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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 29.06.1903
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1903-06-29
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19030629011
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1903062901
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1903062901
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1903
- Monat1903-06
- Tag1903-06-29
- Monat1903-06
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Die Verdingungsunterlagen können daselbst eingesehen bezw. gegen Erstattung der Selbst kosten entnommen werden. Angebote, auf den Umschlägen ent sprechend bezeichnet, sind versiegelt und gebührenfrei bi» zu obigen Zeitpunkten einzureichen. Unvorschriftsmäßig auSgefüllte Angebote, sowie solche mit Rasuren werden nicht berücksichtigt. Zuschlag»frist 4 Wochen. Der ASnigliche Garnif»«-B«»heamte II Leipzig (Post Gohli»). Bekanntmacbnnq. In dem Konkursverfahren über das Vermögen der Frau Friederike Wilhelmine verwitweten Meißner, Inhaberin der Tuchhandlung unter der Firma Bruno Meißner in Leipzig, Neu markt Nr. 30/32, soll die Schlußverteilung vorgenommen werden. Die bei der Verteilung zu berücksichtigenden Forderungen betragen 266 158 93 «Z, 10 wurden auf Forderungen von 220 743 12 H bereit» auSgezahlt, der zur Verteilung verfügbare Massebestand beträgt 58 683 - Leipzig, den 27. Juni 1903. Rechtsanwalt Zieger, , Konkursverwalter. Dienstag, den 80. Juni, von früh 10 Uhr an, kommt in Leipzig, Hobestraße 19, IV., der SchSnherrsch« Nachlaß, darunter Schranke, Tische, Stühle, Sopha, Kommode u. a. mehr, zur öffentlichen Versteigerung. Trummlih, Lokalrichter. Tetzt« Nachricht«». * »-rli«, 28. Hunt. Kaiser Wilhelm wirb be. kanntlich während seines Jagdausfluge» auf vsterreicht- schem Gebiete auch in Wien Aufenthalt nehmen. Ob er P e st einen Besuch abstattet, steht noch nicht fest. * «erlitt, 28. Juni. Ein hiesiges Blatt hatte gemeldet, -er König von Serbien werde zur Notifizierung seiner Thronbesteigung eine besondere Gesandtschaft Montag den 29. Juni 1903. nach Berlin schicken. Die Nachricht ist nach der „Post" falsch, -aS veröffentlichte Telegramm des Kaisers stellt die Antwort auf die Bekanntgabe der Thronbesteigung dar. * Berlin, 28. Juni. Der Großherzog Fried rich Wilhelm von Mecklenburg-Strelitz be geht mit seiner Gemahlin, der Großherzogin Augusta Karolina, Prinzessin von Großbritannien und Irland, heute die Feier der diamantenen Hochzeit. Dem fürstlichen Jubelpaare widmet die „Nordd. Mg. Zig." folgende Widmung: Der Großherzog und seine hohe Gemahlin feiern dieses seltene Fest in bestem Wohlsein und in einer geistigen Frische und körperlichen Rüstigkeit, die er hoffen lasten, daß ihnen noch viele Jahre glücklichen Erden daseins brschieden sein werden. Der großen Zahl derer, welche dem Jubelpaare bei diesem Anlasse ihre Glückwünsche dar bringen, schließen wir uns mit dem Ausdrucke der Hoffnung an, daß über dem großherzoglichen Hause und dem tüchtigen Mecklenburger Volke auch für'de'rhin ein gütiges Geschick walten möge. Das großhcrzogliche Paar hat nur einen Sohn, den am 22. Juli 1848 geborenen Erbgroßherzog Adolf Friedrich, vermählt am 17. April 1877 mit der Prin zessin Elisabeth von Anhalt. A Berlin, 28. Juni. In Bundesratskreisen wird angenommen, daß der Ausfall -er Wahlen dazu beitragen werbe, Verhandlungen, soweit solche be reit- möglich sind, wegen Abschlusses neuer Handels- verträgczu erleichtern. Die kürzlich durch die Presse gegangene Mitteilung, es hätten neuerdings wiederum Vernehmungen deutscher Sachverständiger stattgefunden, wird un» als nicht zutreffend bezeichnet. * Berlin, 28. Juni. Die preußischen Land- tagSwahlen werben, wie ein parlamentarischer Be- richterstatter wissen wils erst Mitte November angesetzt werben, jedoch mit Rücksicht auf die Doppelmanbatare vor der Einberufung des Reichstages. Bon -en neu ge wählten ReichStagSabgeorbneten hatten bisher 84 auch ein Mandat für den preußischen Landtag. * Kiel, 27. Juni. Nach -em Frühstück an Bord des „Kearsarge" begab sich derKaiser um SVz Uhr an Bord beS amerikanischen Kreuzers „Chicago". Von dort fuhr der Kaiser nach Cornelius BanberbtltS Jacht. (Wdrhlt.) * Kiel, 28. Juni. An Bord deS „K e a rs a r g e" waren gestern mit dem Kaiser geladen Prinz Heinrich von Preußen, Reichskanzler Graf v. Bülow und sämtliche Herren der Umgebung, ferner u. a. die Admirale v. Küster, v. Arnim, Borkenhagen, Schmidt und Breusing. Admiral Cotton dankte in einem Trinkspruche für die Aufnahme, die das Geschwader hier gefunden habe, und schloß mit einem Hoch auf den Kaiser. Dieser erwiderte mit warmen Worten und gab der Hoffnung Ausdruck, daß das nächste amerikanische Geschwader nach einer kürzeren Zwischenzeit hier erscheinen möge, als daS hier anwesende.' Schließlich trank der Kaiser auf das Wohl des Präsidenten der Ber einigten Staaten. Der Offtziersmesse des „Kearsarge" schenkte der Kaiser zum Andenken an den Aufenthalt auf dem Schiff eine silberne Bowle. Der Kapitän bedankte sich in einer Rede. Nachmittags besichtigte der Kaiser die Jacht „Nahma" der Mrs. Goclet und, wie bereits gemeldet, den „North Star" des Mr. Vanderbilt. Am Abend fand bei den Majestäten auf der „Hohenzollern" ein Diner statt zu Ehren des Norddeutschen Regattavereins. Der Kaiser saß zwischen dem Bürgermeister vr. Burchard und dem Vorsitzenden des Norddeutschen Regattavereins, Adolf Burmester. Gegenüber saß die Kaiserin zwischen dem Reichskanzler Grafen v. Bülow und dem Marquis of Or- monde. Rechts vom Bürgermeister vr. Burchard folgten der Hausminister v. Wedel, Generaladjutant v. Plesien, Admiral v. Eisendecher, Ad. Tietgens, Mr. Cecil Quentin, Senator O'Swald, General L la suits v. Loewenfeld, Mr. Claud Caylsy, Korvettenkapitän Bott: links von Adolf Burmester Fürst Hohenlohe-SchillingSfürst, Edw. Birkbeck, Graf v. Ttele-Minckler, Generaldirektor Ballßi und H. R. Krogmann, Btze-Oberzeremonienmeister v. d. Knesebeck, Kommerzienrat Guilleaume, Mr. George Hetz. Rechts vom d rasen v. Bülow saßen Frl. v. GerSborff, Marquis Cam den, Oberhofmarschall Graf Eulenburg, Generalleutnant v. Einem, Generalarzt vr. v. Leutholb, Konsul Waetjen, Kapitän zur See v. Usedom, Mr. John Ferguson. Links vom Marquis of Ormonde saßen Graf Stolberg, Admiral Hollmann, Sir Seymour King, Vizeadmiral Freiherr von Senbcn-Bibran, Vizeadmiral v. vüchsel, Gesandter von Tschirschky und Bögendorff, Admiral Schmidt, Mr. Henry M. Ratt und Fregattenkapitän v. Grumme. — Zur 97. Jahrgang. heutigen Regatta an Bord deS „Meteor" sind geladen Prinz Adalbert, Admiral Hollmann, Botschafter Tower, Kapitän Potts, Graf Rebern, Graf v. Tiele-Winckler, Mar quis of Camden, Mr. Armour, Mr. Banderbilt uM Mr. Summers. — Heute morgen fand an Bord der „Hohen zollern" Gottesdienst statt. Der Kaiser gedenkt, an Bord des „Meteor", die Kaiserin an Bord der „Iduna" an der Regatta teilzunehmen. * Laboe, 28. Juni. Die große Deeregatta des Norddeutschen Regattavereins ging heute mittag bei herrlichem Segelwind auS Südost von statten. Gemeldet waren 53 Jachten, von denen alle großen Yawls und Kreuzer-Jachten am Start erschienen. In der ersten Abteilung gingen in folgender Reihenfolge durch die Startlinie „Orion", „Navahoe", „Komodore", „Therese", „Komet", „Lygia". Beim zweiten Start gingen „Meteor" als erster, dann Hamburg" und „Iduna" über die Startlinie. * Neustrelitz, 28. Juni. Aus Anlaß der Diamant hochzeit des GroßherzogspaareS haben größere Festlichkeiten nicht stattgefunden, da wegen der Krankheit deS GroßherzogS fremde Fürstlichkeiten nicht erschienen waren. Die prächtig geschmückte Stadt Neu strelitz bot ein selten festliches Bild. Gestern abend fand bereits Zapfenstreich der hiesigen Garnison statt. Heute früh wurde dem grobherzoglichen Paare vor dem Schloß von der Militärkapelle ein Ständchen gebracht. Es folgte das große Wecken und sodann wurde ein Feld gottesdienst abgehalten. Mittags versammelte sich eine große Menschenmenge vor dem Schloß. Das großherzog. liche Paar erschien am Fenster und der greise Fürst dankte für die Beweise reger Anteilnahme und Anhänglichkeit. Nachmittags fand ein Volk-fest statt und absn-S beschloß eine Illumination die Feierlichkeiten. —?— Hamburg» 27. Juni. (P r t v a t t e l e g r a m m.) Hier hat sich ein Deutscher Hü lfsv er« in für entlassene Strafgefangene mit dem Sitze in Hamburg konstituiert. Dem Vorstände desselben ge hören u. «.Professor List, Pastor Bodelschwtngh und Generaldirektor Ball in an. (Wdrhlt.) * Hamburg, 28. Juni. Der Ausschuß der Bau« gewerkSinnungen von Hamburg, Harburg, Faiiillatsn. Die fihengebliebene Hyannlhe. Skizze von Th. v. LiSka. »rddruik n«rb«i-n Der Eisenbahnzug, der in die Umgebung -er Stadt führte, war überfüllt. Kein Plätzchen war leer in den Waagonü, ja, die Leute standen zwischen den Sitzbänken umher, der hohen Obrigkeit spottend, die das streng unter sagt hatte. Die Menschen wollen sich eben aus der ganzen Stadt in- Grüne flüchten. Und einen schönen Sonntag unbenutzt zu lassen, wäre wahrhaftig eine Sünde. In manchen Waggons waren durchweg Bekannte, Nachbarn aus der nämlichen Straße. Väter und Mütter und Kinder. Die Väter rauchten gemütlich ihre Pfeife, die Mütter hatten unendlich viel miteinander zu reden. Die Töchter flirteten mehr ober minder verschämt mit den stillen und lauten Anbetern, die sie mit sich führten. Die halbwüchsigen Schwesterchen saßen dabei, ganz still, wie die Mäu-chen, und lauschten auf die vieldeutigen Reden, von denen so viel zu lernen war. Die kleinen Buben und Mädchen stopften sich die Backen voll mit Kuchen oder Obst und bildeten beständige Schrecknisse für die er- wachfenen Mädchen, deren frische KrühltngSkleider sie zu besudeln drohten. „Wohin fahren Sie denn, Frau Nachbarin?" ,Lu meiner Tochter, der Gärtnerin. Sie wissen, sie hat einen wunderschönen Blumengarten. Ein aus- gezeichneter Handel. ES ist bei ihr gar so schön, wir sind immer ganz berauscht von vlumenduft. Besonder» meine Meta, die so viel Poetisches hat." Meta, die da- Poetische hatte, saß daneben und machte ein recht verdrossenes Gesicht. Dies galt namentlich ihrem stillen Verehrer, dem Kunstzeichner Fritz Dtetnlein, der den Ausflug auf Einladung der Krau Mutter mitmachte, obschon ihm das Fräulein Tochter nicht besonders ge- wogen schien. Ein sehr hübscher Bursche, groß, stark, mit treuherzigen Augen, die wie verklärt erschienen, wenn sie bewundernd die Schönheit be- jungen Mädchens be trachteten. Diese Schönheit war mehr niedlicher als großzügiger Art. Warum müssen sich die Menschen mit den treuherzigen Augen immer in die Kaprizengesichtchen Vergasfen? Die prächtigen, unbeholfenen Kerle in diese »ierlichen Filtgran-Geschöpfchen mit den flackernden Blicken, den nervös zuckenden Rotmäulchen und dem Stumpfnäschen? Ist es die Anziehungskraft der Kon traste? Eine launische Fügung der sonst grunbgütigen Vorsehung? Oder ein bv-liche» Walten verborgen wirkender dämonischer Kräfte? »er den Urgrund solcher Dinge erforschen könnte! Sie mißhandelte ihn. Alle seine Versuche, ein Ge spräch in Fluß zu bringen, sie in irgend einer Unter haltung zu fesseln, sie für irgend einen Gegenstand oder eine Begebenheit zu interessieren, scheiterten an ihrer hartnäckigen Einsilbigkeit, an ihr«, entschlossenen Ver- bohrtheit, alle seine liebenswürdigen Annäherungsver suche kläglich scheitern zu lassen. Lange hatte sie schon nicht so die Landschaft bewundert, wie an diesem Tage. Die Telegraphenstangen, die an dem Zuge vorüber zufliegen schienen, zählte sie offenbar mit einer Gewissen haftigkeit, die kein Mensch bet ihr vorausgesetzt hätte. Und wandte sie den Blick in das Coups, so verfehlte er niemals, mit schwärmerischem Wohlgefallen auf einem dickköpfigen, rothaarigen Unteroffizier zu weilen, der ganz vertieft schien in die geheimnisvollen Mitteilungen einer älteren, umfangreichen Dame, die seinem Herzen zweifellos nahe stand und eine unglaubliche Menge kleiner, aber sehr appetitlich aussehender Kuchenstücke aus ihrem seidenen Rtbikül zu Tage förderte. Alle diese nicht zu verkennenden Zeichen der Miß gunst blieben vollständig wtrknngsloS auf den verliebten Kunstzeichner, den der Himmel mit Genügsamkeit und Geduld gesegnet hatte, wie wenige Sterbliche. Sie sah, sie fühlte, sie wußte e-, daß ihn nichts abzuschrecken ver mochte, und ein ohnmächtiger, fassungsloser Groll erfüllte sie deshalb gegen ihn. Sie hätte, der Himmel weiß was, dafür gegeben, ihm wehe tun zu können, aber sie mochte beginnen, was sie wollte, sie brachte e- nicht zu stände. Sie hätte weinen mögen vor Wut, er aber lächelte nur und betrachtete sie entzückt, und die Mutter erzählte von dem Ziegeldecker, der vor zwanzig Jahren, kurz vor ihrer Hochzeit, vom Dache gefallen war, und der Zug keuchte immer weiter, an allen Telegraphenstangen vorbei, und gelangte endlich an das Ziel. Nun saß man in der Stube LeS lauschigen Gärtner hause», da- ganz und gar von Tpheu und wildem Wein umsponnen war. Die ganze Familie war da, die Schwester hatte Milch und Kuchen und Honig auf- aetragen, Meta konnte nicht- essen, und der unerschütter liche Kunstzeichner vertilgte in beneidenswerter Seelen ruhe eine- -er großen Butterbrote nach dem anderen. Endlich hatte er genug. Sie hatten schon gedacht, das werde nie geschehen. Nun aber erhob er die blauen Augen zu ihr in bedingungsloser Ergebenheit und sagte: „Wollen wir nicht, Fräulein Meta, den Spaziergang zur Waldwtese machen, den alle die verehrten Anwesenden zu wünschen scheinen? Es ist wirklich sehr hüVsch dort, köstlicher WalbeSduft kommt von den Bergen herab, eine sehr gute Kapelle spielt zum Tanze auf, und eine fröhlich« Menge ergeht sich in harmloser Lustigkeit —" „Tanz! Man spielt -um Tanze aus! Was lockt Sie dabei? Sie können ja überhaupt nicht tanzen! Wenigsten- nicht gut tanzen!" Ein breites, behagliches Lächeln umspielte den Mund des jungen Mannes, der sich offenbar um keinen Preis ärgern zu wollen schien. „Sie mögen recht haben, liebe- Fräulein", sagte er. „Gut zu tanzen, -a- erfordert viel Uebung. Und bazn hatte ich eigentlich niemals Zett. Jetzt habe sch wohl manchen freien Abend, doch nun bin ich zu bequem ge worben, um mit den Jünglingen um die Wette zu Hüpfen. Habe auch nie besondere Lust -um Tan» empfunden und ihn jetzt nur erwähnt, weil ich weiß, daß er den Damen Vergnügen macht." „Ich banke", sagt« Meta, indem eS sich um ihre Mund winkel verächtlich kräuselte. „Es täte mir leid, Sie in Ihrer Behaglichkeit zu stören, wenn ich Die Vielleicht zu einem Tanz verführte." Solche spitze Reden führte da- Mädchen, die zum Glück wenig beachtet wurden. Der Kunstzeichner schien an die üble Laune seiner Dame schon gewöhnt, auch die Mutter kargte schon mit den mißbilligenden Blicken an die Tochter, weil sie wußte, daß sie nicht- nützten, der Vater rauchte gemächlich seine Pfeife und sah nur manch mal mitleidig zu dem jungen Mann hinüber, als wollte er sagen: GJa, siehst du, mein Junge, warum mußtest du dich an dieser Angel verbeißen?^ Die anderen be merkten kaum den kleinen Krieg, plauderten und lachten froh durcheinander. Metas ältere Schwester, die Gärtnerin, eine hübsche junge Frau mit gebräuntem Gesicht, so um die dreißig herum, achtete indessen wohl auf das böse Spiel. Nach einiger Zeit sagte sie zu dem jungen Mädchen: „Willst du nicht mit mir in den Garten kommen? Ich zeige dir meine schönen Blumen." Das Mädchen merkte, daß ihr die Schwester etwas zu sagen hatte, und folgte ihr willig, schon weil sie es schön fand, den stillen Verehrer allein zu lassen. „Ja, was hast du denn gegen diesen jungen Mann?" fragte die Schwester im Garten. „Die Mutter sagt, er sei ein prächtiger Junge mit schöner Zukunft. Krüh mit seinen Geschwistern verwaist, habe er die Kleinen erzogen, unterrichten lassen, auf die Bahn des Erwerbs geführt. Dabei blieb ihm noch Zeit, sich vom einfachen Arbeiter zum Kunstzeichner emporzuringen. Er macht die Ent- würfe zu de» neuartigen, sezeffionistischen Kunstgegen ständen in seiner Fabrik für Silber- und Goldwaren. Er hat ein vorzügliches Einkommen, seine Chefs schätzen ihn, seine Arbeiten werden auf den Kunstausstellungen ausgezeichnet. Ich finde ihn hübsch, angenehm und ge mütlich. Er steht dich gern. Zum Ehemann würde er sich ausgezeichnet eignen. Er liebt seine Ruhe, erträgt deine Launen mit himmlischer Geduld, täte alle-, was Lu willst. Warum kommst du ihm nicht freundlicher ent gegen?" „Ich w«ih nicht", sagte Meta, „aber er fällt mir auf die Nerven." „Ach", sagte die Schwester, „du hast schon Nerven?" „Mich verdrießt eben seine Gutmütigkeit. Warum läßt er sich von mir alles gefallen! Ich weiß nicht, warum, aber eS reizt mich, ihn aufzubringen. Es würde mir entschieden Vergnügen machen, ihn ärgerlich, wütend z» sehen. Wenn er so eine Kaffeetasse zu Boden schlüge und davonliefe, als wollte er nie wiederkommen! Dann würde ich alles tun, um ihn wieder gut zu machen." „Wirklich? Aber ich warne dich davor", sagte die Schwester. „DaS scheint mir einer, der .. . nicht wieder- käme, wenn er einmal bös geworden und weggerannt. Du mußt mich nicht so überlegen belächeln! Dy magst ja viel Macht über ihn haben — aber ich würde bedauern, wenn dn zu spät einsähest, wie sehr deine Schwester recht hatte. So wie du tust, ist nicht klug getan. Glaubst du, alle Tage findet sich ein Freier wie dieser? Ein hübscher, anständiger Mensch mit gnten Aussichten, der dich liebt und Geduld hat mit einer jungen GanS? D« wirst lange suchen müssen, bi- du wieder so einen findest, und wenn du einen gefunden hast, so ist eS sehr fraglich, ob er dich nehmen wirb. Die Jahre verfließen rasch, manches hübsche Lärvchen verblüht gar schnell, junge Mädchen sind keine Ware, die mit den Jahren an Wert gewinnt. Und später wird von ihnen jeder genommen, wie er auch sei, und das Leben gestaltet sich dann recht mühevoll und trübselig. Und waS das traurigste ist, solch dummes Ding muß sich täglich sagen: „Dir ist recht ge schehen. Besser hast du es nicht verdient."" „Du hast ja eine schöne Meinung von mir und machst mir schöne Aussichten!" sagte Meta mit weinerlicher Stimme. „Na, es ist nicht Übel gemeint", sagte die Schwester lächelnd. „Tu übrigens, was du willst. Und nun schau meine Blumen an. Diesen Wald von Stöcken mit den weißen Rosen! Ist das nicht herrlich? Und da meine Hyazinthen! Aber schau — ei, ei — da ist eine sitzen- gebliebene Blume —" „Sitzengebliebene Blume?" „Sitzengebliebene Hyazinthen, ja. Man heißt sie so. ES kommt, bei manchen vor, daß die Blütentraube mit den Blättern zu gleicher Zeit emporschiebt. Dann er stickt sie zwischen den Blättern und kommt nicht zur rechten Entfaltung. Aber es gibt eine Arznei dafür. Geh, reiche mir einmal die kleine Kanne dort vom Brunnenranb." Meta holte die Kanne herbei, und die Gärtnerin be goß mit ihrem Inhalt die „sitzengebliebene Hyazinthe". „In dem Wasser ist bereits die Arznei" sagte sie. „Man gibt in dieses Kännchen etwa fünfzig Tropfen da von. Eine Lösung von Pottasche, Salz, Salpeter. Das hilft. Die Blume schießt darauf energischer empor, ge winnt sogar an Karbe. Es ist eine recht scharfe Arznei, aber mit anderer, so scheint eS, sind Blumen, die sitzen zu bleiben drohen, nicht zu retten." DaS junge Mädchen blickte die Schwester groß an. Merkte sie etwa»? Nahm sie sich die Arznei zu Herzen? Es scheint so, denn als sie zur Gesellschaft zurück gekehrt, schenkte sie dem jungen Kunstzeichner ein liebens würdiges Lächeln und sagte ihm, sie wolle ihm zu Liebei zur Waldwiese gehen. Er war ganz glück.ich, und da ers sie noch nie so freundlich, beinahe zärtlich gesehen, geriet er nach und nach in den siebenten Himmel und warf sich mächtig in di« Brust. „Was sich Ler heute einbilben mag!" sagte die Gärt nerin lächelnd zu ihrem Mann. „DaS endet heute «U einem HeiratSantrag, laß sie nur vorauSgehen! Sie hat ihn ja lieb, sie ist nur ein junges, dummes Ding . . . Ich habe ihr etwas gesagt, das scheint gewirkt zu haben —* „WaS denn?" fragte der Mann. „DaS mußt du nun gerade nicht wissen", erwiderte die Frau. „Ihr könnt euch einbilden, soviel ihr wallt, ihr sogenannten Herren der Schöpfung! Sogar für frei« Wesen könnt ihr euch halten, die euer und unser Ge schick bestimmen! Aber ein gescheites Mädel windet euch doch um den kleinen Finger."
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