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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 23.06.1903
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1903-06-23
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19030623017
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1903062301
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1903062301
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1903
- Monat1903-06
- Tag1903-06-23
- Monat1903-06
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Ortra-Beilagen (geial-h, nu, »0 der SO.—Wit Popoeioraeruag Amrghweschluß sllr FrtztiM «deud-An-gaber Vorntittaß« 1V lU» R»rst««-ANDg»Ul Nnchmttwg« 4 «he. Nnzeiß« sind stets an die Gtpedfttva zu richten. Die Srprditwn ist Wochentag« «naitttsdrech«, geäffuet »on MH 8 bi» abrNde 7 Uh» Druck «nd Bertag vmt I. Poth W LN-ßig. 97. Jahrgang. Eine Uede Rudolf Sohms. * Di« ain SS. b. M. bevorstehende Stichwahl zwischen Lern tiationalltberaten Professor Vr. Hasse und dem sozialdemokratischen Kaufmann Motteler erMeckt in uns die Erinnerung an eine Rede, die unser berühmter Rechtslehrer Professor vr. Rudolf So hm am 5. Februar 1896 ickt Reichstage gehalten hat. Auf bet Tagesordnung stand die Fortsetzung der Generaldebatte übet das Bürgerliche Gesetzbuch. Am Tage vor. her hatte der Abgeordnete Stadthagen im Namen der sozialdemokratischen Fraktion der Vorlage den Oarau» zu machen gesucht; am Beginne der Sitzung vom 5. Februar sprach der welfische Abgeordnete Freiherr v. HodeNVerg seine partikUlartsttsche Abneigung gegen ein einheitliches deutsches bürgerliches Recht aus und er. müdete bas ohnehin gelangweilte Haus. Da erhob sich Professor So HM, der gleich dem blinden Geh. Ober- justtzrat v. Planck als einer der verdienstvollsten Mit arbeiter an dem Werke zum außerordentlichen Bevoll mächtigten des Bundesrats bestellt war. Seine Rede war ein parlamentarisches Ereignis ersten Ranges. „Wir eine Erlösung", so schrieb unser parlamentarischer Be richterstatter, „wirkte eS, als der Leipziger Professor das Wort nahm. Er führte die Verhandlungen sogleich auf einen höheren Standpunkt. Mit beredten Worten ver teidigte er baS nationale Werk gegen die besonders von sozialdemokratischer Seite dagegen erhobenen Vorwürfe und führte Herrn Stadthagen «ä nbsurckuw, indem er in geistvoller Weise die Unhaltbarkeit seiner Behaup tungen nachwie« und, ohne irgendwie persönlich ober verletzend zu wirken, mit feiner Ironie wiederholt ihn dem Gelächter des Hauses preisgab. SS wurde den „Ge nossen" recht unheimlich dabei zu Mute, und in ihrer Vcr- legenheit verließen sie zum Teil unter Führung des Herrn Singer das Haus, der ja bereits in der Quarta eine heilige Scheu vor jeder Belehrung empfand und der Schule den Rücken kehrte. Geh. Rat Sohin sprach den Sozialdemokraten jede Berechtigung ab, sich als die berufenen Vertreter des Volkes aufzuspielen, sic, die weder den Bauern, noch den Beamten, nicht den In dustriellen, noch den Gelehrten eine Existenz gönnen wollen. Herr Stadthagen sei sicher kein wahrer Ver treter des deutschen Volkes, überhaupt kein deutscher Mann. Er sei, wir alle „Genossen", ein Gegner jeder Rechtsordnung und unfähig, den Geist des Gesetzes zu erfassen, das auch dazu berufen sei, den Arbeiter von der sozialdemokratischen Unfreiheit zur bürgerlichen Freiheit zu erziehen. Mt poetischem Schwung« schloß der Redner, dessen Ausführungen wtederholt lebhaft« Aeuherungen des Beifalles hervorgerufen hatten, und gab der Zu versicht Ausdruck, baß bas «ürgerliche Gesetzbuch, wenn es der Reichstag erst als solches dem deutschen Volke ver liehen habe, auch weiter sich gedeihlich entwickeln werde. Bon Seiten der Mitglieder des BundeSratS wie aus dem Haufe wurde Geh. Rat Sohm der wärmste Dank ge spendet, und von allen Setten drängte man sich an den jugendlich lebhaften Greis, um ihm die Hand zu drücken." Die bemerkenswertesten Stellen dieser berühmten Rede lauten nach dem stenographischen ParlamentSberichte folgendermaßen: Kommissar des Bundesrates, Kgl. Sächs. Geh. Hofrat Professor vr. Sohm: Aus bunten Lappen setzt sich heute das Kleid des deutschen bürgerlichen Rechts zu sammen, — ein Narrenkleid, Harlekin! «Heiterkeit). Und jetzt endlich soll durch dieses Gesetzbuch dem deutschen Recht das Königskleid angezogen werden. Das ist Ihre große Aufgabe! Welche Umivandlung! Und ich habe mich sehr gefreut, daß aus fast allen Par teien grundsätzliche Zustimmung zu dem Werke als solchem laut geworden ist. Herrschaft deS nationalen Ge dankens! Und wie könnte cS anders sein? Führend über Ihren Beratungen schwebt Germania. Nur «in« einzige Fraktion hat einen grundsätzlichen Widerspruch erhoben. Sie hat, obgleich Bereitschaft zur Mitarbeit erklärt worden ist, dennoch sachlich grundsätzlichen Widerspruch gegen unser Gesetzbuch eingelegt und schwerste Vorwürfe gegen den Entwurf geschleudert. Der Herr Abgeordnete Stadthagen ist in diesem Sinne ausgetreten. Wir haben gestern seine Rede gehört. Und von dieser Red« wollen Sie mir gestatten, zu sprechen. Es ist meiner An sicht nach notwendig, wegen der schweren Vorwürfe, die in der Rebe erhoben find, ein Wort zu er- widern, und zwar gerade auch im Namen nicht bloß des deutschen Rechts, sondern im Namen der verbündeten Re gierungen. Ts sind zwei Hauptoorwürse, die von dem Herrn Ab geordneten Stadthagen erhoben worben sind. Der eine Hauptvorwurf bezog sich auf die Zusammen- fetzung der Kommission. In der Kommission für die -wette Lesung, hörten wir, sind alle Inter- «ssenklassen der Nation vertrete« gewesen (Zuruf links), nur eine einzige nicht, und eS sei infolge dessen von vornherein dem Entwürfe der Charakter eines Klassengesetzes, eines Ausnahmegesetzes, eines egoistischen Gesetzes ausgeprägt worden im Interesse einseitiger Klassenherrschaft. Ist das wahr? (Zuruf links.) Der Herr Abgeordnete Stadthagen hat gesagt: vertreten waren sie, die Herren Großgrundbesitzer, ver treten waren sie, die Herren Schlotbarone (wie deck Herr sich ausdrückte), aber nicht vertreten waren wir, die 98 Prozent, wie der Herr Stadthagen zweimal gesagt hat am Anfang und am Ende seiner Rede. Er hat diejenigen, welche er vertrat, als die 98 Prozent des deutschen Volks angesehen, d. h. mit andern Worten, als das deutsch« Volk. Wenn der Herr Abgeordnete Stadthagen uttd seine Herren Fraktionsgenoffen 98 Prozent vertreten, nun, so sind die übrigen 2 Prozent guantitS nSgsigoabl«! Dann vertritt diese Fraktion bas deutsche Volk. Ich frage Mich: btnich im stände, den Herrn Abgeordneten Stadthagen als Verkörperung des deut- schenBolkes am Ende des 19. Jahrhunderts an zu sehen? (Große Heiterkeit. Bravo! rechts. Un ruhe links.) Bin ich im stände, zu sagen: das ist für unsere Gegenwart der deutsche Mann? (Große Heiterkeit. Bravo! stürmische Unruhe und Zurufe links, Glocke des Präsidenten.) Wenn ich das sagen müßte: so steht Deutschland auS, — bann würde ich rufen: kluls OsrruanlLo! (Bravo rechts.) Es haben gestern zwei Herren nach einander gesprochen, der eine war der Herr Geheimrat Planck und nach ihm der Herr Abgeordnete Stadthagen. Der Herr Geheim rat Planck trat auf als Regierumgskommiffar, der Herr Abgeordnete Stadthagen akS erwählter Abgeordneter des deutschen Volkes. Wir wissen aber alle: ein wahrer Volks vertreter kann nicht gemacht, noch gewählt werden, ein wahrer Volksvertreter mutz geborener Volksvertreter sein. (Bravo! rechts. — Lachen bei den Sozialdemo kraten.) Und wen« ich nun diese zwei Persönlichkeiten neben einander stelle und mich frage: wer ist der deutsche Mann von den beiden? wer ein Vertreter unseres deutschen Volkes? wer ein Vertreter deutscher Wahr haftigkeit? (Bravo!) ein Vertreter der Gerechtigkeit, ein Vertreter deutscher Treue, wer von beiden, wer ein deut scher Mann? (Bravo! rechts. — Lachen bei -en So zialdemokraten. — Glocke de- Präsidenten.) Präsident: Meine Herren, ich bitte, den Herrn Redner nicht zu unterbrechen. Kommissar des Bundesrats, Königlich sächsischer Ge heimer Hofrat Professor vr. Lohm: — da kann fü^ niemand di« Antwort zweifelhaft sein. Das behaupte ich ganz bestimmt. (Bravo! rechts. — Lachen bet den Sozialdemokraten.) Also ich «bestreite dem Herrn Abgeordneten Stadthagen das Recht, daß er sich als der Volksvertreter hinstellt; das ist nicht wahr. Es stehen hinter der sozialdemokratischen Fraktion zahlreiche Arbeiterscharen. Wir wissen das alle. AVer ich frage: steht auch -er Baucrnstand dahinter? (Zu- rus rechts.) Die ländliche Bevölkerung, die etwa annähernd SO Prozent, fast die Hälfte der deutfchen Nation ausmacht? Ich frage, ob sie durch den Herrn Stadthagen vertreten gewesen ist. (Zuruf rechts. — Lachen bei -en Sozial demokraten. — Glocke des Präsidenten.) Präsident: Meine Herren, ich bitte um Ruhe! Kommissar deS BundeSratS, Königlich sächsischer Ge heimer Hofrat, Professor vr. Gvh«: Die große Zahl der Gebildeten, zu denen auch ich vielleicht als deutscher Professor mich zählen darf, die große Zahl deutscher Gebildeten, ob diese durch -en Herrn Stadthagen vertreten ist? (Zuruf von den Sozialdemokraten.) Und da sage ich im Namen aller meiner Genossen: nein! (Lachen bet den Sozialdemokraten.) Nach dieser Einleitung sehen wir uns jetzt die Kom- Mission auf ihre Zusammensetzung an, die Kommission der zweiten Lesung! Da waren einige — zwei, glaube ich — Herren Großgrundbesitzer, da waren einige Vertreter verschiedener Fraktionen. Wer aber bildete das Gros der Kommission? Wer war bi« große Mehrzahl, ohne welche in der Kommission nichts durchgehen konnte? Das waren Beamte und Gelehrte, da» waren die Leute, die keinen großen Grundbesitz und die keine Fabriken haben, bi« nur haben ihren Teil von deutscher Bildung und di« ganz entschieden« Begeisterung sür da deutsche Volk. (Bravo! rechts.) In dieser Klasse »es ve- amtentum», der anzugehören ich stolz bin (Lachen bet den Sozialdemokraten), denn unser deutsches Beamtentum hat unseren, diesen Stat gemacht (Unruhe bet den Sozial demokraten) — in diesem deutschen Beamtentum und in -en Reihen der deutschen Gebildeten (Zunehmende Unruhe bet den Sozialdemokraten. Glocke de- Präst- denten.) Präsident: Meine Herren, ich bitte um Ruh«! Kommissar de- vunde-rat-, Königlich sächsischer Ge heimer Hofrat, Professor vr. G»hn»: — da ist wahr Hafter Sinn für alle Teile der Be völkerung. Wir haben keinen Grundbesitz und keinen Gewerbebetrieb, unser Interesse ist nur die Ge meinschaft, das Ganze. (Na! na! bei den Sozialdemokraten.) Und gerade aus diesen Kreisen — baS kann ich wohl sagen — sind die selbstlosesten Vertreter des Arbeiterinterefses hervor gegangen. (Sehr richtig! rechts und links.) Und wir Be amte, Wit find selber Arbeiter. Alles, was ich bin und habe, das habe ich mir erarbeitet. (Bravo!) Und dessen rühme ich mich. So haben wir Zusammenhang, soli darisches Mitgefühl mit allen denen, die da arbeiten. Vor allem aber daS Christentum, das in uns lebendig ist (Bravo!); daS drängt uns zur Teil nahme an allen Mühseligen und Beladenen, drängt uns, dem überwältigenden Vorbild unseres großen Meisters nachzufolgen. (Bravo!) Darum sage ich: der Arbeiterstand war vertreten, er ist nicht unvertrcten ge wesen in unserer Kommission. Außerdem — das muh ich bekennen — ich habe eS gestern begriffen, warum der Herr Abgeordnete Stadt hagen nicht in unsere Kommission gekommen ist. (Heiterkeit.) DaS ist mir gestern dadurch klar geworden, daß er, und höchstwahrscheinlich auch seine Herren Fraktionskollegen, der ganzen bestehen den Rechtsordnung ein ganz entschiedene» Nein, die einfache Ablehnung gegenüber stellte. (Sehr richtig!) Da kann Man ihn unmöglich zur Teilnahme an der Fortgestaltung dieser Rechtsordnung einlabcn. Der Herr Abgeordnete Stadthagen hat gesagt, unser Entwurf sei — und das ist das Allerschwcrste, was er uns sagen konnte —„kodifiziertes Unrecht". Eicke schwere Beleidigung gegen alle, die an dem Entwurf« mttgearbeitet haben! Kodifiziertes Unrecht?! Ist das möglich?! Unser Entwurf gibt, wie Sie wtederholt bereits gehört haben, in der Hauptsache nur die Summe des betettk geltenden Rechtes. Wir können ebenso sagen, wie einst der ritterliche Verfasser des Sachsenspiegels: die» Recht hab ich selber nicht erdacht, das ist auf unS ge kommen von unseren Vorfahren. DaS geltende Recht haben wir in der Hauptsache formuliert; und nun kommt der Herr Abg. Stadthagen mit seiner Behauptung: da» geltende Recht ist Unrecht, — und das ist eS gerade, was ich ihn: zum Vorwurf mache. Das ist gerade, wak unmöglich ist; denn das geltende Recht — von wem ist eS gemacht? Haben das die Gesetzgeber oder die herrschen den Klassen erfunden? Weit entfernt! Das geltende Recht ist naturwüchsig, mit Naturgewalt aus dem ge samten Volksleben hervvrgegangen! (Bravo! Sehr richtig!) Und das gilt gerade vor allem von dem bürger lichen Recht, von dem Privatrecht, weil an diesem Teile des Recht» jeder unmittelbar mit seinem Leibe beteiligt ist. SS ist kein Recht, vor allem kein bürgerliches Recht möglich, welches nicht mit dem Gesamtleben der ganzen Nation in allen ihren Gliedern unmittelbare Fühlung hat. Das Volk macht das Recht selber. Insofern ist unsere Rechtsverfassung demokratisch, ganz zweifelsohne! Wir alle ohne Unterschied, wir entscheiden über das, was Recht ist, und das Recht ruht an erster Stelle, wie jeder Kenner der Rechtsgeschichte weiß, auf den großen säkularen, mit elementarer Naturgewalt sich durchsetzenden Strömungen des geistigen Leben», über die kein Gesetzgeber Gewalt be sitzt. Sobald das Gesetz, das geschriebene, von der lebendigen Ueberzeugnng der gesamten Zeitgenossen ver lassen ist, in demselben Augenblicke ist eS tot, und wenn eS zehnmal geschrieben wäre! (Gehr gut!) Wenn da der Shylock käme und bestände auf seinem Schein, bestände auf dem geschriebenen Recht von Venedig, so würde jedesmal ein Daniel kommen, der ihm seinen Schein zerreißt! Das ist gerade die Aufgabe und Pflicht des deutschen Richter standes! Wie unser Volk ist, so ist sein Recht, und aus diesem Grunde kann unser geltendes Recht kein Unrecht sein. Es ist da» Recht, das wir selbst erzeugt haben; und wer da sagt, da- geltend« Recht fei Unrecht, -er schließt sichdamitvonderGemeinschaftdesgesamt- nationalen Lebens selber au«, der hat keinen Anteil an der großen Bewegung, welche die ganze Nation erfüllt und auch das Recht gebiert! Gleichzeitig hat der Herr Abgeordnete Stadthagen, der sagte, unser Entwurf, der das geltende Recht wiedergibt, sei eine Kodifikation des Unrecht», er klärt, daß er brreft sei, an der KommifftonSarbeit mitzu wirken, daß er -ereit fei, sich auf -en Boden -er bestehen- den Gesellschaftsordnung zu stellen. Da» kann ich nicht glauben; denn wenn Herr Abgeordneter Stadthagen sagt, da» ist alles Unrecht, so ist es ihm natür lich moralisch unmöglich, sich auf den Boden der be- stehenden Rechts- und Gesellschaftsordnung zu stellen; damit hat er selber von der Mitarbeit sich ausgeschlossen. Da- ist der erste Vorwurf gewesen, den er unserem Entwurf« -«macht bat, es sei die Arbetterfraktion nicht darin vertrete«, also unsere Kommission eine schlechte Kommission gewesen. Der zweit« Einwurf -«- Herr« «--«ordneten «ar dieser: ein schlechtes Recht, kein tvahlhckft eitkyeitliche» Recht, eine bloße Gcheickeinheit! Wir hören älfö: das, was wir bieten, ist zu wenig, die Herren verlangest mehr: daß auf einmal alle Fragender Gegenwart gesetzgeberisch gelöst werden. Ja, was ist nicht alle- von unserem Ent würfe verlangt worden, und worüber hat man nicht bereits den Kopf geschüttelt, daß dies nicht erlangt fei? Da sagen die einen: die soziale Frage ist Nicht gelöst! — wie wir das bereits am Montag gehört haben —, ja, auch der Not der Landwirte ist nicht abgeholfen worben, die agrarische Frage ist nicht gelöst! Worin besteht die agrarische Frage in -er Haupt sache? Darin, daßhöhereGetreidePreise nötig sind. Worin besteht die Ar b ei te r fr a g e in der Haupt sache, in einem Hauptstück wenigsten»? Darin, daß höhere Löhne notwendig sind. (Heiterkeit bei -en Sozialdemo kraten.) Wenn wir ein bürgerliche- Gesetz machen könnten, durch welches höhere Ge- treidepreise und auch höher« Arbeits löhne geschaffen würden, welcher Sturm der Begeisterung würde entstehe«! Da würbenfelbstieneleerenStÜylefchreieN: her mit dem Gesetzbücher Wenn wir eine Kom mission bilden könnten, die uns ein solches Gesetzbuch machen könnte, wie würde jeder rufen: her mit der Kommission! Aber solche Kommission ist die omunÜLsiou inbivueadls. Die finden wir nun und nimmermehr! Welches ist der Sinn der zahlreichen Vorbehalte deS EtnführnngSgesches? Der Sinn ist dieser: es kann nicht alles auf einmal erreicht werden. Es genügt, wenn vor läufig in Wetterführung der Entwickelung, die mit der Wechselordnung und dem Handelsgesetzbuch begonnen Hat, das gemeine bürgerliche Berkehrsrecht, in dem kein Ar- beiter und kein Bauer als solcher zu unterscheiden ist, das gemeine bürgerliche, das für den Staatsbürger als solches geltende bürgerliche Recht, das Recht -er abstrakten Privatperson, geregelt wird. Das soll und tnuß - unäch st geschehen. Alle die großen Fragen, die noch zu lösen sind, die lösen wir an dieser Stelle nicht. Der Herr Abge ordnete Stadthagen hat gesagt: warum denn nicht eine sozialistische Gesetzgebung über den Arbeitsvertrag? Da frage ich: warum denn nicht eine agrarisch« Ge setzgebung? Neben der Arbeiterfrage steht die agrarische Frage, welche seit kurzem plötzlich emporgewachsen ist. Die agrarische Frage istin meinen Augen noch wichtiger, als die eigentliche Arbeiter- frage. Auf dem Bauernstände ruht die Kraft des Deutschen Reiches; auf dem Lande wohnt das Reich. Aber wir sind außer stände, auf einmal alles zu machen. Ein» nach dem andern! Aus diesem Grunde ist die agrarische und auch die Arbeiterfrage vorläufig auSgeschteben. Seit dieser Rebe ist bekanntlich in der Lösung der Arbeiterfrage viel, sehr viel geschehen. Die Ge setze zirm Schutze der Arbeiter gegen Not im Alter, bei Krankheit und vor Unfällen, wie nach solchen, sind zu Gunsten der Arbeiter wesentlich erweitert und verbessert, zum Teil trotz des Einspruches der sozialdemokratischen Arbeitervertretcr; die Löhne sind in allen Erwerbs zweigen gestiegen. Auch im landwirtschaftlichen Gewerbe, das durch Landflucht der Arbeiter und Bei billigung der Frachten für landwirtschaftliche Erzeugnisse noch mehr in Not geraten ist, als cS zur Zeit der Rede Sohms sich befand. Und nun ist die Zett gekommen, da die agrarische Frage, die in Sohms Augen noch wichtiger ist, als die eigentliche Arbeiterfrage, wenigsten- teilweise gelöst werden kann, da -en Landwirten, wenn auch keine höheren Getretdepreise, so doch wenigstens Mittel zur Ab wendung eines weiteren Sinkens dieser Preise gewährt werden können. Und für die Gewährung dieser Mittel tritt Prof. Hasse ein, er, «in politischer Gesinnungs genosse Plancks, einer lener Beamten und Gelehrten, die nach Sohms Zeugnis die selbstlosesten Vertreter Les Ar- beiterinteresses sind und wahrhaften Ginn für alle Teile der Bevölkerung haben. Geaen diese Mittel kämpft Herr Motteler, der Gesinnungsgenosse jene- Abg. Stadthagen, dessen amnaßrnden Anspruch, alS Ver treter des Bauernstandes, al- Vertreter deutscher Wahr. Hastigkeit, deutscher Treue und Gerechtigkeit zu gelten, noch kein zweiter so scharf und schlagend wie Sohm zurück gewiesen hat. Herr Stadthagen und feine „Genossen" haben sich feit jener Rede nicht aeändert; wir können nicht glauben, daß Sohm und seine Freunde, di« damals mit uns sein« Rede als «ine politische Musterleistung priesen, sich von Grund auS gewandelt hätten. Deutsches Reich. * Leipzig, 22. Juni. Folgend, Stichwahl-et»»«-« taug»«, di« wir der Beherzigung aller «userer Leser empsthlen, finden wir ia der „Kol*. Ztq.": ,M«nn «au die Aeußeruugen der die verschiedenen Parteirichtunpea »er- tretenden Presse übersieht, so kann man leider kem rechte« Zutrauen gewinnen auf «in gnneivsawe« Voraehe« geaen die Eozialdemokrati». Ganz abgesehen von de» Gegnerschaft«,
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