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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 11.07.1902
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-07-11
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19020711012
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902071101
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902071101
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1902
- Monat1902-07
- Tag1902-07-11
- Monat1902-07
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Sie ist, wie sie selbst erzählt, in schwerer Krankheit zu der Erkenntniß gekommen, daß ihr nur durch das Gebet zu helfen sei, aber auch ebenso bald zu der, „daß sic dafür hat leiden müssen, weil sie als Sendbotin Gottes in -er Welt allein stehe und als solche viel verfolgt werde". Das war ein mehrfacher Irrthum. Miß Eddy steht mit ihrem Glauben nicht allein, es haben sich ihr Biele angeschlvssen — auch in der alten Welt; sie ist in ihrer Heimath unversorgt geblieben, und sie war endlich keineswegs die Erste, die der Ueber- zeugung Ausdruck gegeben hat, daß man sich in .Krankheit nicht an die Acrzte, sondern direct an Gott wenden müsse. Ist doch auch der Glaube an Gebetswunder so alt wie die »tirche. Auch ist er unschädlich, so lange er nicht in Gebetsaberglauben ausartet, wie dann geschieht, wenn der Mensch die Gottheit durch sein Gebet meint eigenwillig bestimmen zu können. Denn das ist thvricht und unfromm. Thüricht, weil es -em Wesen des Hüchstvollkommenen widerspricht, ihn zu etwas, das er ohne menschliches Zureden nicht gethan Hütte, veranlassen und gleichsam nöthigen zu können, und unfromm, solches zu wollen. Ist cs dem Christen in schwacher Stunde Bedürfnis Gott seine Wünsche oder Besorgnisse in Bitten kund zu geben, so schließt er doch diese ja mit der dritten im Vaterunser: „Dein Wille geschehe", und der gebildete Christ erschrickt sogar, wenn er sich ihm aufdrängt, vor dem Gedanken, daß, statt des göttlichen, sein Wille geschehen könne. WaS aber den Aberglauben der Gesundbeter zu einem gemeingefährlichen macht, das ist weniger, -aß sie aufs Gebet vertrauen, als -aß sie den Aerzten in Krankheitsnoth mißtrauen heißen. Längst vor Miß Eddy gab es solche, und es war gleichfalls in Amerika, wo ihrem hart näckigen Sichstrüuben gegen ärztliche Hilfe in einer Epi demie so viele Kinder zum Opfer fielen, daß die staatliche Behörde gewaltsam dagegen etnschreiten mußte. Bet oberflächlicher Betrachtung kann es einem ein Zeichen größter Frömmigkeit zu sein scheinen, daß die Gesundbeter Alles von Gott erwarten und nichts von den Menschen. Aber sieht man näher zu, so wird man aufs Gegentheil schließen müssen. Denn der wahrhaft Fromme sieht in Allem, was ihm gegeben ist, und so auch in den Aerzten und in ihren Heilmitteln, die hilfreiche Hand Gottes. Und es ist Kurzsichtigkeit, die mittelbare Gotteshilfe zu über sehen, und frivol, sie zu verschmähen. Dies den Irrenden deutlich zu machen, ist Pflicht der Kirche und Schule, um so mehr, als von polizeilichen Maßregeln gegen sie eher eine Zu- als eine Abnahme der bedauerlichen Vor kommnisse zu erwarten steht. Erfreulich ist es, daß die ver schiedensten Parteien der evangelischen Kirche darin über- cinstimmen. Selbst der altgläubige Prediger Stöcker hat sich gegen die Gesundbeterei ausgesprochen. In der katholischen Kirche finden wir leider noch nicht dieselbe Einmüthigkeit. Der Glaube an eine magische Kraft des Gebetes hat in ihr von jeher zahlreiche Vertreter gehabt und hat sie noch, und Viele unterscheiden sich von den modernen Gesundbetern nur dadurch, daß sie sich nicht, wie diese, direct an Gott, sondern an einen Heiligen wenden und ihn um Fürbitte angchen. Als besonders vertrauens würdig gilt eben in der katholischen Schweiz der h. An tonius, dessen ärztliche Hilfe in der Monatsschrift „Bethlehem" sherausgegeben von G. M. Barval in Jmmcnsee) angepriesen und oft in Anspruch genommen wird. Umsonst thuts freilich auch der h. Antonius nicht. Es wird in der genannten Schrift über ärztljche Honorare im Betrage von 60 Francs quittirt und in ein zelnen Fällen über mehr. Es scheint sich die Liquidation — und das mit Recht — nach der Schwere der Krankheit zu richten. Denn „für Befreiung von Zahnweh" bezahlte der Genesene angeblich nur » Francs. Die Hilfe dieses Heiligen beschränkt sich aber, wie wir hören, nicht auf die Fälle leiblicher Noth. „Für den glücklichen Verlauf einer Erbschaftssache", die man seiner Jntercession zu verdanken glaubte, wurden laut Quittung 10 Francs und „für Auffindung eines Rechenfehlers" wird 1 Franc be zahlt. Was sagen dazu die Oberen der katholischen Kirche? Es wurde mir versichert, daß sich nur zwei deutsche Bischöfe mißbilligend gegen die ärztliche Wirksamkeit des h. Antonius geäußert hätten. Aber Herr Barval erfreut sich zu seinem Trost des Wohl wollens der schweizerischen in Basel und Chur. Auch ver öffentlichte er sogleich zu seiner Rechtfertigung eine Er klärung des Cardinals Rampolla, des Inhalts, baß Leo XIH. an dem „frommen Unternehmen in Immensee" seine Freude geäußert habe. Ob das ganz wahr ist, weiß ich nicht. Wir leben bekanntlich in der Zeit des Verkehrs, der Erfindung, der Entdeckungen und anderer schöner Sachen, worauf wir stolz sind. Alle Tage wirb eine neue „Wahrheit" endcckt und eine alte vergessen. Um eine aber wäre bas Letztere schade — die da lautet: „Sie werden nicht alle." v. vr. Die deutsche Keichsverfassung in englischer Beleuchtung. Der Tob des Königs von Sachsen giebt dem Londoner „Spectator" Veranlassung, seinen Landsleuten als eine in England zu oft vergessene Thatfache den bemerkenS- werthen und unerwarteten Erfolg in Erinnerung zu dringen, den das Bnndessystem deS neugeeinigtcn deut schen Reiches gehabt hat. In dem mit geradezu erstaun- sicher Einsicht geschriebenen Artikel, dessen Ueberseyung der „Köln. Ztg." aus London zugeht, heißt eS: „Dieses Bundessystem steht geradezu einzig in der Weltgeschichte La, und es scheint sich, wie manche» andere System, des halb bewährt zu haben, weil sein Erfolg a priori unmöglich schien. Es hat niemals eine Verfassung gegeben, die beim ersten Anblick so sehr wie die Schövfung eines Bewohners von Laputa erschien. Die oberste Gewalt im Reiche wurde unter dem Bundesvertrag einem Kaiser übertragen, der in des Reiches ganzer Ausdehnung als Kriegsherr, als oberster Minister des Auswärtigen mit einer unklar ab gegrenzten Vollmacht zur Abschließuug von Verträgen und als Oberherr anerkannt wurde, der auf großen Ge bieten ein unbestimmtes, aber weitreichendes Recht der Initiative besaß. Dieser große Monarch, der, da er stets ein Hohenzoller ist, sicher keine ihm anvertraute Vollmacht unbenutzt lassen würde, sollte berathen und zuweilen be aufsichtigt werden durch ein Oberhaus, das nicht die deut- chen Staaten, sondern die deutschen Fürsten vertritt, und sollte Kritik und Finanzmittel bei einem aus dem all gemeinen Stimmrecht hervvrgcgangenen Unterhaus« finden. Innerhalb dieses politischen Neubaues begegneten sich somit feudale Souveränität und äußerster Liberalis mus und platzten aufeinander. Es sah auf den ersten Blick genau so aus, als ob Fürst Bismarck es auf den Zu sammenbruch des Planes abgesehen und Minen gelegt Hütte, um Sprengungen geflissentlich herbeizuführen. Wie wäre es möglich, fragten sich deutende Männer, daß so mannigfaltige, so entschieden im Widerstreit der Inter essen einander gegenüberslehende und dabei so gleichmäßig mit Macht zur Störung deS Triebwerkes begabte Ge walten im Gleichklang wirksam zusammen arbeiten wür den? Und doch haben sie in dieser Weise zusammengewirkt, mehr als dreißig Jahre hindurch, die den Stempel großer Ereignisse tragen, und Deutschland als politische Einheit ist heute thatkräftiger und kommt mehr zur Geltung in der ganzen Welt, als im Jahre 1870. Deutschland ist eine lebende Kraft geworden in einem Grade, daß die Welt halb vergißt, daß es eigentlich nur ein Conglomerat von Kräften ist, und daß sie sich den Kopf zerbricht in dem Be mühen, sich darüber klar zu bleiben, daß doch Preußen und Deutschland verschiedene Einheiten sind. In dem ganzen langen Zeiträume ist es zu keinem ernsten inneren Zu sammenstöße gekommen, der in der Verfassung seinen Ur sprung gehabt hätte, und es siegt in der That auch keine Wahrscheinlichkeit vor, daß es fernerhin dazu kommen sollte. Dieses so n)<.uig erwartete und so bcdentevoe Erg'bniv hat ohne Zweifel seinen Grund zum Theil in Umstanden, die außerhalb Deutschlands Machtbereich liegen. Es muß aber auch zum anderen Theil der großen Selbstbeherr schung und Weisheit seiner leitenden Männer zuzuschrcibcn sein. Die von Anfang an unvermeidliche l?j Annäherung zwischen Frankreich und R nßland hat ohne Zweifel das deutsche Faß in eiserne Bänder geschnürt. Geschäfts genossen beginnen keine Händel untereinander, wenn ihr Zank den Wettbewerbern Wasser auf die Mühle bringt, und Furcht vor dem Feinde auf beiden Seiten hat viel dazu beigetragen, unter den Deutschen das Feuer innerer Zwistigkeiten zu dämpfen. Sie müssen zusammenhalten, um am Leben zn bleiben, und deshalb thun sie es. Tann hat auch das ö st e r r e i ch i s ch e Bündniß mitgeholfen. Als der Kaiser von Oesterreich in seinem großartigen Stolze dem Hohenzoller verzieh nnd sein Vündniß an nahm, verzichtete er nicht nur ans das Recht, seine Ltelluno in Deutschland wieder neu aufznbanen, sondern auch auf die Versuchung, auf dem Gebiete seines Bundesgenossen Ränke zu spinnen, und ohne ein Oesterreich, das sich gegen Preußen ausspielen ließ, waren die kleineren Fürsten vcr- hültnißmäßig ohnmächtig. Das war ihre Politik seit Jahr hunderten gewesen und sie hörte auch keineswegs auf, als Oesterreich bei Sadowa unterlag. Sie endete aber that- süchlich, als die Habsburger, die immer aus der Nieder lage ihre Lehre ziehen, die neue Lage mit den neuen Sicher heiten annahmen. Und dann hat auch zweifellos die Weltpolitik Wilhclm's II. mit ihrem Zubehör, einer großen Flotte, das ihrige mit bcigctragen und alle Deut schen ungezogen, denn alle erkannten darin eine Aus sicht, aus nationaler Armuth zu nationalem Reichthum zu gelangen. Wir wissen hierzulande, wie dieser Gedanke den Schotten die Vereinigung mit England versüßt hat, und die Deutschen sind die reinen Schotten in dem Trachten nach nationalem Wohlstände. Immerhin aber muß doch Vieles einzelnen Persönlichkeiten gutzuschrciben sein, dem Kaiser Wilhelm vor Allen, der sein Scepter hoch hielt, aber es nicht benutzte, um seine Pala dine zu erdrücken, zwei oder drei weisen Fürsten, wie dem verstorbenen König von Sachsen, dem noch lebenden Großherzog von Baden und dem Prinz- Regenten von Bayern, und dem einen oder anderen tüchtigen Manne innerhalb des Bundesrathes selbst, der dann und wann wohl fast Uber seine Kräfte in Anspruch genommen wurde, aber große Dinge geleistet hat, wie unsere großen Civilbeamten, in Stille und Dunkelheit. Man möchte wohl zum Besten künftiger Geschichtsschreiber Berichte über ihre Unterhaltungen haben. Diese ver schiedenen Persönlichkeiten haben zusammen eine wahr haft wunderbare politische Großthat zu Stande gebracht und verdienen eine um so höhere Anerkennung, da sie nicht durch den Beifall des Volkes in ihrer Thättgkett gc- hoben und ermuthigt wurden. Sie haben Stäbe von verschiedener Schwere, verschiedener Form und Halt- barkett zusammengebunden und zu einer Herkuleskeule vereinigt, und obschon ein solches Zusammenbindcn eine einfache Arbeit erscheint, ist es doch eine Aufgabe, die ost den größten Staatsmännern mißlungen ist. Man weiß nie, wie schwer es ist, bis man sich selbst daran versucht bat — Lord Rosebery könnte neuerdings wieder ein Lied davon singen —, wie uneinig und verkehrt gerade tüchtige Leute sind. Es sieht ihnen ähnlich, baß sie sich durch ein Auskunftsmittel fangen und zusammenhinden ließen, was an sich thvricht scheint, während ein logisches folgerichtiges System sie wohl alle auseinander getrieben hätte in hoff- nungslofe Verwirrung hinein. Vielleicht mag in spätern Tagen ein andere- Geschlecht Veranlassung haben, sich die deutsche Verfassung genau anzusehen. ES liegt vielleicht eine Andeutung, ein Wink darin für einen Ke st l a n d b u n d, der so fern erscheint und vielleicht näher liegt, als Diplomaten sich träumen lassen. Wenn eS zum Kampfe auf Leben und Tod zwischen Drei bund und Zweibund käme, wäre ein solches Vündniß viel leicht sehr nahe, wenn Europa darin den einzigen Aus weg sähe, einer sonst endlosen Aussicht auf Elend, Blut vergießen und Verarmung zu entrinnen. Auch könnte er naherttcken, falls das bereits geweckte Mißtrauen fest ländischer Staatsmänner gegen angelsächsischen Ehrgeiz und angelsächsische Anschläge geschärft würde. Dann würde vielleicht die deutsche Verfassung den Fingerzeig bieten, wie eine fvnst fast unlösbare Frage geregelt wer den könnte, ohne die Fürsten zu beseitigen, ohne die Frei heit zu zerstören und ohne die Centralgewalt am letzten Ende zu einer unbeschränkten zu machen. Sicher hat der politische Bau Deutschlands, dessen Festigkeit sich in dreißigjährigem Sturm und Drang bewährt hat, den Politikern eine Lehre gegeben. Er hat gezeigt, wie man bauen kann, ohne vorher alles Baumaterial zu Staub zu mahlen. Es gereicht dem weiten Blick des verstorbenen Königs von Sachsen zur Ehre, daß er die Halt barkeit des großen Gehäudes erkannt und sich oft selbst in den Hintergrund gedrängt hat, um an seiner Erhaltung und an seinem Ausbau zu arbeiten. Er muß einet» scharfen, denkenden Kops besessen haben und seine Stel lung als katholischer König, der ein protestantisches Land regierte und der Berather eines protestantischen Ober herrn war, hatte etwas so Eigenartiges und Ungewöhn liches, daß wir noch hoffen, ein Lebensbild von zuständiger Hand zu erhalten, bas des Königs Thätigkcit und Persönlichkeit in klarer Beleuchtung erscheinen läßt. Ein bcrathender König! Es ist eine große Stellung, die nuszufttllen nur Wenigen beschieden war. Daß er da neben ein großer Soldat war, fällt wenig ins Ge wicht, obschon es vielleicht, wenn er nicht bei Gravelotte gewesen wäre, niemals ein Deutschland gegeben hätte." Deutsches Reich. Leipzig, 10. Juli. Aus juristischen Kreisen wird uns geschrieben: Die schärfere Bestrafung des Ehebruch s. Das führende banerische Centrums- " gan b. .ngl aus der Feder eines höheren Fustizl.eamtcu eine Betrachtung über die »vünschensiverthe Abänderung des Paragraphen über den Ehebruch «8 172 R.-Str.-G.-B.j, die wir schon darum mit Vergnügen zu rveiterer Kenntniß bringen, »veil sie sich von allen parteipolitischen und kon fessionellen Gesichtspuneten fernhält nnd aus rein sach lichen und zutreffenden Erwügungen heraus einer Abände rung des Ehebruchsparagraphen das Wort redet. Der Verfasser strebt zweierlei an: einmal eine Erhöhung des Ltrafmaximums und zweitens eine bessere Gewährleistung der Möglichkeit der Strafverfolgung bei den» Delicte des Ehebruchs. Der Verfasser macht mit Recht auf den Unter schied der Straf höhe beim einfachen Diebstahl und beim Ehebruch aufmerksam. Gewiß »vird der Richter, »venu es sich beim Diebstahl um ein geringfügigeres Ob ject handelt und wenn insbesondere der Thäter bisher un bescholten ist, nur auf wenige Tage oder Wochen Gesäng- niß erkennen, aber die Hauptsache ist doch, daß 8 242, da er eine Maximalstrafe nicht festsetzt, dein Richter die Mög lichkeit gewährt, auf Gefängnis? bis zu 5 Jahren zu er kennen. Der Ehebruchsparagraph aber setzt, mag der Fall auch noch so schwer liegen, eine Höchststrafe bis zn 0 Monaten fest, eine Strafe, die ja unter Umständen ganz ausreichend sein mag, aber in manchen Fällen sicherlich zu niedrig bemessen ist. Wir möchten dem Verfasser nicht zustimmen, wenn er an Stelle der 0 Monate 3 Jahre als Höchststrafe fixiren will, sondern «vir meinen, daß es das Zweckmäßigste wäre, wenn das Gesetz ebenso wie beim Diebstahl undmanchen andercnDeltctennur dieGefüngniß- strafe, nicht aber die Höhe derselben festsetzte, so daß die letztere dem Ermessen des Richters anheimgestellt wäre. Wichtiger aber als die Höhe der Strafe ist die Möglichkeit der Strafverfolgung überhaupt. Bei kaum einem anderen Delicte ist diese Möglichkeit derart eingeschränkt, wie bei dem Ehebruch. Die Strafverfolgung ist 1j nur zulässig, wenn die Ehe bereits wegen des Ehebruchs geschieden wor den ist, 2) ist der Antrag des in seinen Rechten gekränk ten Ehegatten erforderlich, und 3) darf sich der Antrag nur gegen beide Personen, die sich des Ehebruchs schuldig ge macht haben, richten. Besonders die letzten beiden Bestim mungen erschweren die Strafverfolgung des Ehebruchs außerordentlich. Wenn beispielsweise, wie im Falle Bennigsen, der gekränkte Ehegatte durch den Ehebrecher im Duell erschossen wird, so ist nach dem geltenden Gesetze eine Strafverfolgung überhaupt nicht möglich; das Gesetz setzt also geradezu für den Ehebrecher, der seinen Gegner im Zweikampfe erschießt, eine Prämie aus. Es ist aber gar nicht einmal der gewaltsame Tob deS gekränkten Ehegatten erforderlich, sondern es kann auch, da der Ehe- scheidungsprocetz unter Umständen sich Jahr und Tag hin ziehen kann und da vor der Rechtskraft des S ch e t bu n g s ur t h e t l S ein Strafantrag wirkungslos ist, der natürliche Tod des gekränkten TheileS emtreten, ehe dieser in der Lage gewesen ist, die Strafverfolgung auch nur anzubahncn. Noch bedenklicher aber ist die Forde rung, daß gleichzeitig gegen beide schuldige Thetlc Antrag gestellt werden muh. Damit wirb dem gekränkten Ehe gatten entweder die Möglichkeit genommen, dem schuldigen Ehegatten zu verzeihen, ober aber, falls er dies thun will, gegen den außerhalb der Ehe stehenden schuldigen Theil vorzugehen. Wie aber kommt, wenn ein Mann seiner Frau oder die Frau ihrem Mann verzeihen will, der Ver führer oder die Verführerin zu dem Rechte, straflos auS- zugchen? Der Verfasser macht mit Recht darauf aufmerk sam, daß der Fall, daß von zwei Personen, die sich durch ein und dieselbe Handlung strafbar gemacht haben, die eine der Strafverfolgung verfällt, die andere aber nicht, durch aus nicht allein bastelien würbe. Wenn beispielsweise Je mand durch seinen Sohn und einen Freund desselben be stohlen wird, so bleibt gemäß 8 247 R.-Ztr.-G.-B. der Sohn, wenn der Vater keinen Strafantrag gegen ihn stellt, außer Verfolgung, während die Strafverfolgung gegen den Freund davon nicht berührt wirb. Wie in dem Falle b,S 8 247 LaS ««fetz der Verzeihung »wischen Ange hörigen Spielraum gelassen hat, ohne daß davon dritte Personen Nutzen ziehen können, so sollte es im Falle des Ehebruchs ebenso sein. * Berlin, 10. Juli. Die Durchführbarkeit über seeischer Invasionskriege ist vor einiger Zeit von mehreren Militärschriftstellern erörtert worden. Ein Aussatz in der „Marine-Rundschau", der die in den Marinekrcisen bcrrschenden Anschauungen wiedergiebt, fübrt die dabei zu Tage getretenen, theilweise recht phantastischen Anschauungen in die nüchterne Wirklichkeit zurück. Es wird darin ausgeführt: „Es mag zugegeben werden, daß die Entwickelung unseres modernen Verkehrswesens die gleichzeitige Uebcrführung und Landung einer etwa 100000 Mann starken JnvasionSarmee an einer feindlichen Küste nicht als Unmöglichkeit erscheinen läßt, salls sie voin Gegner unbehelligt vorbereitet und durchgeführt werden kann. Anders aber steht es mit der strategischen Seite der Frage, welche mit der feindlichen Gegenwirkung rechnen muß. In Beurtheilung derselben müssen wir den Grundsatz aofstellen, daß das Einsetzen von Landtruppen in einem feindlichen, nur auf dem Wasserwege zn erreichenden Gebiete der unumschränkten Seeherrschaft bedarf. Der Begriff der Seeherrschast ist indessen rin be schränkter. Selbst die ausgesprochenste Supre matie Englands aus allen Meeren während der Napoleonischen Kriege hat nie den idealen Zustand erreicht, die Flagge des Gegners völlig von derSe« verschwin- den zu lassen. Ob die Beherrschung der See unter den heutigen Verhältnissen nach der Ausnutzung des Dampfes und der Elek- tricität jemals eine derartige Ausdehnung erfahren kann, unterliegt berechtigten Zweifeln. Eine Beherrschung der See in dem Maßstabe, wie sie für die nachhaltige Sicherung eine-Invasionskriege» notwendig erscheint, bedarf daher heutzutage wohl noch weit mehr als früher der Ueberlegenheit. — Die Voraussetzung, daß die Ausführung einer im Frieden vorbereiteten Invasion sofort nach Beendigung der Mobilmachung und ohne vorhergehende Niederwerfung der feindlichen Streitkräfte überhaupt denkbar sei, verbietet sich eigentlich von selbst. Aber selbst der Erfolg einer vor dem Auslaufen der Transportflotte über die Hoch- seeflotte des Gegners errungenen siegreichen Schlacht kann die Sicherheit deS Landungsunternehmens nicht genügend gewährleisten; denn die Waffen deS modernen Seekrieg- sind von solcher Wirkung, daß auch die Flotte deS Siegers eine erheb- liche Einbuße erleiden wird, und dem muthigen Rest des Unter- legcnen bleibt in Verbindung mit den Reservesormationen in der Nähe der Küste und mit den Torpedobooten immer noch Gelegen- bist, die LandungSaction zu belästigen. Die Zeit vom Beginn der Ausschiffung bis zur völligen Marschbereitschaft der gelandeten Truppen berechnet sich nach Tagen, und während dieser Zeit muß nian mit fast unumstößlicher Sicherheit zu Wasser wir zu Laude auf Störungen der Landung durch den Gegner rechnen. ES ist angebracht, von Zeit zu Zeit solche grundlegenden Erörterungen militärischer Natur in den politischen Theil zu übernehinen. (-) Berlin, 10. Juli. (Telegramm.) Von der Nord- landSrcise des Kaisers liegen folgende Meldungen vor: Kopervik, 10. Juli. (Telegramm.) S. M. A-„Hohen- zollern" hatte nach der Abfahrt von Travemünde am 7. Juli Vor mittags bei schönem Wetter bis zur Höhe von Frederikshavn gute Fahrt. Am Abend wurde wegen starker Dünung im Kattegat auf der Höhe zwischen Skagen und Frederikshavn geankert. Am 9. Juli um 10 Uhr Vormittags wurde die Fahrt bei gutem Wetter fortgesetzt. Gegen 11 Uhr auf der Höhe von Skagen kam das 1. Geschwader unter Führung de» Prinzen Heinrich in Sicht. Die Nähe desselben war schon aus einer Entfernung von ca. 60 lrm durch Nussangen von elektrischen Funken in die Telegraphen- Apparate an Bord constatirt worden. Dir „Hohenzollern" mit „Nymphe" und „Sleipner" im Gefolge durchfuhr das in doppelter Kiellinie entgegenkommende Geschwader. ES wurden Salutschüsse abgegeben, und die in Paradeaufstellung stehen den Schifssbesatzungen brachten drei HurrahS aus. Nach dem ersten Passiren des Geschwaders wendete die „Hohenzollern" und durch fuhr nochmals das Geschwader, dasselbe überholend, und die Fahrt noch Norwegen sortsetzend, während daS Geschwader weiter manövrirte. Bald wurde die Küste von Norwegen gesichtet und um 6 Uhr ein Salut »nit einem ouS Norden kommenden holländischen Kriegsschiffe auSgctanscht. DeS Abend» war es bitter kalt. Die Ankunft vor Kopervik erfolgte am 10. gegen L Uhr Morgens. Am Bord ist Alles wohl. Odde, 10. Juli. (Telegramm.) Die „Hohenzollern" und die sie begleitenden Schiffe sind heute Vormittags 9'/, Ubr hier nach vortrefflicher Fahrt vor Anker gegangen. DaS Wetter ist schön. ES ist hier «in Aufenthalt bi» zum Sonnabend Vormittag in Aussicht genommen. An Bord ist Alle» wohl. (D Berlin, 10. Juli. (Telegramm.) Der „Reichs anzeiger" schreibt: Der Kaiser beauftragte mit der Stell vertretung de» Reichskanzlers in den Angelegenheiten der Verwaltung der ReichSeisenbahn den Ebes dieser Ver waltung Staatsminister Budde. — Der „ReichSanzeiger" veröffentlicht daS Gesetz betreffend den TervtStarif und die Claflenetnlheilnng der Orte, sowie die Abänderung des Ge setzes Uber die Bewilligung von WohnungSgeldzuschüfien vom 7. Juli 1902. — Der neue Domänensond» für die Ostmarkrn soll sogleich in Anspruch genommen werden, um die Herr schaft Driesen-Strinbruch anzukaufen, die jetzt der neuen Bodengesellschaft gehört. Der Landwirtbschastsministrr bat wegen Ankaufs-Verhandlungen anknüps« lassen, «s ist «in Preis von S 800 OVO -4k gefordert worden. — Di« unkündbar« Anstellung der Post-Unterbeamten hat fortan (nach einer Verfügung de» Staatssekretär« des Reichspostamt») — »«abhängig von dem Zeitpunkte der ersten etatsmähigen Anstellung — bei tadelfreier stilbrang für all« Untrrbiamtenelast« gleichmäßig nach einer Gelammt-
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