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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 22.06.1903
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1903-06-22
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19030622022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1903062202
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1903062202
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1903
- Monat1903-06
- Tag1903-06-22
- Monat1903-06
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BezugS-PretS 1» der Hanptexpedttion oder deren Ausgabe» stellen abgeholt: vierteljährlich 8.—, bei zweimaliger täglicher Zustellung in« Hau« 8.7b. Durch di« Poft bezogen für Deutsch land n. Oesterreich vierteljährlich 4.80, für di« übrigen Länder laut Zeüung-prei-llste. Lrdaktion und Lkpeditiou: JvhanntSgasse 8. Fernsprecher ISS und 222. Filia1r»prdition«u: Alfred Hahn, Buchhandlg., Universitätsstr.s, L. Lösche, Katharinens». 14, u. küuig-pl. 7. Abend-Ausgabe. WpMcr TMblaü Haupt-Filiale Dresden: Mattenstraße SL. Fernsprecher Amt l Nr. 1713. Haupt-Filiale Serlie: Tarl Ouncker, Herzgl. Bahr. Hofbuchhandlg, Lützowstraße 10. Femsvrecher Amt VI Nr. 4606 Auzeiger. Ämtsbtatt des Königliche« Land- und des Königlichen Amtsgerichtes Leipzig, des Rates und des Volizeiamtes -er Stadt Leipzig. Nr. 312. Montag den 22. Juni 1903. Anzeige«.Prets die 6 gespaltene Petitzeile SS H. Reklame» unter dem südakttonsstrtch («gespalten) 7K vor den Familiennach» richten (6 gespalten) SO Dabellarischrr und Htffernsay entsprechend Häher. — Gebühren für Nachweisungen und Offertenannahme 25 (excl. Porto). Ertra-lveilage« (gefalzt), nur mit d« Morgen-Ausgab«, ohne Postbefärderung 60.—, mit Postbefärderung 70.—» Auuahweschluß für Anzeige«: Sbend-Susgab«: vormittag« 10 Uhr. Morgen»Aa«gabe: Nachmittag« 4 Uhr. Anzeige« find stet« an di« Expedttio» zu richten. Die Expedition ist Wochentag» ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi« abend« 7 Uhr- Druck und Verlag von L. Polh in Leipzig. 97. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig, 22. Juni. Die „ungeheure Röte". Die „Pctite Nspublique frantzaise" stellt erfreut die Erfolge der deutschen Sozialdemokratie fest, und Mslines, des ehemaligen französischen Ministers, „Rspublique" jubelt: „Seine Majestät der Sozialismus sei ein großer Sieger der Wahlen in Deutschland, ungeheure Röte scheine jenseits des Rheins aufzusteigen, die Vorgängerin naher Katastrophen." Man sieht daraus, welche Hoff nungen man außerhalb der deutschen Grenzen auf das An wachsen der Sozialdemokratie setzt, die den nationalen Staat verleugnet und das zur Verteidigung des Vaterlandes ge schaffene deutsche Heer, die beste Schule und Waffe deS deutschen Volkes, durch eine Miliz nach Art etwa der seligen Bürgergarde ersetzen will. Auch dem kurzsichtigsten Wähler der bürgerlichen Parteien muß schon auS dieser Tatsache die Erkenntnis aufvämmern, welchen politischen und wirtschaftlichen Gefahren Deutschland entgegengeben müßte, wenn die sozialdemokratische Partei in der gesetzgebenden Versammlung des Reiche» eine ausschlaggebende Stellung er halten sollte. Während nun aber sogar der sonst nicht selten auf sehr einsamen Pfaden wandelnde Professor Delbrück mit dem größten Nachdrucke zum Zusammengehen aller bürger lichen Parteien gegen die Sozialdemokratie bei den bevor stehenden Stichwahlen mahnt, fährt Herr vr. Barth un entwegt fort, seine Mannen aufzufordern, da, wo rechtsstehende Parteien mit einem Sozialdemokraten zur Stichwahl stehen, dem letzteren ihre Stimmen zu geben. Käme Herr vr. Barth mit einem Sozialdemokraten in die Stichwahl, so würde er sich nicht wundern können, wenn die nichlfreisinnigen Wähler sich die Frage vorlegten, ob nicht an ihm, angesichts dieses Verhaltens als Parteiführer, ein Exempcl statuiert werden müßte. Wir würden ibn trotz dieses Verhalten» immer noch als daS „kleinere liebel" anseben und zu seiner Wahl ausfordern, denn cs kommt für alle nichlfreisinnigen Wähler nicht darauf an, was er über die Gefährlichkeit der Sozialdemokratie denkt, sondern wa« sie selbst darüber denken. Aber wundern dürfte sich, wie gesagt, Herr vr. Barth nicht, wenn die Frage aufgeworfen und von mehr leidenschaftlichen als vernünftigen Leuten zu seinen Ungunsten beantwortet würde. Wir hoffen denn auch, daß seine Anhänger ihr Verhalten weniger nach seiner Aufforderung, als nach den eben zitierten französischen Stimmen einrichten, die einen Vorgeschmack von den Folgen eines weiteren Anwachsens der sozialdemokratischen Man date geben. Wir hoffen dies um so mehr, je mehr die Sozialdemokratie selbst dafür sorgt, daß ihre spezifisch antinationalen Tendenzen noch vor der Stichwahl deutlich in die Erscheinung treten. In Oberschlesien besteht bekanntlich seit einer Reihe von Jahren eine sehr lebhafte großpolnische Agitation, die eS offen als ihre Aufgabe bezeichnet, die preußischen LandeSteUe mit polnischsprechender Bevölterung für die LoSreißung von dem preußischen Staate und von dem deutschen Reiche vorzubereilen. Im jetzigen Wahlkampfe stehl ein grvßpoln isch er Kandidat zur Stichwahl mit einem ZentruruSmanne im Wahlkreise Beuthen-Kattowitz, wobei die Sozialdemokraten die Entscheidung geben. Die Entscheidung darüber, welchem von beiden Mitbewerbern die Sozialdemokraten ihre Stimme geben werden, ist bereit» ge troffen, und zwar dahin, daß die sozialdemokratischen Stimmen dem aroßpolnischen Kandidaten zugeführt werden sollen. Die Sozialdemokraten scheuen also nicht davor zurück, offen für eine Bewegung einzutreten, deren Ziel die Zerstückelung de« preußischen Staate» und die LoStrennung der erst durch die Deut schen der Kultur erschlossenen Landesteile von dem deutschen Reiche ist. Im Zusammenhalt mit der spezifisch anti monarchischen Tendenz der Sozialdemokratie muß dieses direkt staatsfeindliche und antinationale Verhalten dieser Partei alle ehrlichen Patrioten dazu «»treiben, bei den Stichwahlen Mann für Manu für die Gegner der Sozialdemokratie einzutreten. Bon Ausweisungen, die in Deutschland sowohl wie in Holland nicht geringe« Befremden erregen müssen, weiß die „Dtsch. Wochenztg. in den Niederlanden" zu berichten. Einer dieser Berichte lautet: Herr L . . . e wanderte vor 85 Jahren im Alter von 1b Jahren aus Deutschland au« und trat in da» Geschäft seine», in Sneek (Friesland) ansässigen Vaters ein. Seit L8 Jahren ist er nieder ländischer Staatsbürger und hat al» solcher seiner Militär- und „SchutterS"pflicht Genüge geleistet. Da seine Gattin und Kinder da» hiesige Klima nicht vertragen konnten, siedelten sie vor 20 Jahren nach Mettingen in Westfalen über und zahlten dort seit dieser Zeit die verlangten Steuern und Abgaben. Herr L. wurde als Vormund über di« Kinder seines verstorbenen Bruder eingesetzt. Al» die Familie vor kurzem von Mettingen »ach Münster übersiedelte, erhielt Herr L. plötzlich den Befehl, da» Land innerhalb vier Wochen zu verlassen. E» wurde ihm nahegrlegt, daß diese Maßregel zurückgezogen werden würv«, falls er sich al- Deutscher naturalisieren ließe. Darauf giug Herr L. uicht ein. Lr berief sich auf seine niederländische Untertanen schaft, auf seinen ordnung-gemäß ausgestellten Paß, auf seine veraniwortliche Stellung al- Vormund, auf seine zahlreichen geschäftlichen Beziehungen mit deutsche» Fabrikanten — es half nichts; er bekam noch einen kurzen Aufschub und mußte dann Deutschland verlafseu. Am 31. Mai d. I. richtete «r an den Regierungspräsidenten in Münster «in Schreiben, in welchem er auseinanderfetzte, daß seine Anwesenheit in Münster für kurze Zrb. nötig sei, da er den Verkauf von ihm gehörigen Liegenschaften vollziehen, Geld für seine Mündel frstsetzen und Hypotheken löschen müsse, zu welchem Zwecke der Hypothekenbrsitzer Professor Osterhage au» Berlin in Münster eiuträse. Am 6. Juni ging ihm folgendes Schreiben deS Regierungs- präsideuten zu: „Ihrem Antrag vom 31. Mai d. I. auf Gewäh- ruug einer AusruthaltSerloubniS kaun nicht entsprochen werden, weil nach der aogestellteo eingehenden Ermittelung Ihre persöu- liche Anwesenheit zur Regelung Ihrer Angelegenheiten nicht er- forderlich ist und Sie, ohne Schädigung Ihrer Interessen, «einen geeigneten Vertreter stellen können." (Unterschrift unleserlich.) Herr L... e, der seit zehn Jahren «ine- der größten und schönsten Mäatelgeschäste in Amsterdam besitzt und der» im Verein mit seinem Vater, zu den deutschen Pionieren gehört, welche der deutschen Manufakturen- und Mäntelindustrie Holland al» Absatzgebiet er schlossen haben, erhält auch uicht dieErlaubai-, die deutschen Fabrikanten zu besuchen, mit welchen er seit Jahren in Ge- schäft-oerbindung steht. Jufolgedessen haben verschiedene große Importeure uud Ladenbesitzer au - Solidaritäts gefühl beschlossen, den Bezug französischer Waren für dir Zukunft in Erwägung zu ziehen. Im Interesse der im Ausland« wohnenden Deutschen fragt da- deutsch-niederländische Blatt: Haben alle im AuSlaude wohnenden und dort naturalisierten Deutschen ihre Ausweisung zu erwarten, wenn sie die alte Heimat betreten, oder besteht nur ein Ausnahmegesetz gegenüber den in Niederland ansässigen und dort naturalisierten Deutschen? Schützt ein niederländischer Paß nicht, gleich einem englischen, französischen oder amerikanischen AnSweis vor Uebergriffen deutscher Behörden? Schließlich weist da» Blatt darauf hin, welchen schädlichen Eindruck, sowohl in politischer al» wirtschaftlicher Beziehung, es auf daS holländische Volk Wachen müsse, wenn die Pioniere deö Deutschtum« von einem Regierungspräsidenten mit einem Ausweisungsbefehle begrüßt werden, falls sie daS alte Vaterland betreten. Die serbischen KönigSmörder. Die Regierung der Niederlande hat sich der Haltung Englands der neuen serbischen Regierung gegenüber an geschloffen, d. h. ihre diplomatischen Beziehungen zu dem Königreiche vorläufig abgebrochen. Auch Frankreich, Deutsch land und Italien !sollen nach Angabe deS englischen Ministers des Aeußern ihre Anerkennung deS neuen Königs von der Bestrafung der KönigSmörder ab hängig machen, eine Meldung, die allerdings noch der Bestätigung bedarf. Wir finden e» begreiflich, daß, nachdem einmal von einer Macht verlangt worden ist, daß der öffentlichen Moral Genugthuung werde, auch die übrigen Mächte nicht gut umhin können, einen anderen Standpunkt em,»nehmen, und in diesem Falle kommt noch hinzu, daß eS unklug wäre, England alle Vorbedingungen für eine Sonder aktion in der serbischen Frage einzuräumen. Allein eS wird für Peter I. fast unmöglich sein, den Königsmördern den Prozeß zu machen, nachdem er einmal daS Wort gesprochen hat, daß alles Vergangene vergessen sein soll und nachdem die serbische Nationalversammlung der Armee den Dank votirt hat; die Königsmörder können sich also eins wissen mit der gesamten serbischen Armee und der Bevölkerung. In Serbien sieht man den brutalen KönigSmord als eine Heldentat, als eine patriotische Be- freiungStat an, uud die Macht deS neuen Königs ist eine be schränkte und für den Augenblick noch schwache. Die Königs mörder und die hinter ihnen stehen, verlangen Ehrenstellungen und hervorragende Posten im neuen Regiment» werden sie statt dessen prozessiert, so erstehen Peter sofort massenhafte Gegner in unmittelbarster Nähe, und bei dem Eharakler und dem Temperament de« Serben muß man dann auf weitere Ueberraschungen gefaßt sein, während eS doch der dringende Wunsch der Mächte ist, daß einmal Ruhe in Serbien ein kehrt. Die Mitglieder der Skupschtioa-Deputatiou zur Ein holung de« Königs Peter, welche sich am Frei tag Abend auf der Reise nach Genf zwei Stunden in Wien aushielten, äußerten, e« könne nicht der Wille des Zaren sein, daß die KönigSmörder bestraft würden und «s werde auch gar nicht so kommen. Sie behaupten, authentische Beweise dafür zu haben, daß der König Alexander einen neuen Staatsstreich geplant habe, dessen notwendige Abwendung nicht anders al« durch «inen Gewalt akt erfolgen konnte. Es liegen Dokumente vor, die zeigen, daß der König am 25. Juni Ntkvbem Lunjewitza zum Thronerben proklamiert hätte und daß er eine Pro- skriptionSliste von 70 Gegnern seiner Person und DragaS hat anfertigen lassen. Wenn Alexander leben würde, sagte ein Deputierter, hätten heute über eine Woche dreiviertel von denen, die hierher reisen, ibren Kopf nicht mehr auf den Schul tern. Der Senat-Präsident WelimirowitsH antwortete auf die Frage, ob eine Bestrafung der KönigSmörder erfolgen werde, folgendes: „DaS ve, langt Rußland nicht und da» wird auck gar nicht geschehen." Ribaraz äußexte: „Eine Bestrafung der Teil nehmer am Attentate ist ganz unmöglich, e» müßten zweifellos neue Kämpfe heraufbeschworen werden und die beginnende Konsolidierung de» Landes würde unterbrochen." Simitsch sagte: „Es ist un möglich, der vergangenen Ereignisse wegen gegen irgend Jemanden einzuschreite». Hinter den Urhebern des jetzigen Zustande» stehen die serbische Nation und daS Heer." — Man darf gespannt sein, wie König Peter sich au« diesem Dilemma herauSziehen wird. Etwa» dürfte wohl geschehen, und wenn e» auch nur die Landesverweisung der Mörder ist, denen man vielleicht im Geheimen eiaeu Ehren sold zusteckt. Tie valkanunruhen. Die Tatsache, daß da» Bandenunwesen in den makedonischen Vilajet» nicht bloß nicht al» erloschen angesehen werden kann, sondern in den jüngsten Tagen eher eine Belebung erfahren hat, beruht auf zuverlässigen, iu Konstantinopel eiogetroffenen Konsularberichten uud wird auch in türkischen RegierungSkreisen nicht iu Abrede gestellt. Insbesondere ist e» die Umgebung von Monastir, wo die makedonischen ComitsS ihre Tätigkeit durch Morde, Erpressungen uud andere Gewalt mittel forlsetzen, wogegen e» in anderen Gebieten den türkischen Gegenmaßregrln gelungen zu sein scheint, diese Uedelstände nahezu auSzumerzen. Es gilt al« möglich, daß es sich bei der zu konstatierenden neuen Bandenbewegung um verspreugte, und durch geflüchtete Dorfbewohner verstärkte Baadeareste handelt, der Grund der unwillkommenen Erscheinung als» hauptsächlich im herrschenden Notstände erblickt werden kaun. E« zeigt sich aber immer klarer, daß man in türkischen RegierungSkreisen die Lage der Dinge etwas zu optimistisch beurteilt hat und daß eS langer, energischer und konsequenter Maßregeln, vor allem einer ernstlichen Beschleunigung der Reformen, unter besonderer Bedachlnahme auf den Notstand bedürfen wird, um daS Banden unwesen auSzumerzen und der Tätigkeit der revolutionären Eomitss den Boden zu entziehen. — Nach Ankündigungen der türkischen Blätter verfügt eia kaiserliches Irade die Flüssigmachung der zur Wiederherstellung der verbrannten Privatbaulichkeiten im Dorfe Smerdefch (Vilajet Monastir) erforderlichen Geldmittel. Deutsches Reich. Perlt«, 21. Juni. (Politisches VereiuSleben.) Nicht nur die Sozialdemokratie, sondern auch das Zentrum verfügt über Organisationen, die während der ganzen Dauer einer Gesetzzebungspenode ohne Unterlaß dazu benutzt werden, die Abgeordneten und die Wähler ununterbrochen in gegenseitiger Fühlung zu einander zu halten. Wer die sozialdemokratische Presse mit Auf merksamkeit verfolgt, muß sich davon überzeugt halten, Fe«ittet»n. Mr. Trunnell. Leeroman von I. Hains. Nachdruck verboten. Jackwell stand über mir an der Brüstung; er hatte mir das Gesicht zugekehrt und sah mich mit seinen glitzernden Augen an. Er hatte -en Lchnurrbart steif gewichst und auswärts gedreht, die Enden feiner Lchnabelnase und seines vvrtretendcn Kinns schienen einander näher zu sein, als sonst. Er schien seiner Lache ganz sicher, denn er gab durch nichts zu erkennen, daß ihm mein Aufenthalt hier dicht beim Fallreep unerwünscht oder störend wäre. Ich war fest entschlossen, Andrews niederzuschieben, sowie er das Deck betrat. Tschips und Johnson wußten um diesen Vorsatz und hatten mir ihren Beistand zu gesagt, wenn cs hinterher zu einem allgemeinen Hand gemenge kommen sollte. Das Boot kam näher; ich erkannte deutlich die Be wegungen der rötenden Matrosen. Jetzt schoß eS lang- seit u«K> wurde unterhalb der Kreuzrüst festgelegt. Ich trat schußfcrtig zurück. Jackwell bemerkte die» und zog seinen Revolver. Nun erhob ich auch den meinigen und als ich dabei einen schnellen Blick um mich warf, sah ich den Zimmermann und Johnson mit ihren Waffen in der Nähe stehen und bei ihnen noch ein halbes Dutzend Matrosen. Ich wußte nun, -aß ich nicht aus mich allein angewiesen war. Ein Mann sprang über die Reeling; fast unwillkürlich legte ich an. Da erkannte ich Trunnell. „Entwaffnen Sie doch diesen jungen Narren, Trunnell", sagte Jackwell, indem er seinen Revolver ein steckte. „ES ist sein Glück, dab Sie allein zurückgekommcn sind, sonst hätte ich ihm bereit» eine Kugel in den Kops gejagt." Der kleine Mann trat langsam auf mich zu. „Gehen Sie unter Deck, Rolling", sagte er, und mit unterdrückter Stimme fügte er hinzu: „Er weih nichts davon, daß Sie und TfchipS Meuterei im Sinne hatten, sonst hätte er euch beiden inzwischen schon den Garaus gemacht. Gegen Tschipö hegt er auch jetzt noch keinen Verdacht." Die Tatsache, daß Trunnell niemand mitgebracht hatte, wirkte wie ein betäubender Schlag aus mich; ich konnte kaum ein Wort hervorbringen. Ich schaute noch einmal über die Reeling, um mich zu überzeugen, ob es denn auch wirklich so sei. Da lag das leere Boot an seiner Fangleine und schaukelte sich aus dem Wasser. Die Leute waren an Bord geklettert. Der Obersteuermann ordnete das Aufheißen und Fest zurren des Bootes an, ließ die Raaen herumbraffen und ging dann in die Borkajüte. Ich folgte ihm. Jackwell trat an den Kompaß. Der „Pirat" rauschte auf seinem westlichen Kurse dachin, das Wrack blieb am östlichen Horizont zurück, der unheimliche Ueberrest eines guten Schiffes. Einen Augenblick zögerte ich noch, um einen letzten Blick hinüberzuwerfen. Der Mond goß eine lange Ltchtgaffe über die See. Weit hinten auf diesem schimmernden Pfade ragte ein schwarzer Stock aus dem Wasser. Das war das Letzte, was ich vom „Sovereign" sah. „Nun ?" fragte ich Trunnell, als wir in der Kajüte waren. ,^No sink» die?" ,/Hm", antwortete der kleine Mann ruhig, „hm, da Die sich nun 'mal über die Sache so aufgeregt haben — und wir nun wieder unseren richtigen Kurs segeln — wozu ich dem Skipper schon geraten hatte, ehe wir das Wrack sichteten, aber der Mann wollte ja nicht —" Hier unterbrach er sich, ging nach der Pantry, holte eine Flasche und hielt sie mir hin. ' „Danke", sagte ich, „jetzt trinke ich nichts. Ich will wissen, was aus den Leuten auf dem Wrack geworden ist. Ich habe die zweite Wache und muß bald an Deck gehen." ,Hm", antwortete Trunnell wieder, „hm — wo die sind, oder wo die nicht sind, daS kann ich nicht sagen, weil ich's nicht weiß. Wo jemand hinkommt, wenn er stirbt, das kann man nur mutmaßen — na ja, sehen Sie, und darum — zum Teufel, woher foll ich denn da wissen, wo die Halunken jetzt find?" Er tat einen langen Zug und fuhr sich dann mit dem Handrücken über den Mund- Ich trug den Revolver nach meiner Kammer, bann setzte ich mich zu Trunnell an den Tisch. Er hatte die Flasche vor sich stehen und schien unentschlossen, ob er noch mehr trinken sollte oder nicht. ,Hm", sing er nach einer Weile wieder an, „na ja, die Sache liegt also so. Hm, ja — wa» gingen uns die Kerl» nu« noch weiter an? Konnte man fie nicht auf ihrem verkohlten Wrack ruhig sitzen lassen? Na ja — aber der Alte. Als Sie dann wild wurden und Ihren Revolver hervorkriegten und von Mord und Totschlag und Meuterei redeten und sich verschworen, die Kerls niedcrzuschießen, sowie sie über die Reeling kämen — na ja, da sagte ich dem Alten kein Wort davon. Wozu auch? dachte ich bei mir selber; an Bord bringen wir die Schufte ja doch nicht wieder." „Waren die denn nicht mehr auf dem Wrack?" fragte ich. Trunnell sah mich mit einem langen, scharfen Blick an. ,Mer erzählt hier, Die oder ich?" sagte er. Ich bat wegen der Unterbrechung um Entschuldigung. „Nachdem ich also Ihre und des Zimmermanns Ge schichte von den Raufereien auf dem Wrack, von der Er mordung des Kapitäns Lackett und von dem Feuer ge- hört hatte, da gewann ich die Ansicht, daß jenes Gelichter nun nicht mehr länger existieren dürfe. Ich teilte diese Ansicht auch -em Alten mit, der aber bestand darauf, das Wrack unter allen Umständen aufzusuchcn und die Leute, falls sie noch vorhanden wären, an Bord zu nehmen. Da faßte ich den Entschluß, daß sie nicht mehr vorhanden sein sollten." „War denn wirklich keiner mehr da?" fragte ich- Trunnell- kleine Augen sahen mich unter den zottigen Brauen hervor ganz seltsam an. „An Bord von dem Wrack ist niemand mehr — so berichtete ich dem Skipper. Verstehen Sie ?" erwiderte er. Er zog sein Messer aus der Scheide, trat in die Tür der Kajüte und schleuderte e» über Bord. Dann setzte er sich wieder mir gegenüber. „Es gibt noch Gerechtigkeit auf See", nahm er von neuem das Wort. „Treibt einer e» allzu arg, dann wirb er bestraft. Aber Disziplin ist Disziplin. Je eher Die daS begreifen, Rolling, desto besser ist's für Sie. Andrews und seine Genossen hatten kein Recht mehr, zu leben; da» hatten sie schon verloren, ehe ich auf das Wrack kam. Ich sagte dem Alten, eS wäre keine Aussicht vorhanden, sie noch zu finden. Ich kam zurück und meldete ihm, es wäre niemand mehr da. DaS war die Wahrheit. Wo fie jetzt sind, das ist mir ganz gleich gültig. Es gibt viel Haie hier herum. Was di« van ihnen übrig gelassen haben, bas wird wahrscheinlich in der Höll« schmoren. Aber wie gesagt, so was kann man nur mutmaßen." Ich saß starr, denn ein schrecklicher Gedanke dämmerte in mir — auf dem Wrack mußte Grauenhafte» ge schehen sein. „Trunnell!" stieß ich hervor. Taten Dies ganz allein?" ,Hm", antwortete er; „es war nur einer da, der wirk lich noch Kraft im Leibe hatte — aber nun will ich Ihnen was sagen, junger Mann: wenn Sie jetzt nicht schleunigst in Ihre Koje kriegen, dann schlafen Die nicht mehr aus." Er schenkte sich noch «in Glas voll, brachte die Flasche wieder an ihren Ort und ging an Deck. Ich aber suchte meine Koje auf, um über dem zu grübeln, was sich auf dem feuergeschwärzten Wrack zu getragen haben mußte. Ich malte mir Andrews' Hoff- nung und des dritten Steuermannes Freude auS, als das Boot mit den vermeintlichen Errettern nahte. Ich dachte dabei an das jubelnde Glück, daS ich selber empfunden, als wir den „Pirat" wieder in Sicht be kamen. Dann geschah das Entsetzliche, bei dessen Bor. stellung mir daS Blut zu Eis gerann. Waren die Leute im Boote Zeuge davon gewesen? Der als Erlöser auS Todesnot Ausgesandie war mit einem blutigen Messer im Gurt zurückgekehrt; das Schiff wendete seinen Bug wieder auf den Kurs nach den Bereinigten Staaten, nach der anderen Seite der Erd kugel. Waö geschehen und wie eS geschehen, daS würbe niemals bekannt werden; daS in der Schwell halb ver- sunkene Wrack war stumm. Trunnell war wirklich ein merkwürdiger Mensch. „Disziplin ist Disziplin!" Dies Wort klang mir immer in den Ohrem Ueber mir hörte ich seinen Tritt auf den Decksplanken, wie er ruhig und gleichmäßig auf» und abschritt, und als ich in einen krankhaften Halb schlummer gesunken war, da träumte mir, er wär« ein ungeheurer Riese, dessen Gang bas Deck wie mit Donner schlägen erdröhnen machte. Ganz erschrocken fuhr ich plötzlich auf, denn sein buschiger Kopf erschien in meiner Tür, und er rief mir mit lauter Stimme zu, an Deck zu erscheinen und meine Wache anzutreten, zuvor aber einen dicken Rock anzuziehen, da e» sehr kalt ge worden sei. Zwanzigste« Kapitel. Während der nächsten Tage kamen wir in die An fänge des Südostpafsats und liefen nun mit schlanker Fahrt, unter Royals und Skysegeln über bi« mit Gchaunm
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