Suche löschen...
01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 24.07.1902
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-07-24
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19020724010
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902072401
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902072401
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1902
- Monat1902-07
- Tag1902-07-24
- Monat1902-07
- Jahr1902
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
BezrrgS-PrekS t» der Hakplerpeditiou oder deu da Stadt bezirk und d« Vorort« errichtete» Las- gäbest«!!« abgeholtr diertetzühritch — zweimaliger tügllcher Z»K«U»»g ins Haus 5.50. Durch di« Post bezog« für Deutschland a. Oesterreich vierteljährlich jür di« übrige» Länder last LettrmgtprmSltst«. Redaction und Erpe-ittou: Johmmt-gaffe 8. Fernsprecher 153 und L2L, FMaterpedttt-x««, Alfred Ha-n, »achhaudlg, NaiaerstMtstr.^ L. Lüsche, Kathartsmlstr, Lch ». chstat-spl, R/ Hanyt-Filiate Vre-dm: Strehleuerstraß« L Fevrspreche, Amt I Nr. 171». Hamit-Filiale Lerliu: König grä Herstraß« II». Fernsprecher Amt VI Nr. 88SL Morgen-Ausgabe. MiWM..TagMM Anzeiger. ÄmLsMatt -es Ä'önigkiche» La«-- ««- Amtsgerichtes Leipzig, -es Mathes und Vottzei-Ämtes -er Ltadt Leipzig. Anzeigen-PreiS die 6 gespaltene Petitzeile 25 H. Rrcla«»» mte, dem RedactioaSstrtch (tgespalte») 7- vor den FamUielluu«^ richten (S gespalten) KO Tabellarischer »ad Hisfernsah entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisung« und Offertenanuahme 25 H (excl. Porto). Srtra-velta-ea (gesalzt), nur mit d« Morgtu-Andgab«, oh»« Postb«sSrd«rm>L ^l mit Uostdesärdernag 70^ Junahmeschlnß fSr Aryeigear Sbead-Lnsgab«: vormittag» 1» Uh«. M,,,«»-Lo»-or«? Nachmittag» ü Uhr, Anzeige» sind stet» an dt» Expedition za richten. Die Expedition ist Wochentags mnmterbrochrs geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr. Lrnck nnd Verlag von E. Polz in Leipzig Nr. 371. Donnerstag den 24. Juli 1902» 96. Jahrgang. Die Löhne. So sind denn die Würfel in dem Processe gefallen, der zweiunddreißig Tage lang nicht nur unsere Stadt, sondern -aö ganze Reich und noch weitere «reise in Spannung er halten hat, eine Spannung, die gestern, an dem Tage, wo die Urtheilsverkündigung erwartet wurde, fieberhaft war. Daö graste Unglück, das durch Fahrlässigkeit, Nachlässigkeit und Raffinement über unsere Stadt gekommen war, sollte seine Sühne finden, wennje eine Handlungsweise, die den Verlust von Millionen, Armuth und Vernichtung von Menschenleben herbetführte, überhaupt eine Sühne finden kann. Wir wollen nicht nochmals die Aufregung und die Angst schildern, die sich an jenem berüchtigten Dienstag im Juni vorigen Jahres in unserer Stadt kundgab. Einen Tag vor der Katastrophe, einen Tag, bevor das Com- muniquö an die Thüren der Leipziger Bank geheftet wurde, war die Bevölkerung unserer Stadt hlnauSgezogen nach den Friedhöfen und hatte die Gräber der dort ruhen den Lieben geschmückt. Wie so manche dankbare Er ¬ innerung mag da in den Seelen der Angehörigen bei den Gräbern aufgetaucht sein, wenn die Wtttwe das Grab ihres Mannes, die Kinder das Grab der Eltern schmückten, durch deren Thätigkeit und Aufopferung sie vor den schweren Nöthen des Lebens bewahrt vltebcn! Wie mancher der dort Ruhenden hatte im arbeitsreichen Leben etwas vor sich gebracht und das, was er erworben für seine Lieben, hatte er dem alten, angesehenen Institut in der Klostergasse anvertraut, es in seinen Actien angelegt, in dem felsenfesten Bewußtsein, daß die Leipziger Bank, die eine so lange, rühmliche Vergangen- heit hatte, der sicherste Hort für den Schatz seil Und einen Tag später! Es war ja fast nicht zu glauben, was sich die Leute erzählten, was schwarz auf weiß geschrieben stand, es war doch wohl eine vorüber gehende Nothlage — aber im Laufe des Tages fiel immer mehr der Schleier, der das Berhängniß gedeckt hatte, und der andere Tag brachte nackt und bloß die Gewißheit: für die Actionäre Alles verloren, für die Einleger ein be trächtlicher Theil! Schwer lag die Hand deS Unglücks auf Familien und Geschäften und trübe Stunden traten ein, unterbrochen von dem Berzwetflungsschret der Geschädigten, von bitteren Vorwürfen Derer, denen ein Theil ihres Glückes geraubt war. In ganz Sachsen herrschte in Handel und Industrie Bestürzung: viele alte, angesehene Geschäfte konnten sich nicht oder nur mit Mühe halten, und es war nur dem Entgegenkommen der anderen Banken zu danken, daß die Verheerung nicht eine solche Größe annahm, vte zu einer wirklichen schlimmen Krisis führen mußte. Die Justiz that ihre Schuldigkeit. Erner und Gentzsch wurden verhaftet, und während sich die Aufregung im Publicum allmählich legte und einer stillen Resignation und Trauer Platz machte, war die Staatsgewalt emsig und eifrig bemüht, die Beweise zu schaffen für die Schuld jener Männer, die sehend Tausende ins Unglück geführt hatten. Endlich war die Anklage fertig. Sie richtete sich nicht nur gegen die Direction, sie richtete sich auch gegen die *luf- sichtüräthe, Männer in angesehener, glänzender Lebens stellung, mit öffentlichen Würden reich bedacht. Die Justiz kennt keinen Unterschied der Stellung, die Gerechtigkeit trägt eine Binde vor den Augen, und auf die eine «chale der Waage, die sie in der Hand hält, wird das Verbrechen gelegt, und auf die andere alles das, was man zu seiner Erklärung und Entschuldigung anführen könnte. Und nicht gelehrte Richter sollten au der Zunge der Waage die Schuld ablesen, nein, bei einem Verbrechen, das so unend lich weite Kreise in Mitleidenschaft gezogen, sollte das Volk selbst sprechen. Der Proceß kam vor das Schwurgericht. Dort haben die zwölf Männer aus dem Volke über einen Monat gesessen und haben mit Spannung und Aufopferung die Waage verfolgt, und als die Schale der Schuld voll war und alle Momente von der Vertheidigung zu Gunsten der Angeklagten angeführt waren, da haben sie das Wort gesprochen: schuldig. Wohl haben sie Gentzsch und den Aufsichtsräthen mildernde Umstände zugebilligk, sie wußten, daß diese unter einem gewissen Zwange standen. Der, Seele des Verbrechens aber, Exner, haben sie sic versagt., Schwer ist zum Theil die Strafe, aus die der Gerichtshof er kannt hat, aber auch die Schwere der Strafe kann das un sägliche Unglück, das die Angeklagten heraufbeschworen, nicht wieder gutmachen. Es ist schlimm für die Leute, die bisher mit als die ' Besten ihres Standes galten, hcrabzusteigen und die Schuld zu büßen, aber es ist eine Genugthuung für das s Rechtsbewußtsein deS Volkes, baß sie der Strafe verfielen. Wer den Proceß Tag für Tag verfolgt hat, wer mit den Richtern und Geschworenen eingedrungen ist in die tech nischen Eigenheiten eines großen Betriebes, wer tag täglich neue Momente auftauchen sah, der wird die Klar heit der Verhandlung bewundern, der wird die verständ- nißvolle Behandlung -er einschlägigen Fragen, die Durch dringung der Materie würdigen. Ein solcher Proceß stellt dem Vorsitzenden eine große Aufgabe, fordert von Richtern und Geschworenen große Geduld und Auf merksamkeit und, sagen wir es auch, von den Angeklagten seelische Stärke und Muth, von den Staatsanwälten und Vertheidigern peinliche Beobachtung. Der Proceß ist vor bei, die Spannung ist ausgelüst, der Gerechtigkeit ist freier Lauf gelassen. Der Vorhang fällt, das Drama ist zu Ende. Seine Wirkung aber wirb noch in den weitesten Kreisen gespürt, wird man noch in ferner Zukunft spüren. Nicht so schnell wirb man den Sturz der Leipziger Bank ver gessen und Kinder und Kindeskind-'r werden von jenen verhängnißvollen Tagen erzählen. Schwindelannoncen. In der „Apotheker-Ztg." werden gegenwärtig ebenso schwere, wie unbegründete Angriffe gegen die deutsche Tagespresse gerichtet, die ja leider öfter den Lüudenbock spielen muß, indem sie für Mißstände verantwortlich ge macht wird, an denen sie vollständig unschuldig ist und welche sie nicht beseitigen kann. Die Tagespresse soll sich nach der Meinung jenes Apothekerorgans der Mithilfe und Förderung des G e h e i m Mittel schwindels und d e r C u r pf u s ch e r c i fortdauernd schuldig machen, obwohl alle guten deutschen Blätter in ihrem redaetioncllen Theile entschieden gegen diese Aus wüchse des Gewerbebetriebes Front machen. Das kann auch von jenen Angreifern nicht in Abrede gestellt werden. Die Schuld der Presse soll angeblich darin bestehen, daß sieInserate von Geheimmittelschwindlern nicht zurück weist und daß sie die polizeilichen Geheim- mittellisten in Gemeinschaft mit der reellen pharma- ceutischen Großindustrie bekämpft und statt jener Listen eine r e i ch s g e s e tz l t ch e Regelung des Geheim- mittelwesens ansrrebt. Angeblich soll auch im preu ßischen Landtage der Regierungscommtssar Ministerial direktor Or. Förster die gleiche Ansicht ausgesprochen haben, als er dort darauf hinwies, daß die Curpfuscher und Geheimmittelschwindler hauptsächlich durch ein maßloses Reclame- und Jnseratenwesen ihre großen Geschäfte machen. Nach dem Jdeengange jener pharmaceutischen Kritiker der Presse Hütte es diese ganz nnd gar in der Hand, dem Geheimmittelschwindel und dem Curpfuscherei- unwesen mit einem Schlage ein Ende zu machen, wenn sie nicht aus materiellen, egoistischen Gründen die reichen Einnahmen aus solchen Schwindcltnseraten dauernd be halten wollte. Diese Verdächtigungen sind bann begleitet von abfälligen Bemerkungen über die Pseubomoral der Presse nnd über deren widerspruchsvolle Inkonsequenz im redaktionellen und im Jnseratentheil, in Worten und in Thaten. Theils entspringen alle diese Angriffe einer voll ständigen Unkenntniß von den Aufgaben und Rechten der Presse, von den Grenzen ihrer Macht und ihres Einflusses, theils sind sie aber, namentlich in dem Apothekerorgan, der Ausfluß eines angehüuften Grolles darttber, daß dem einmüthigen Widerstande der Presse bisher alle die An griffe begegneten, welche gegen die legalen Interessen der Presse selbst und der pharmaceutischen Großindustrie ge richtet wurden. Man kann aber Niemanden den Be günstiger und Förderer eines gewerblichen Mißstandes nennen, welcher dessen Beseitigung durch Gesetz und Gericht herbeiführen will. Was die Ccnsur betrifft, welche die Presse ohne Rücksicht auf ihre Interessen an den Gehcimmitteltnscraten üben soll, so ist sie zur Ausübung derselben weder berechtigt noch im Stande. Sie ist dazu nicht berechtigt, so lange die Gehetmmittelannoncen, der für gesetzlichen An forderungen und den auf Grund der Gesetze erlassenen Verordnungen der Verwaltungsbehörden entsprechen. Die Presse hat gar nicht das Recht, über das Gesetz und über die Bestimmungen der Behörden hinaus eigenmächtig den Arzneimittelverkehr nach ihrem Ermessen, wenigstens soweit die öffentlichen Ankündigungen in dem Annoneen- theil der Zeitungen in Betracht kommen, zu reguliren. Sie könnte mit einem solchen von pharmaeeutischer Seite ibr anempfohlenen Uebergriff leicht nur Unheil anrichten. Wie oft haben sich in der Vergangenheit ursprüngliche Ge- yeimmittel als werthvvlle Arzneimittel, als eine Be reicherung unseres Arzneischatzes erwiesen, welche unsere Aerztewelt nicht mehr entbehren kann und welche sogar in das deutsche Arzneibuch späterhin ausgenommen worden sind ? Kann die Presse die Verantwortung über nehmen dafür, daß sie solchen reellen pharmaceutischen Fabrikspectalitäten den wirthschaftlichen Garaus macht, indem sie ihnen den Weg der Publicität abschucidet? Ge wiß nicht! Das ganze Vorgehen der „Apotheker-Ztg.", des officiellen Organs des „Deutschen Apotheker-Vereins", gegen die Presse zeugt von einer Splitterrichterei, die an die Presse Mahnungen richtet, die sie selbst in den Spalten ihres In seratent heiles nicht be folgt. In dem Jnseratentheile der „Apotheker-Zeitung" findet sich in jeder Nummer eine erklelliche Anzahl auf fallender, großer Annoncen von Geheimmittcln aller Art. Warum versagt das pharmaceutische Fachblatt nicht z u' e r st solchen Inseraten die Aufnahme? Warum sorgen diese Moralprediger nicht zuerst für die Purificirung ihres Jnscratentheiles von Geheimmittelannoncen und kehren zunächst vor der eigenen Thür? Wenn selbst ein pharma- ceutisches Fachorgan, das sachkundig auf diesem Gebiete sein sollte, nicht die Geheinrmittelannoncen aus seinen Jnseratenspalten verbannen kann, wie sollte die von phar- maceutischcn Laten redigirte Tagespresse dazu in der Lage sein? Ihr fehlt zu einer Unterscheidung zwischen ge mäßigten und übertriebenen Geheimmittelannoncen, um jene aufnehmen und diese zurückweisen, einfach die M a ch t. Kein Redacteur, kein Expeditionsbeamter ist medicinisch und pharmaceutisch genügend vorgebildet, um sofort auto ritativ entscheiden zu können, was in dieser Hinsicht zu lässig wäre oder nicht. Besäße ex aber selbst eine solche Vorbildung, dann würde das inserirende Publicum mir Fug und Recht seine Autorität nicht anerkennen, ebenso- wenig, wie es ihm die Befugniß -»gesteht, etwa eine AuS- verkanfsannonce, eine Heirathsannonce, ein Darlehns- inserat deshalb von -er Aufnahme in den Jnseratentheil des Blattes zurückzuweisen, weil er sic für schwindelhaft hält. Den Be weis dafür kann er ja nicht führen, denn er hat nicht die Ermittelnngsgewalt -es Richters. Wer das Wesen der Presse kennt, wird an sie kaum derartige un erfüllbare Forderungen stellen, wie das hinsichtlich der Gehcimmittel- und Kurpfuscherannoncen letzthin von der „Aphoteker-Ztg." mit einem großen Aufwand von sitt lichem Pathos geschehen ist, noch weniger aber wird er wegen dieser faktischen Sachlage Verdächtigungen gegen den guten Willen und die Moralität der deutschen Presse Feuilleton. Die zerstörte Mole. Ballade von Maxim Gorki. Aus dem Russischen. Nachdruck Verbote». Es ist Heller Sonnenschein. Ein leichter Wind weht. Das Meer bewegt sich kaum. Unser Boot wird ruhig von den Wellen getragen; das Segel ist emporgertchtet . . . Ringsum — eine endlose Wette .... In der Ferne eine alte, zerstörte Mole. Wir nähern uns ihr. Mit Wucht schlagen die Wellen wider das steinerne Hinberniß und freudig rollen sie durch die große Bresche, die durch diese Wand gebrochen ist. „Das Meer liebt keine Hindernisse" — bemerkte mein Gefährte, ein alter, von der Sonne gebräunter Seemann. „Ist die Mole schon fett langer Zeit durchbrochen?", fragte ich. unwillkürlich erstaunt über die riesige Kraft, die diese kolossalen Felssteine abgetragen hatte. „Es wird schon lange her sein", antwortete er nach denkend. „Kennen Sie aber", wandte er sich zu mir, „die Lieblingssage unserer Seeleute vom Kampfe des Meeres mit diesem Felsen? Wenn Sie wollen — ich erzähle sie Ihnen/' * * * „Wie die freien Vögel in den Lüften, so waren die Wellen des Meeres ungestört. . . . Der Sturm schläferte sie mit seinem Liede ein, und sorglos, vergnügt rollten sie in die grenzenlose Weite dahin Aber der düstere, böse Tyrann, der Mensch, vom Neide getrieben, wollte sie ihrer Freiheit berauben, damit sie sich nicht stolz über dem mächtigen Meeresschlund bewegen und der Hellen Sonne, dem blauen Himmel spielend zu- lächeln könnten. Er sandte gehorsame -Sclaven; aus bemJnnern derSrde brachten sie eiskalte Felsen hervor und begannen sie in die Tiefe des Meeres zu werfen Den Wellen machte eS Freude, zu sehen, wie die Felsen zum Meeresgründe sollen. Sie springen, drängen sich zu sammen, lachen; sie werfen sich hin und her und liebkosen die mürrischen Felsen: ein freies, herrliches Leben. Aus dem Inneren der kalten Erde sind zu uns traurige Gäste gekommen; mit fröhlichem Liebe wollen wir sie empfangen; mit freundlichem Gruß und mit Liebkosung wollen wir sie erwärmen, zusammen mit ihnen uns freuen und Welt und Freiheit rühmen." Die jungen Wellen sind fröhlich. Nur der Sturm und der brausend« Wind empfangen die Gäste mit boshaftem Pfeifen, düster blicken sie auf die Felsen hin. Aber die Felsen stürzen und stürzen in'» Meer, legen sich eng a»«tnanö«r und -Üben «m« fest« van», schon »«, ginnen sie, die Meereswellen zu bedrängen, ihrem freien Laufe den Weg zu sperren. . . .1 Da werden die Wellen unruhig, die hohe, düstere Wand ängstlich betrachtend: zum ersten Male ist ihnen der Weg gesperrt. Und gleichmäßig ihren Lauf sortsetzend, stürzten sie mit der Brust an die Felsen . . . Stöhnend strömten sie zu rück . . . Die Wan- ist kalt, unzugänglich^. . . Das Meer zitterte auf. . . . Voll Schrecken drängten sich die Wellen, an den düsteren Felsen ihre Brust zerschlagend. Ein Stöhnen verbreitete sich über das Meer. . . . „Berrath, Verrath!" schreien die Wellen. „Wir haben sie wie Freunde empfangen " „Der Freiheit, der Freiheit haben sie uns beraubt!" Der Sturm weint Zur düsteren Wand fliegt sausend der Wind! „Oh, ihr Felsen, ihr schrecklichen Felsen! Auch ihr wäret doch einst frei, auch ihr habet doch einst in Freiheit ge- athmet .... Weshalb habt ihr jetzt unseren Kindern die Freiheit geraubt?" Die schrecklichen Felsen blickten finster. „Nicht unser ist der Wille! Der raubt, der zu rauben befiehlt", erwiderten sie mit düsterem Stöhnen. Der Sturm eilte davon, mit Pfeifen und Weinen sauste der Wirbelwind über's Meer. Sie riefen die Wellen zusammen und thetlten ihnen die Schreckensbotschaft mit. „Oh, ihr Wellen,ihr armen Wellen! Verloren, verloren ist die Freiheit! . . . Jetzt sei- ihr Sclaven geworden . . ." Und sie flogen zurück SS erstarrte bas Meer Die mächtigen alten Wellen Haven sich in die Tiefe des Meeres zurückgezogen. ... Sie kann der Sturm nicht wecken, den Ruf des Windes vernehmen sie nicht. Und die jungen Wellen rollen finster dahin, man hört weder Lachen, noch Lieder von der einstigen Freiheit; die Sonne leuchtet so trübe und der Himmel ist grau und finster ringsum Von der barten Gefangenschaft er- mattet, schloffen sich nur selten die jungen Wellen gegen ihren Feind in ein einige» Heer zusammen. Mit ge- schlossen«! Kette greifen sie die steilen Felsen an, — die unzugänglichen F«ls«n gerathen nicht in Verwirrung; wie ein schallendes Scho ertönt blos da» Stöhnen — es stöhnt die »erschlagene «ruft der tapferen Kämpfer. Das Meer weinte. ... Jahr« vergingen. Biele Jahre vergingen viele junge Wellen zertrümmerten ihre Brust an den Felsen Immer düsterer und düsterer wurde es ringsum. . .. Die Wellen wurden verwirrt. — „Wir wollen warten! Wir wollen Kräfte sammeln!" Jahre vergingen Die jungen Wellen wurden stark. Nach allen Rich, tunaen de» M«rre» sandten Ne Voten, die Schlafenden zu »«ck«n. all« Wellen »um Kampf« mit b«n F«lsen zu rufrn. In den Abgrund zu den alten Wellen stiegen die Boten hinunter, die alten Wellen zum Kampfe zu rufen. Die alten Wellen schütteln mürrisch ihren grauen Kopf. „Wir haben weder Stärke noch Leelenaufschwung. Wie sollen wir kämpfen, wie sollen wir mit den Felsen streiten!" Da eilten die Boten, ihre Verwandten zu suchen, den Sturm und Wirbelwind zu rufen. Sie liefen über's Meer, sie sind nicht zu finden; in den Bergklüften begegneten sie ihnen. „Seid gegrüßt, Ihr Theueren, wir sind als Voten von den Wellen hierher geschickt. Verlaßt die engen Berge, eilt schnell zum Meere und zerreißt die schändlichen Ketten, die den Geist unserer Brüder zusammen geschmiedet! Flößt den alten Wellen neuen Geist des Lebens und Drang zur Freiheit ein; sammelt ein starkes Heer nnd führt es geschlossen gegen die Felsen! Uns schreckt weder Kampf noch der Tod, wir wollen die Freiheit für unsere Brüder nur retten." Zitternd schlug das Herz des Sturmes; feurig ent zündete sich das Blut des Wirbelwindes. Die Reden der Boten erinnerten sie an die guten alten Jahre. Liebkosende Blicke warfen sie den jungen Boten zu; von den Bergklüften her ertönte auf dem weiten Meere ein mächtiger, freudiger Ruf: „Wir gehen, wir gehen, wir gehen die Freiheit retten, die Freiheit retten, die Freiheit retten. Steht auf, ihr mächtigen Wellen, zerstört die Kesseln der Freiheit, alle Hindernisse zerstört!" Mächtig erschallte der Ruf: er weckte die Schlafenden, die Alten machte er jung und flößte Tapferkeit und Muth ein! Und die Wellen erhoben sich und rollten hin, dem Rufe zum Kampfe zu folgen. Finsterniß herrschte über dem Meere, schwarze Wolken hingen ringsum, als zum ersten Male der mächtige Ruf ertönte. Vom Osten nach dem Westen, vom Süden nach dem Norden versammelten sich die Wellen, starke, geschlossene Heere. Die jungen Wellen waren von Tapferkeit beseelt, sic wollten die Ersten beim Angriff sein. Wie ein Blitz eilten sic über's Meer; der Wind eilte zu Hilfe. Ss sauste der Sturm ... Es donnerte der Wirbelwind . . . „vorwärts, ihr mächtigen Wellen! Tob oder Sieg!" To zogen sie mit kriegerischem Rufe gegen bi« düstere Wand. Die finsteren Felsen erzitterten . . . Schon sind die Wellen nahe , . . Sie eilen schneller und schneller . . . Mit der Brust voran stürmen sie heran, mit der Brust prallen si« an die Kelsen und fallen tobt zurück. Mit Blut sind die Felsen bespritzt, mit dem Blut« der furcht losen Kämpfer. Es stöhnt der Sturm: „Kinder, meine theueren Kinder! Schon sind die Ersten gefallen! Es werden noch Biele der Unseren fallen, aber heute wollen wir Len Feind vernichten!" ES brodelt das Meer . . . Zur Ablösung der Gefallen«« «il«n neue Wellen . . , Das Meer hat die Ufer verlassen; alle Wellen haben sich -em Heere angeschlossen. Lärmen und Stöhnen tönt über das Meer . . . Wie mächtige Löwen eilen die alten Wellen den jungen zu Hilfe. Die Erde zittert ringsum; mit furchtbarer Kraft stürzen sie sich auf die Felsen . . . Schon ist der Morgen angetreten, der graue, düstere Morgen. Noch immer stehen die Felsen unzugänglich... Stoch immer pfeift -er Sturm, und die Wellen kommen um, ihre Brust an den Felsen zerschlagend. Selbst der schlimme Tyrann, der Mensch, der die ver- hängnißvolle Wand schuf, bebte jetzt. Beim Anblick des Leidens nnd Vergehens des Meeres erzittert das gefühl lose Herz. Wie gern würde er jetzt die Felsen wegrüumen und den Wellen die Freiheit zurückgeben! Aber zu spät . . . Schon weinen die Wellen nicht mehr, schon flehen sie nicht mehr ... Zu viel sind ihrer Brüder gefallen, zu süß ist die Rache für die Um gekommenen . . . Wuchtig und furchtlos eilen sie. Muthig zertrümmern sie die Wand — vom kräftigen Schlage zittern die Felsen . . . Die Wellen erstarren, sie fallen zurück und wieder stürzen sie mit heftiger Wuth heran , . . Furcht bar ist der Lärm und das Getöse, das Meer scheint sich mit dem Himmel vereinigt zu haben . . . Und die Felsen stürzen!! Dem letzten Schlage ergaben sie sich, mit Getöse stürzten sie in den Meeresschlunb hinab, wo die umgekommencn Wellen lagen. „Weg, ihr schändlichen Leichen!" brüllt das Meer den gefallenen Felsen zu, „hier ist die Ruhestätte der un erschrockenen Kämpfer für die Freiheit; hier liegen die jungen Wellen." Es öffnete sich der Meeresgrund und in den finsteren Schlund stürzten im Fluge die Felsen. „Haben mir denn die Schuld? Rubm den Wellen — uns ewige Schande für die schändliche That!" Es jubelt das endlose Meer. Es hat die mächtige Kraft des Feindes besiegt. Nun rollen die Wellen frei dahin und rühmen die gefallenen Kämpfer, die mit ihrem Leben für die Brüder die Freiheit erkauften. Ruhm den Gefallenen! Den Lebenden — die Freiheit!" Ich saß wie bezaubert von dieser herrlichen Volks, sage . . . Mit Ehrfurcht betrachtete ich die freien Wellen, die Kraft und mächtige Kühnheit athmen. Ueber mir der hellblaue Himmel; unter mir bas wette Meer, vom milden Lichte der strahlenden Sonne über- gossen. In der Ferne der Lärm städtischen Lebens, das Treiben bejammernSwerthcr Lust, der schwarze Rauch, das Schrillen der Dampfpfeif«, der Klang der Ketten und ein Stöhnen, ein jämmerliche» Stöhnen . . . Und mir schien, als wenn dort, weit, weit hinter der blauen Alte de» Meere», -er Sturm gepfiffen hätte . . . Oh, Menschen! Oh, -«klagenswertbe Menschen!
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite