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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 28.07.1902
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-07-28
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19020728018
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902072801
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902072801
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1902
- Monat1902-07
- Tag1902-07-28
- Monat1902-07
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In -er Tiefe ein grün ausge polstertes Thal, rechts seitlich die Wartburg, dahinter Berge im Hessenlande. Voran der sargähnliche Meißner. Vor uns aber ein wundersames Gewirr breitgebuckelter Berge, alle von kräftigem Laubwald überrauscht. Wie leuchtet die Ferne in dieser Stunde! Kein Haus, kein Schornstein! Abendlicher Frieden um uns. Mail meint das Athmen der Natur zu hören, den Pulsschlag alles Werdens und Vergehens. Der Meitzenstein (556 Meter hoch) ist eine versteckte Perle in dem grünen Bergrevier zwischen Winterstein, Ruhla und Thal. Schräg gegn die Felswände aufgelegt, mit dem Kopf über den Abgrund haltend, genießen wir in vollen Zügen alle Schönheit und Weihe dieser Sonntags stunde. Die laute, hastende Welt — wir fragen nicht nach ihr. Wir wissen, daß wir etwas mit heim nehmen werden, das tausende anderer schillernder Genüsse überdauern wird. Und dann geht's weiter! Wieder hinein in den hinter uns zusammenschlagenden Wald. Durch Busch zuerst, dann einen engen, düsteren Tannengang hin, bis Jungwald, von einzelnen Riesenbuchen überragt, uns aufnimmt. Neue Thäler öffnen sich unseren Blicken; sehnsuchtsvoll blaut die Ferne. Rings um uns aber da blüht's in sel tener Pracht. Orchideen in allen Farben, Türken bundlilie, Amome und Glockenblume, Maiblume und Erdbeere, und bunte Schmetterlinge gaukeln darüber hin und freuen sich des Sonenlichtes. Der Duft des Wald meisters umschmeichelt uns; Waldrebe und Jelänger jelieber spannen Ketten von Baum zu Baum. Es huscht und summt, flüstert und schwebt um uns. Man könnte meinen, niedliche kleine Tritte trippelten vor uns her, ge- heimnißvolle Waldgeister, die hinüber nach den sagen reichen Wartbergen eilen, zu verkünden, daß wieder ein mal zwei Menschenkinder sich nahen, die Wunder dieser Berge aufzusuchen. Um seiner reichen Sagen willen ist und bleibt der Loppeltgebuckelte Wartbcrg der rechte Wunderberg für den nordwestlichen Theil des Thüringer Waldes. Herrlichste Waldwtldniß webt noch hier oben. Riesenbäume, dichtes Unterholz, seltene Pflanzen, Felsriffe und geheimnißvoll versteckte Höhlen, lachende Fernsichten und dann wieder jeden Blick hemmendes Dickicht: dies alles und die Sagen und Mären, welche ihn umfließen, machen seinen Zauber aus. Bahnt man sich durch halbmannshohc Farrenbüschcl, Gestrüpp und Gesträuch einen Pfad am östlichen Hange, so gelangt man zu einer schwer aufzufindenden Höhle, vom Volk das Bockofenloch genannt. Gluthäugige Venetianer, im Volksmunde wohl auch Walen geheißen, sollen hier im Mittelalter auf Gold gesucht haben. Die Erinnerung an diese düsteren Gesellen spukt noch heute bei den Wald bewohnern. Noch eine andere Höhle soll der Wartberg besitzen: das Geisbeinloch. Diese öffnet sich aber nur Sonntagskindern. Von dem Goldreichthum dieses Ber ges, dessen Doppelrücken auf weithtnaus jedes Auge an zieht, spürt man heute nichts mehr. Dafür steht sein Kräuterreichthum hoch im Ansehen. Jeder zweite Thü ringer auf dem Walde ist ein kleiner Apotheker und Heil künstler, der mit Säften und Thees, der Natur entnom men, durch Jahrhunderte hindurch dem gelahrten Doctor- stande ein Schnippchen schlug. Erst die moderne Gesetz gebung, Krankenkassen und freie Medicin, schränkten die alte, liebe Gewohnheit der Selbsthilfe ein. Am Trinitatisfeste, dem „Goldenen Sonntage" der Thüringer, wallfahrtet denn auch aus den Walddörfern so Mancher hinauf zum Wartberge, heilsame Kräuter und seltene Wurzeln zu holen. Denn an diesem Tage ist dem Allen doppelte Heilkraft verliehen. Am Trinitatisfeste blüht auch da oben die geheimnißvolle, schöne Wunder blume. Wer sie findet, dem erschließen sich die Höhlen, der schaut in Berginneres und sieht manches längst versunkene Schloß emporsteigen. Und wenn er arm und leicht empor zog zum Wartberge, er kehrt Abends heim, schwer beladen mit Gold und Edelsteinen und braucht nimmer mehr nch zu sorgen im Kampfe des Lebens. Ich zog auch einmal an einem Trinitatisfesttage da oben unter summttidcn Wipfeln einsam dahin und hielt Ausschau nach der Wun derblume. Doch habe ich sie nirgends entdecken können. Mein Junge war ein Sonntagskind. Der sollte sie einmal pflücken. Seine Augen waren groß und hell, sie schauten den Menschen in die Seele hinein. Aber da kam ein Mächtigerer und ließ ihn vor der Zeit Abschied nehmen, als draußen die Linden blühten. Der ruht nun still am Bergeshange und hat die letzte Wanderung bereits hinter sich. Zum Wartberge ist er aber nimmer gekommen. Einem Bergmann erblühte einmal das Glück auf dem Wartberge. Wie er da so recht im Sinnen unter den breit- wipfeligen Buchen am Trinitatisfeste einsam zog, sah er mit einem Male vor sich die herrliche Wunderblume leuch ten. Angczogen von ihrer Schönheit, pflückte er sie und schmückte damit seinen Hut. Im Nu mar die ganze Gegend um ihn herum wie verzaubert. Ein stolzes Schloß ragt vor ihm auf. Weit öffnet sich ihm die Pforte und er tritt staunend hinein. Drinnen Raum für Raum Pracht und Glanz. In einem herrlichen, großen Saale steht ein altes, graues Männchen und zählt Geld aus vollem Kasten auf den Tisch. Er hebt den Kopf, nickt dem Bergmann freund lich ermunternd zu und sagt zu ihm: „Nimm Dir nur von allen Schätzen, so viel Du willst. Vergiß aber den Schlüssel nicht!" Das läßt sich der Glückliche nicht zwei Mal sagen. Alle Taschen füllte er sich bis zum Rande und zuletzt auch noch seinen Hut. Dabei war ihm die Wunderblume herab gefallen. Doch er achtete ihrer nicht, obwohl das^Männ- chen unruhig ihn ermahnte: „Vergiß doch den Schlüssel nicht!" Der Bergmann war wie berauscht ob aller Pracht und allem Glück. Der Berggeist stand auf und geleitete ihn zum Ausgang. Dort erhob er noch einmal seine Stimme. Diesmal klang sie gar zornig: „Vergiß den Schlüssel nicht!" rief er zum dritten Male. Zn spät! Jener hatte bereits einen Fuß aus dem Zauberpalaste gesetzt. Im nächsten Augenblicke war Alles verschwunden. Einsam stand der Bergmann wieder im stillen Walde. Doch eine Stimme schlug an sein Ohr: „Hättest Du die Blume nicht vergeßen, denn diese war der Schlüssel, so konntest Du wiederkommen, so oft Du nur wolltest!" Trotzdem war und blieb der Bergmann glücklich, denn er hatte so viel mitgenommen, daß er bis an sein Lebens ende zufrieden sein durfte. Auch heute war wieder ein Sonntag, und da die Sonne wärmer durch die Zweige sich zu uns niederstahl: uns ein goldner! Wir saßen wieder am Höhenrande, nahe den Dolomitklippen, und blickten träumend hinaus in die abendliche Welt. Aus den Thälern trug der leise Win den Klang einer Glocke herauf. Im Hörselthale wanderte die Sonne entlang und vergoldete dorten den Eingang zu der Höhle, in welcher Tannhäuser damals wieder Ein kehr zur schönen Teufelin Venus hielt, da Papst Urban ihn in Rom für ewig verflucht hatte. Wir lauschten dem Flüstern der Wipfel hoch über uns, dem Raunen und Ziehen rings im Walde, während die Vögel in Busch und Baum die lieblichsten Instrumente zur großen, feierlichen Abendsymphonie zurechtstimmten. Uns wa?s, als hätten wir in dieser Stunde auch die blaue Wunderblume an unfern Hut gesteckt. Ob cs die Nähe des kräuterrcichen Wartberges machte: es bleibt jedenfalls eigenthümlich, daß gerade in den Ort schaften ringsum eine Reihe Wunderdoktoren entstanden, deren Name und Ruhm heute noch im Thüringer Wald volke unvergessen ist, um deren Gestalt und Thäten die Ueberlieferung geschäftig die seltsamsten Mären flocht. Besonders das 17. und 18. Jahrhundert sah solche „Natur heilärzte" emporschießcn, zu denen nicht nur das Volk und der städtische Rurgerstand sich gläubig drängte, sondern Fürsten und Herzöge von Weitem herbeieilten, hier zu finden, was ihnen die gelahrten Allongeperrücken der be dächtigen Zunft weiser Doctoren bisher vorenthalten hatten. In Chroniken und Büchern sind unzählige ge lungene Wundercuren festgelegt. Wie lange die Heilung freilich vorhielt, wie weit hier seelische Erregung, Fana tismus, hingebender Glaube mitwirkten — wird nicht ver meldet. Vom heiligen Rock zu Trier werden ja auch regel mäßig ein paar Wunder verkündet, der Million getäuscht Abziehender gedenkt dann Niemand mehr. Es genügt, wenn nur Einer seine Krücken fortwarf. So ein echter Wundermann und Prophet war zu Schwarzhausen Hans Schnill, der Korbmacher. Die un glaublichsten Dinge berichten die Chroniken über ihn. In Ruhla war es ein Schmied, Namens Hans Leinweber. Uebermenschliche Kraft wohnte dem inne. Als am S. Oc tober 163» kaiserliche Truppen in Ruhla einrückten und harter Kampf sich erhob, da sing er alle Kugeln auf. Bei seinem feierlichen Bcgräbniß späterhin wandte man sich noch einmal um und mußte nun mit Schrecken gewahren, daß Hans Leinweber aus dem Fenster seines Hauses lächelnd seinem eigenen Trauerzuge nachschaute. Sein Geist svll noch heute nicht zur Ruhe gekommen sein. Im 18. Jahrhundert war es unten in Thal Johannes Hornschuh, seines Zeichens ein Fenstermacher, der durch Jahrzehnte starken Zulauf als Heilkünstler besaß. Im Volksmunde hieß er „Förberts-Hanns", als solcher hat ihn Ludwig Storch auch in einer Novelle verewigt. Für diesen war der Wartberg eine Schatzkammer heilsamer Pflanzen gewesen. Als es ihm gelungen war, die Erbprinzessin Luise Reuß von Plauen von einer schweren Krankheit zu heilen, stand sein Ruhm im Zenith. Die Aerzte tobten, die Kirche eiferte — es blieb Alles vergeblich — Thal war ein Wallfahrtsort geworden. Noch ist in Gotha ein Schrift stück aus jenen Tagen vorhanden, in dem der Ober-Con- sistorialrath Jnold entrüstet seinem Unmuth Luft macht. Er spart in diesem Berichte nicht der harten Worte und schließt seinen Sermon: „Und in Thüringen, ohnfern einer Stadt lGotha!), die sich ihrer Weisen vor allen anderen brüstet, spielt ein Trunkenbold den Weissager und den Arzt — und Fürsten und Gewaltige beugen sich vor ihm!" Zu Füßen des Wartberges, gar lieblich in ein licht grünes Thal eingebaut, da liegt als kleine weimarische Euclave das Dörfchen Secbach. Neben der Kirchthüre ist in die Mauer eine Sandsteinplatte eingcfügt, darauf zu lesen ist: „Herrn Johannes Direl, ihrem vormaligen treu gesinnten, christlichen Mitnachbar und unvergeßlichen Wohlthütcr, dem Gründer aller hier bestehenden frommen Stiftungen für Kirche, Pfarrei und Schule, dem Erbauer dieses Gotteshauses, als Denkmal unvergänglicher Dank barkeit geweiht am ersten hundertjährigen Stiftungstage dieser Kirche, den 28. Juni 1836, von der Gemeinde in Seebach." Unter allen Wunderdoktoren Thüringens darf Jo hannes Direl als der tüchtigste und edelste gefeiert wer den. Am 10. Oktober 1676 erblickte er in Scebach das Licht der Welt. Die Noth trieb ihn vorwärts. Aus einem Tage löhner ward ein Maler, dann ein Naturarzt. All jein ge waltiges Einkommen widmete er seinem Dorfe. Der Her zog des Landes suchte ihn persönlich auf. Auf und ab ehrte man den schlichten, gütigen Mann. Am 9. November 1758 schloß er hochbctagt die Augen, beweint vom ganzen Dorfe und Allen, die ihm näher getreten waren. In seinen Stiftungen lebt er weiter fort. — Steigt man nach Norden an dem Wartberge nieder, so grüßt uns im Grunde ein wahres Schatzkästlein landschaft licher Aumuth, das gvthaische Dorf Thal, eine der liebens würdigsten Sommerfrischen Thüringens. Der Erlstrom, aus der engen Schlucht von Ruhla herabschäumend, plaudert an des: Häusern und Hütten vorbei. Ucber dem Orte ragt über den Fichten eines Spitzberges die Ruine Scharfenburg hervor, von den Ruhlaern nur ob ihrer runden Thurmgestalt „Das Löthtöpfchen" geheißen. Seit dem Jahre 1150 liegt die Burg bereits in Trümmern. An dem Fuße des Burgberges breitet sich dicht am Waldessaum der kleine Gottesacker aus. Auf ihm ruhtEmil Palleskc, der berühmte Necitator, der gefeierte Verfasser von „Schiller s Leben". Hier in Thal gedachte er sich einen Ruhchafcn für noch recht lange Zeit zu gründen. Aber der Tod rief den noch im blühendsten Mannesalter Stehenden nur allzu früh ab. Am 28. Oktober 1880 schied er aus diesem Leben, demselben Jahre, in dem er uns Deutschen sein so vortreffliches Werk schenkte: „Die Kunst des Vortrags". Wer einmal aus einer Reise durch den Thüringer Wald in Thal rastet, der sollte nicht versäumen, dem Erinnern Emil Palleske's seine stille Huldigung darzubringen. Kunst und Wissenschaft. Musik. * Arthur Pougin erzählt in seinem interessanten Merkchen über Rossini folgende artige Anekdote: Rossini war die Güte selbst gegen seine Mitgefährten. Seine Beziehungen zu Boieldieu gehörten zu den freundlichsten. Nach der ersten Vorstellung der „Weißen Dame" machte er ihm die größten Lobsprüche über seine neue Partitur und sagte ihm, daß es in der That eine komische Oper sei wie noch keine, — ein Modell in dieser Art, und daß kein italienischer Compositeur, ihn selbst nicht auSge. nommen, im Stande gewesen wäre, eine ähnliche zu schreiben. „Wollen Sie mich an einem für mich so glücklichen Tage, da ich zufrieden kein kann, zum Errötheu bringen?" sagte Boieldieu. „Nein, nein", antwortete Rossini, „ich spreche nur die Wahrheit. Keiner von uns Italienern hätte eine solche Scene wie jene des Verkaufes geschrieben. Wir hätten ein monströses Ensemble mit lauter Felicita, Felicita, Felicita! fabricirt, ohne den bewunderungswürdigen Effect hervorzubringen, wie Siel" „Allons, tbeurer Freund!" erwiderte Boieldieu, indem er lächelnd die Thür öfsnele, welche in seine Wohnung führte (die beiden Künstler wohnten in einem Hause) — „ich sehe schon, daß ich heute vor Ihrer Hart- näckigkeit nicht zu meinem Rechte kommen kann. Aber bedenken Sie, daß ich niemals über Ihnen bin, als wen» ich zu Bette gehe." * „Vsuäeamus txiturl" Wie oft ist eS gesungen worden, daS alte unverwüstliche akademische Lied: Eauckeumus ixitur — von alten und jungen Schülern! Ist doch kein festliches studentisches Beisammensein denkbar ohne diesen Chorgesang! Nicht nur auf Universitäten, sondern auch auf Polytechniken, Berg» und Forst, akademien, Conservatorien, Seminaren, Gymnasien und Realschulen beschließt mau Fackelzüge, AbschiedS-Commerse und Feste aller Art gern damit I Und in bürgerlichen Kreisen, au der Balltafel, ja in der Volksschule begegnet uns daS Lied und seine kernfrische Weise wieder. Der unglückliche Dichter Christian Günther hat e» ver deutscht in das volkSthümlich gewordene „Laßt uns Alle fröhlich sein, weil der Frühling währet!" — Woher stammt nun das Lied, das Tausenden wohlgethan hat? Man weiß, daß eS aus Bologna kam, welches bereits vor der Reformation eine der blühendsten Universitäten Norditaliens hatte, die mit Padua wetteiferte. Hatten doch beide Hochschulen zur Blüthezeit über 15 000, ja fast 18 000 Studirendel Von Bologna sind viele der studentischen Formen, wie wir sie uns im PennalismuS vereint denken, nach Deutschland gekommen, denn es studirten sehr viele Deutsche in der Lombardei. Und so wanderte auch das Lied Vuuäeuwus mit nach Deutschland, das den Domenicus Strada, einen Studenten zu Bologna, zum Verfasser hat, und bürgerte sich schnell und bereit» im Zeitalter der Reformation bei uns ein. Alte Posaunen. Im Nationalmuseum zu Kopenhagen bk- finden sich einige Exemplare vorgeschichtlicher Bronzeposauuen, sogenannte „Lurer", von welchen sich einige trotz eine» Alter» von ungefähr 2500 Jahren so vorzüglich gehalten haben, daß sie noch vollständig brauchbare Instrumente sind. ES wird vermuthet, daß solche „Lurer", wo sie bei Tempeldiensten oder ähn lichen Gelegenheiten benützt wurden, immer zwei und zwei zusammen geblasen wurden. Bor einigen Jahren wurde in Kopen hagen ein Versuch gemacht, zwei der am besten erhaltenen „Lurer" aus dem Nationalmuseum von Musikern der Capelle deS königl. Theaters blasen zu lassen. Das Ergebniß war überraschend, diese uralten Instrumente könnten, wenn sie von tüchtigen Posaunisten ge blasen werden, mit den Naturtönen eine- jeglichen modernen Blasinstru mentes concurriren und zeichneten sich nicht allein durch di« Menge ihrer Töne, sondern auch durch deren Beschaffenheit, durch Reinheit, Klangfarbe, Stärkegrad und Volubilität aus. Es wurden dann Concerte mit „Lurer"-Begleitung gegeben, die großes Aussehen erregten. Augenblicklich bereist der dänische Componist Allin, in Begleitung des ersten dänischen Opernsängers, Kammersänger Simonsen, ganz Dänemark und gtebt Concerte mit „Lurer"- Begleitung, die sich eines großen Andranges des Publicum- erfreuen. Allin gedenkt auch, später nach dem Festland zu kommen. — Eine Schule für Musikkritiker. DaS ueue Conservatorium in Boston ist nicht nur ein prächtiges Bauwerks dessen Einrichtung seines Gleichen in der Welt nicht hat, sondern e- bietet auch etwas Neue». Man hat nämlich eine Classe für junge Leute eröffnet, die sich dem musikalischen Journalismus, der Kritik und der Fettilleton. Das Schlußzeichen. Preisgekrönte Novellctte von Alfred M. Duvantter. Nachdruck Verbote«. Die Abendstille ruhte auf dem Post- und Telegraphen bureau von Hedsom City, einer der äußersten Vorstädte von Chicago. Nur der Postdirector und ein Assistent waren noch anwesend. Postdirector Thompson saß in seinem gemiithlichen Zimmer und rauchte seine Abend pfeife, und durch die offen stehende Thür schwebte ein feiner Duft von Virginia-Shag zu Mr. Williams hinüber, der über seine Bücher geneigt dasaß. Williams war ein hübscher junger Mann, der als der fleißigste Arbeiter und gescheiteste Kopf des Bureaus galt. Deshalb hielt der Postdirector auch große Stücke auf ihn. Man flüsterte allerdings, Williams hätte das Vertrauen seines Chefs einmal mißbraucht und sich, um seine Gläubiger zufriedcnzustellcn, einen nicht geringen Betrag aus der Postcasse angeeignet; Niemand wußte indeß etwas Näheres von der Sache, die zwischen Williams und dem Postdirector unter vier Augen ab gemacht worden war. Doch sprach man beständig von seinen verwickelten Verhältnissen, seinen zahlreichen DamenbekanlUschaften und seinem nie rastenden Be mühen, neue Darlehen auf sein hübsches, ansprechendes Gesicht hin aufzunehmen. Plötzlich wird die Stille von einem heftigen Klopfen am Telcgraphcnapparat unterbrochen. Williams erhob sich, um die Depesche cntgegenzunehmen, und der Post- dtrector spitzte das Ohr. „Morray, Hedsom". hörte er den Anker schreiben. „Eröffne das Geschäft am 15. Fehlen noch 4000 Dollars. Harald." Harald Morray war der liebste und intimste Freund seines verstorbenen Sohnes gewesen, und bei dieser Er innerung traten dem stattlichen Mann Thränen in die Augen. Wäre Eduard, sein Stolz, sein Augenstern, nur am Leben geblieben! Eine Lungenentzündung hatte ihn in seinem zwanzigsten Jahre dahingerafft. Da war Mr. Thompson's Haar ergraut, und seine Augen waren ernst und düster geworden. „Lassen Sie Billy gleich mit der Depesche fortgehen", ruft der Postdirector zu Williams hinein. Er kann dann auch nach Hause gehen; heute Abend kommt gewiß nichts mehr." r i , „Jawohl", versetzte Williams. „Gestatten der Herr Postdirector vielleicht, daß ich den Dienst auch etwas früher als gewöhnlich verlasse? Ich möchte gern heute Abendfreisein.". „Bitte! Ich werde um 0 Uhr das Schlußzeichen geben." Als Williams das Bureau kurz darauf verließ, be gegnete er im Vorzimmer Mr. Morray. „Guten Abend, Sir! Gratulire zu dem neuen Unter nehmen Ihres Sohnes." „Danke, Williams! Ich glaube, es wird sich gut au- lassen, doch es wird mir sehr schwer, ihm das nüthige Geld zu beschaffen!" „Glauben Sie nicht, daß der Postdirector Ihnen helfen könnte?" fragte William». „Ich wollte ihn nicht gern darum bitten; doch ich weiß Niemand, an den ich mich sonst wenden könnte." „Er hilft Ihnen ganz sicher^ Mr. Morray. Gute Nachts Str!" „Gute Nacht, Williams!". Mr. Morray ging zu dem Postdirector hinein, der ganz überrascht war, ihn zu sehen. Kurz darauf waren sic in ein vertrauliches Gespräch über die alte« Tage ver tieft, als ihre Söhne noch Kinder waren und zusammen spielten. Sic frischten all' die tausend kleinen Züge aus der Schulzeit der Söhne und ihrem täglichen Beisammen sein wieder auf. Mr. Morray fand den Augenblick günstig, um mit seiner Bitte hervorzutreteu. Der Post director überlegte einen Augenblick, ob er es seinem jüngsten Sohu John gegenüber verantworten konnte, eine so große Summe aufs Spiel zu setzen, doch der junge Morray war Edimrd's vertrautester Freund gewesen, und diese Erinnerung brachte alle Bedenken zum Schweigen. Er bat seinen Freund nur der Form wegen um eine» Schuldschein, nahm darauf aus seiner Brieftasche, in der er zufällig einen Theil seines Vermögens aufbcwahrte, vier Tausend-Dollarscheine und reichte sie Mr. Morray mit dem Wunsche, sie möchten seinem Sohne Glück bringen. Damit war dem alten Morray aus seiner Verlegenheit geholfen, und er dankte seinem treuen Freund herzlich. Kurz darauf begann der Telegraphenapparat seine alte, bekannte Melodie: Hedsom, Hedsom, Hedsom . . . Mr. Morray verabschiedete sich, und der Postdirector ging an den Apparat. Während Mr. Morray die Thür hinter sich schloß, schlug die Bureaunhr dreiviertel Neun. Am nächsten Morgen wurde der Postdirector Thomp son im Telegraphenzimmer des Postbureaus ermordet vorgefunden; die Caffe wär geplündert. Auf Nachfrage erfuhr man, daß die Hauptstation von Chicago das ge wöhnliche Schlußzeichen am vorigen Abend um 9 Uhr 5 Minuten erhalten hatte. Der Mord mußte also nach 9 Uhr verübt worden sein, und zwar — nach der Lage der Leiche zu urthetlen — gerade, als der Postdirector den Telegraphenapparat hatte verlassen wollen. Die That war auf die Weise begangen worden, daß der Mörder dem Postdirector einen spitzen, dünnen Dolch bis ziun Heft in die rechte Schläfe gejagt hatte, und zwar von hinten, denn der Anzug desselben war weder zerrissen, noch auch nur in Unordnung. Der Mörder konnte sich unmöglich hinter den Postdirector geschlichen haben, mußte sich also mit dessen Wissen in dem Raume aufgchalten haben. Man erfuhr bald durch Williams, daß Mr. Morray den Postdirector besucht hatte, daß er in Eieldvcrlcgenheit war und daß er mit Thompson allein im Bureau gewesen, daß Billy und Williams die Erlaubniß erhalten hatten, früher gehen zu dürfen. Mr. Morray wurde verhaftet, und man fand bei ihun 4000 Dollars. Damit war seine Schuld bewiesen. Allerdings erklärte er, der Postdirector hätte ihm das Geld gegen einen Schuldschein geliehen, doch eiu solches Papier fand sich nicht unter den Papieren des Ermordeten, hatte natürlich auch nie existirt. An dem Tage, an welchem der Mord -ü Hedsom vor dem Schwurgericht von Chicago zur Verhandlung stand, war der Znhörerraum überfüllt. Bor Beginn der Ver handlung unterwarf das Publicum die Zeugen, die Advo- caten und die Mitglieder der Jury einer eingehenden Prüfung. . Unter den Zeugen war die Wittwe des Post direktors Thompson und sein hinterlassener Sohn Gegen stand des allgemeinen Mitgefühls. Mrs. Thompson saß vorn am Richtertisch, den Ann liebevoll um ihres kleinen Sohnes Schulter geschlungen. Er war jetzt das Einzige, was sie noch auf Erden besaß. Außerdem waren der Telegraphenbotc Billy, die Wirthschafterin Mr. Morray's, Mrs Fuller, sowie einige Poft- und Telegraphenbcamte vorgelqden, darunter Williams. Man hatte eine Zeit lang auf diesen leicht-
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