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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 01.08.1902
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-08-01
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19020801020
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902080102
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902080102
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- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1902
- Monat1902-08
- Tag1902-08-01
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5380 siebeküng' Vitt deutsche« Auswanderern In Frage kommenden Thetle unserer' Schutzgebiete mehrfach aus das Wärmste eingetreten, weil er mit Recht hierin eine der wichtigsten Aufgaben nationaler Auswanderungs politik erblickt. Cs ist im höchsten Grade bedauerlich, das; noch heute englische und amerikanische Missionare in deutschen Schutzgebieten eine Schutthätigkeit ausübcn, ohne der deutschen Sprache mächtig zn sein; denn die Thal sache labt sich nicht bestreiten, dast durch die Schulthätigkcit von Missionaren, die nur englisch sprechen, die Verbreitung der Kenntniß des Deutschen unter -en Eingcbvrcnen zn- rückgehalten und die Erziehung der Letzteren zum Gefühle deutscher Staatszugchürigkeit erschwert wird. Der ge nannte Verein richtete daher im vorigen Monate eine Eingabe an den Reichskanzler, die darum bat, in allen deutschen Schutzgebieten nur solchen Missionaren, die der deutschen Sprache mächtig sind, die Ausübung ihres Berufes zu gestatten und als Unterrichtssprache nur die deutsche Sprache oder die Sprache der Eingeborenen zuzu lassen. Hierauf ist dem Verein jetzt von der Colonial-Ab- theilung des Auswärtigen Amtes eine Antwort Ange gangen, die als eine im Interesse der nationalen Aus wanderungspolitik mit Freude zu begrüßende bezeichnet werden darf. Die Antwort läßt erkennen, daß die Colo- nial-Abtheilüng die Ansicht des Vereines betreffs der Wichtigkeit deutscher Erziehung der Eingeborenen in den Schutzgebieten durchaus theilt; sie betont ausdrücklich, daß die Colonialverwaltung von jeher dieser deutschen Er ziehung der Eingeborenen ihre unausgesetzte Aufmerksam keit -»gewandt hat. Die Antwort führt dann aus, daß die Colonial-Abtheilung den in der Eingabe des Vereins erstrebten Zweck salso den Ersatz englischer Unterrichts sprache, wo solche in den Schutzgebieten noch herrscht, durch deutsche Unterrichtssprache) in kurzer, absehbarer Zeit durch gütliche Einwirkung auf die englischen Mifsions- gcsellschafteu zu erreiche» hofft. Im Interesse deutscher Ent wickelung unserer Colonien ist nur angelegentlichst zu wünschen, daß diese Hoffnung sich bald und einschränkungs los erfüllen möge,' die Colonial-Abtheilung wird sich durch eine erfolgreiche derartige Einwirkung ein Verdienst er werben, das Alle, die dem Auswanderungswesen ihre Auf merksamkeit widmen, in vollem Umfange zu würdigen wissen. — Ein Besuch des Kaisers in Neu-Gatteröleben zur Theilnahme an der Einweihung deS Denkmals für die verstorbene Gräfin AlvenSleben steht für Mitte August bevor. — Hier ist eine siamesische Sondergesandtschaft eingetroffen, die beauftragt ist, mit dein Deutschen Reich über einen Handelsvertrag zu verhandeln und angeblich auch daS deutsche Protektorat über die deutschen Katho liken in Siam anzuerkennen, was für überflüssig, da selbst verständlich anzusehen ist. An der Spitze der Gesandtschaft steht Prinz Cbira. Ihr gehören ferner der Minister Phya Suriya und andere siamesische Würdenträger an. — Die „Rheinisch-Weslf. Ztg." knüpft an die absolute Theilnahmlosigkeit, die das Ausland dem schweren Unglück auf der Elbe gegenüber bekundet hat, folgende Bemerkungen: „Die Zurückhaltung deS Auslandes ist für uns um so auffallender, als gerade jetzt vom „Rothen Kreuz" daS Resultat der unter dem Protectorat der Kaiserin ins Werk gesetzten Sammlung veröffentlicht wird, die für die von der Katastrophe in Martinique Betroffenen in ganz Deutschland unter amtlicher Reclame ins Werk gesetzt wurde. ES sind 60000 ^ll Wo bleiben jetzt die Condolenzdepcschcn deS Königs von England, für dessen hungernde Indier der Kaiser viele Hunderttausende sammeln ließ, wo blieb der russische Zar, für dessen Abgebrannte in Wyschtylen der Kaiser selbst sorgte, wo der Präsident von Frankreich, sür dessen Crrolen auf Martinique daS Rothe Kreuz 60 000 ^l sammeln ließ, wo der Präsident der Vereinigten Staaten, der vom Kaiser mit Höflichkeit geradezu überhäuft wird? Es ist die alt« Sache, die „internationale" Höflichkeit ist einseitig „deutsch"; da- Ausland hält sich zurück, nur wir, wir allein sind die Zuvor kommenden, Höflichen, Gebenden." — Eine aus Rectoren und Lehrern der Mittelschule bestehende Deputation begab sich kürzlich unter Führung des RectorS Grundig-Erfurt >nS preußische CultuSministerium zu einer nachgesuchten Audienz. Geheimrath Brandt verbreitete sich, wie der „Thür. Ztg." zu entnehmen, sehr eingehend über die Schwierigkeiten, tue einer einheitlichen Regelung deS MittelsihulweseuS im Wege ständen, besonders auch über die Schwierigkeiten, die eS machen würde, eine Reihe von Be rechtigungen für die Mittelschule durchzusetzen, die doch als uothwendig auzusehen seien. Die Normalmittelschule werde ueunstufig sein müssen. Erfreulich sei es, daß die Zahl der neunstufigen Mittelschulen in kurzer Zeit von 19 aus 35 ge stiegen sei. DaS lasse hoffen, daß nach erfolgter Regelung sich eine große Zahl von Mittelschulen zu neunsiufigen An stalten ausbauen werde. Alle drei aufgesuchten Geheinnäthe stimmten unbedingt dem Gedanken zu, daß die Leitung der Mittelschule und der Unterricht an derselben den seminarisch vorgebrldeten Lehrern Vorbehalten bleiben müssen. — In eine allgemeine Ausstandsbewegung einzu treten beschloß am gestrigen Donnerstag Abend eine von 600 Dachdeckergesellen besuchte Versammlung. Während bisher nur partiell vorgegangea wurde, wird von heute ab überall dort, wo bisher weniger als 65 Stundenlohn gezahlt wurde, die Arbeit verweigert. Nur auf solchen Bauten, wo »ach stattgehabter Aussprache mit dem Meister der verlangte Lohn anerkannt wird, soll die Arbeit fortgesetzt werden. — lieber „Juristendeutsch" schreibt Professor Otto Fischer zutreffend an die „Deutsche Iuristen-Ztg.": Schon seit einiger Zeit empfinde ich es mit Bedauern, daß das nach meiner Auffassung sprachwidrig gebildete Wort „dies- bezüglich" in die Schriftsprache der Behörden übernommen ist. In einer soeben mir zugehendcn Reichsgerichts-Entscheidung finde ich aber die Neubildung eines Wortes, die mir noch weniger sprach, gemäß zu sein scheint. In einem Urtheil deS Reichsgerichts vom 25. Juni 1902 heißt es: „Tie Revision ist durch diesgrricht- liches Verjäuinnißurtheil zurückgewiesen." Bei dem großen Ein fluß, den die Sprache des Reichsgerichts auf die Sprache der übrigen Gerichte und die Juristenwelt überhaupt ausübt, wäre es wohl zu empfehlen, mit der Neubildung solcher Wörter sehr vor sichtig zu sein. — Abgereist ist der Minister des königlichen Hauses v. Wedel nach Piesdorf. (-) Kiel, 3l.Juli. DaS Geschwader kehrte heute Nach mittag 6 Uhr auS See zurück, an Bord deö „Kaiser Friedrich III." wehte die Großadmiralsflagge deS Kaisers. Der Kaiser kehrte gegen 7 Uhr an Bord rer „Hohenzollern" zurück; zur Abenbtafel Ware» keine Einladungen ergangen. Morgen Bormittag wird der Kaiser sich nach Schwerin begeben. Im Gefolge werden sich befinden: Oberhof- und Hausmarschall Graf zu Eulenburg, der Commandenr deS Kaiserlichen Hauptquartiers General von Plessen, General adjutant Generalleutnant von Scholl, der Chef deS Militär- CabinetS Graf von Hülsen-Häseler, der Vertreter des Aus wärtigen Amtes Gesandter von Tschirschky und Bögendorff, der Stellvertreter deö Chefs des Civilcabinets Geh. Regie- rungSrath von Valentin!, Flügeladjutant Capitän von Grumme und Oberstabsarzt Or. Ilberg. * Cadinen, 31. Juli. Die Kaiserin wird, wie schon gemeldet, demnächst die Sommerfrische in Cadinen vorüber gehend verlassen und sich nach Kiel begeben, um dort den Kaiser nach der Rückkehr von der Nordlandsreise zu be grüßen. Da der Kaiser Anfang August zu den russischen Flottenmanövern nach Reval fährt, so wird die Kaiserin am nächsten Montag wieder nach Cadinen zurückkehren, wo die hohe Frau bis Mitte August zu verbleiben gedenkt. Am Sonntag, 10. August, findet im Beisein der Kaiserin die Fahnenweihe beim Kriegervereiu in Succase, unweit Elbing, statt. * Kissingen, 31. Juli. Der hiesige Cnrverein beab sichtigt, in der oberen Saline ein BiSmarck-Museum zu errichten. Die Zimmer, die Fürst Bismarck bei Lebzeiten bewohnte, sind noch in demselben Zustande, in dem er sie verließ. * Aus Würzburg wird den „M. N. N." geschrieben: Die Gegensätze, die sich durch den Verlauf der Affaire Chroust- Brenner innerhalb des hiesigen Professoren-Collegiums herausgebildet haben, bestehen unverändert fort. Ein Beweis dafür ist die Thatsache, daß die katholischen Mitglieder deS Senates der Senatösitzung vom vorigen Donnerstag, in der die Stellungnahme deS Senats zu den von der Regierung hierher gelangten Aeußerungen beralhen wurde, in demonstra tiver Weise gemäß vorheriger Vereinbarung fern blieben, ob wohl natürlich auch an sie eine hierausbezüglichc Einladung ergangen war. Wie wir erfahren, lag dem Senat ein von dessen juristischen Mitgliedern ausgearbeitetes Referat vor, daS auch vom Senat einstimmig ohne irgendwelche Aenderung angenommen wurde. DaS Referat hält an dem seither vom Rector und der Mehrheit des Senates vertretenen Standpunkte in der bekannten Streit frage, insbesondere auch gegenüber den Aeußerungen des CultusministerS v. Land mann, fest und stellt keineswegs eine „NecbtfertigungS"-Schrift dar — wie von ultra montaner Seite triumphirend verkündet wurde —, sondern eS ist lediglich eine „Erklärung", durch welche der Senat in nichts von dem seither beschrittenen Wege abweicht. * Heidelberg, 3l. Juli. Eiue lustige Anklage gegen Pro fessor Schäfer in Heidelberg, der einen Ruf nach Berlin als Professor für Mittelalterliche Geschichte erhalten baden soll, erhebt die ultramontane Presse. Weil Professor Schäfer den Heidelberger Protest gegen Zulassung von Männcrklöstern in Baden unterzeichnet hat, wird in klerikalen Blättern erklärt, Professor Schäfer erscheine sehr wenig geeignet für Vorlesungen über mittelalterliche Geschichte, „wenn er der großartigen Erscheinung deS Ordenslebens im Mittelalter keine andere Seite abgewinnen kann, als wie sie in dem Proteste der Heidelberger Professoren zu Tage tritt". Man sieht also, die Ultramontanen verlangen von einem Professor für mittelalterliche Geschichte, daß er für mittel alterliche Zustände und deren Wiedereinführung in Deutsch land eingenommen sein muß. Karlsruhe, 31. Juli. Die Zahl der national- liberalen Jugendvereine wird demnächst durch den zu Karlsruhe !n Bildung begriffenen Verein vermehrt werden. Der in Baden an allen Orten zrt spürende frischere Zug im liberalen Lager ist auch für die Jugend vereine nicht ohne Einfluß geblieben und hat ihnen neue Schaareu von Mitgliedern zugcführt. * AuS Württemberg. Auf die Austrittüerklärung der Württemberger hin bat der Vorsitzende des deutschen GesanimtveibandcS der evangelischen Arbeitervereine Ine. vr. Weber in München-Gladbach an den Vorstand der württembergischen Vereine, Stadtpfarrer Weit brecht in Heilbronn, ein Schreiben gerichtet, dem der „Schw. Merk." folgende Sätze entnimmt: „Mit tiefer, tiefer Trauer habe ich Ihre AuStrittSerklärung be kommen. Ich hatte mich, namentlich nach Eisenach, der Hoffnung hingegeben, daß Sie bleiben würden. ES bat nicht sollen sein. Daß wir Ihre Gründe nicht als berechtigt anerkennen können, werden Sie von vornherein annehmen. Es steht hier Ueberzeugung gegen Ueberzeugung. Jedenfalls verwahre ich mich gewissenshalber mit größter Entschiedenheit dagegen, daß wir nicht auch weiter als sociale Vereine zu gelten das Recht und den Anspruch hätten, sowie, daß wir nicht weiter innerhalb der Grenzen unserer Satzungen und unseres Programms die freie sociale Brthätigung der Arbeiterschaft wollten und treu verträten. Daß unser sociales Streben nicht der Gefahr der Erlahmung verfalle, darnach werden wir unter Gottes Beistand ringen." (D Stuttgart, 3l. Juli. Der Verkehrsminister hat ver suchsweise eine Ermäßigung der Eisenbahnfahrtaxe für landwirthschaftliche Arbeiter angeordnet. Oesterreich - Ungarn. Besuch -es Königs von Rumänien. * Wien, 31. Juli. Nach dem bisher feststehenden Pro gramm trifft der König von Rumänien am 2. August Nachmittags hier ein und begiebt sich am 3. August nach Ischl zum Besuch des Kaisers Franz Joseph. Er gedenkt dort 3 Tage zu bleiben und fährt dann nach Ragatz. * Wien» 31. Juli. In dem morgen erscheinenden Reichs gesetzblatt werden die Gesetze betreffend Aufhebung d e r ü r a r i s ch e n M a u t e n und betreffend Einführung der Personenfahrkartensteuer veröffentlicht werden. Galizisches Elend. Welch' furchtbare Zustande in Galizien herrschen,' erhellt aus der amtlichen österreichischen Statistik über die an steckenden Krankheiten in den Jahren 1890 bis 1899. Wir beschränken uns darauf, einige Zahlen aus den letzten beiden Jahren zu geben, weil sic trotz aller Fortschritte gegen früher geradezu Entsetzen erregende Verhältnisse enthüllen. Von allen österreichischen Kronlündern weist Galizien den größten Lterblichkeitscoöfficienten auf. So erkrankten an Blattern im Jahre 1898 6990 Personen, in ganz Oesterreich außer der Bukowina nur 20 Personen. Die 6996 Kranken waren nicht geimpft. Für das Jahr 1899 sind 5723 Erkrankungen in Galizien (2396 in den anderen Ländern der Monarchie) zu verzeichnen; nur 2135 Geimpfte konnten in Galizien ermittelt werden. Es starben 1898 in Galizien an den Blattern 1228, im Jahre 1899 1037 Personen. Während an Scharlach in Galizien 1898 nicht weniger als 22 624 Personen erkrankten, wovon 5421, 1899 noch 19 428, wovon 4622 starben, erkrankten in den anderen Kronlündern daran jährlich im Durchschnitt 7500 Personen. An Masern wurden in Galizien 1898 47 862, 1899 38 517 Personen krank, von denen 3961 und 2796 Personen starben. Böhmen hatte wohl sehr viel mehr Erkrankungen an Masern (57 377 und 62 476 Fälle), aber weniger Todesfälle. Auch die Diphtherie fordert viele Opfer: 1893 endeten in Galizien 2399 Erkrankungen in 851 Fällen, 1899 1629 Erkrankungen in 631 Fällen mit dem Tode. Eine wahre Geißel ist der Unterleibstyphus mit 7202 Erkrankungen und 838 Todesfällen im Jahre 1898 und 6042 Erkrankungen und 703 Todesfällen im Jahre 1899. Von 4147 Erkrankungen an Flecktyphus in der ganzen Monarchie entfielen im Jahre 1898 allein 3981 auf Galizien, von 332 Todesfällen 346. Für das Jahr 1899 lauten die entsprechenden Zahlen für ganz Oesterreich 6056, für Galizien 5941 Erkrankungen, 505 bezw. 481 Todesfälle. 3464 Erkrankungen an Dysenterie in Galizien führten in 594 Fällen im Jahre 1898 zum Tode, im Jahre 1899 3010 Erkrankungen in 541 Fällen. Diese Zahlen reden eine vernichtende Sprache für die „Culturarbeit" der Herren von der Schlacht«. Wie ganz anders haben die „Barbaren", wie sie die Deutschen mit Vorliebe nennen, eS doch verstanden, die polnischen Bezirke ihrer Grenz marken physisch und wirthschaftlich zu heben. Frankreich. Persönliches. * Paris, 1. August. Der Kriegssekretär der Vereinigten Staaten Elihn Noot ist bier angckommen und begiebt sich nach Karlsbad. — Die Königin Maria Christine von Spanien ist gestern Abend hier angekommen, besucht morgen die Königin Isabella in Compiögne und setzt die Reise nach Wien fort. Grostbritamrierr. * London, 31. Juli. DaS Oberhaus nahm heute die -ritte Lesung deS Entwurfes über den Verkauf alko- holhaltiger Getränke an. * London, 81. Juli. Unterhaus. Hayter stellt dis Anfrage, ob das im März in Rumänien erlassene Gesetz, welches die Beschäftigung jüdischer Ar beiter verbietet, in Uebcreinstimmung mit den Be- stimnmngeu des Berliner Vertrages sei, und ob die britische Regierung gegen dieses Gesetz Einspruch erhoben habe. Cranborne erwidert, das in Rede stehende Gesetz beziehe sich auf alle Ausländer in Rumänien und erwähne nicht besonders die Juden, doch wenn das Gesetz lediglich gegen die Juden ««gewendet werde, so gehe die An sicht der Regierung dahin, daß das Gesetz mit Artikel 44 deö Berliner Vertrages unvereinbar sei. Der eng lische Gesandte in Bukarest habe über diesen Punct bei der rumänischen Regierung in freundschaftlicher Weise Vor stellungen gemacht und werde sortfahren, im Interesse der Juden zu thun, was er könne. Chamberlain bean- Itragt Bewilligung von 250 000 Pfund im Interesse ver west indisch en Colonien. Redner legt dar, daß die Erhaltung der Zuckerindustrie für diese Inseln durch aus nöthig sei. Was -je Zuckexprämien und ihren Ein fluß auf die Zuckerindustrie der Inseln betreffe, so habe die Schwierigkeit stets darin gelegen, daß das Ausland nicht glaubte, daß England in vollem Ernst die Schritte thun wolle, deren Durchführung es schon lange geplant hatte. Seiner Ansicht nach habe England sich viel zu lange gegen die Erhebung von Compensationszöllen gesträubt. So habe England diesen unbilligen Wettbewerb sich ent wickeln lassen, bis Westindien und den britischen Zucker siedereien ganz gewaltiger Schaden zugefügt worden sei. Er glaube, daß die Zuckerconvention von guter Wirkung sein werde. Diesmal sei es England Ernst und das wiffe man auch im Auslande. Das Brüsseler Abkommen müsse dem Sinne und dem Buchstaben nach ansgefllhrt werden. Die englischen Zuckerproducenten wünschten nur billige Behandlung, sie glaubten, daß sie mit den natürlichen Vortheilen, die ihnen Boden und Klima an die Hand gebe, in der Lage sein würden, ihre Stellung zu behaupten. Aber bis zur Abschaffung der Zuckcrprämien könne West- indien sich nicht halten, wenn ihm die Negierung nicht helfe. Deshalb beantrage er die Bewilligung jener Summe, damit sich die Colonien bis zur Abschaffung der Prämien halten könnten. Die Regierung werde ver suchen, bei der Vertheilüng der Summe Alles zu ver meiden, was den Geldern etwa den Charakter einer direkten Prämie geben könne. Nach längerer Debatte be willigt das Haus mit 183 gegen 86 Stimmen den ge forderten Kredit. — Bei der Berathung des Heeres- budgets tadeln verschiedene Mitglieder des Hauses, daß man zu Beginn des Krieges S ch n e l l f e u e r g e s ch ü y e aus Deutschland angekauft habe. Kriegöminister Brodrick erwiderte, es sei wahr, daß diese Geschütze Fehler gehabt hätten, aber nachdem diese verbessert worden seien, hätten jene Geschütze eine größere Schußweite ge habt und seien schneller und sicherer im Feuern ge wesen, als die britische Artillerie es damals war. Kritik Rosebery s. k London, 31. Juli. Auf einem Bankett der liberalen Bereinigung bespmch Rosebery die Wahl in Leeds- North. Er erklärte, seit Gladstone's erster Wahl in Midlothian habe keine Wahl eine so große Bedeutung gehabt. Das Ansehen der Regierung habe beinahe einen tödtlichen Stoß erlitten. Nach Beendigung des Krieges beginne die Nation die frühere Haltung der Regierung tzu untersuchen, die bisher nichts für die innereGesetzgebung getban habe. Der Sieg in Leeds-North sei eine Folge des Zusammenschlusses der liberalen Käste in den Fragen des Getreidezvlles und der Untcrrichtsbill. Die liberale Partei Hütte in den letzten Jahren unter Mangel an Zu sammenschluß, an Sympathien für die imperialistischen Be strebungen der Nation gelitten, sowie auch infolge ihrer unglücklichen Haltung bezüglich der irischen Frage. Die liberale Liga, der der neue Abgeordnete von Leeds ange- höre, bilde den Mittelpunkt sür die Vereinigung aller Liberalen. Rußland. * Petersburg, 3l. Juli. Der Kaiser bat mit dem Großfürsten Alexiö daS österreichische Torpedoschiff „Szigetvar" besucht. Bauernunrnhen. * Saratoff, 31. Juli. Die hiesige Gouvernementszeitung schreibt: Im Dorfe Chowanschyne deS Serdoböker Kreises im Gouvernement Saratoff fanden infolge falscher Gerüchte über die Neuregelung der Agrarverhältnisse Bauernunruhen statt. Der Bezirksvorsteher und Amtmann wurden angegriffen und verwundet. Durch daS Eintreffen des Gouverneurs mit Militär wurde die Ruhe wiederhergestellt. Im Dorfe Wladykina verlangten die Bauern von der dortigen Guts besitzerin unter Drohungen die Unterschrift des PachtcontracteS. Auch hier wurde die Ruhe durch die Ankunft deS Gouverneurs nicht die gemachte Circusfreüde mehr, die auf ihrem Ant- litz funkelt, sondern wirkliche, wilde Herzenslust. Und der Doctor? Schon vorhin, als er sie auftreten sah in diesem Costüm, das alle dem Hohn sprach, was in der Welt, in der er bisher gelebt und gewirkt, für schick lich, ja für möglich galt, als er dieselben Augen, deren Hingebung ihn"so manches Mal beglückt hatte, diese tausen-köpfige Menge herausfordernd «mbuhlcn sah, da war jenes unbeschreibliche Gefühl über ihn gekommen, in dem er sprach- und gedankenlos dieses Mädchen unaus gesetzt nur anstarren konnte wie etwas Unbegreifliches. Jetzt aber, als er sieht, mit welcher leidenschaftlichen Lust diese Reiterin ihre Arbeit ausführt, wie aus dem freudeglänzenden Antlitz, aus jeder ihrer Bewegungen ein so ursprüngliches Fretheitsbewußtsein, eine so ausgeprägte Zugehörigkeit zu dieser ihrer Welt spricht, daß dieses Weib wie verwachsen erscheint mit dieser« Arena, diesem dampfenden Pferde, da steht ihr Wort vor seiner Seele: „Zigeuner sind wir und wollen es bleiben! Ja, bleiben bis in -en Tod!" Und ein anderes Wort leuchtet in diesem Augenblick vor ihm auf, und jetzt mit einem Male versteht er es in seiner ganzen Klarheit, Gabrtelens kurzes, abweisendes Wort damals, als er ihre Theilnahme für Ellida erbat: „Weil ich die Berührung mit diesem Mädchen fürchte." Die Hufe -es müden Thieres klappern an die Bande, die Nüstern prusten und die Flanken fliegen. Aber die Stallmeisterpeitsche ruht nicht, und als sie ihre Wirkung nicht mehr thut, da sanft Ellida's Reitgerte unbarmherzig um den Hals -cs keuchenden Pferdes. ,He, holla, holla, hoppa, he!" Und an -em geschmeidigen Leibe tritt jede Faser her- vor, jede Muskel ist gespannt zu energischer Thätigkcit, das Gewand bietet kaum noch eine Verhüllung. Das Alles sieht er, sieht sie hier arbeiten mit einer geradezu robusten Kraftaufwendung, die alle dem ins Gesicht schlägt, was ihm bis heute weiblicher Anstand, weibliche Scham geheißen, und muß erröthend der Stunde gedenken, da er in philiströser Bemühung das Wesen und die Manieren dieses Mädchens dem anpassen wollte, waö in seiner Welt für wohlanständig galt, da er eine Cultur und ein Wissen in sie pflanzen wollte, das sie von sich warf wie ein über- flüssiges Spielzeug, sowie die ernste Arbeit ihre Rechte an sie geltend machte. „He, holla, holla, hoppa, he!" Der Sand fliegt in die Höhe, hinweg über die Bänke deS Sperrsitze» biß K« die Logen. Die Retterin sieht nichts davon. Die braunen Augen sind in angestrengter Spannkraft nur ans den Trick gerichtet, den sie gerade aus führen will. Und jedesmal, wenn er ihr gelungen, dann glimmt es durch ihre dunkle Tiefe, daß sie grünlich schimmern, genau wie die Saphire an ihrer Hand, der einzige Schmuck, den sie heute Abend trägt. Aber er, der gestern noch meinte, diese seine Welt, deren Product, deren Geschöpf er war, zertrümmern zu können wie ein übermüthiger Titan mit einem Faust hiebe, er, der sich hinwegsetzen wollte über die Schranken der Gesellschaft, die ihm in gütiger Weisheit gezogen waren, heute, wo sein pedantischer Sinn znrückschreckte vor der neuen Welt, in die er doch nur den ersten Blick that, fühlte er sich mit all' seinem Wagemuth so ge- demüthigt, so klein, kam er sich so unendlich thöricht vor mit seinen Träumen, dieser Wirklichkeit gegenüber. Für heiligen Ernst hatte er ihre Liebe genommen, die lächer lichsten Pläne auf sie gebaut, die ihn unglücklich gemacht hätten für das Leben, und sie mit ihm. Wirklich auch sie? „Weil sie ihrem Mann in den ersten vier Wochen da- vonlaufcn würde." Wer hatte es gestern erst zu ihm ge sagt? Wer ihm Alles vorhergekündigt, wie es gekommen war — kommen mußte?! Wer hatte die rettende Hand nach ihm ausgestreckt, als er nachtwandelnd am Abgrund stand, sich jählings hinunterzustürzen in die brausende Tiefe?! Leuchtend steht mit einem Mal die einfache Mädchen gestalt vor ihm, die er befangen gewähnt in den engsten Vorurtheilen, über deren übermüthige Alltagsweisheit er sich so himmelhoch erhoben hatte mit seinen freieren, gröberen Anschauungen, der er ihren Jrrthum hand greiflich vor die Augen zu führen hoffte und die ihn nun so glänzend geschlagen hatte. Gabriele! Er wagt nicht, zu ihr herüberznblicken, er sieht sie im Geiste vor sich, (n den klaren Augen den hochmüthigen Triumph, der ihm in dieser Stunde so wehe thun würde. Er war gedemüthigt genug, sie aber sollte es ihm nicht anmerken! Inzwischen ist die Retterin unter dem jubelnden Bei fall -er Zuschauer abgetreten. Ueberall hat sie Handküsse geworfen und die feurigen Blicke gesendet, nur über die Loge, in der er saß, ist jedesmal ihr Auge schnell hinweg- geflogen, wie über ein Nichts. Jetzt endlich sieht er zu Gabriele hinüber. Ihr Platz ist leer. Und als er sich nun nmblickt, um mit Doctor Baumann ein Wort zu wechseln, da ist dessen Stuhl unbesetzt. Sie sind Beide gegangen, ohne ihm ein Wort zu sagen. Heißer Unwille steigt in seinem Herzen auf und eine Unruhe, die merkbar zunimmt. Die CircuS- atmosphäre wird ihm unerträglich, die ohne Pause fort gesetzten Kunststücke dort unten, die schalen Witze der Clowns ekeln ihn an. Selbst die prächtigen Araber-Rapp- Hengste, die der Director jetzt vorführt, gewinnen ihm kein Interesse mehr ab. Er will auch gehen und die Stätte verlassen, in der er so qualvolle Augenblicke ver lebt. Er steht schon auf, aber er besinnt sich. Er zwingt sich auf seinen Platz nieder. Erst als die große Pause ein tritt, hüllt er sich in seinen Mantel und verläßt den Circus. Da draußen ist klares Frostwetter. Der Schnee knirscht und krietscht unter seinen Füßen. In ernstem Nachsinnen geht er dahin. Inmitten aller seelischen Er regung aber, die ihn noch immer durchtobt, kommt er sich dennoch so befreit, so neubelcbt vor, als er zu dem blauen Nachthimmel emporblickt, an dem die unendlichen Sterne leuchten. Es ist die Zeit kurz vor Weihnachten. Auf den Haupt straßen ist noch Leben. Einzelne Läden sind geöffnet und ihre reichen Schaufenster glänzen auf die Straße hinaus, in anderen arbeitet man eifrig hinter der geschlossenen Thür. Alles ist emsige Arbeit und freudiges Schaffen. Er sieht es mit wehmüthigen Empfindungen. Ihm ist so wenig weihnachtlich zu Muthe, wo sind die Festgedanken geblieben, die er sonst auch als reifer Mann um diese Zeit gehegt hat? Ein frierender Junge bietet ihm mit erstarrter Hand ein mühsam cartonnirtes Häuschen für einen niedrigen Preis zum Kaufe an. Er bezahlt es, aber er läßt es dem Verkäufer, dessen Augen einen beredteren Dank sprechen als die stammelnden Worte. Er hätte gern noch mehr Gutes gethan, aber es bietet sich keine weitere Gelegen heit. Ihm ist zu Muthe, als hätte er so viel abzuLahlen und wäre doch so bettelarm! Er ist eine Stunde lang in den Straßen umher gegangen, planlos und ohne Ziel. Seltsame Empfin dungen schwirren ihm durch den Kopf. Es ist ihm un- möglich, jetzt nach Hause zu gehen. Er kann in dieser Verfassung seines Innern nicht seiner Mutter unter die Augcn treten, und Gabriele erst recht nicht! Müde kehrt er endlich in dem Nathskeller ein, viel leicht wird ihm ein Glas guten Meines das Gleichgewicht seiner Seele wiedergeben. In den großen Kellerräumen unter den alten gothischen Bögen herrscht noch Leben. Weihnachtsbäume brennen, eine Militärcapelle concerttrt. ES ist das alte Sitte so vor dem Feste. Die laute Musik erinnert ihn an den Circus. Ellida steht vor seinen Blicken mit dem koketten Lächeln und dem angespannt arbeitenden Körper. Ihr Holla, holla, hoppa, he braust ihm durch die Ohren. Der laute Trubel ist ihm unausstehlich. Er geht durch die weiten Bogenräume, hart am Schanktisch vorüber, in ein kleineres Zimmer mit vornehmer Holztäfelung an der Decke und an dLN Wänden, seiner Einrichtung wegen das „altdeutsche" genannt. Hier findet er, was er sucht: Stille und Einsamkeit. Nur ein einzelner Herr sitzt, ihm den Rücken zukehreno, an einem Tische bei einer Flasche Moselwein. Als er eintritt, wendet er sich kurz um. Es ist Doctor Baumann. Sie sitzen zusammen. Eine merkbare Befangenheit herrscht zwischen den Freunden. Die Unterhaltung will nicht wie sonst in Flnß kommen. Doctor Baumann er zählt, daß er Gabriele nach Hanse gebracht habe, und Fritz knurrt dagegen: „Ihr hättet mir auch zum Wenigsten Guten Abend sagen können." „Das hätte ich auch gethan. Aber Fräulein Hellwig war so plötzlich, mitten bet den Produktionen von Miß Ellida, aufgestanden und hatte es mit einem Male so eilig. Sie war auch auf dem ganzen Wege still und ver stimmt, wie ich sie noch nicht gesehen habe." „Sie hat wohl Klage über mich geführt?" Da sicht ihn Doctor Baumann mit einem schnellen, forschenden Blick an: „Sie spricht nie über Dich, niemals!" sagte er kurz. „So, so!" brummte Fritz. „Doch lassen wir das, eS ist ja auch ganz gleich. Und nun sei einmal so gut, Bau mann, und brücke den kleinen elektrischen Knopf da über Dir — so, ich danke Dir, und nun laß uns eine bessere Sorte Mosel trinken als diesen hier, oder lieber Rhein wein, denn ich bedarf der Kräftigung." Und nachdem er von dem neuen Weine ein volles Glas in hastigem Zuge heruntergetrunken und das GlaS so hart auf den Eichentisch gesetzt hatte, daß es beinahe zerbrochen wäre, sprudelte er mit erregter Stimme heraus, als müsse er sich endlich einmal Luft machen: „Das war ein furchtbarer Abend heute. Bcunnann. Ich werde ihn mein Lebtag nicht vergessen. Eine schmerz- liche Operation, ich fühle sie noch. Aber Gott sei Dank: Ich bin wieder sehend geworden und frei." (Schluß folgt.)
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