01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 30.06.1903
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1903-06-30
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19030630012
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1903063001
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1903063001
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1903
- Monat1903-06
- Tag1903-06-30
- Monat1903-06
- Jahr1903
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F Schubert'» Nachf., Kolon ialwarenhdlg. Aatdartuenftr. 14 8 Lösche, Cigarrrnbdlg. 2935 Atttrrstr 4, Lmckejchc Leihbibliothek und Buchhdlg. Im ssor-en. Gerberftr. 8, H. L. Kröger, Butterbdlg. 8624 Gnctsenanstr. 12, B. Uhlich, i. Fa. Ida Hartmann, Papiervvlg Löhrstr IS, E. Hetzer, Kolonialwarenbdlg. 979 Uortstr. S2 «Erke Berliner Straße), F. W. Kietz, Kolonialwarenbdlg. Im Osten. JotzanutSgaste 8, Hauptexpedition S22 Lftplatz 4, Alfied E>ste, Eigarrenhdlg. Hansische Gasse 6, F. Fischer, Kolonialwarenbdlg. Dchünenst». S, I Sckiümichen, Kolonialwarenbdlg. . 1178 Tauchaer Atr, IS, <L, R. Reichel, Drogenhdlg. 8841 Im Lüden Arudtftr SS, I. F. Canitz, Kolonialwarenbdlg. 3033 Bahe»,che Lt» 45, H. Neumeister, Cigarrrnhdlg. 3984 Känigsplatz 7, L- Lösche, Ü'garrenhdlg. 7505 Nüriibkrycr Ltr. 4S, M. E. Albrecht, Kolonialwarenbdlg. Lcilzcr Ltr SS, V. Küster, (Ligarrenhdlg. Westen. Brrthovenste. 21, Tb. Peter, Kolonialwarenbdlg. 390 l Kruiilfurte» Ltr. 22 (Ecke Walbstr.), 8. Sjever«, Kolonialwarenbdlg AnnstiiStcr Ltrtnwrg 1, O. Engelmann, Kolvnialwhdlg. 2l5l Walvstr. SN. G. Beiierlein, Kolonialwarenbdlg. Weftplatz S2, M. Lcißner, Etgarrenhdlg. 2402 In den Bor- und -knchbarorten. Anger-Erottrnborf, B. Friedel, E'garrenhdlg., Zwei naundorfer Str. 6, O. Oehler, Bernhaidslr. 51 Eouncwitz, Frau Fischer, Hcrmannslr. 23 - Fritz Koch, Pegauer Straße 17 Eutritzsch, Robert Almer, Buchhdlg., Delitzscher Str. 25 820 Gautzsch, Job. Wolf, Ecke Ring« und Oetzscker Str. Gohlis, Robert Almer, Buchhdlg., Linbeuth. Str. 6 820 » Paul Schmidt, Vriieerstraße 8 Aletnrschocher, G Grützmann, Zschochersche Str. 7a in L.-Plagwiy 2586 Leutzsch, Albert Lindner, Wettiner Str. 5l in L-Lindsnau Ltudenau, Alb. Lrndner, Wettiner Sir. 51 in L.-Lindenau Möckern, Paul Schmidt, Brüderstr. 8 in L.-Gohli« Neustadt, Paul Kuck, Annonc.-Ezped., Eisenbabnstr. 1 Nrnschönrsclb, Paul Kuck, Annoncen-Exp., Cisenbabnstr.1 Oetzsch, Earl Scheffel, Ecke Ost- und Mlttelstr. 6475 Plagwttz, G. Grützmann, Zschochersche Str. 7a 2586 Probstveisa, Rc-invarv Sachse, Buchbrndergeschäft Heudii'tz, W. Fugniann, Marschallstr. l 15l6 - O. Schmidt, Koblgarlenstr 67 ,1739 - Bernd. Weber, GabelSberaerstr. 1t Uchtrutzig, G Grützmann, Könnerchltr. K6 2586 LrUcrhansen, O. Oehler, Anger-Ei ottrnborf, Bern bar btlr aste 5l, pari. Stünz, O Oehler, Anger-Eroltenv., Bernbardstr. 51, p. Thonberg, R Häursch, Reitzenbainer Str. 58 BoltmarSborf, Paul Kuck. Ann.-Exped., Eisenbabnstr. I - Georg Riemann,Konravstr.k5(EckeElisab«thstr.) Wahren, Paul Schmidt, Brüderstr. 8 in L.-Goblis Der rulstiche ^rieqsminister in Japan. V. S. Der russische Kriegsminister befindet sich seit einigen Wochen irn fernen Osten. Er hat Ltbtrien und da» Amurgebict bereist, die dortigen Truppen und Festungswerke besichtigt und anscheinend einige Vorbe reitungen für den Fall eines Konfliktes im Orient ge troffen. Zu allgemeiner Ueberraschung fubr der General alsdann nach Tokio, wo er mit großen Ehren empfangen wurde, vom Mikado eine Audienz bewilligt erhielt und mit verschiedenen japanischen Staatsmännern konferierte. Sein Aufenthalt in der Hauptstadt des östlichen Kaiser reiches zog sich der Art in die Länge, daß Gerüchte ausge- taucht sind, der russische Minister habe in Japan eine wichtige politische Mission erfüllt und sei zu einem günstigen Ergebnis gelangt. Auf den ersten Blick mag diese Meldung nicht glaubhaft erscheinen, zieht man aber die Weltlage in Betracht und erwägt man die Eigenart der rnssisch-sapanisch-englischen Beziehungen, so ist eS k«in«-»eg- -an» undenkbar, daß Rußland und Japan zn einer Verständigung über wichtige Fragen ihrer beider seitigen Interessensphären gelängt seien. Trotz aller groben Gegensätze zwischkn beiden Kaiser reichen gibt es in Japan eine einflußreiche Gruppe, die eine Einigung mit dem Zarenreiche wünscht. An der Spitze dieser Gruppe steht der bekannte Marquis Ito, der gegenwärtig zwar in den Hintergrund getreten ist, aber zeitweilig eifrig für diese Idee gearbeitet hat. Als klar blickender Politiker ist ihm jedenfalls die Unzuver- läfsigkeit der englischen Freundschaft nicht entgangen. Nicht Liebe zu Rußland oder ein übertriebenes FriedenS- bedurfnis hat den Marquis zu Annäherungsversuchen ans Zarenreich getrieben, sondern die Erkenntnis, daß England Japan den Austrag der Entscheidung gegenüber dem gemeinsamen Feinde allein überlassen und sich von jedem Wagnis fern halten Will. Zu einem Abschlüsse sind aber die früher eingeleiteten Verhandlungen noch nicht ge- kommen, weil die Sachlage sich im letzten Augenblicke stets verschärfte und Rußland auch von seiner aggressiven Haltung nicht abzugehen schien. Das rvar besonders im Herbst 1901 bei Gelegenheit der Anwesenheit des japani schen Staatsmannes in Petersburg der Fall. Das Scheitern der Mission des Marquis Ito zur ge nannten Zeit führte bald darauf zum Abschlüsse deS viel besprochenen englisch-japanischen Bündnisvertrages. Das mar, Wie man glaubte, ein schwerer Schlag für die russische Politik. Im Winter 1902 ließen denn auch die englischen und die japanischen Blätter laute Siegesfanfaren in ihren Spalten ertönen. Aber es erwies sich bald, daß der Jubel verfrüht gewesen war. Rußland hat sich in seinem Vor gehen nicht im geringsten Zurückhaltung auserlegt. Ts hat die Räumung der Mandschurei nicht beschleunigt, es hat in Korea nichts von seinen Errungenschaften. preiSgq- geben und es scheint sich mit China über das streitige, von der Eisenbahn durchzogene Grenzgebiet, sowie auch über Tibet geeinigt zu haben, oder doch zu einigen im Begriffe zu stehen. England hat nicht das Geringste getan, um dieses Vorgehen zu durchkreuzen, und Japans Proteste, namentlich nach dem letzten rufstschenVorstoße in derMand- schurei, hat man einfach unbeachtet gelassen. Die ver flossenen Monate weisen ein entschiedenes Vordringen des Zarenreiches in Asien auf, während beide Seemächte sich nur auf die notwendigste Abwehr beschränken. Es ist nnter diesen Umständen nicht wunderbar, wenn in Japan eine starke Verstimmung gegen den britischen Bundesgenossen Platz gegriffen hat. Was hat nun das Bündnis eigentlich genützt? Von einer Zurückdrängnng der Russen ist keine Rebe; diese verfolgen vielmehr mit gleicher Bestimmtheit und mit alter Folgerichtigkeit ihre früheren Ziele und lasten sich durch papierne Drohungen keineswegs stören. Der Wunsch, sich wirksamer, als durch leere Versprechungen der Engländer zu helfen, wirb in folgedessen in Tokio dringend geworden sei und hat jeden falls die dortige Negierung zu einem abermaligen An- näljernngsversuche an Rußland bewogen. Es liegt auf der Hand, baß in Petersburg die ausge. streckte Hand des Mikado sofort ergriffen worden ist. Da die Reise des Kriegsminister- in den Osten Asien- bereit beschlossen war, so konnten die Verhandlungen in unauf. fülliger Weise beginnen. So hat sich General Kuropat - k i n nach Japan begeben, und es heißt, trotz der in solchen Füllen üblichen Ableugnung, daß dieses Mal wirklich eine Einigung zu stände gekommen sei. Es fragt sich nur, welchen Umfang kann ein etwaiges Abkommen zwischen Rußland und Japan haben? Selbstverständlich darf nicht angenommen werden, daß der Gegensatz zwischen beiden Reichen semal- durch einen schriftlichen Vertrag ans der Welt geschafft werden könnte. Aber vorübergehende Verständigungen über brennend« Fragen sind deshalb doch nicht ausgeschlossen. Rußland wird vermutlich einen Umstand zu seinen Gunsten be. sonder- au-zunutzen suchen, Japan wünscht nämlich eine nähere verbind,,ug mit China, und wieder ist es MarquiS Jtv, der auch dieses Projekt vertritt. Nun hat man das Bündnis der gelben Raffe vielfach als Schreckmittel für Europa hingestellt. Für Rußland ist eS da- nie^ewesen. Die zarischc Diplomatie stellte sich al- Freund m,* An derer asiatischer Völker, als Vertreter ihrer Eigentümlich- ketten gegen da- Ausland, d. h. die Engländer, hin.' Und man glaubt ihr bekanntlich vielfach anfS Wort. Kuropat» kil» sind denn jetzt auch eine Menge Adressen von Ja- panern, Lhinesen und Koreanern in Wladiwostok über, geben worben, in denen die Dankbarkeit für den „Schuh" de- Zarenreiches zum Ausdruck kam. Man würde in Petersburg ein Vündnis zwischen China und Japan ans diesem Grunde entschieden begünstigen, aber man würde die Stellung des dritten verlangen, natürlich eine» dritten, der im Grunde der erste ist. Es wird sich zeigen, wie weit General Kuropatktn seinen Zweck in Tokio erreicht hat. Aber wenn er auch nur einige Zugeständnisse Japan- zu Wege gebracht hat, so ist das immer ein großer Erfolg, vor allem aber eine War- nung an Großbritannien, besten Errungenschasten durch den jüngsten Schachzug der Russe» erustlich gefährdet er. scheinen. Ein Beitrag Uudols von Delbrücks zur CtiarakleriM Wilhelms I. Das Juliheft der „Deutschen Rundschau" enthält Erinnerungen au den Staatsminister Rudolf von Delbrück. Diese Erinnerungen bekommen einen her- vorragenden Wert dadurch, daß mit ihnen eine Schilde rung aus Delbrücks eigener Feder verbunden ist, eine Schilderung, die einen sehr wertvollen Beitrag zur Charakteristik Wilhelms I. bringt. Bekannt- lich hat der erste Hohenzollsrn-Kaiser der Erneue rung des Kaisertums gegenüber die größte Zu rückhaltung beobachtet. Ottokar Lorenz hat in seinem Buche „Kaiser Wilhelm und die Begründung des Reiches" diese Zurückhaltung mit vorübergehender Verstimmung erklärt, die teils auf die unvorteilhafte militärische Lage während der Einschließung von Paris, teils auf den Bündnis-Vertrag mit Bayern zurückzuführen sei. In der jetzt vorliegenden Aufzeichnung Delbrücks findet die von Lorenz vertretene Auffassung keine Stütze. Delbrück war anfangs September 1870 in bas Haupt quartier des Königs nach RetmS berufen worden, um mit Bismarck die Einberufung des Zollparlaments zu erwägen, weil man daran dachte, eine Kundgebung des Zollparlaments zu Gunsten der AnSdehung des Norddeutschen Bundes herbeizuführen. Delbrück hielt eine derartige Manifestation für un angebracht, weil sie den Anschein Hervorrufen könnte, als ob auf die süddeutschen Regierungen ein Druck auS- geübt werden sollte. Delbrücks Ansicht drang durch, und die Berufung des Zollparlaments war abgetan, als eine wichtige Mitteilung aus München in Reims eintraf. Die bayerische Negierung sprach darin die Ueberzeugung aus, daß nunmehr von dem Boden völkerrechtlicher Ver träge zwischen Nord und Süd zu einem ÄerfastungS- bündnis übergegangen werden müsse; sie wünschte im Anschluß hieran die Entsendung Delbrücks nach Machen, um ^ie Ausführung diese- Gebankeris zu beraten. Del brück erhielt den Auftrag, nach München zu gehen, sollte jedoch vorher seine Denkschrift über die künf tige Gestaltung Deutschlands vollenden. Er tat das angesichts der Krönungskirche des alten Frank- j rcichs und teilt aus seiner damaligen Niederschrift in der jetzt von der „Deutschen Rundschau" veröffentlichten Schilderung u. a. folgendes mit: „Der Schluß der Denkschrift gab dem alle Geister er füllenden Gedanken zum ersten Male einen offiziellen Ausdruck: ich begründete die unabweisbare Notwendig keit für den König, sich zur Annahme der Kaiser- würde zu entschließe». Die Charakterisierung dieses Entschlusses als eines im Jntcrcstc des Vaterlandes un vermeidlichen Opfers war die der Auffassung des hohen Herrn zusagende Bear ündung. Es widerstrebte seiner Natur, etwas zu scheinen, was er nicht war, und ihm erschien die Katserwürde als ein in haltsleerer Schein. Er war Oberscldhcrr des Nord deutschen und, wie sich von selbst verstand, in Zukunft auch des Deutschen Bundes. Die Kriegsmarine stand unter seinem Oberbefehl und für die Ausübung der mit diesen klaren Stellungen verbundenen, sehr reellen Macht bedurfte eS der Kaiserwürde nicht. Die nach der nord deutschen Verfassung dem Präsidium zustehcndcn Be fugnisse, deren Steigerung von der künftigen deutschen Verfassung nicht zu erwarten war, enthielten nicht einmal ein eigentliches Imperium und erhielten durch die Kaiserrvurde weder eine breitere Grundlage, noch eine erhöhte Bedeutung. Der über alle Berfassungsbestim- mungen weit hinausreichcnde ideale Gehalt dieser Würde war nicht im ersten Augenblick erkennbar; so konnte sie als bloßer Titel erscheinen. Indessen war der König cs der Nation schuldig, die von ihr seit Ausbruch des Krieges bewiesene patriotische Hingebung durch Befriedi- gung ihres Verlangens nach einem Kaiser zu vergelten. Graf Bismarck war mit meiner Denkschrift einver standen und legte sie, wie ich sie geschrieben hatte, dem König vor. Es paßte ihm, daß die Kaiscrfrage äußerlich von mir angeregt wurde. Mir lag daran, vor meiner Abreise nach München zu erfahren, wie der König über meine Vorschläge denke, und ich begleitete deshalb das große Hauptquartier am 14. (September) nach Chäteau- Thierry. Dort empfing mich der König am 15. früh vor seiner Abreise nach Meaur- Er machte einige Bemer kungen über die Regelung der Kontingente Bayerns und Württembergs; im übrigen erklärte er sein Einver- ständnis. Als ich die Katserfrage speziell erwähnte, lehnte er eine Antwort ab, da sie reiflich erwogen sein wolle, worauf ich dann die Gründe für die Bejahung lebhaft entwickelte und gnädig entlassen wurde." Wenn ein Staatsmann wie Delbrück nach seiner Kenntnis der Persönlichkeit Wilhelm- schon in der ersten Hälfte des September 1870 die Annahme der Kaiser, würde al- ein „Opfer" chß akterisierte, welche- Wilhelm im Interesse des Vaterlos «eS zu bringen hätte, dann kann die Auffassung von Lorenz, der die Zurückhaltung Wilhelms gegenüber dem Kaisergcdanken auf erst später eingetretene Momente zurücksührt, um sic als eine vor übergehende zu behandeln, schwerlich die zutreffende sein. In München rvar das Kaisertum nicht Gegenstand der Verhandlungen Delbrücks mit dem bayerischen Mini sterium. Die Genesis des Kaiscrgedankcns stellt Del brück in der jetzt vorliegenden Veröffentlichung im ein zelnen nicht dar, sondern begnügt sich mit folgender all gemeinen Bemerkung: „Verschiedene Personen haben das ErgebniS gefördert: da- Verdienst, denrtch. tigen Augenblick erkannt und die richtige Form gewählt zu haben, gebührt dem Grafen BtSmarck." Deutsches Reich. 6. S. Verls», 29 Juni. (Dir brutschen Arbeiter- srkrrtariat«.) Während dr« Wablkampsr» ist unaus- gesetzt darauf hnigewüsen worden, durch wi, viel Vereine, Verbindungen usw vir Sozialdemokraten zusammrngeschweißl sind und daß ihre Organisation immer vielgestaltiger wird. In der la'gen Liste der sozialdemokratischen Bribindvngen bat man aber die Arbeiters,sretariate vergessen, die, wenn si, auch vielleicht nicht direkt der Agitation dienen und manches Gute geschaffen haben, doch «in neue» Bindeglied für di« sonalvemakratischrn Masten gewo>den sind. Es gibt ,ur Zeit 35 Arbeitersekretarjate, 4 (in Pforzheim, Freibuig, Hildesheim ui d Fürth) haben sich nicht batten können und sinv eingeganarn. Von diesen 35 Arbeitrrsekretariaten ist da» älteste da« in Berlin, e« bestebt nun 18 Jahre; e» folgen die in Nürnberg (l894) und Stuttgart (1897 gegründet). 27 Sekre- taiiale haben 42 fest apgestrllte Beamte, die Gehälter sind vertchieden; di» Beamten in Hamburg beziehen 2500 195 679 Personen haben in diesen Sekretariaten um Aug kunst nachgesuchi; dir meisten Rechtsuchenden waren Arbeiter. Gewerkschafilich organisiert waren 97 501 Personen. Die andern wird die Sozialdemokratie schon in ihren Bann »irden. Die meisten Au-künste, nämtich 57 595, wurden er beten auf dem Gebiete de» bürgerlichen Recht», 56 57 t auf dem der Arbeiterversicheryng, 32 722 auf dem de» Arbeit«- und de» Dienstverträge«. In dem Efpo>s derÄeneralkommisston der Gewerkschaften beißt es über die Arbeitersekretanate: „Der Mangel der Herrschenden an Einsicht und Verständnis wird unfern Aibeitersekretariaten ibren frischen, fröhlichen Kampf sicher nicht verleiden. Sie sind unabhängig von der Gnade der Minister und verdanken ibr Anseben lediglich der eigenen Kraft der Arbeiterbeweyung.* Diese Wort« sind sehr charak teristisch; der „frische, fröhliche Kampf" der Arbeitersekretariate wird nur geführt im Inte,«sie der Sorialdemokratie; die Aibeitersekretariate sind, so günstig man sonst vielleicht über sie denken mag. weiter nicht« al« neue Formen der sozial demokratischen Organisation, die auch im Wahlkampfe gegen die bürgerliche Gesellschaft auSgespielt werden. H Berlin» 29. Juni. Art undZiel der all polnischen Bewegung können nur von denen verkannt werden, die sich absichtlich den Zeichen der Zeit verschließen oder nicht im min desten über die agitatorische Wühlarbeit der zahllosen, über die gesamten Ländergebiete polnischer Zunge ver breiteten Organe des Pvlentums unterrichtet find. Da von uns bereits nach Mitteilungen des „Dziennik Poz nanski" citierte Werk eines polnischen Autors, „Politische Materialien und Gedanken", enthält auch darüber sehr bemerkenswerte Ausschlüsse, die, wie hervorzuheben ist, ein Zeugnis aus polnischem Munde darstcllen und die Staatsgefährlichteit wie das politische Endziel der allpol- nischen Bewegung über alle Zweifel erweisen. Der Ver fasser behandelt eingehend die Geschichte und die Organi sation der polnischen Nationalliaa und erinnert daran, daß die Nationalliga öffentlich ankündigt, sie übernehme das Ltzerk der W i e d e r a u f r i ch t u n a Polens, sie habe zu diesem Zwecke den Nationalschatz geschaffen, sie organisiere und mache zu diesem Zwecke das Landvolk nationalbewußt. Weiter untersucht er das Verhältnis der nationaldemokratischen Partei zu den „Teilungsmächten" und kommt zu folgendem Schluffe: „Die Nationaldemokratie stellt sich einen Staat im Staate vor, der sich mit unvergleichlicher Lebhaftigkeit ent wickelt, immer mehr neue Funktionen deS öffentlichen Lebens beherrscht und nur auf den Augenblick wartet, um dieFesselnderfremdenHerrschaftzu brechen. Diese Aufgabe dünkt der Nationaldcmokratie so naheliegend, daß sie es als absolut unnötig erachtet, daraus ein Geheimnis zu machen. Der staatlichen Organisation der Tcilungömächte sei eine ungebundene, aber disziplinierte und syste- matischc Organisation der nationalen Kräfte gegen« übcrzustellen. Der Anfang zur Bildung einer „Nationalregie- rung" sei bereits gemacht, denn, wie die Organe der National liga gleichfalls nicht verschwiegen haben, bestehe bereits eine Aufklärungsverwaltung, eine Verwaltung der nationalen Fragen, ein Ausschuß für dringliche Sachen usw." Nicht minder zutreffende 'Angaben entnimmt der Autor der „Politischen Materialien und Gedanken" dem in Lem berg erscheinenden „Przeglond WszechpvlSki", der in Uebereinstimmung mit andern allpvlnischen Blättern mitzuteilen weiß, „daß die N a t i o n a l r e g i e r u n g in Warschau residiert, sich aus fünf Mitgliedern zn- sammcnsetzt, daß sie in wichtigeren Momenten Hunderte von Landsleuten nach Warschau kommen läßt und vertrauliche Verhandlungen veranstaltet". Auch die Beschaffung der Geldmittel zur Durchführung der Propaganda ist absolut kein Geheimnis. Das genannte Blatt schreibt: „Einmal im Jahre reist nach RapperSwyl «in Abge sandter des LandevcomitssS". Dort nimmt er an den von den allpvlnischen Blättern anqekündigten Beratungen teil. Er erstattet Bericht über die Tätigkeit der Liga und erhält einige tausend Franc- au- den Einkünften d«- Sltwtze». Die Geheimhaltuna erstreckt sich auf die Orga nisation, die Personen und die Einzelheiten der technischen Ausführung, nicht aber ans die Ziele und Mittel." Der sich durch diese Ausführungen eröffnende Blick In die geheime Werkstatt der allpolntschcn Propa ganda zeigt mit überraschender Klarheit und Schärfe den l>cutigen Stand der unablässig im Wachsen begriffenen Be wegung und entkleidet den zur Wiederaufrichtung eine unabhängigen polnischen Reiches entworfenen An- griff-plan gegen die sog. Teilung-Mächte gänzlich der Hüllen^ die ihm die Mitglieder der parlamentarischen Fraktion der Polen zur Beschwichtigung der öffentlichen Meinung Deutschlands und zur Abwehr der vor- beugungsmaßregcln der preußischen Regierung so ost umzulegen versucht haben. Die polnische Ge- sahr kommt nicht erst: sie ist da: über da gesamte Gebiet der gemischt-sprachigen Land,-teile in Preußen, Rußland uud Oesterreich-Ungarn verbreitet die Nationalliaa in Wort und Schrift ihre Agi»
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