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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 24.07.1902
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-07-24
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19020724025
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902072402
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902072402
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1902
- Monat1902-07
- Tag1902-07-24
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821« veigeholt, un- so fübten denn ARHwenbiger Weise die Krankheiten auch leichter zur Erwerbsunfähigkeit. Aber auch die Gemeinden werden durch das Fehlen der Krankenversicherung auf dem Lande fehr belastet. Während für einen Unfall in den ersten 13 Wochen sonst die Kranten- eassc eintritt, muh auf dem Lande bei Unvermögen deS Berichten die Gemeinde cintreten und erst von der 14. Woche an die Unfallberusogenvffcnschast. In Folge dessen sind vielfach die ländlichen Gemeinden und GntS- bczirkc stark belastet. * Berlin, 23. Juli. (Der Krieg als Hilfsmittel der Socialdemokratie.) Aus der Feder Karl KautSky'S ist im Verlag deS „Vorwärts" eine Schrift er schienen, welche von dem socialdemokratischen Centralorgan empfohlen wird und in Massen verbreitet werden soll. Sie führt den Titel „Die sociale Revolution" und behandelt im letzten Abschnitt „Die Formen nnd Waffen der socialen Revo lution". Da wird mit vürren Worten gepredigt, daß die Socialdemokratie ihre Hoffnung auf einen Krieg setzen soll. „Ein Mittel, die politische Entwickelung zu beschleunigen nnd dem Proletariat Len Besitz der politischen Macht in die Hände zu spielen, kann auch ein Krieg werden. . . Ein Krieg kann nicht geführt werden ohne die Anspannung aller Volkekräfte. Besteht ein tieferer Zwiespalt in der Nation, dann zwingt derKriegdie herrschende Classe, der aus st redenden Co ncessioncn zu machen, sie an dem Gemeinwesen zu interessiren und ihr so eine Macht zu verleihen, die sie ohne den Krieg "nicht erlangt hätte. . . Ist die herrschende Classe zu einem solchen Opfer nicht fähig, oder ist es dazu schon zu spät, dann führt der Krieg nur zu leicht zu einer Niederlage nach außen, die dann den Zusammenbruch im Innern nach sich zieht. Er stürzt ein Regime, das in der Armee seine vornehmste Stütze sieht, indem er diese zerbricht. So hat sich der Krieg nicht selten als ein zwar brutales und verheerendes, aber doch wirksames Mittel des Fortschrittes unter Um ständen erwiesen, wo die anderen Mittel versagten." Es fehlt nur noch die Aufforderung an die „Genossen", möglichst darauf hinzuwirken, daß das deutsche Reich von seinen Feinden überfallen und in Kriezsnöthe gestürzt werde. Kautsky behauptet allerdings, nur eine objektive Untersuchung von wissenschaftlichem Werth anstellen zu wollen! Bis zur praktischen Durchführung möchte man wohl die eigene Armee erst besser untergraben und socialistisch durchseuchen, wie Kautsky selber sagt: „Der Militarismus kann nur noch dadurch gebrochen werden, daß das Militär selbst un zuverlässig erscheint, nicht dadurch, daß cs vom empörten Volke besiegt wird." Selbstverständlich muß eine solche Schrift bei den irregeleiteten und unzufriedenen Massen ge fährlich wirken. (B. N. N.) — Von der Nordlandsreise deS Kaisers wird gemeldet: Aalesund, 23. Juli. (Telegramm.) Die „Hohen- zollern" verließ heute früh Drontheim, um nach Orrskog zu fahren. An Bord Alles wohl. (Wiederholt.) Soeholt, 23. Juli. (Telegramm.) Die „Hohen- zollern" ist soeben nach guter Fahrt vor Oerskog eingetrofsen. Ob die Fahrt nach dem Geirangersjord stattsindet, wird vom Wetter abhäugen. An Bord Alles wohl. — lieber den angekündigten Besuch des deutschen Kaisers in England macht die „Truth" nähere Angaben. Danach soll der Kaiser am 2. August von Kiel an Bord der „Hohenzollern" nach Cowes fahren, um dem englischen Königs paare einen kurzen, streng privaten Besuch abzustatten. Der Kaiser werde bei dieser Gelegenheit an der Regatta in Cowes theilnchmen, ebenso an der Wettfahrt um den KönigSpocal, an der die Kaiseryacht „Meteor" theil- nimmt. — Für den Kaiserbesuch in Schwerin sind nach der „Berl. Börs.-Ztg." folgende Bestimmungen getroffen worden: „Der Kaiser trifft am 1. August 12 Uhr Mittags mit Sonderzug auf dem Bahnhof in Schwerin ein und begiebt sich unter militärischer Escorte ins Schloß, wo das Frühstück eingenommen wird. In den Straßen vom Bahnhof zum Schloß bilden Kriezervereine und Truppen Spalier. Nach dem Frühstück fährt der Kaiser mit kleinem Gefolge zum Herzog Johann Albrecht nach Schloß Willi grad, nimmt dort den Thee ein und fährt zur Galatafel ins Schloß zurück, von wo noch Abends die Abreise erfolgt." — Prinz Komatsu, der Bruder des Kaisers von Japan, traf beute Abend 9 Uhr 48 Minuten aus Düsseldorf hier ein und fuhr nach dem Kaiserhof, wo eine Reihe von fünf zehn Zimmern im 1. Stock für ihn und sein Gefolge in Bereilschast stand. — Das Reichs-Versicherungsamt hat neuer dings den Rechtsgrundsatz aufgestellt, daß, wenn sich eine Wittwe im Laufe eines Monats nach Auszahlung der für diesen Monat geschuldeten Hintcrbliebenen-Renten wieder vcrheirathet, eine Kürzung der auf die Zeit von der Wicderverheirathung bis zum Monatsschluß entfallenden Witwenrente von der Abfindungssumme selbst dann un zulässig ist, wenn neben der Wittwe mehr als zwei Hinter bliebene Kinder rentenberechtigt sind. — Eine andere neuere Entscheidung desselben Amtes geht dahin, daß die Ehefrau eine- verletzten) welche ihre Ehe mit demselben erst nach dem Unfall cingegangen ist, auch nach dem neuen Gewcrbe-Unfall-Versicherungö-Gesetz während der Heil anstaltspflege ihres Ehemannes Anspruch auf Rente hat. — Die deutsche Auswanderung erreichte An fangs der achtziger Jahre einen so hohen Stand, wie nie zuvor. In den achtziger Jahren blieb der Jahresdurch schnitt über ION NW, um erst von 1894 ab dauernd auf einen beträchtlich niedrigeren Stand zu sinken. Im Winter und Frühjahr 1902 ist das Auswanderungsgcschäst ganz beson ders lebhaft gewesen, doch entfällt von der Steigerung der Passagicrzahlen nur ein geringer Theil aus die deutsche Auswanderung. Im ersten Vierteljahr ist freilich gegen 1M1 eine Steigerung um '>0 Proccnt cingctretcn. Die Vertheilung der Auswanderung auf die einzelnen Monate schwankt aber bei den verschiedenen Jahren so beträchtlich, daß man abwartcn muß, ob nicht der Unterschied im Laufe der Jahre ganz oder beinahe ausgeglichen wird. — „Die Wahrbeit über die StolperRede" will die „Ztq. f. Hinterpommern „erfahren haben, und sie hält mit ihr nicht hinter dem Berge. Das conservative Stolper Blatt schreibt: Wir haben seinerzeit von der Rede keine Notiz genommen, denn sie war, bei einem fröhlichen Festessen von dem Minister in der ihm eigenen, jovialen Weise gehalten, nicht für die Oesfentlichkeit bestimmt und trug keinerlei osficiellen Charakter. Was ist den» nun aber eigentlich Wahres an der ganzen Geschichte? Einzelne Bruchstücke der Rede sind völlig unverstanden, entstellt und unrichtig aufgefaßt in die Oesfentlichkeit gedrungen, und ein übereifriger, zeilenwüthiger Berichterstatter frei- sinniger Zeitungen hat dann nach drei Wochen etwas zusammen gestoppelt, was auch nicht mehr im Entferntesten Aehnlichkeit hat mit dem, was der Minister sagte. Wir stellen hiermit fest, daß der Minister nichts geredet hat von „Schweinevich", von „altem Zopf", von „nach dem Staate schreien", von „Fußstapfen der Socialdemokratie" und von dem „Pfifferling der Re gierung". Nun kommt aber die „Voss. Ztg." in einer Polemik mit der „Krzztg." auch noch einmal auf die PodbielSki'sche Rede zurück und schreibt: Wenn die „Krcuzztg." betont, daß sie das, was sie über die Stolper Vorgänge wisse, von einem Herrn habe, der dabei war, so glaube» wir ihr Liese Versicherung gern. Aber müssen wir ihr denn noch sagen, daß auch unser Bericht auf Augen- und Ohrenzeugen zurückzusühren ist? Frage die „Kreuzztg." doch einmal bei dem Obersten a. D. v. Mitzlasf-Großendorfs an, welcher der Versammlung vorsaß, oder bei den Herren v. Below- Salcske, Holtz-Schwetzkow, Heinemann-Gluschen, v. Böhn-Deutsch- Buckow, Mack-Vessin und Arnold-Ruth an, und sie wird schon so viel hören, daß sie nicht mehr bezweiselt, Herr v. Podbielski habe wirklich so gesprochen, als von uns gemeldet worden ist. Und vermuthlich noch etwas mehr als das. Wer hat nun Recht? — Zu den von verschiedenen Seiten gebrachten Nach richten, daß die Mission des Professors v. Hertling in Rom wegen Errichtung einer katholisch - theologi schen Facultät in Straßburg wieder gescheitert sei, schreibt die „Nat.-Ztg.", sie habe Grund zu der An nahme, daß Professor v. Hertling eine neue Mission in dieser Sache überhaupt nicht gebabt habe. Wenn er sich abermals darum bemüht habe, so habe er dies aus eigener Initiative, wenngleich auf Grund seiner Kenntniß der Auf fassung der Regierung gelhan. — Die Münchener „Allgem. Ztg." sieht in diesem Sckeitcrn einen Erfolg der Umtriebe Rampolla's und des ehemaligen Erzbischofs von Toulouse, Mathieu, der seit 1899 als „Oaräiuai t'rautz»i8 clo Lurie" am päpstlichen Hofe lebt, und sagt: So kehrt Professor Hertling ebenso geräuschlos wieder, wie er nach Rom gegangen. Mit aufrichtigem Schmerz wird er sich deS verstorbenen Tarnassi erinnern, der dem Straßburger Project mit der loyalen Sympathie eines universellen Geistes gegenüberstand, der jederzeit den Standpunct vertrat, daß es die Agonie der katho lischen Theologie Deutschlands bedeuten würde, wenn ihre Ver treter vom akademischen Leben der Nation abseits stehen müßten, zum wissenschaftlichen Treibhaus-Dasein an rein kirchlichen Lehr- anstalten verurtheilt. Tie Mathieu-Rampolla haben gesiegt und sind sicher, daß kein künftiger Nuntius in München ihre Cirkcl stören wird, nachdem der unerbittliche Tod Tarnassi und mit ihm den letzten Deutschenfreund der jüngeren vatikanischen Generation dahingerafft hat. Los und Hertling aber haben hoffent lich Gelegenheit, sich über ihre römischen Erfolge auszusprechen. — Die Ergebnisse der polnischen Sammlungen ge legentlich der Grunwalbfeier sind recht dürftig geblieben. In Lemberg kamen 4800 in Krakau etwa 3600 in Rußland gegen 20 000 in Preußen elwa 14000 zusammen. Jnsgesammt wird also kaum ein Betrag von 50 000 erreicht werden, wofür Actien der polnischen Land bank «»gekauft werden sollen. Die Zinsen des Grunwald- sonds sollen für Zwecke der Volksbildung verwendet werden. — Der französische Nachtbesitzer Trousselle traf in der vorigen Woche in Bergen ein. Kaiser Wilhelm stellte ihm für seine havarirte ?)acht einige Taucher zur Verfügung, die den Schaden besehen sollten. Dies bot dem Franzosen Anlaß zu einem Dankbesuch beim Kaiser. Im Verlaufe deS Gespräches war von Waldeck-Rousseau nicht die Rede. — Die Dachdecker Berlins und Ilmgegend beschlossen gestern Abend in einen theilweisen Ausstand rinzutreten. Ihre Forderungen sind: Mindeststundenlohn 65 (bisher 60 ^s), Abschaffung der Ueberstunden, strenge Durch führung der Schutzvorschriften, Regelung der Fahrgeld- srage. Die Meister haben in ihrer Sitzung vom 18. d. M. beschlossen, den verlangten Stundenlohn erst vom 1. April 1903 ab zu bewilligen. Laut Versammlungsbeschluß haben die Gesellen zuvor auf drei namhaft gemachten Werkstellen schon heute die Forderungen zu stellen und, wo diese nicht bewilligt werden, die Arbeit niederzulegen. — Etwa 1000 Bauhilfs- arbeit er beschlossen gestern, den bisher nur Lohnarbeiter umfassenden Ausstand auch auf die Accordarbeiter auS- zudehnen. — Der Reichstagspräsident v. Ballestrem ist in Trauer versetzt worden durch den Tod seiner Schwägerin, der Gräfin Hedwig v. Saurma-Jeltjch, geb. Reichsgräfln Schaffgotsch, die im Aller von 56 Jahren auf dem ihrem ältesten Sohne Wilhelm gehörigen Schlosse Tworkan in Obcrschlesien, dem Majoratssitz der gräslichen Familie, verschieden ist. — Ab gereist ist der Landwirthschastsminister von Podbielski nach West- und Ostpreußen. (-) Eadincn, 23. Juli. Gestern Nachmittag machte die Kaiserin mit den kaiserlichen Kindern einen Ausflug nach Tolkemit und kehrte gegen 7 Uhr nach Cadinen zurück. In Folge deö anhaltenden Regenwetters ist heute kein Ausflug unternommen worden. Die Kaiserin empfing heute den Fürsten und die Fürstin zu Dohna, sowie Len Grafen Richard Dohna und den Grafen und die Gräfin Dohna-Waldburg nebst Töchtern. Aus dem Wahlkreise Frankeustcin-Müufterberg. Der Centrumsabgeordnete Pfarrer Langer beabsichtigt, wie ge meldet, in einen Orden und zwar in den Nedemptoristen- orden seines Wohnortes Wartha rinzutreten und wird deshalb sein NeichStagömanvat niederlegen. Geschieht dies, so kommt cS in dem schlesischen Wahlkreis Frankenstein- Münsterberg zu einer Ersatzwahl, die sich in deß ohne große Wahlbewegung vollziehen wird, da in diesem Kreise das Centrum allmächtig herrscht und keine andere politische Partei neben sich auskommen läßt. Die Socialdemokraten brachten es im Jahre 1898 auf 547 gegen 6982 Stimmen, die auf Pfarrer Langer fielen. Im Reichs tag sowohl wie im Abgeordnetenhause ist Letzterer als Redner wenig hervorgetreten, desto mehr aber als Wahl-Agitator in schlesischen Wahlkreisen. * Frankfurt a. M., 23. Juli. Nach dem „Rhein. Cour." besteht die Absicht, für den kaiserlichen Hof eine Etage deS Hotels Imperial in Frankfurt a. M. dauernd zu miethe», damit der Kaiser cinerjeits dort bei Bedarf stets ein würdiges Quartier habe und damit er andererseits seinen durchreisenden Gästen dort Gastfreundschaft gewähren könne. Von der Gastfreundschaft der Stadt Frankfurt scheint der Kaiser demnach keinen Gebrauch mehr machen zu wollen. Zunächst war sogar in Aussicht genommen, eine Villa als Hosguartier zu miethen, man kam aber wieder davon ab und setzte sich mit dem genannten Hotel in Verbindung. -s- AuS Vaden schreibt man uns über die badischen Conservative» und die Ordensfrage: Ein Symptom dafür, wie tiefgehend in Baden bei allen nicht klerikal Gesinnten die Beunruhigung wegen der Zulassung von Männerklöstern ist, dürfte ohne Zweifel vie unter den badischen Confervativcn aus diesem Anlaß eingetreteue Spaltung sein. Während in der zweiten Kammer der Conser vative Freih. von Stockhorner für Len OrdenSantrag des Centrums gestimmt hat, spricht der ebenfalls conservative Freih. von Göler in der „Badischen Landpost" die Erwartung aus, „es werde sich im badischen Lande doch kein Cullus- minister finden, der eS wagen würde, dem Verlangen Les Centrums in dieser Frage nackzugcben und damit einen neuen Culturkampf heraufzubeschwören, gegen welchen der Culturkampf der siebziger Jahre wie ein harmloses Kinderspiel erscheinen würde". Die badische Centrumspresse ist über diese Haltung um so mehr er bittert, je mehr dieselbe danach angethan ist, der Befür wortung des klerikalen Ordcnsantrages durch Len Frhr. v. Stockbvrner auch die geringe Bedeutung zu nehmen, die ihr innewohnte. Wenn das Mannheimer Centrumsblatt bei dem gedachten Anlaß es als „zwar haßerlülltes, aber dummes Geschwätz" bezeichnet, von einem eventuellen Cultur kampf wegen der Mänuerklöster zu sprechen, so charakterisirt es nicht blos seine Umgangsformen, sondern auch seine Wahr heitsliebe. Denn Las Mannheimer Centrumsorzan weiß doch ganz genau, daß nicht blos die „2>/r" Anhänger des Frhrn. v. Göler in der Ordensfrage keinen Spaß verstehen sondern auch die gesammte nationalliberale Partei. * München, 23. Juli. Der Protest der Würzburger Zehn harrt noch seiner Erledigung durch das bayerische Cultusministerium. Der „Köln. Ztg." wird darüber au» München gemeldet: „Der letzte Ministerrath be traf nicht die Angelegenheit des Ministers v. Land mann, sonvern die Frage der NeichstagSdiäten, worüber der Finanzminister sich mit den College» besprechen wollte. Die Acten über den Würzburger Fall waren noch unter V.Landmann im CultuSniinisterium cingelaufen. v. Land mann ließ sie unerledigt. Schraut fragte dann in Würzburg an, womit der Senat die Behauptung begründe, die Angaben v.Lanbmann'S ständen im Widerspruch mit den Acten, und wer die Veröffentlichung ter SenatSbeschlllsse veranlaßt habe. Die Antwort ist bisher nicht cingelaufen. Auch der Ausschuß deSReichS- rathS behandelte am Sonnabend den Würzburger Fall." — Ueber die Würzburger UniversitätSwahlen wird den „Münch. N. N." geschrieben: „Die Wabl deS Rectors und des Senats berührt das EnthebungSgesuchin keiner Weise. Die AmtSthätigkeit des alten RectorS und der Hälfte der Senatoren läuft am 15. October ab. Ist bis dahin keine Entscheidung über deren Amtsniederlegung getroffen, so ist diese allerdings gegenstandslos geworden. Aber das Enthebungsgesuch der zurückbleibenden Hälfte ist dann immer noch zu bescheiden. Wird eS abgelebn», so liegt die Sache wie in jedem Jahr, das heißt die Neugewählten und die verbleibende Hälfte bilden den Senat für 1902/1903. Wird das Gesuch aber genehmigt, so hat für die Demissionirenden Neuwahl statt zufinden." Oesterreich - Ungarn. Besuch drs Sronprinzen von Sachsen. * Ischl, 23. Juli. Der Kronprinz von Sachsen traf heute Nachmittag mittels HofsonderzugeS hier eia und wurde am Bahnhofe vom Kaiser Franz Joseph, der die Uniform seines sächsischen Ulanen-Negiments mit dem Bande deS Haus-Ordens der Rautenkrone trug, empfangen. Nach herzlicher Begrüßung fuhr der Kaiser mit dem Kronprinzen nach dessen Absteigequartier, wo sich die Großherzogin Marie Valerie eingefunden hatte. Der Kaiser und die Erz herzogin verweilten etwa eine Viertelstunde bei dem Kron- Prinzen und fuhren sodann nach der kaiserlichen Villa. Unmittelbar darauf stattete der Kronprinz, begleitet von dem ihm zugetheilten Ehrencavalier, dem Kaiser einen viertelstündigen Besuch ab. Gegen ^4 Uhr holte der Kaiser den Kronprinzen zu der in der Kaiser-Villa stattsindendcn Tafel ab, an der auch die Erzherzogin Marie Valerie, der sächsische Gesandte Graf Rex und das Gefolge des Kron prinzen theilnahmen. (Wiederholt.) * Ischl, 23. Juli. Heute Abend fand in der kaiserlichen Villa Familiendiner statt, an dem der Kronprinz von Sachsen, sowie die kurz vorher hier eingetrofsenen Prinzen Leopold und Georg von Bayern theilnahmen. Böhmischer Landtag. * Prag, 23. Juli. Bei Berathung des Landesbudgets führt Berichterstatter Forscht aus, der schlechten Finanzlage des Landes könnte nur durch eine billige Verständigung im nationalen Streit abgeholfen werden. Brehm (Alldeutscher) sagt, die Deutschen stellten das Slaatsintereffe Vorau; sie verlangten für sich das Vor recht. Der Landtag habe nicht das Recht, über die sprachlichen Fragen zu beschließen. Abg. Bärnreitter (Verfassungstreuer Großgrundbesitz) sagt, Ministerpräsident Lr. von Koerber habe mit Geschick die wirthschaftlichen Fragen in den Vordergrund gerückt. Es sei unleugbar, daß die wirthschöstliche Noth auf die politischen Verhältnisse einwirke. Es sei absolut nothwendig, daß die natio nalen Streitigkeiten zurückgestellt werden. Die Partei des Redners, welche neu in den Landtag eingetreten sei, werde alle jene Maßregeln unbedingt unterstützen, welche den deutschen Vertretern im Landtage eine der Bedeutung der deutschen Volkssache ent sprechende Stelle geben. Bor Allem handle es sich darum, welche Methode angewendet werden müsse, um nach und nach den ganzen Coniplex der nationalen Streitfragen zu ent wirren. Man solle nicht aus Jahrhunderte alten Gesetzen in den Sprachensragen Rechte deduciren. „Wir müssen", sagt Redner, „die Lösung aus modernem Wege durch Prüfung der praktischen Verhältnisse suchen. Wir müssen den Standpunct der Chikane durch Hervorkehren der Sprachenrechte verlassen. Wir haben alles Interesse daran, daß der gute Keim, der in der jetzigen politischen Situation liegt, entwickelt werde, nicht nur zum Heile des Reiches, sondern auch des Landes." (Lebhafter Beisall.) Abg. Markert (deutsche Volkspartei) erklärt, seine Partei verlange Selbstverwaltung und die administrative Theilung des Landes in ein deutsches und ein tschechisches Gebiet. Der tschechische Redner Kallina verlangt die absolute Gleichstellung der Tschechen und Deutschen in Böhmen. Nachdem noch Sch Ücker (Leutjchfortschrittl.) erklärt hat, die Deutschen verlangten die nationale Abgrenzung» wird die Debatte geschlossen. Frankreich. Stratzenkundgebungen. * Paris, 23. Juli. Nach einer christlich-socialen Protest versammlung gegen die Ausweisung der Congregationen kam eS vor dem Gebäude zu einer unbedeutenden Schlägerei zwischen Klerikalen und Republikanern und Socialisten, die Schmährufe auf die Geistlichkeit auSstießen. Mehrere Ver haftungen wurden vorgenommen. * Paris, 23. Juli (Abends). Auf der Terrasse des Cafö Cluny kam eS in später Abendstunde zu Zusammenstößen zwischen den Klerikalen einerseits und Republikanern trefflicher Töchterschullehrer, aber für die Erziehung einer freien Individualität bist Du nicht geschaffen. Aber, so offenherzig der Doctor gegen sich räsvnnirte, sein eigent liches Ich behielt doch zuletzt -en Sieg. „Aber sie hätte nicht so gleichgiltig, so ohne jedes Wort des Dankes von mir gehen dürfen", entschied er kurz. „Sie ist im Unrecht, nicht ich! So mag sie gehen, wohin sie will! Mit den Stunden hat es ein Ende!" Verdrossen saß Doctor Mollinar am Schreibtisch, zer streut corrigirte er einige Aufsätze, da, mit einem Male klang von draußen eine Frauenstimme an sein Ohr, hell nnd fröhlich wie das Zwitschern eines Vogels in der Morgenstunde. „Nein, Tante Betti, laß mich! Ich muß ihm allein guten Tag sagen!" Leise trommelte ein Finger gegen die Thür, und, ehe er noch ein brummendes Herein rufen konnte, ward diese schnell geöffnet und vor ihm stand eine junge, elastische Mädchengestalt in einfachem, dunklem Kleide. „Guten Tag, Fritz! Kennst Du mich noch?" Zwei blaue Kinderaugen leuchteten ihm entgegen, wie er sie früher schon einmal gesehen, über einer ruhigen Stirn lagen dichte, goldblonde Haare, nicht nach der Mode des Tages geordnet, sondern in schlichtem Scheitel herab fallend auf die Schläfen. In dem ganzen Antlitz nicht eine Linie, die besonders schön heißen konnte, um Mund und Nase sogar auffallende Unregelmäßigkeiten, aber der Aus druck von madonnenhafter Reinheit, von einer Klarheit, daß es war, als käme mit ihr ein Schimmer des Lichtes in das ernste, dunkle Arbeitszimmer des Doctors. Ob er nichts davon fühlte? Er stand ihr gegenüber so kalt, so gemessen. Zu seiner natürlichen Befangenheit kam jetzt noch die Nachwirkung des Auftritts, den er eben mit seiner Schülerin gehabt, er fand kein herzliches Wort der Gcgenbcgrüßung. Sein Händedruck, der den ihren erwiderte, war so steif und flüchtig. Das junge Mädchen bemerkte das. Ein leises Roth schoß ihr in das Antlitz bis an die Haarwurzeln. Ob er die unbefangene Herzlichkeit ihrer Worte falsch ausgelegt hatte? L)b man hier in der großen Stadt sich nicht so frei und natürlich geben durfte? Nun gut, sie war so un gelehrig nicht, er sollte sich über sie nicht zu beklagen haben! Und ganz die gemeßene Dame wieder, stand das junge Mädchen vor dem Doctor, von einer Zurückhaltung in Wort und Geberde, die ihrem Wesen eigenthümlich war, und die sie nur jetzt in der Freude deS Wiedersehens für einen Augenblick abgestreift hatte. Aber seine Gedanken waren so weit entfernt von all' Dem, was um ihn her vorging, weilten in so ganz anderen Kreisen, daß er auch diese Veränderung nicht bemerkte. Sein Herz schlug hörbar, eine quälende Unruhe war über ihn gekommen, es trieb ihn hinaus aus der engen Stube in Las Freie. Und sah die Wohnstube nebenan auch jetzt so traulich und gemüthlich aus, und stand hier vor ihm der junge Frühling in seiner lockenden Gestalt, indessen draußen der wachsende Hcrbststurm immer grimmiger durch die kahle» Bäume heulte, gerade danach war ihm jetzt zu Muthe. In ihm gährte Alles, er mußte den Wind um den müden, wüsten Kopf sich spielen lassen, vielleicht wurde ihm dann freier und besser. Er schützte einen nothwendigen Gang zu einem College« vor und verließ das Zimmer. Director Wöhrmann war von den Mittheiluugen, die ihm der Doctor am nächsten Vormittag über den Ausgang seiner Stunden machte, nicht angenehm berührt. Er fand es unrichtig, die Flinte so früh ins Korn zn werfen, ja, er konnte einige versteckte Andeutungen nicht unterlassen von gekränkter Eitelkeit. Der Doctor aber ließ sich einmal auf Einwendungen nicht ein. Er hatte heute uur bis elf Uhr Unterricht zu geben und machte sich nun gleich von der Schule aus auf den Weg zur Frau Koralli. Es war ein schwerer Gang, der vor ihm lag! Er wußte, daß sein Entschluß all' die schönen Hoffnungen zerstörte, die Ellida's Mutter auf diese Stunden gesetzt. Aber dieser Entschluß war unbeugsam. Er innerte sich noch der Wohnung, die ihm der Kunstreiter einmal genannt, als er den Unterricht seiner Tochter begonnen hatte. Sie lag in einer der stillen Straßen in der Nähe des Berliner Thores, vor dem der Circus aufgebaut war. Als er in dem leidlich anständigen Hause drei Treppen emporgestiegen war, wurde ihm erst nach mehrmaligem Klingeln geöffnet. Ob er Frau Koralli sprechen könne? „Koralli, Koralli?" fragte die junge Frau, die ihm öffnete. „Ach, Sic meinen die Kunstreiter da drüben vom Circus, nein, die wohnen hier lange nicht mehr. Die haben wir uns gleich vom Halse schaffen müssen. Der Wirth wollte sie nicht im Hanse leiden. Rudolf, wie heißt doch noch die Straße, in der die Circusleute wohnen?" „Tagneterstraße 15, vier Treppen!" rief eine ärgerliche Männerstimme zurück. Der Doctor stand wieder auf der Straße. Die Woh nung, die ihm genannt war, lag in einem abgelegenen Viertel der Altstadt; er konnte die elektrische Bahn be nutzen, denn zu Fuß wäre er nicht mehr hingelommen, und zu Mittag wollte er sich heute nicht gern verspäten. Von der Haltestelle der Bahn aus hatte er noch einige Straßen zu gehen. Die Gegend war ihm unbekannt; er entsann sich nicht, je einen Fuß in diesen Stadtthcil gesetzt zu haben. Vor den Häusern spielten zerlumpte Kinder. Hier kehrten Arbeiter mit rußigem Anzug und verdrieß lichem Gesicht zu Mittag heim. Dort trugen ärmlich ge kleidete Frauen Speisekörbe für ihre Männer, die nicht nach Hause kommen konnten. Aus der dichtgefüllten Destil lation drang der widrige Duft des Fusels; ein Lumpen sammler fuhr mit seinem Wagen, den er mit einem zottigen Hund gemeinsam zog, über das holprige Pflaster nnd lockte mit greller Stimme. Kinder sammelten sich um ihn herum und stierten seine Herrlichkeit mit blöden, stumpfen Blicken an, Frauen in nachlässiger Kleidung und mit ungeordnetem Haar schlotterten näher und feilschten um die unsaubere Waare, iudeß der abgetriebene Hund dampfend und mit weit heraushängcnder Zunge im Schmutze der Straße sich wälzte, bis ihn ein Fußtritt seines Herrn aufstörte, er war ärgerlich geworden über die Weiber, die nur feilschten und nicht einmal Lumpen für ihn übrig hatten, und ließ seine Wuth, wie er es gewohnt war, an dem Hunde aus. Mit kurzem Schmcrzgehcul sprang das Thier auf; keuchend zog es den Karren weiter, die Weiber schimpften hinter ihm her, der Lumpensammler pfiff gleichmüthig die gellende Pfeife. Aus einer Spcisewirthschaft klang der Lärm hadernder Gäste; die Mittagssonne aber, die in diesem Augenblick einen kurzen Durchbruch auch in diese enge Häuserreihe gewagt hatte, glitzerte über die hohe» Miethscasernen wie höhneud dahin und zeigte den starren den Schmutz und die klaffenden Riffe der lange nicht ge tünchten Wände in ihrer Nacktheit. Das also war die Welt, in welcher der vornehme Herr Koralli wohnte und Miß Ellida, seine Tochter, die größte Parforcereiterin des ContinentS! Zigeuner sind wir, und ich will nichts An deres sein, hatte sie gestern zu ihm gesagt, und die Worte waren ihm auf dem ganzen Wege nicht auS dem Sinn ge kommen. Die Tagneterstraße wenigstens, in die er jetzt einbog, war breiter und sah etwas freundlicher aus als die Nachbargaffe. Der Lumpensammler schien hier auch bessere Geschäfte zu machen, denn er schäkerte mit einigen häßlichen Frauenzimmern, und der müde Köter hatte sich ein Plätz chen in der spärlichen Sonne ausgesucht und schnarchte da- zu. Ja, das Haus, in dem der Kunstreiter wohnen sollte, war auf der einen Hälfte sogar mit einigen plumpen Stuck ornamenten verziert, für die andere schien dem Erbauer das Geld ausgegangen zu sein, denn hier war die Orna- mentirung nach einigen kümmerlichen Ansätzen bald auf gegeben worden. Mit seltsamen Empfindungen stieg der Doctor die vier Treppen empor, ein breiter und gefälliger Aufstieg, wie er ihn in dieser Gegend nicht vermuthet hätte. Und wahr haftig, die alte Frau mit dem noch schwarzen Haar und dem aufgedunsenen Gesicht, die ihm jetzt öffnete, und ihn aus leeren Augen fassungslos anstarrte, sie sah aus wie das rechte alte Zigeunerweib aus -en Märchen und Jugcndgeschichten. Nur jeder poetische Nimbus fehlte ihr, mit dem man solche Gestalten der Kindheit umkleidet. Ob eine Familie Koralli hier wohne? Dreimal schon hatte er gefragt, aber jedes Mal glotzten die leeren Augen ihm nur um so verständnißloser entgegen. Schließlich ließ sie ihn in der offenen Thür stehen, und unverrichteter Sache wollte er eben wieder von dannen gehen, als das laute Raffeln einer Nähmaschine plötzlich verstummte und Frau Koralli in abgetragenem, aber sauberem Kleide an der Thür erschien. Er merkte sofort, wie wenig angenehm es ihr war, daß er gerade hier sie aufsuchte; sie wußte sich aber zu be herrschen und bat ihn, näher zu treten. Man hatte ihn einen Augenblick allein gelassen. Er hatte Zeit, sich nmzusehen. Die Wohnung der Kunstreiter bestand aus zwei Zimmern und einer angrenzenden Küche. Die Zimmer waren groß, quadratförmig und entsetzlich unwohnlich, die Dielen abgetreten, die Wände leer, und die billigen Tapeten, obwohl sie noch nicht alt erschienen, an vielen Stellen zerrissen. An der verqualmten Decke waren große, gelbltchbraune Feuchtigkeitsflecke sichtbar, und die Lust in den noch ungeheizten Stuben strömte einen dumpfen, muffigen Näflegeruch aus. Die Ausstattung war dürftig: ein altmodisches, versessenes Sopha mit ge flicktem Cattunüberzug, der von Fettflecken glänzte, ein Tisch mit grauer Wachstuchdecke, einige Stühle mit zcr- riffenem Nohrgeflecht oder roh aufgenagelten Holzsitzen, einige alte Spinde oder andere unentbehrliche Stücke. (Fortsetzung folgt.)
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