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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 08.06.1903
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1903-06-08
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19030608028
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1903060802
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1903060802
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1903
- Monat1903-06
- Tag1903-06-08
- Monat1903-06
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Bezug-«Preis in d«r Hauptexpedition oder deren Ausgabe stellen abgeholt: vierteljährlich S.—, bei ^»etmalia,, ti^licher ZustelluUß in» Hau» S.75. Durch di« Post vezoaeu für Dentlch. lanh n. Oesterreich vierteljädrlich 4.KV, ü» dis übtigeU Länder laut Zettnng-priiSüst». Nrdaktto» «nd LrpedMonr ydhannl-gasse 8. Fernsprecher ISS und L2L FUtalevP«dttinn«n, UlftedHahn, Buchha»dlg„ UniversttütSstr.S^ tt. Ltschch katharinenstr. Ich u. KüoigSpl. V, Haupt-Filiale Vresdeu vkarieustraß« »4, Fernsprecher Amt 1 Ur. 1713. Haupt-Filiale -erlie: Carl Luncker, Herzgl. Bayr. Hosbuchhaudlg, Lü-owstraße 10. Fvmsvrecher Amt VI Nr. 4SVS Abend-Ausgabe. MpMerTalsMatt Anzeiger. Anrlsölalt -es Kömgtichen Lund- «nd des Königlichen Amtsgerichtes Leipzig, des Antes «nd des Aolizeiamtes -er Ltadt Leipzig. 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Und heule a»dt einer der streitdarstea Zentrumsmäauer unter dem Beifall seiner Gesinnungsgenossen eine fast gleichlautende Kampfparole! Und warum? Graf Bülow bat e» doch weder al» Reichskanzler noch al» preußischer Ministerpräsident ungutem Willen, den Wünschen de»Zentrums entgegrnzukom» men, fehlen lasten; daß er die Aufhebung de» tz 2 des Jeiuüen- gesetzeS jetzt nlcht erreichen kann, ist doch wahrlich nicht seine Schuld. Trotzdem kündigt ihm Herr FuS angel den Krieg an für den Fall, daß er dem Zentrum nicht noch willfähriger sich erweise. Herr FuSangel lut die» in einer Politische Tagesschau. * Leipzig, 8. Juni. Tozialvemokrattsche Gtfendahnarbettrr-Vewegung. Die sozialdemokratische Eisenbahnarbeiter-Bewegung scheint leider unausgesetzt zu wachsen. Fortwährend gelingt eS den Agitatoren, nicht nur in den großen BerkehrSzentren, soudern auch in kleineren Städten neue Stellen zu errichten, in denen Mitgliederaufnahmen für den Verband stattfindeo. Es sind jetzt bereit» in 140 Städten Filialen für den Ver band errichtet; in einzelnen Städten sogar fünf dis sechs. Während früher fast allein der Norden und Mitteldeutschland derartige Filialen hatte, finden wir solche jetzt im Westen und im Osten unsere« Vaterlandes in großer Zahl; selbst im Südeu schreitet die Bewegung vorwärts. Eine Eisenbahnarbeiterkonserenz für Mitteldeutschland, an der angeblich Delegierte auS sämtlichen größeren Städten Mittel deutschland» teilnahmen, hat erst kürzlich in Halle a. S. getagt; auch in Berlin und in Frankfurt a. M. (für Süvdeutschland) haben nach dem sozialdemokratischen Ver bandsorgane der Eiseubabner, dem „Weckruf", solche Kon ferenzen stattgefunden. Diese Vorwärtsbewegung erfüllt natürlich die Leiter des Verbandes mit stolzer Zuversicht, die den „Weckruf" zu dem AuSruie veranlaßt: „Eine starke Eisenbahnarbeiterorzanisation bildet das Rückgrat der gesamten Gewerkschaftsbewegung". Alle Gewerkschaftsführer sind dertn auch, wie man uns mitteilt, angewiesen, der Eisenbahnarbeiterbewegung die größte Förderung und Unterstützung angedeihen zu lasten. Daß dieser Anweisung Folge geleistet werden wird, unterliegt keinem Zweifel. Damit aber wächst die Gefahr, die von der sozialdemokratischen Eisenbahnarbeiterbewegung droht und die tchon jetzt die größte ist, die von sozialdemokratischen Be wegungen auSgeht, immer mehr. Und wenn auch die Leiter deS Verbandes sich zweifellos irren, wenn sie glauben, schon jetzt in Deutschland ähnliche Situationen schaffen zu können wie in Holland, so ist doch die Besorgnis nicht abzuwelseo, daß sozialdemokratische Wahlsiege den Verdandt- leitcrn zu Kopfe steigen und sie zu dem Versuche ver leiten könnten, einen Ersenbabnarbeiterstreik wenigstens zu versuchen. Und welche Folgen selbst ein mißlungener Versuch jür alle Erwerbszweige m Deutschland haben würde, braucht mau wohl nicht auSzumaleu. Montag den 8. Juni 1903. 97. Jahrgang. an seine Wähler im Wahlkreise ArnSberg-Olpe-Meschede er- lasteneu Kundgebung, in der e» klipp und klar beißt: „Das Zentrum wird da« Zustandekommen wichtiger Besetzentwürfe davon abhängig machen, daß man seinen Anschauungen Rechnung trägt und seinen Wünschen entspricht!" Und damit er ja nicht mißverstanden werde, fährt Herr FuSangel fort: „So viel steht fest, daß der Herr Reichskanzler in dem neuen Rtich«tag« sich einem anderrnZentrum gegenüber finden wird, mag e« auch in der Mehrzahl au« denselben Leuten bestehen, wie bi-her. ES wird ihm dies ganz besonders zum Bewußtsein kommen, wenn Mehrforderungen für da» Heer und dir Marine, welche nicht in den Rahmen der bisherigen Formationen sich einfügrn lassen, kommen sollten!" Wie ernst diese Drohung gemeint ist, geht au» der Schluß wendung dieser Kundgebung hervor, worin e» heißt: „Die deutsche Volksvertretung geht schweren Kon flikten entgegen." Also die vollständige Nachbildung des bündlerischen „Kein Kanitz, keine Kähne", ganz derselbe grobe Egoismus, für den das Vaterland „schnuppe" ist, wenn eS sich nicht beherrschen lasten will! Nun ist Herr FuSangel allerdings nicht da« Zentrum, aber daß er in diesem und unter den Zentrums wählern und -Agitatoren zahlreiche Gesinnungsgenossen hat, geht schon aus der Stellungnahme hervor, Vie nicht nur in Baden, sondern auch anderwärts den katholischen Wählern in solchen Wahlkreisen empfohlen wird, in denen voraus sichtlich sozialdemokratische mit nationalliberalen oder konservativen Kandidaten, die gegen die Abbröckelung oder die Aushebung des Jesuitengesetzeö sich erklären, in Vie Stichwahl kommen. Ist denn die Drohung, in solchen Wahlkreisen, die sozialdemokratiscke Kandidatur durch direktes Eintreten oder auch nur durch Wahlenthaltung zu fördern, «lwaS anderes, als das, waS Herr FuSangel an- droht? Wie die Sozialdemokratie sich verhalten wird, wenn Mehiforderuogen für da» Heer und die Marine kommen, weiß doch jede« katholische Kind ebenso, wie jede» protestantische. Jedes katholische Kind muß also auch wissen, daß die direkte oder indirekte Begünstigung einer sozialdemokratischen Kan didatur ganz gleichbedeutend ist mit einem Volum gegen derartige Forderungen also mit einerVersündigung gegen die Sicherheit des Vaterlandes! Wir hoffen daher, baß die „Köln. Dolk»ztg.", die erst dieser Tage die Mahnung an ihre Leser richtete: „AuS diesen Schwierigkeiten können wir nur berauSkommen, wenn die Wähler eS als ihre nationale Pflicht ertennen, den konfessionellen Ultra« ihre Stimme bei den Wahlen vorzuent- balten", Herrn FuSangel gehörig den Text liest und den katholischen Wählern den dringenden Rat erteilt, ihn und seinen Gesinnungsgenossen ebensowenig zu wählen, wie einen Sozialdemokraten. Die Marokkofragc. Der Madrider „Liberal" bringt eine Darstellung des augenblicklichen diplomatischen Standes der Marokko frage, wobei er versichert, daß diese Darstellung im wesentlichen mit den Anschauungen der spanischen Regie rung übercinstimmc. Danach sei es sehr wahrscheinlich, daß zwischen England und Frankreich eine Vereinbarung über die Marokkos rageer-I zielt sei, wonach letzterem freie Hand gelassen sei, in I der östlichen Hälfte Marokkos etnzugreifen und nötigen-j falls einige Teile desselben zu besetzen. Der „Jn- spekttonszng" deS Obersten Jonnart habe offenbar den Zweck gehabt, einen Anlaß zum Einschreiten zu finden, was ja schon die vorangegangenen militärischen Rüstungen deutlich verraten hätten. Gewiß habe Frank reich die Versicherung abgegeben, daß der vorbereitete Strafzug gegen Figig nicht zu irgend einer Besitz ergreifung von Land führen solle. Aber selbst die anf- richtigste Absicht, diesem Versprechen nachzukommen, werde gegenüber der Macht der Tatsachen ohnmächtig sein. Bet der jetzigen, in ganz Marokko herrschenden Anfregung werde das Eindringen einer französischen Heeresmacht unberechenbare Folgen nach sich ziehen. Da der Sultan nicht im stände sei, den Franzosen den ge ringsten Widerstand entgegenzustellen und somit Figig und die umliegenden 'Bezirke ganz auf sich selbst an- gewieseu seien, so werde der Zustand der allgemeinen Anarchie noch weiter um sich greifen und das Einschreiten Frankreichs immer wieder notwendig machen. Indem nun jetzt Frankreich das ganze Innere von Oran bis Fez zu seinem natürlichen Einflusikreise mache und dafür das nordwestliche Küstengebiet einschließlich Tangers den Engländern überlasse, so werde Spanien mit feinen Interessen ausschließlich auf die wertlose Rifküste be schränkt. Hiergegen Vorkehrungen zu treffen, sei aller- dings für Spanien in seiner jetzigen politischen Vereinsamung so gut wie ausgeschlossen. — ES liegen nock folgende aktuelle Meldungen vor: * London, 8. Juni. (Telegramm.) Tie „Times" melden aus Tanger: Der Prätendent Buhamara ist auS dem Risfqebiete abgereist und befindet sich aus dem Wege nach Tesa. Die Re gierungstruppen sollen sich langsam tn derselben Richtung bewegen. Mehrere Stämme, die für regierungsfreundlich angesehen werden, schicken dem Prätendenten Mannschaften. * Köln, 8. Juni. (Telegramm.) Der „Kölnischen Zeitung" wird unter dem 3. Juni auS Fez gemeldet: Der HauSmInister deS Sultans ist hierher zurückgekehrt, nachdem er vergeblich mit den nordöstlichen Kabqlen wegen AuSlieferui g deS Prätendenten Bu Ka rn ara gegen Bezahlung verhandelt hat». Die Unsicherheit in der unmittelbaren Umgebung der Hauptstadt dauert an. Ein Händler wurde dicht vor dem Tor ausgeplündert; auch Postläufer wurden wiederholt völlig ausgeraubt. Selbst in der Stadt sind Raubansälle vorgekommen. Amerikanische Aktion in de« chinesischen Gewässern. Eine tn mehrfacher Hinsicht auffallende Meldung kommt aus Washington. Danach habe, wie schon kurz erwähnt, der amerikanische Flottenchef in Asien, Kontreadmiral Evans, einen langen Bericht über den Ernst der inneren Lage in China cingereicht, worauf sofort die Zusammenziehung eines amerika- nischcn Geschwaders in den chinesischen Gewässern «„befohlen wurde. Die Meldung fügt Hinz», dieses Ereignis werde in Washingtoner amtlichen Kreisen als bedeutsam betrachtet. Zu nächst überrascht die Mitteilung, daß die inneren Zustände in China in diesem Augenblicke An laß zu internationalen Besorgnissen geben sollen. Der Norden Chinas ist nach allem, was man in den letzten Monaten über die dortigen Verhältnisse erfahren hat, ruhig. In den SUbprovinzen Jünnan und Kwangsi herrscht allerdings ein gegen die Dynastie gerichteter Auf stand, den die chinesischen Truppen nicht zu unterdrücken vermögen, allein, Aufstände in irgend einem Teile des Niesenreiches sind nichts Ungewöhnliche». ES ist, so schreibt zutreffend die „Voss. Zig." nicht etnzusehen, warum gerade die jetzige Bewegung, durch welche die fremden Unter tanen im großen Ganzen nicht tn Mitleidenschaft gezogen werden, fremde Streitkräfte zu besonderen Maßnahmen veranlassen soll. Die einzige Tatsache, welche die Hand lungsweise der Amerikaner vielleicht zu erklären geeignet wäre, ist die schreckliche Hungersnot tn Kwangsi, wo über eine Million Menschen ohne Nahrung sind. Der Gouver- neur von Kwangsi hat sich jüngst durch den amerikanischen Konsul an die Amerikaner um Hülfe gewandt. Wenn die Reisernte, die Ende Juli eingebracht wird, ungünstig aus fällt, dann ist Gefahr vorhanden, baß die Verzweifelnden alle Schranken Niederreißen und auch die Fremden nicht mehr schonen. Ueberdie» könnte sich die Not auch außer halb Kwangsi» fühlbar machen und dadurch die AufstandS- bewegung eine brettere Grundlage gewinnen. Wie dem auch sei, jedenfalls haben die Amerikaner bisher nicht das System verfolgt, sich wegen -er inneren Zustände eines fremden Reiches Sorge zu machen, sofern man ihnen selbst nicht zu nahe getreten ist und ihrem Handel keine ab sichtlichen Schwierigkeiten in den Weg gelegt hat. Die Eilfertigkeit, mit der sie, allen anderen Mächten voran, ehe ein Gewitter deutlich sichtbar wird, ihr Geschwader in den asiatischen Gewässern zusammenztehen, läßt die Ver mutung zu, daß sie vielleicht andere Beweggründe hierzu haben. Die internationale Lage im Stillen Ozean aber ist auch nicht darnach geartet, um außergewöhnliche Vor kehrungen zu rechtfertigen. In Japan herrscht, nachdem sich der Lärm über Rußlands angebliche Absicht, die Mandschurei besetzt zu behalten, gelegt hat, einige Er regung über die Tätigkeit der russischen WaldkonzessionS- gescllschaft am Valuflufle, doch hat Kvzca bereits die Ein setzung eines internationalen Ausschusses zur Abgrenzung des Ausbentungsgebictes jener Gesellschaft angeregt. Man wird sich bis aus weiteres über diese Angelegenheit wohl verständigen, zumal da in Japan die finanziellen Verhält nisse ein bewaffnetes Einschreiten nicht rätlich erscheinen lassen und England kaum geneigt sein wird, den Japanern die koreanischen Kastanien aus dem Feuer zu holen. Wohin man blickt, man findet nichts, waS den amerikanischen Admiral zur Abfassung seines düsteren Berichtes vcr- anlaßt haben mag, nichts, was sirr die Amerikaner ein zwingender Grund wäre, ernste militärische Borberei. tungcn zn treffen, sodaß schließlich nur die Annahme übrig bleibt, es sei ihnen lediglich um eine Kundgebung zu Gunsten der „offenen Tür" in der Mandschurei zu tun. Deutsches Reich. Berlin, 7. Juni. (Nationalliberale Kandida turen.) Die am 7. Mai von der Parteikorrespoubrnz ver öffentlichte nationalliberale Kandidatenliste wird jetzt von der selben Stelle ergänzt; die Zahl der Kandidaten hat sich aus l8v erhöh». Preußen: Osterode-Nridenburg: Kaufmann Künter-Neiden- bürg: Salzwedel-Gardeügen: Fabrikdirektor Foelfch«-Magd«burg: Reckünghausen-Borten: Landgerichtsrat Schmieding-Dortmund; Ferrilletsn. Mr. Trunnell. Decroman von I. Ha 1 nS. Nachdruck verboten. Bet sieben Glasen — halb acht Uhr vormittags — gelang eS dem „Doktor", Feuer in der Kombüse anzu zünden, unid bald erhielten alle Mann einen Trunk heißen Kaffees. Das brachte neues Leben in die Leute, und in kurzer Zeit war Trunnell mit seiner Wache hart bei der Arbeit, neue Segel auS dem sogenannten Lazarett, einem unterhalb der Kajüte befindlichen Raume, hcraufzuschaffen. Der Aufenthalt auf dem Hanptdcck war nicht mehr so unangenehm und gefährlich, und wenn auch noch ab und zu eine Sturzsee über die Reeling donnerte, so glich das Schiff doch nicht länger einem zur halben Flutzeit in starker Strömung liegenden Felsblock. Nachdem alle Mann auch noch etwas zu essen erhalten hatten, war die Ordnung an Bord soweit wiederherge- stcllt, daß wir neue Marssegel unterschlagen und zugleich auch die Pumpen in Gang bringen konnten. Zum Glück wurde nur wenig Wasser vorgcfunben. Trotz deS Umhcrwerfen» und der gewaltigen Erfchütte- rungen hatte das Schiff nicht mehr Wasser gemacht, al» vernünftigerweise unter solchen Umständen erwartet werden konnte, und nachdem etwa eine Stunde lang ge pumpt worden war, hatten wir die Genugtuung, die Pumpen lenzschlagen zu hören. Die Arbeit des NeuaufbrtngenS von Segeln und den dazugehörigen Tauen und Leinen währte den ganzen Bor mittag. Tas englische Schiff trieb inzwischen nach unsrer Luvseite ab, unablässig stampfend und rollend und sich fast in die See hinetmvühlcnd. Der Sturm ließ mehr und mehr nach und flaute zu einer steifen Brise ab, und um die Mittagszeit lockerte sich hier und da das Gewükk und lieft die Sonnenstrahlen durchbrechen. Nun gerieten alle Mann wieder in gute Stimmung. Den Matrosen war ein gutes Mittagsmahl bereitet worden, und dazu gab es ausnahms- weise nochmals Kaffee; ich setzte mich mit TschtpS und dem Steward in d«r Borkajüte zu Tisch, um dort mit Heiß- Huna«» groß« Quantitäten von bestem Salzfleisch und konteryterte» Kartoffeln zu verzehren. „Sie haben in der letzten Nacht da vorn wieder was > Tolles erlebt, nicht wahr?" sagte Tschips zu mir. „Ein paar Minuten lang war das Ding ganz unter haltsam", entgegnete ich. hoffentlich habt Ihr dem Kerl die Eisen diesmal fester angelegt. Schlüssel scheinen hier an Bord seltsame Exkursionen zu machen." „Brauchen keine Furcht zu haben, Steuermann, dies mal kommt der Halunke nicht wieder los. Ich habe ihm die Eisen angenietet, es gehört also erst eine Feile dazu, sie abzunehmen. Ich denke, wir kriegen den Alten herum, daß er ihn an Bord des ersten Schiffes setzen läßt, das un» nahe genug kommt. Was meinen Sic?" „Mir wär'ö schon recht", sagte ich. „Jim und der lange Tom und Hans und noch 'ne ganze Menge von uns haben uns das überlegt und wollen nächstens mit dem Skipper darüber reden. Zuerst muß ich aber unten im Hellegatt wieder Ordnung schassen, da ist nämlich bei dem Stampfen ein Faß loSgckommen und bat mächtigen Unfug und Schweinkram angcrichtet. Gehen Sic mit tn da» Boot, das zu dem Engländer an Bord ge schickt werden soll, wenn die See ruhiger geworden ist?" „Ich denke", antwortete ich. „So etwas ist ja gewöhn lich die Sache des zweiten Steuermanns." „Na, dann kalten Sie die Augen offen und geben Sie acht, daß der Pflock auch richtig im Boden steckt, und daß die Reemen heil und ganz sind, denn in dieser See bleibt ein Boot, in dem nicht alles heil und zuverlässig ist, nicht lange über Wasser. Denken Sie bloß an die Eisen von gestern nacht." Ich verstand sogleich, worauf er abzielte. „ES soll alles genau untersucht werden, verlaßt Euch drauf, TschipS", sagte ich. „Dank' Euch auch für den Hin weis, und dafür, waS Ihr wegen deS Skippers beschlossen habt." „O, keine Ursache", entgegnete er, und dann machten wir uns wieder über die Speisen her, bi» alles vertilgt war. Achtes Kapitel. Als die Lchiffsglocke nachnttttags drei Glasen — halb zwei Uhr — schlug, da hatte sich der Seegang soweit gelegt, daß wir unsre neuen Marssegel und da« Großbramsegel sehen konnten. Der „Pirat" erhielt dadurch ein« solch? Fahrt, daß er vorn einen wahren Sturm von Gischt über- nahm. Fern zu Luvard war da» englische Schiff nur noch wie ein dunkler Punkt sichtbar; wir mußten auf. kreuzen, wen« wir ei wieder erreichen wollten. S» war »nt unbekannt, wie dringend und tn welche» Umfange es unsrer Hülfe bedurfte. Wenn cs sich schnell mit Wasser füllte, bann mußte es sich zunächst auf seine eigenen Boote verlassen, denn vor dem Spätnachmittag durften wir nicht daran denken, unser einzig übrig ge bliebenes kleines Boot zu Wasser zu bringen; so lange würde es auch dauern, ehe die See sich hinreichend be ruhigt hatte. Die Signale des Schiffes waren nicht mehr zu erkennen, wir setzten aber nach und nach alle Segel bei, die der „Pirat" vertragen konnte, ohne in die Gefahr zu konnnen, seine Stengen zu verlieren, um sobald als möglich wieder in die Nähe des Wracks zu gelangen. Nach Berlauf von etwa zwei Stunden war dies bewerkstelligt; das Schiss lag in Rufweite luvwärts von uns. Trunnell ließ vermittels an der Grvßraa angebrachter Befftaljen das Boot über die Leerecltng schwingen; Hans und Johnson saßen darin und hielten es klar von der Schiffssettc; als es im Wasser war, wurde es bis zur Kreuzrüst achteraus gefiert, wo die Leute bereit standen, die sich freiwillig zu der Fahrt gemeldet hatten. Es waren, außer mir, vier Mann. Wir sprangen hinein und schoben schnell ab. Die erste Lee hob uns bis zur Höhe der Ouarterdeckreeliug empor, daun ging es wieder so tief hinab, daß die Kupferung des Schiffes höher war, als unsre Gesichter. Wir kamen glück lich vom Schiffe frei und rojten nun mit aller Macht gegen den Wind und die See an. Wie winzig erschien uns der „Pirat" bei diesem See gang, als wir kaum zehn Faden von ihm entfernt waren! Unser kleines Boot hielt sich wacker und nahm nur wenig Wasser über. Zurückschauend, sah ich den Skipper und Trunnell auf dem Quarterdeck stellen; sie beobachteten uns durch ihre Gläser und warteten darauf, uns nach der Rückkehr wieder an Bord zu nehmen. Der „Doktor" sali uns von der Back aus nach, und mittschiffs streckte Tschips seinen Kopf über die Reeling. ES war eine lange Strecke bis zu dem englischen Schiss. Die Dee ging noch immer hoch und die Brise war noch immer ein halber Sturm. Unter dem Firmament jagten die zerrissenen Wolken eilig dahin, und ab und zu be leuchtete ein Sonnenstrahl die wild bewegten, grauen Wasser. ÄS kostete uns eine halbe Stunde, baS notleidende Fahrzeug zu erreichen. Langsam rojten wir von Lee aus heran. Es lag ge- fährlich tief. An seinem Heck lasen wir den Namen „Royal Sovereign, Liverpool", ebenso auf den Ringbojen, die außen an der Heckreeling hingen. In der Nähe der Kreuzwartten stand «ft»« Errrppe von Leuten; einer derselben, ein untersetzter Mann in blauem Düffelrock und schwarzem Südwester, hob, al- wir uns näherten, ein Sprachrohr an den Mund. „Boot, ahoi!" rief er uns zu. „Können Sie an Bord kommen?" „Wir wollen s versuchen!" rief ich zurück. „Haltet eine Leine bereit." Die Leine wurde uns zugeworfen. Der lange Tom, unser magerer Aankee, sing sie auf und nahm damit einen Törn um die Ducht, aus der er saß. Die Reemen wurden ins Boot gelegt, das nun achteraus trieb, soweit die Leine ihm Raum gab. Der Mann im Düffelrock, der Kapitän de» Schiffes, erschien an der Heckreeling. ,^Vir sinken!" rief er uns zu. Können Sie einige von uns aufnehmen?" „Ja", antwortete ich; „aber es muß schnell geschehen!" Ein Menschcnhaufc drängte sich auf das Achterdeck und an die H<ckreelingr e» hatte fast den Anschein, als sei eine Panik an Bord ausgcbrochen. Der untersetzte Skipp-r stieß jedoch alle im Wege Stehenden ohne Umstände bei seite, und gleich darauf wurde eine Krauengestalt an der Reeling sichtbar. Ich ließ das Boot durch HanS und Tom vorsichtig so weit an das Schiff heranholen bi» sich sein Bug direkt unter dessen Heck befand. Der Schiffer ließ eine Rtngbojc an eine über den BesanSbaum geworfene Leine befestigen, die Boje wurde der Dame übergestreift, diese daran fest gezurrt und sodann mit aller Sorgfalt über die Reeling gehoben und hinabgeftert. Siner meiner Matrosen nahm sie tn Empfang und reichte sie mir achteraus. Sie war ein junge», schlanke» Mädchen; ich trug sie ohne Mühe und unterstützte sie so lange, bi» sie sicher im Heck des Bootes saß. Der Wind hatte einige Locken ihre» blonden Haare» losgeweht und mir in» Gesicht getriesien, was mich mit einer ganz eigentümlichen Empfindung er füllte. Sie hob ihr Antlitz und sah mich an; sie hatte die schönsten Augen, die ich ie gesehen; der Ausdruck derselben war sanft und lieb und so vertrauensvoll, wie man e» fast nur bei Kindern wahrnehmen kann. „Ich danke Ihnen, Herr Seemann", sagte sie und lächelt« mir zu. ,^>ier sitze ich recht gut/i „Das freut mich", antwortete ich. „Sie werben vielleicht ein wenig naß werden, da» ist aber auch alle-, waS Ihnen hier im Boote zustoßen kann." Die Ringdoje war inzwischen wieder ausgeholt »«den und fetzt Netz man eine Mette Dame ft» derse»«,
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