unkraut, da» am Wege steht. Der große Haufe der Gleichgültigen und Tonlosen muß aufgehoben uud moralisch vernichtet werden; den« auf ihm ruht der Fluch der Störungen uad Berwirrungen, welch« durch kühue Minder heiten entstehen. Wer nicht für un» ist, der ist wider un»! Nur nehme er teil an der Arbeit, auf daß die Entscheidung beschleunigt werde!" Deutsche- Reich. verli«, 20. Juni. (Entartung.) Der Bonner Professor der Hygiene W. Kruse veröffentlicht im neuesten Hefte der „Zeitschrift für Sozial wissenschaft" eine sehr beachtenswerte Untersuchung über da» oft erörterte Thema der Entartung der Kulturvölker. Kruse gehört nicht zu den An hängern deS Dogmas von der geistigen und körperlichen Ueberlegenheit des Naturmenschen über den Kultur menschen. Die übliche Berufung auf die Germanen des Tacttus sei ganz unzulässig, da die geschichtlichen Quellen und die naturwissenschaftlichen Dokumente über sie viel zu dürftig seien, al- daß man einigermaßen sichere Schlüffe darauf bauen könne. Wahrscheinlich sei der DurchschnittSgermane von damals dem heutigen betreff» der Uebung der körperlichen Kräfte überlegen gewesen, daraus sei aber noch nicht auf besseren Körperbau, größere Leistungsfähigkeit und Gesundheit zu schließen. Unbilden der Witterung, körperliche Ueberanstrengung bei sonst ungeregelter Tätigkeit, schlechte Wohnungen, mangelhafte Ernährung seien Faktoren, die auch die Widerstandsfähigkeit der Naturmenschen untergraben hätten. Daneben seien Schädigungen des Nervensystems durch übermäßigen Alkoholgenuß und durch die Auf regungen von Spiel und Kampf den alten Germanen gleichfalls nicht fremd geblieben. Ihre wesentlichen Rasseeigenschaften schienen auch heute unverändert er halten zu sein. Ebenso ketzerisch wie diese Auffassung mag eS manchem vorkommen, daß Kruse auch gewisse an Darwin anknüpfende Spekulationen, die für die De generation sprechen sollen, nicht gelten läßt. In dieser Beziehung wird bekanntlich behauptet, die Civilisation habe die Tendenz, die Rasse zu verschlechtern, indem sie die natürliche Auslese im Kampfe ums Dasein, die in der übrigen organischen Welt das Ucberleben des Passendsten herbeifllhre, beschränke — durch Verhütung der Seuchen, durch Fürsorge für Arme und Gebrechliche, durch erhöhte Rechtssicherheit, durch Verbesserung der Wohnung, Kleidung und Ernährung usw. den schwächlichen Ele menten der Gesellschaft die Erhaltung und Fortpflanzung ermögliche, — und durch eine Art sozialer Auslese gerade die besseren Bestandteile deS Volkes ausrotte. Solche Anschauungen beruhen auf einer doppelten Voraus setzung. Erstens müßten die Fehler, in deren Verbreitung die Entartung zu erblicken ist, vererbbar sein, und zweitens müßte die natür liche Auslese die Fähigkeit haben, die mit jenen Fehlern behafteten Individuen im Kampfe ums Dasein auszumerzen. Die erste Voraussetzung sei nur für einen kleinen Bruchteil der Fälle gültig, die zweite sei fraglich; der ganze Gedankengang leite zu Folgerungen, deren Irrigkeit nachweisbar sei. Wenn der Wegfall der natür lichen Auslese zur Degeneration der Art führte, müßte das Bestehen der Auslese den entgegengesetzten Vorgang, den ewigen Fortschritt, bedingen. Statt dessen finde man innerhalb der Beobachtungsperioden, mit denen man rechnen könne, überall Beständigkeit der Art. Ferner lehre die Völkerkunde, daß diejenigen Menschenrassen, die am wenigsten unter dem Fluche der Kultur zu leiden haben, also offenbar der natürlichen Auslese noch am meisten unterworfen sein sollten, durchaus nicht die voll kommensten Vertreter der menschlichen Art seien; man denke an Buschmänner, Weddas, Australier und Lappen. In Bezug auf die einzelnen Bedingungen, welche die natürliche Auslese beschränken sollen, führt Kruse dann aus, daß z. B. die Berhütung der Seuchen keineswegs ausschließlich oder zum größten Teile den minderwertigen Elementen der Gesellschaft zu gute komme. In einem anderen Abschnitt weist Kruse auf Grund der Sterb lich k e i t sst ati st i k die Abnahme der Sterblichkeit in allen Altersklassen, mit Ausnahme des Säuglingsalters, nach. Im Gegensätze zum „Rassenhygieniker", dem die hohe Säuglingssterblichkeit nur ein erfreuliches Zeichen dafür ist, daß die natürliche Auslese in Kraft besteht und durch sic die schwächsten Kinder ausgemerzt werden, be trachtet Kruse eine höhere Säuglingssterblich keit, wie sie in Preußen besteht, als einen Mißstand. Kruse wurde in dieser Ansicht durch das Studium der französischen Nekrutierungsstatistik be stärkt. Er verglich die Säuglingssterblichkeit in Frank reich in den Jahren 1840 bis 1849 mit den Aushebungs ergebnissen der Jahre 1800 bis 1869 und fand, daß von einer Auslesewirkung der Säuglingssterblichkeit nichts zu spüren war: wo die Säuglingssterblichkeit hohe Ziffern aufwies, war die junge Mannschaft durchaus nicht kräftiger und freier von körperlichen Mängeln als im entgegengesetzten Falle. Infolgedessen tritt Kruse warm für die Bekämpfung der Säuglingssterblichkeit ein und empfiehlt dabei das in Schweben erprobte Mittel, die künstliche Ernährung der Säuglinge durch die natür liche zu ersetzen. Berlin, 20. Juni. (Milch al- Heilmittel im Sinne des Krankenversicherungs gesetzes.) AuS -en Jahresberichten der deutschen Krankenkassen erhellt, wie bei diesen di« Mtlchgewährung immer mehr in Aufnahme kommt. Es ist noch streitig, wie weit Krankenkaffen Milch gewähren dürfen. Die Beant- Wartung dieser Krage hängt davon ab, ob Milch im Sinne deS 8 6 Abs. 1 Ziff. 1 des Krankenversicherungsgesetzes als „Arznei" oder als »Heilmittel" zu betrachten ist. Da beide Begriffe eine gesetzliche Definierung nicht gefunden haben, ist man auf die ergangene Rechtsprechung angewiesen. Daraus ergibt sich nicht», was für die Einreihung -er Milch unter -en Begriff „Arznei" spräche. Dagegen spricht sich «ine Entscheidung deS Bundesamtes für das Heimatwesen un- ein badischer Mtnisterialerlaß aus. Die erstere erkennt -er Milch auch den Charakter des „Heil- mittels" im Ginne des KrankenversicherungSgesetze» ab selbst für den Kall, -aß sie „ärztlich verordnet" wird, be zeichnet sie aber als ein StärkuNg-mittel. Der badische Erlaß bezeichnet sie ebenfalls al- Stärkungsmittel; aber als einfaches, das unter di« Heilmittel fallenkann. Der KommtssionSbertcht au» dem Jahre 1883, -er heute noch maßgebend ist, da die Novelle hinsicht lich -e- Begriffs Heilmittel eine Abänderung nicht ge- bracht hat, weist, wie in der „Arbciterversorgung", Zen- tralovgan für daS gesamte Kranken«, Unfall- und Inva- ttdenversicherungswesen, hervorgehoben wirb, darauf hin, -ah „unter den zum Zwecke der freien Kur zu gewährenden Leistungen außer der freien ärztlichen Behandlung un freier Arznei auch solche Heilmittel mit aufgeführt sind, welche mit der Krankenbehandlung in unmittelbarem Zu sammenhänge stehen und zur Sicherung des Erfolge» der Kur notwendig sind". Dies trifft bei der Milch vollauf zu, und so ist sie as jure al- „diätetisches Heilmittel" zweifel los anzusehen. Mau darf vielleicht denen zustimmen, welche meinen, wo eS sich in der größeren Mehrzahl der Fälle um abgearbeitete und durch Unterernährung ge schwächte Personen handelt, denen gerade auch im finan ziellen Kaffeninteresse so schnell wie möglich die frühere Arbeit-- und Erwerb-Möglichkeit zurückgegeben werden soll, gelte eS, die darnieberliegenden Kräfte zu heben und zu beleben, wozu di« Milch bet ihrem hohen Nährwert« nicht nur da» geeignetste, sondern auch da- allerbilligste Kurmittel darftelle. Der derzeitige Milchkonsum der Krankenkaffen ist bereit- als erheblich zu bezeichnen. Im Jahre 1901 haben z. B. vier größere Ortskrankenkassen, nämlich die Ortskrankenkaffe in Dresden, die Allgemeine Ortskrankenkasse zu Frankfurt a. M., die Ortskrankenkasse der Kaufleute und die Allgemeine Ortskrankenkasse zu Berlin bet einer Mitgliederzahl von rund 256 000 allein rund 400 000 Liter an Mitglieder abgegeben, so daß mit hin 1,56 Liter auf den Kopf des Mitgliedes pro Jahr kommen. Man wird deshalb nicht fehl gehen, wenn man den derzeitigen Milchkonsum der Krankenkassen bet einer Gesamtmitgliederzahl von annähernd 10 Millionen pro Jahr auf mindesten» rund S Millionen Liter anschlägt. Eine weitere Steigerung >steht zu erwarten, wenn eine nicht geringe Zahl von Krankenkassen un- Kassenärzten ihre bisher der Mtlchgewährung gegenüber festgehaltene, mehr abwartende Stellung aufgibt. * verli«, 20. Juni. (Wirkung -er Gleich stellung der höherenGchulen inPreußen.) Ueber die Wirkungen, die die Gleichstellung der Gym nasien, Realgymnasien und Oberrealschulen in Preußen für die Berechtigung zu UntversttätSstudien au-geübt hat, gibt eine Zusammenstellung Aufschluß, die A. Tillmann in Berlin im neuesten Hefte der Monatsschrift von A. Matthias und R. Köpke veröffentlicht. Istn November vorigen Jahres ist eine Erhebung über die Reifezeugnisse der Studierenden der preußischen Universitäten veran staltet worden. Dabet sind Ausländer und solche Stu dierende, die nicht auf Grund des Reifezeugnisse- einer Bollanstalt immatrikuliert waren, unberücksichtigt ge blieben. Die Zusammenstellung der Ergebnisse dieser Er- Hebung gibt folgende» Bild: Zur Zeit der Umfrage waren in den juristischen Fakultäten der preußischen Universitäten immatrikuliert 8895 Studierende, von denen 15S das Reifezeugnis eine» Realgymnasiums und 23 daS einer Oberrealschule hatten. Bemerkenswert sind auch die Zusammenstellungen über die Teilnahme an den im wesentlichen für Realabiturienten geschaffenen Kursen zur sprachlichen Eiyführung in die Quellen deS römischen Rechts, die im W.-S. 1V02/0S an den preu ßischen Universitäten Berlin, Bonn, BreSlau, Göttingen, Mar burg, Münster veranstaltet wurden. Bon den 85 Teilnehmern (81 Juristen, 4 Staatswissenschaftler) dieser Kurse hatten 63 das Reifezeugnis eines Realgymnasiums und 7 das einer Oberrealschule, die übrigen 15 waren Ghmnasial-Abiturienteu. Von den Toiknehmavn Ivanen die Mehrzahl, nämlich 78, Preußen. Neben den Lateinkursen finden, wie bekannt, auch Anfängerkurse im Griechischen statt und zwar außer für Studierende der juristischen auch für solche der medizinischen und der philosophischen Fakultät. Diese Kurse wurden abgehalten in Berlin, Göttingen, Greifs wald, Halle, Königsberg, Münster, während sie in Breslau und Bonn nicht zustande kamen. Von den 86 Teilnehmern waren 50 Juristen. Sehr auffallend ist es, daß nur ein ein ziger Mediziner sich beteiligte. Wie viel von den 50 Juristen etwa das Zeugnis einer Oberrealschule hatten, ist aus der Statistik nicht ersichtlich. Diese gibt nur an, daß von 86 Teilnehmern an den Kursen 16 das Zeugnis einer Oberreal schule, 2 das einer Realschule, 1 das Zeugnis der theologischen Schule in St. Petersburg hatte; die übrigen 67 waren Real- ghmnasial-Abiturienten. Von den nach Abzug der Juristen und Mediziner noch übrigen 35 Teilnehmern an den Kursen studierten 8 klassische Philologie, 1L neuere Philo logie, 3 Deutsch, 2 Geschichte, 4 Mathematik und Naturwissen schaften, 2 Staatswiffenschaften, 4 sonstige Fächer. Die Be teiligung der Realgymnasial-Abiturienten am medizinischen Studium überhaupt war ebenfalls nur gering. Von den 2418 Medizinern» die in Preußen im Winter-Semester 1902—1903 immatrikuliert waren, fallen auf das Realgymnasium nur 88. Noch niedriger ist der Pro zentsatz, den das Realgymnasium zu den 1129 Studierende« der klassischen Philologie beisteusrt, nämlich nur 80; Abiturienten einer Oberrealschule waren gar nur 6 immatrikuliert. Geschichte endlich studierten 257 Gymnafiak- und 14 Realgymnasial-Abiturienten und Mathematik und Naturwissenschaften 1848, mit dem Reifezeugnis eine» Gym nasiums 6, 545 mit dem eines Realgymnasiums und 245 mit dem einer Oberrealschule. Km ganzen scheint diese Uebersicht die Ansicht zu be stätigen, daß für die in Betracht kommenden Studienfächer nach wie vor das Gymnasium alS die geeignetste BorbU- Lungsanstalt anzusehen sei. 8. Berlin, 20. Juni. (Privattelegram«,.) Der Führer der Freisinaigea Lereiniguug vr. Barth schreibt i« der „Nation": Hart bedrängt von der Sozialdemokratie aas der »tue» »nd de» reaktionäre» Parteien ans der andere« Sette, hat der Freist»« sich kotz der größte« Anstrengung«, aur «nter Verlust,« iu diese, Wahl behanpteu könne«. Aber sei», Led««tu«g als Daan« gegr« di« Reaktion ist heute größer als j« zuvor. wmu « iu der Schicksals prob«, di« uns brvorfteht, d«n liberale» Srundsätzeu ah«e wank« di« Treue hält, sei»» politisch« VesonueaheU bewahrt »nd all«« reaktionäre« Berlocka»ge» g«g,»über sta»dhast bleibt, so wird «r t« den bevorstehende« politisch«« Kämpf««, trotz sei»», aamerisch«« Schwäch«, vielleicht «fite entscheidend« Rolle zu spiele» hab«, Bo« seiner Haltung wird »S wahrscheinlich abhänge«, ob die Reaktionäre es riskiere» werdeu, zu einem Sewaltstrrich gegen di» Sozial-«»«- krati« aaSzshole». Da eia solcher reaktionärer GewaltaV d«r Be gin« einer sehr »rusteu Inneren KristS sei» würde, sa ist dst politisch« v«raatwortung des entschiedenen Liberalismus nicht g«rfieg »» veranschlag». Der Freisinn, der sich t«, Kampfe gegen Hst Reaktion «icht bewährt, hat seine« Beruf verfehlt. Das wird man sich a»ch aagesichts der bevorsteheud«» Stichwahl,» ,« vergq^»- württgen habe». Der Haoptfetid steht «ach dem IS. I»«i recht», wie er vor de« 1». Za»i recht« stand. Dst «estßr reaktionärer AnSschreitnngea ist aber h«»t» größer al» st znvar. Ma» kann sie nicht dadnrch binnen, daß man di« Zahl der Mmchat» der reaktionären Partei«« mrmehren Hilst, sonder» nur dadmch, tzch
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite