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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 12.06.1903
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1903-06-12
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19030612013
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1903061201
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1903061201
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1903
- Monat1903-06
- Tag1903-06-12
- Monat1903-06
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Amtsblatt -es Königlichen Land- nn- -es Königlichen Amtsgerichtes Leipzig, -es Rates nnd -es Nolizeiamtes der Lta-L Leipzig. Anzeigeu-Pret- die 6gespaltene Petitzeile 2ü Reklame» »»ter de« Nedaktiwwstrich (sgrspalle») 7V vor de» ya»Nlie»»ach. richte» (Sgespalteu) 00 rabellartscher und Ztffrrnsatz entsprecheud hoher. — Gebühren für Nachweisungen «ch Osfertenauuahaw 2» L, (qel. Porta). Extra-Vellage« (gefalzt ,«? mit oer Morgen-Au-aab«, ohne Posttef-rdermr, SO,—» Mit Poftbef-rdermr- ^l 70e-> Auuahuuschluß für ^«zeizeu: «ba-d-Ausgaber vormMag» 10 Uhr. Mor-ea-Aasgaber -tachurtttag» 4 Uhr. Anzeigen sind stet» an di« Expedition IN richten. Die Expedition ist wochentags umuckerbrvche» geöffnet »na früh 8 bi» abend« 7 Uh» Druck »ad Verlag van L. Pol» i» Leipzig Nr. 2S3. Freitag den 12. Juni 1903. 87. Jahrgang. Der Lönigsrnord in Serbien. Neber bas grauenhafte Drama am serbischen Hofe gehen uns noch folgende Meldungen zu: * Köln, 11. Juni. (Telegramm, j Die „Köln. Ztg." meldet aus Belgrad: Die Armee pro« klamterteuachtsPeterKarageorgewitfch zum Könige vo« Serbien. Militär drang in den Söuigspalaft ei«. * Köln, 11. Juni, (Telegramms Sin Privat» telegramm der .^kölnischen Zeitung" von heute vormittag 8 Uhr 2V Minuten berichtet. Man erzählt inBelgrad , König Alexander habe in letzter Zeit tatsächlich die Absicht verwirklichen wollen, fich vonDraga zu scheiden. Die Königin habe dies bemerkt und hinter» treiben wollen. Sinige hohe Militärs hatten Draga in der letzten Nacht gewaltsam aus dem Konak entfernen wolle«, seien aber auf Wider stand bei de« Anhängern der Königin gestoben. I« einem erbitterte« Gemetzel sei alsdann das Sönigspaar mit seinem Anhänge gefallen. (Wdrhlt.s * Semlin, 11. Juni. (Telegramm.) Sin TrnppOffiziere zog «achtSin dasKönigs» palais und forderte in Vereinbarung mit dem radikalen Führer Ljnba Ztw- kowitsch den König auf, zu Gunsten Sara» georgewitschs abzudanken. Der König weigerte sich und erschoß den die Ur» künde unterbreitenden Oberste« Naumo witsch. Die Offiziere ließen nun den Kriegsminister und den Minister des Inner« holen und töteten das Sönigspaar, den Adjutanten Petrowitsch und die königstreuen Offiziere. Der Anführer des Militärs war Oberstleutnant Mischitsch vom sechsten Infanterie» Regiment, welcher die Königin ermordete. Die Königin und ihre Geschwister wurden mit einer Hacke erschlagen. Der König wurde erschossen. Die Königin war sofort tot, der König lebte noch einige Minuten. Die Ur» fache dies Ausstandes war die vor einigen Lagen erfolgte Rückkehr -es Bruders der Königin, des Thronkandidaten Lunjewitza. Die über lebenden bisherigen Minister wurde« verhaftet. Am Sonntag soll das feierliche Leichenbegängnis sein. Für heute abend ist eine Festbeleuchtung geplant. In Belgrad herrscht ungeheurer Jubel. s„Nat.-Ztg."j * Belgrad, 11. Juni, 1v Uhr 20 Min. vormittags. sPrivattelegramm.) Die Aufregung und mit ihr die Menschenansammlungen in den Straßen Belgrads wachsen in den Morgenstunden stetig. Trotz strömenden Regens harren Tausende in de« Straßen in der Nähe des Schlosses. Ueberall sind Truppe« aller Waffen, auch Kanone«, aufgestellt. Das Militär trägt nicht mehr Kokarde« mit dem Namenszug des Königs Alexander, sondern Blumen und grüne Zweige oder Blätter an Stelle der Kokarde. Die jungen Leute rotten sich zusammen, schwenken Fahnen und ziehen nmhcr, indem sie rufen: Es lebe Kara» gcorgewitschl Fast alle Häuser Belgrads haben Fahnen ausgesteckt, jedoch sind keine schwarzen Trauerfahnen darunter. Boni Sönigsfchlosie weht keine Standarte mehr. Einige behaupten, Karageorgewitsch weile seit gestern in Belgrad, andere behaupten das Gegenteil. Niemand weiß, woran man ist. s„Köln. Ztg") * Wie«, 11. Juni. (Telegramm, j Die „Neue Freie Presse" erwähnt, daß Justizministcr Schi« ko« witsch nnd der Minister des Innern Protitsch, die von Peter Karageorgewitsch in das neue Ka» binctt berufen seien, unter König Milan zu 20 Jahren Kerker verurteilt waren. Handelsminister Ge«t- schitsch sei der Hauptgegner der Königin Draga gewesen und unter König Alexander wegen Majeftätsbcleidigung verurteilt wordcu. * Köln, 11. Juni. (Telegramms Die „Köln. Zeitung" berichtet aus Belgrad von heute vormittag 11 Uhr: Das Ereignis heute «acht ist zwischen 1-s/s und 2 Uhr von dem sechsten, den Namen des Königs führen den Regiment, wie es heißt, unter de« Kommando der Obersten Mischitsch und Mafchiu ansgesührt worden. Letzterer ist im neuen Kabinett Minister für Bauten und mit der Königin Draga ver» schwägert. Sein Bruder war mit ihr ver» heiratet. Soldaten drangen nachts in den Konak «nd erschossen den diensttnenden Adjutanten Oberst Naumo witsch. Nach einer anderen Version hätte der König Alexander den Obersten Naumowitsch er schossen, weil dieser de« Loldntcu das Tor geöffnet «nd daher «nter de« verdachte der Mitwisserschaft ge standen hat. Wer den König nnd die Königin erschossen, ist nicht bekannt. Gleichzeitig sind Generaladjntaut Lasar Petrowitsch, der Minister des Inner« Welimir TaastvßSMttfch» KriegAmtnist« Milowa» Pawlowitsch «nd die Mitglieder der Familie der Königin in ihre« Wvhnnnge» überrascht «nd, wie e» heißt, alle nieder gemacht worden. Der König, die Königin und die übrigen Toten »erden heute i» eiusache« Särgen be stattet. Der König dürste in» Kloster Rakowiza betgesetzt werbe«, die übrigen auf de« hiesigen Frtebhos«. Die Skupschtina unv der Senat werden am 1ö. Juni die heute durch die Armee erfolgte Pro, klamation des Fürsten Peter Karageorge- witsch zum König durch formelle Wahl sanktionieren. Große Volksmengen durchziehen die Stadt unter Kundgebungen für die neue Negierung. Das Entscheidende in den vorstehenden Nachrichten ist die Tatsache, daß bet der Mtlttärrevolution, welcher die Dynastie Obrenowitsch zmn Opfer fiel, der ewige Thronprätendent Karageorgewitfch die Hauptrolle gespielt bat, wobei eS nur noch nicht klar ist, ob die radikale Partei ihn gerufen, oder ob er cs ver standen hat, diese und das Heer für feinen Putsch zu ge winnen. Vorbereitet ist der furchtbare Schlag jedenfalls seit langem. Ausfallen könnte dabei nur, daß Alexander gerade durch die Armee gestürzt ist, di« unter Milan und auch in den ersten Jabren der Regierung seines Sohnes gerade die festeste Stütze der Dynastie war. Milan be sonder- erfreute sich großer Sympathien im Heere. Aber wie uns von unterrichteter Seite versichert wird, hat Alexander sich diese auch auf ihn übertragenen Sympathien durch willkürliche Beförderungen, durch Brüskierung hochgestellter Militär» und nicht zuletzt durch seine an rüchige Heirat nach und nach verscherzt, so -aß er in der letzten Zeit des Heere- nicht mehr sicher war. In den letzten Monaten spitzten sich dann die Dinge rasch zu. Durch den Berfassung-bruch sollten die Radikalen, welche -er Krone unbequem geworden waren, völlig an die Wand gedrückt werden, und da- Ergebnis der allerdings von oben gemachten Skupschtinawahlen, die am 1. Juni statt, fanden, schien fast denen Recht zu geben, welche meinten, der König habe mit feinem Gewaltakt das Richtige ge troffen, um dem Lande die Ruhe zu sichern. Was dem Faß schließlich den Boden ausfchlug, war i^ohl der Umstand, daß Gerüchte umgingen und glaubhaft waren, der König wolle die Kandidatur Lunje witza durchsetzen. Der unglückselige Gedanke der Königin, ihrem Bruder, dem in der Armee und bei der Bevölkerung wegen seines hochmütigen und aufdringlichen Wesens höchst unbeliebten, dazu äußerst leichtsinnigen, un besonnenen Nikobem Lunjewitza da- Thronerbe sichern zu wollen, verschärfte die Gegensätze zwischen der Dynastie und dem Volke, wie dem Heere von Monat zu Monat. Dieser Gedanke und die Energie, mit welcher die Königin ihn ihrem Gatten plausibel zu machen versuchte, sind der Keim alle- Unheil- gewesen. Anfangs waren wenigsten- die breiten Massen dcS Volkes der Königin, als einem Landeskinde, durchaus nicht abhold. Erst die Zettelungen in der Thronfolgefrage machten zunächst die Königin Draga und dann auch den König verhaßt, der nur den richtigen Augenblick abzuwarten schien, den Wünschen seiner Gemahlin zu willfahren. Nun hat ihm da- Schicksal einen furchtbaren Strich durch die Rechnung gemacht: Peter Karageorge. witsch ist zum König proklamiert und hat be reit- bas neue Ministerium ernannt, das natürlich stock - radikal gefärbt ist. Man erinnert sich bei diesem Anlaß unwillkürlich an den an sich ja wohl ziemlich Harm- losen Schabatzer Putschversuch, der ja auch zu Gunsten Karageorgewitsch' in Scene gesetzt wurde. Peter Karage- orgowttsch ist der Sohn jenes Fürsten Alexander Karage. orgewitsch, der, wie die „Nat.-Ztg." rekapituliert, nach der Absetzung der Dynastie Obrenowitsch im Jahre 1842 den serbischen Thron bestieg, dessen Stellung jedoch durch den Einfluß Rußlands im Verein mit den Wühlereien der ge. stürzten Familie derart untergraben wurde, daß er unter dem Drucke der öffentlichen Meinung eine BokkSversamm. lung berufen mußte, die 1888 zusammentrat und seine Abdankung verlangte. Alexander verweigerte dieselbe, flüchtete auf die Festung Belgrad in türkischen Schutz und begab sich nach seiner darauf erfolgten Absetzung auf türkisches Gebiet. Obgleich in Serbien ohne Sympathien, suchten sich seine Anhänger trotzdem des Thrones für ihn zu bemächtigen. Doch hatte die auf seine Zettelungen zu- rückzuführende Ermordung Michael- im Jahre 1888 nicht den gewünschten Erfolg. Alexander Karageorgewitsch starb 1888 in TemeSvar. Lein Sohn Peter Karageorge» witsch wurde 1846 in Belgrad geboren, war seit 11. August 1888 mit Prinzessin Zorka, der Tochter de- Fürsten von Montenegro, vermählt, die indes schon 1800 starb, ihm aber einen Sohn schenkte, der, jetzt etwa 18jährig, auf der Petersburger Militärakademie erzogen wird. Peter Kara, georgewitsch hatte die Hoffnung niemals aufgegebcn, den serbischen Thron zu besteigen. Er wohnte seit vielen Jahren in Genf, sandte aber in regelmäßigen Abständen seine Aufrufe und Zirkulare nach Serbien. Soweit deren Inhalt öffentlich bekannt geworden, sahen sie mehr tanach au», al- ob Peter Karageorgewitsch die Erinnerung an sich wach halten, al- danach, baß er noch ernsthafte Ansprüche erhoben und dem König Alexander gefährlich werden könnte. ES dürfte sich auch wohl Herausstellen, daß nicht er oie treibende Kraft bet dem Blutbade im KvnigSpalaste war, sondern die radikale Partei und die unzufriedenen Elemente in -er Armee. Menschliche» Bedauern wird man dem jungen König Alexander gewiß nicht versagen, wenn man ihm jetzt so un. rühmlich in die Gruft sinken steht, und auch politisch darf man nicht zu streng über ihn richten. Fast noch ein Knabe, kam er auf einen der unsichersten Throne der Welt, und wie war schon daS monarchistische Prestige durch seinen Vater Milan Obrenowitsch diskreditiert, als er dasStcuer- rüder ergriff. Jeder Pfeiler de» Konaks war schon morsch, als Alexander einzog; es bedurfte nur eine- heftigeren Windstoßes, um den ganzen Bau zmn Einsturz zu bringen. Alexander» Hauptfehler war seine Verheiratung mit Draga Maschin; auS ihr haben sich guch alle die Konse quenzen ergeben, die jetzt seinen Sturz herbeiführten. Dieses Weib war sein böser Geist. Nun hat sie ihn mit sich in -en Abgrund gerissen, nachdem sie ihn zum willen losen Werkzeug ihrer ehrgrizigen Pläne gemacht. Peter Karageorgewitsch schreitet über Leichen zum Throne. Werben die Mächte ihn anerkennen? Das ist die Kardtnalfrage, um die sich zunächst alles drehen wird. Der Streit an der marokkanisch-algerischen Greme. Man schreibt unS: An der Grenze zwischen Marokko und Algerien ist ein Streit ausgebrochen, besten Ursprung sich noch nicht übersehen läßt, der aber leicht ernste poli- tische Folgen nach sich ziehen kann. Auf den General- gouverneur Jonnart haben die Bewohner der Oase Figig einen heimtückischen Angriff gemacht, Ler sein Leben allerdings verschonte, aber dreizehn Franzosen als Opfer forderte «nd in Frankreich nicht geringe Aufregung hervorgerufen hat. Allgemein wird nun die Forderung gestellt, man solle sich mit Erklärungen des SchcrifS nicht begnügen, sondern die Sühne selbst in die Hand nehmen und vor allem die Grenze zukünftig durch eigene Truppen schützen. Die Re- gierung der Republik scheint diesen Wünschen Nachkommen zu wollen. Jonnart hat gleich nach dem Ereignisse gesagt, er habe sich überzeugt, daß die marokkanischen Behörden nicht im stände seien, Ordnung und Sicherheit in diesen Gebieten aufrecht zu erhalten, und der Ministerpräsident Combes gab in der Devutiertenkammer die Erklärung ab, daß „die Räuber eine exemplarische Strafe erhalten werden, sobald die Zusammenziehung der Truppen voll endet sei". Darnach kann kaum ein Zweifel bestehen, daß die Republik entschlossen ist, ebenso Rache für den Ueberfall zu nehmen, wie gewisse Vorkehrungen zu treffen, um die Wiederkehr derartiger Vorgänge zu verhüten. Es fragt sich nur, worin diese Maßregeln bestehen könnten. Herr CombeS hat allerdings versichert, weder Marokko, noch daS übrige Europa brauchten sich über die Absichten Krank, reich» zu beunruhigen. Man werde keine Grobe, rung machen und die Verträge mit Marokko nicht verletzen. Aber daß man nicht eine gewisse Ober. Hoheit über Figig einrichten wolle, hat der Minister nicht gesagt. Und vermutlich richtet sich das Ziel aller- dings darauf. Denn welche Sicherheit hätte man wohl für die Aufrechterhaltung von Frieden und Ordnung an der Grenze Algiers, wenn der Wille der französischen Re publik nicht gleichzeitig auch über Figig herrscht? Hier aber könnte der Anlaß zuKonfliktenmitMarokko liegen, die die europäischen Mächte, namentlich England, bewegen würden, sich einzumischen. Die Londoner Blätter schlagen denn auch jetzt einen drohenden Ton gegen Frankreich an, dessen Uneigennützigkeit sie nicht trauen und in besten Verhalten sie nur einen Schritt zur Fort führung ihres Planes, ein großes Kolonialreich in Afrika zu gründen, erblicken. Das Bestreben Frankreichs ist seit Jahren darauf ge» richtet, durch Vereinigung Algeriens und SenegambienS der ausschlaggebende Faktor im Norden des Weltteiles und am Mittelländischen Meere zu werden. ES ist hierbei mit Klugheit und Umsicht vorgegangen und hat eine Reihe wichtiger Erfolge aufzmveisen. Die Eroberung der Tust - Oasen vor einigen Jahren war ein bedeutsamer Schritt zum Zusammenschlüße des nördlichen und des west, llchen Kolonialbesitzes und der Streit in Figig wird ver- mutlich das gleiche oder ein ähnliches Ende nehmen. Anlaß dazu bieten die kriegerischen Machenschaften der Wtdsten- stämme zur Genüge. TS kommt aber bet dieser letzteren Oase noch ein besonderer Umstand hinzu, der der Republik die Herrschaft oder Kontrolle über die Oase in hohem Maße wünschenswert macht. Fiqig, das am Südsußc des AtlaS liegt und einen Umfang von 14 Ouadratkilo- Metern hat, wird von der Sabarabahn berührt, deren Bau die Republik mit Eifer betreibt und die jeden- falls nicht wenig zur Festigung der Machtstellung Frank, reiche beitragen dürfte. ES liegt auf der Hand, daß die Franzosen unmöglich ihre civilisatorische Tätigkeit durch oie große Linie auSüben können, wenn dies« an verschie denen Punkten den ständigen Ueberfällen räuberischer Völker ausgesetzt ist. Daher läßt sich zum mindesten an- nehmen, daß der Zwischenfall der Pariser Regierung im Grunde keine-weg» unwillkommen war und daß man gerne die Gelegenheit ergreift, um die Frag« von Figig endgültig zu regeln und gleichzeitig den französischen Ein- sluß nach Lüden au-zudebnen. Alle» kommt nun darauf an, mit welchen Mitteln die französischen Staatsmänner diese Pläne ins Werk zu setzen gedenken. Der MinisterprSsident EombeS hat so VÜnbige Versicherungen über seine Ariebensabstchten avgegeben, daß man vorläufig -en Gedanken an eine kriegerische Lösung aufgeben mutz. Aber eS ist auch keineswegs er- forderlich, daß die Franzosen gewaltsam die Entscheidung in Marokko herbeizuführen suchen. Sie erreichen durch den Kleinkrieg mit den Wüstenstämmen und durch ihr ge- schtckteS diplomatisches Handeln beim Scherif mehr, als ein Feldzug ihnen jemals einbringen könnte. Frankreich beobachtet in Marokko die gleiche Taktik, wie da» Zaren reich in China; eS verfolgt sein Ziel mit zäher Energie, hütet sich vor Konflikten mit anderen Mächten und breitet sein Herrschaftsgebiet fast unbemerkt immer weiter aus. ES hat auch jetzt nicht den mindesten Anlaß, von dieser bewährten Praxis abzuwetchen. Insofern also kann man den Worten de- französischen Ministerpräsidenten Glauben schenken. Aber ebenso sicher darf man annehmen, daß Figig von Frankreich zur Festi gung seiner Machtsphäre in Afrika benutzt werden wird. Nun blicken die Engländer, wie schon erwähnt, mit scheelen Augen auf die Ereignisse, die sich eben an der Grenze Algeriens un- Marokkos abspielen. Wir glauben indes nicht, daß sie, solange die wirkliche Aufteilung Marokko nicht beginnt, sich irgendwie aktiv einmischen werden. Auch die gegenwärtigen Aeußerungen der Londoner Presse dürften leere Drohungen sein, die man weder in Pari-, noch sonst Irgendwo ernst nehmen wirb. Deutschland ist an -en jüngsten Ereignissen im Norden Afrikas insofern beteiligt, als unser Handel in Marokko nicht ganz unbedeutend ist und sich von Jahr zu Jahr vermehrt. Deshalb ist es uns keineswegs gleich gültig, wer die Herrschaft in Marokko auSÜVt und ob der Scherif in Marakesch, beziehungsweise Fez. residiert, oder da- Land der tatsächlichen Herrschaft der Engländer oder der Franzosen untersteht. Jedenfalls würde eine Ent- scheidung zu Gunsten Frankreich» den deutschen Interessen nicht entsprechen und könnte unsere wirtschaft lichen Beziehungen stören. Deshalb empfiehlt «S sich, die Entwicklung der Angelegenheit auch fernerhin nicht ari den Augen zu verlieren. Deutsches Reich. -7- Berlin, 11. Juni. (Der Zusammenschluß derdeutschenevangelischenKirchenundder Klerikalismus.) Daß dem Klerikalismus ein Zu- sammenschluß der deutschen evangelischen Kirchen höchst ungelegen wäre, verrät sehr deutlich ein langer Leitartikel des offiziellen Münchener ZentrumSorganS Den wahren Grund, aus dem die deutschen Klerikalen den Zusammen schluß der evangelischen Kirchen bekämpfen, nämlich die Besorgnis vor einer Verstärkung der Stellung desProtestantiSmus im Reiche, findet man im Münchener Zentrumsblatte natürlich nicht ausgesprochen. Um so zahlreicher sind dafiir die Borwände, die gegen den Zusammenschluß geltend gemacht werden. Die Sorge wegen der Frage, welche Organe der neue Kirchenbund für die Wahrnehmung gemeinsamer Ange legenheiten sich schaffen soll, kann ebenso auf sich beruhen bleiben, wie die Bekümmernis darüber, daß die akade - mischen Lehrer des Staats- uud Kirchen rechtes infolge der Neuorganisation sich auf einen Rattenkönig staats- und kirchenrechtlicher Kontroversen gefaßt machen müßten. Wenn der „Bayerische Kurier" von dem Zusammenschlüsse der evangelischen Kirchen be wetteren eine Verschärfung der kowsessto. nellen Gegensätze fürchtet, so fehlt einer der artigen Besorgnis jede tatsächliche Unterlage. Vielmehr könnte im Gegenteil angenommen werden, daß die Ueber- zeugung einer durch -en Zusammenschluß herbetgeführten Befestigung der Position des Protestantismus das katho lische Lager vorsichtiger in seinen Angriffen auf den Pro- testanitsmuS zu machen und durch die damit verbundene größere Zurückhaltung beruhigend auch auf die protestan tische Abwehr zu wirken vermögen werde. Vollends halt los ist endlich die Auffassung, der Zusammenschluß der evangelischen Kirchen sei ein weiterer Schritt „in der Richtung der Anbahnung des zentralisierten deutschen Einheitsstaates und der Beseitigung der einzelnen Gliedstaaten des Deutschen Reiches." — In dem Organ einer Partei, die vor kurzem durch ihren Toleranzantrag das Recht der Einzelstaaten auf die kirchliche Gesetzgebung beseitigen wollte, klingt die vor stehende Befürchtung doppelt eigentümlich. Im übrigen ist auch diese Aeußerung der Furcht vor drohender Zentra, lisierung nicht minder haltlos, als zahllose andere ähn licher Art. Als Schreckmittel gegen den Zusammen schluß der evangelischen Kirchen spielt der ,LZayerische Kurier" konseguenterweise und auS Gründen der Parität die Forderung aus, daß bei einem Zusammenschlüsse der evangelischen Kirchen auch der Organismus der katho- lischen Kirche im Deutschen Reiche fester zusammenge- schlossen werden müsse, „und zwar unter einem mit be- sondcron Vollmachten versehenen päpstlichen Le» gaten, unter einem deutschen Patriarchen oder Prima großen Stiles, der als Kardinal und al- ständiger Karbi- nallcgat » latere in die engste Beziehung zur römischen Kirche zu treten haben würde." — Diese Forderung ist im Hinblick auf den Zusammenschluß der evangelischen Kirchen weder konsequent, noch paritätisch; denn die katho- fische Kirche in Deutschland ist heute bereit», wo nicht der mindeste organisatorisch« Zusammenschluß der evange lischen Kirchen Deutschlands besteht, eine einheitliche, vom Papste völlig beherrschte Organisation. Als praktische Folgerung aus dem Kampfe des bayerischen Zentrum»- organe- gegen den Zusammenschluß der evangelischen Kirchen ergibt sich demnach die lloberzeugung, daß jener Zusammenschluß ein dringendes Interesse des Protestan tismus gegenüber dem Klerikalismus ist. verfin, 11. Juni. (Kurpfuschertum und Bündlertum.) Die Absicht der Reich-regieruaa, gleich dem preußischen Kultu-miaisterium den Kampf wider da» Karpfuscherrum aufzuaehme», wird vo« der „Deutschere Tageszeitung' in auffallruder Form brlampst. Da-
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