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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 08.08.1902
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-08-08
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19020808029
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902080802
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902080802
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1902
- Monat1902-08
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Interesse und die finanzielle Leistungsfähigkeit des Reiches nach anderer Seite genügend in Anspruch genommen war, bisher gelungen wäre, diese Absichten in dem erwünschten Umfange zu verwirklichen. Nunmehr sind -wischen der britischen und persischen Regierung Verhandlungen im Gange, welche die Conccsston einer von Teheran zur Küste des persischen Golfs führenden, von einem britischen Syndikat herzustellenben Eisenbahnverbindung betreffen. Die Anwesenheit deS britischen Teheraner Botschafter- in London und der geplante Besuch des Schahs am eng. fischen Hofe wird von russischen Blättern mit dieser An. gelegenhett in Verbindung gebracht und dabei die Be. fürchtung ausgesprochen, daß die Concessiontrung der pro. jcctirten Linie an eine englische Gesellschaft wirklich zu Stande kommen könnte. Zugleich wird aber von der ge» nannten Presse geltend gemacht, daß eine solche Abmachung einem rufsisch.perstschen Uebereinkommen direct zuwider, laufen würde, wonach Rußland berechtigt sei, gegen die Concessiontrung eines persischen Etsenbahnunternehmcnö an andere als russische Staatsangehörige Einspruch zu er. heben. Besteht dieser Hinweis zu Recht, so würde sich daraus schließen lasten, daß der russische Einfluß in Per- sien bereits weit mehr Terrain erobert hat, als den Eng« ländern lieb sein kann, und daß ein Vertrag besteht, der den Rusten gewisse Primärrechte einräumt. So würde cs sich auch erklären, baß Verkehrs» und Handelsunierneh- mungen, finanzielle Bewegungen und Gründungen, die von Setten der russischen Regierung begonnen oder unter stützt wurden, in den industriellen und kommerziellen Plätzen deS persischen Reiches Aufnahme gefunden und sicheren Bestand gewonnen haben. Neben diesen Erfolgen der russischen Politik spricht auch die Entwicklung der seit drei Jahren bestehenden russisch.persischen Dampfschiff. fahrtSlinie dafür, baß die Zukunft des persischen Reiches mehr und mehr unter dem Einfluß der russischen Führung sich gestalten wirb. Die genannte DampfschifffahrtSgesell. schäft vermittelt den Verkehr zwischen dem Schwarzen Meer und dem persischen Golfe, wobei, um nur die wich- tigsten Handelsplätze der Strecke zu nennen, außer dem Sluögangspunct Odessa, Smyrna, Jaffa, Port Said, Suez, Jibutil, Aden, Muskat, DschaSk, Bandarabbas, Lingeh, Bender Buschehr und Basra berührt werden. Der Frachtverkehr zwischen Odessa und den persischen Häfen DschaSk, Banderabbas, Lingeh und Bender Buschehr er streckt sich vorwiegend auf den Export rnssischer Manufac- turwaaren. Nach alledem ist es nicht eben wahrscheinlich, -aß die englischen Bemühungen, durch -en Bau und Be trieb einer Eisenbahnstreckc auf die Entwickelung der poli tischen und wirthschaftlichen Verhältnisse deS Landes dauernd Einfluß zu gewinnen, den erwünschten Erfolg haben werden. Wir meldeten vor einigen Tagen, daß die Demokraten beabsichtigten, bei den nächsten Wahlen in den Vereinigten Staaten den Kampf gegen dieTrusts etnzuleiten, womit sie sicherlich bessere Erfolge bei der öffentlichen Meinung haben werden, als ehe dem mit Bryan's Steckenpferd, der Silberwührung. Die Republikaner haben nach alter Gewohnheit sofort das Gcgentheil für ihre Politik gewühlt. Obschon noch vor Kurzem einige ihrer Parteihäuptlinge verkündigt hatten, daß sie den Demokraten den Vortheil nicht lasten würden, allein gegen die Trusts vorzngehen, enthält das vor einigen Tagen veröffentlichte Handbuch für Parteiredner eine ganz ausführliche Anleitung znr Vertheidignng und Rechtfertigung dieser bei den Wählcrmasscn mit Recht un beliebten Vereinigungen. Die Anleitung enthält dagegen kein Wort über die Tarifreform, die von einein so einfluß reichen republikanischen Blatte wie die „New Bork Tri büne" nachdrücklich gefordert wird. Die Stellungnahme der Republikaner sirr die Trusts nun verleiht den kommen den Congrcßwahlen ein größeres Interesse, als wenn die Partei sich damit begnügt hätte, wie schon früher, der Form wegen die Trusts mit einigen lauen Redensarten zu bekämpfen. Unparteiische Beobachter, so schreibt der amerikanische Berichterstatter der „Morning Post", glauben, daß die Republikaner trotz Lieser kühnen Politik Erfolg haben werden. Deutsches Reich. H Berlin, 7. August. (Entscheidung des N e i ch s v c r s i ch e r u n g s a m t e s.) Das Reichsver- sicherungsamt hat entschieden, daß für die auf dem Gebiete der Invalidenversicherung neben den allgemeinen Schiedsgerichten für Arbeiterversicherung bestehenden be- sonderen Schiedsgerichte der zugelafsenen besonderen Casfeneinrichtungen die gesetzlichen Formen des Jn- validenversicherungsgesetzes über das Verfahren der Schiedsgerichte keine Geltung haben. Viel mehr sind die Casteneinrichtungen nur verpflichtet, ein fchiedsgerichtliches Verfahren unter Mitwirkung von Vertretern der Versicherten einzuführen. Die Regelung -es Verfahrens ist Sache -es Statuts der Casten, einrichtung. Die Frage, ob das statutarisch vorgesehene Verfahren den Anforderungen der Billigkeit und selbst ob es der Vorschrift über die Betheiligung von Vertretern der Versicherten genügt, ist nur vom BundeSrathe zu prüfen und wird durch Genehmigung des Casten, statuts seitens des Bundesraths authentisch bejaht. Der BunbeSrath bestimmt, welche Tastenetnrkchtungen den An. fvrderungen des GefeyeS genügen. Daher gilt für die Schiedsgerichte der zugelassenen Casfeneinrichtungen auch nicht die kaiserliche Verordnung über da» schtedSgericht- ltche Verfahren. -e- Berlin, 7. August. (Die Rebellion der pol. Nischen overschlesischen Genossen.) Mit jeder Kundgebung der polnischen „Genosten" in ihrem Streite mit der deutschen Socialdemokratte wegen der eigenmäch tigen Aufstellung polntsch.soetalisttscher Eandtdaturen in Oberschlesien wird der Ton gegen die deutschen Socialtsten rücksichtsloser und hochmütiger. In der letzten Kund- gebung dieser Art wird der polnischen socialdemokra- tischen Partei das alleinige Recht vtndicirt. Reichs- tagscandidaten aufzustellen. Die Pflicht der deutschen Genossen als einer „verschwindenden Minorität" sei es, bet den praktischen Vorbereitungen zur Wahl die Candi» üaturen der polnisch-soctalistischcn Partei einfach zu unterstützen, anstatt Gegencandtdaturen aufzustellen. Die deutschen Soctaldemokraten werden damit alS bloße Handlanger -er polnischen Genossen htnaestellt und es will doch als unglaublich erscheinen, daß diese gegen die deutschen bürgerlichen Parteien so hochmütig und siegesbewußt auftretenüe „größte Partei" Deutschlands sich diese Herausforderung gefallen lassen wird. Wie wirb schon darum eigene Candtdaten aufstellen müssen, um zu zeigen, daß sie nicht blos über „verschwindende Mino, ritäten" verfügt und Laß sie nicht alle Macht über die oberschlesischen Gesinnungsgenossen verloren hat; sie wirb es auch schon darum thun müssen, um nicht ein böses Bei spiel zu geben, denn sonst könnte auch bald eine eigene elsässische, dänische u. s. w. Socialdemokratte entstehen und ganze Bezirke für sich in Anspruch nehmen, in denen die deutsche socialistische Partei „nix to seggen" hätte. Diese Spaltung der internationalen deutschen Social demokratie in eine Reihe national gesonderter Gruppen hätte etwas ungemein humoristisches. Auch jetzt schon ist eS höchst amüsant, daß dieser selben Partei, die die Reichs, grenzen nicht anerkennt und den Gesinnungsgenossen in Buenos Aires genau so ansteht, wie den in Erfurt, in Bcuthen und Oppeln von Parteigenosten gesagt wirb, baß sie dort nichts zu suchen habe. Im Uebrtgen scheinen sich auch die polnischen Socialisten keineswegs so siegessicher zu fühlen, wie sie sich aufspielen, denn der Umstand, daß in den acht mit Candibaturen von ihnen besetzten Wahlkreisen nicht weniger als drei Doppeleandi- daturen befinden, spricht nicht dafür, daß sie selbst auf Erfolg der Cadidaturen rechnen. — Wie dem „Reichsboten" mitgetheilt wird, ging dem Vater deS ertrunkenen CapitänleutnantS Rosen stock v. Rhön eck außer der schon mitgetbeilten Depesche des Kaisers noch ein im Empirestil gerahmtes, von der Kaiser krone überragtes Gedenkblatt zu mit dem Schreiben: „Ostsee, an Bord S. M. ?)acht „Hohernzollern" 28. Juli 1902. Se. Majestät der Kaiser und König lasten Euerer Hochwohlgeboren das beifolgende allerhöchstfelbst entworfen« und mit allerhöchst eigenhändiger Zueignung versehene Gedrnkblatt im Angedenken an Ihren beim Untergang allerhöchstihreS Torpedoboots „8 42" ge bliebenen Sohnes zugehen. In Erledigung deS mir ertheilten aller höchsten Befehls setze ich Euer Hochwohlgeboren hiervon ergebeust in Kenntniß. gez. Frhr. v. Senden." Zugleich ließ der Kaiser durch daS Marinecabinet dem Vater eine Abschrift des Telegramms deS Königs von England über den Unfall (in englischer Sprache) zugebeu. — Sollte in dieser außergewöhnlich herzlichen und tiefgehenden Antheilnahme vielleicht zugleich daS Bedauern zum Ausdruck kommen, daß der verunglückce Ofsicier bei einem nicht militärischen Zwecken dienenden Transporte von Ausländern seinen Tod fand? — Der Reichskanzler wird voraussichtlich am Sonn abend oder Sonntag in Berlin auf der Durchreise nach Norderney zu kurzem Aufenthalte eintreffen. Er wird dann die nächsten Wochen wieder in dem Seebade zubringen, bis daö Eintreffen des Königs von Italien in Potsdam und Berlin seine Anwesenheit aufs Neue nöthig macht. Die „Magdeb. Ztg." glaubt vom Kanzler wohl etwas Preisliches zu sagen, wenn sie hiozufügt: „Es ist schon früher bemerkt worden, daß von Ferien des Reichskanzlers nicht in dem Sinne gesprochen werden darf, den man sonst mit diesem Worte zu verbinden pflegt. Auch während seine« Erholungs urlaubes behält der Reichskanzler die Leitung der Geschäfte in seiner Hand." Die Leitung der Geschäfte scheint aber doch manchmal unter der Entfernung etwas gelitten zu haben. — Ein drolliges Mißverständniß ist den „Daily News" bezüglich der Emdener Rede des Kaisers passirt. Das radicale Blatt gestattet sich den LuxuS eine« Leitartikels, der unter dem Titel Tds „wastsr^ ok tüo Laisor zur Be friedigung deS Verfassers und zur hoffnungslosen moralischen Zerknirschung deS Landes, „das einen Moltke erzeugte", den Nachweis führt, daß der politische Erfolg bei den freien und nicht bei den despotisch regierten Ländern sei. Zu jenen gehören England und Nordamerika, zu diesen Deutschland. Und worauf gründet sich diese Annahme? Auf die Unkenotniß deS sinn- reichen Leitartikler» im Deutschen und in der Geschichte. Er weiß nämlich nicht, waS HauSmacht im Deutschen bedeutet und welche Rolle sie in der deutschen Geschichte gespielt hat. Nach seiner Meinung (und als freier Engländer ist er natür lich auch fouveräo, Über Grammatik uud Geschichte erhaben) ist HauSmacht die Herrschaft im eigenen Hause (Uw nscossrrrx mastorv in Ins ovvu dousv). Auf dem umnachteten und unfreien Festland- stehen wir unglücklicher Weise unter dem despotischen Zwange der Causalität, wonach falsch« Voraus- setzungen zu falschen Folgerungen führen, und so können uns leider di« auf falscher Grundlage aufgebauten Betrachtungen deS biederen Leitartikler« nicht recht überzeugen. (M. N. N.) — Unter den dem preußischen Landtage in nächster Session -uaehenden Vorlagen wird sich auch elne solche befinden, welch« die Uebertraaung gewisser Rechte an die D o m ä n e n p a ch t e r betrifft; Letztere sind im Zusammenhang mit der Politik zum Schutz des Deutsch- thums in den Ostmarken berufen, hierfür eine besondere Culturmtsston zu übernehmen. — Der preußische Minister der öffentlichen Arbeiten bat Musterentwürfe zu einstieligen Bahn- steig hallen ausarbeiten lassen, die hinfort für die Ueberdachung von Jnselbahnsteigen überall anzuwcnden sind, soweit nicht di« örtlichen Verhältnisse eine andrre Art Ueberdachung angezeigt erscheinen lasten. — Der hiesige niederländisch« Gesandte vr. Jonkberr van Lei« vaaGoudriaaa hatBerttn mit Urlaub verlasse». Während seiner Abwesenheit sührt der LegationSroth vr. Jonkheer van Sitters di« Geschäft« der Gefandtschost. Der hiesig» dänisch« Gesandte v. Bind hat Berlin mit Urlaub verlosten. Während seiner Ab» westnheit wirkt der Legation-sekretär Graf v. M oltke als Geschäfts träger. Der Hosmarfchall in Ungarn Graf L. Apponyi von Nagy- Appony hat sich von hier nach Norderney begeben. — Prinz Chtra von Siam, Oberstcommandirender der siamesischen Armee, hat sich in Begleitung seines Adjutanten Lapt. Saliyudha heute früh noch Petersburg begeben, wo rr sich un gefähr acht Lag» aufzuhalten gedenkt, um dann nach Berlin zurück» zukebren. * BreSlau, 7. August. Wie sich die Polen BreS- lauS Zukunft darstellen, erzählt der „Bresl. Gcn.- Anz.": Ter Bcuthener „Katholik" veröffentlicht Aeußerungen über unsere gut deutsche Stadt BreSlau, die Niemand ohne Heiterkeit lesen wird. „Es wohnen in BreSlau", schreibt daS Polenblatt, „gegen 80 000 Polen, die sich immer mehr vereinigen. Bis zum Jahre 1906 werden ihrer, so Gott will, noch mehr sein. Jedes polnische Herz empfindet Schmerz darüber, daß BreSlau, eine Stadt von nahezu einer halben Million, heute in deutschen Händen ist, dieses BreSlau, das eine Residenz des polnischen Schlesiens sein könnte. Seien wir darum besorgt, die Jrrthümer unserer Vor» und Urväter, namentlich des Geschlechts der schlesischen Piastcn, für deren Sünden wir noch heute schwer zu büßen haben, wieder gutzn- machen. — Schlesien, das ist ein polnisches Landl Das ist Altpolenl Möge es dies in Wahrheit auch wieder werden!" Auf den polnischen Charakter Breslaus haben die Herren Polen bereits einmal die Probe gemacht. Das war vor einer Reihe von Jahren, als einige Schwärmer be schlossen, polnische Reichstagscandidaten in BreSlau auf- zustellen. Diese Candtdaten erhielten auch Stimmen, in keinem der beiden Kreise jedoch über zehn. * Weimar, 7. August. DaS neue OrtSverzeichniß für die thüringischen Staaten giebt eine genaue, nach amtlichem Material geordnete Uebersicht der Einwohneroerhä lt- nisse der thüringischen Städte. Danach hat, wie die Zeitung „Deutschland" miltheilt, Eisenach (Stadtgemeinde) eine Einwohnerzahl von 31 580, Weimar von 28 489 (nach inzwischen vorgenommener letzter Zählung 29 585), Apolda von 20 364, Jena von 20 686, Meiningen von 14 483, Gotba von 34 651, Altenburg von 37 110, Rudolstadt von 12 405, Arnstadt von 14 411, Sondershausen von 7054, Greiz von 22 346 und Gera von 45 634. * Von«, 7. August. Der Kronprinz, welcher sich, wie gemeldet, zur Zeit in Bcgleiiuug des Obersten v. Priyelwitz und deS Oberleutnants v. Stülpnagel auf einer Ferienreise in der Eifel befindet, begab sich zunächst von Bonn aus zu Pferde nach der Burg Satzfey, um dort als Jagdgast des Grafen Metternich einige Zeit zu verweilen. Von Satzfey reiste der Kronprinz mit seiner Begleitung in Las Feythal im Kreise Schleiden weiter, besichtigte in Eiserfey die be rühmte Kakushöhle und stattete dann in Weher der Orls- schule einen Besuch ab. Der Kronprinz hörte hier mit regem Interest« dem Unterrichte zu und stellte selbst einige Fragen au die Schüler, beschenkte die Kinder und trat dann mit seinen Begleitern die Weiterreise nach Schmidtheim an. * Aus Bade». Der badischen ultra montanen „Freien Stimme" wird auS Singen berichtet: „Daß gestern Nach, mittag unerwartet schnell schönes Wetter eingetreten ist, daS geschah nicht etwa deS Turnfestes wegen, vielmehr wollte der Himmel dem hiesigen katholischen Gesellen« verein eine verdiente Freud« bereiten. — Und der Himmel voller Huld hört auch dieses mit Geduld. * AuS der Provinz Hesse». Gegen den Pastor Horst in ManSbach (Hessen-Cassel) ist ein DiSciplinarver- fahren wegen Gesundbetens im Gange, daS jetzt von dem CultuSminister Studt in letzter Instanz zu erledigen ist. Horst ist, wie auS den Mittheilungen seines Gesinnung«- genossen Stöcker zu «rsehrn, zur Strafversetzung, sowi« ir. alle Kosten verurtheilt und, wenn er fortfahrr, die bisherigen Bahnen weiter zu wandeln, mit AmtSentfrtzung bedroht. Horst soll sich nämlich durch die Art seiner Seelsorge ,u dem Patron und anderen Gemrindegliedern in ein unerträgliches Vrrhältniß gesetzt, der Sectirerei Vorschub geleistet haben und dergl. Aus der Verlheivigung, di« Herr Stöcker seinem AmtSbruder widmet, seien folgende Sätze mitgetheilt: Die eine Stelle ist sehr bezeichnend. Sie lautet also: „Es fei darauf hingewiesen, daß der Angeklagte bei einem Unglücks fall, bei welchem ärztliche Hilfe nach menschlicher Ansicht un bedingt geboten war, erklären konnte, ein Arzt fei nicht nöthig gewesen: der Heiland heil« beute noch Wunden aufs Gebet hin." Wenn die Herren im Kirchenregiment diesen Glauben an den Gott der Bibel, der aufs Gebet hin Kranke gesund macht, für überspannt halten, so ist daS ihre Sache. Sie haben aber kein Recht, einen Pfarrer zu verurthrilen, weil er glaubt und lehrt, waS die Bibel klar bezeugt. — Herr Stöcker scheint sich bekehrt zu haben; er hat sich jedenfalls vor noch garnicht langer Zeil sehr eoergisch gegen vaS Ge- sundbeten ausgesprochen. AuS dem Wahlkreise Forchheim-Kulmbach. Das Vor gehen deS CentrumS in Bayern zeitigt da« Ergebniß, daß alle liberalen Elemente, welchen Parteifchatlirungea sie auch angehören mögen, sich zusammenschließen, um gcaen das Erntrum den Kampf aufzunehmen. Der frühere freisinnige Eandidat Bar deck in Nürnberg hat jetzt einen Wahlaufruf erlassen, in welchem er seine Wähler auffordert, ihre Stimmen dem gemeinsamen nationalliberalen Canbidaten Faber zu geben. In dem von nationalliberalen und freisinnigen Vertrauensmännern gemeinsam erlassenen Wahlaufruf für Faber heißt eS u. A.: Die Zurückeroberung de- Wahlkreise- ist, wir die Dinge bei unS nun einmal liegen, nur möglich Lurch einen gemeinsamen liberalen Canbidaten, aus den sowohl bei der Hauptwahl, alS auch besonders bei der voraussichtlichen Stichwahl alle nicht ultraniontan«n Wähler von links und recht- sich vereinigen können. Ein solcher Candidat jst Herr Fabrikbesitzer Karl Faber in Forchheim. Als Volks- und arbeltcrfreundlicher, mitten im praktischen Leben stehender, ziel- bewußter Mann wird er eintreten für den Schutz und die Erstarkung deS gewerblichen und landwlrthschaftllchen Mittel standes in Stadt und Land, für «Ine gesunde und vernünftige Socialreform, für Arbriterschutz, für Erhaltung des CoalitlonS- rechieS der Arbeiter, für Beibehaltung der zweijährigen Mililär- dienstzcit. Er wird vor Allem auch wirken und stimmen für lang fristige Handelsverträge, die unser Wahlkreis mit seiner stark ent wickelten Exportindustrie, di« mehreren Tausend Arbeitern Be schäftigung giebt, dringend noihwendig braucht. Herr Jaber wird die Einführung von Ausnahmegesetzen jeder Art bekämpfen, er wird allezeit unentwegt hochhallen die Nechie deS Volkes und seiner Vertretung, rr will festhalten an dem allgemeinen, gleichen, ge- Heimen und directen Wahlrecht, er wird wirken für die Aufrecht erhaltung und Förderung deS consessionellen Frieden«. Diese Kämpfe, welche den liberalen Elementen in zwei süddeutschen Bundesstaaten, in Bayern und Baden, durch das Centrum aufgedrungen sind, werfen ganz andere Fragen, als die materiellen Interessengegensätze auf, die leider nur dazu beigetragen baben, den süddeutschen Liberalismus unter sich zu spalten. Um so mehr läßt sich jetzt darauf ver- trauen, diese um höhere geistige Güter entbrannten Streit fragen werden, wie in früheren Zeiten, wieder ein starkes Bindemittel zur Einigung für die liberalen Parteien bilden. AuS Vaden, 7.August. Während die Socialdemo kraten in Frankreich sich als die erbittertsten Gegner der Klöster und aller Congregationen zeigen, ziehen die deutschen Socialdemokraten in Baden, wo die Frage der Zu lassung von Männerllöstern brennend geworden ist, andere Saiten auf. In den meisten Fällen, in denen auf den jetzt fast täglich abgchallenen Versammlungen die Redner gegen die Klöster Protest erheben, pflichten vie Socialdemo kraten zwar solchen Ausführungen völlig bei, enthalten sich aber der Abstimmung, wie dies jüngst in Lörrach geschah. -- Gegenüber der wachsenden Erregung der badi- scheu Bevölkerung über diese Frage scheint das Ministerium noch immer unschlüssig. Vom Minister des Innern, Herrn von Schenk, erwartet man, daß er sie gegebenen Falls zur Cabinetssrage machen werde. Auch die conservativen Organe Badens sprechen jetzt aus, sie vertrauten darauf, daß das Gesammtministerium dem Verlangen nach Männer klöstern nicht entsprechen werde; denn mit deren Zulassung würde etwas Neues geschaffen, das einen sehr großen Thcil deS Volkes mit Mißtrauen erfüllen uud den consessionellen Frieden schwer bedrohen würde. * Karlsruhe, 7. August. In unterrichteten Kreisen wird als Nachfolgerin von Fräulein vr. v. Richihofen in der Fabrik- iuspection Fräulein vr. pliil. Braun aus Danzig genannt. Die Dame hat in Bern La- Doktorexamen gemacht und ist sodann in mehreren Fabriken praktisch thätig geniesen. Sie soll am I. October den Dienst antreten. Ueoer die Nachsolgeschast von WöriShofser verlautet, daß Gewerberath vr. Btttmann auS Trier dir meisten Aussichten hat, Vorstand der badischen Fabrikinspectioa zu werden. (Frkf. Ztg.) * München, 7. August. CultuSminister vr. v. Land- mann soll sein Demissionögesuch osficiell eingereicht haben. anderwärts aufschlagen zu müssen. Der Eigenthllmer der Villa wohnte fünfzig Meilen weiter; das Haus stand seit zehn Jahren unbewohnt, und auch die Nachbarschaft konnte nicht hinderlich sein. Schöne, schattige, jahr. hundcrtalte Bäume schützten das Haus vor der Hitze und bildeten einen herrlichen grünen Rahmen für die weite Aussicht, die man auf die sanft gewellte Landschaft hatte. Der Garten war nnr in seinen Uranfängen vorhanden. Herr Regnier entwarf den Plan seiner Anlage, und seine Frau führte denselben getreulich auS. Die beiden Gatten pflanzten, arbeiteten, begossen und veredelten, und cs währte nicht lange, so hatten sie die schönsten Rosenstöcke der Welt erzielt. Diese Lebensweise führten sie seit acht Jahren bereits, als Herr Rögnier, der sich an einem Septemberabcnde zu lange im Garten aufgehalten hatte, von einer gefährlichen Grippe befallen wurde, die sofort bedenkliche Dimensionen annahm. Drei Tage später entschlief er, scheinbar ohne viel zu leiden; ein Lungenschlag hatte seinem Leben ein Ende gemacht. Der Schlag traf mit fürchterlicher Gewalt seine Frau, die seit dem Tode ihres Vaters nur ein Ziel, nur einen Zweck, den eigenen Gatten, gekannt hatte. Die beiden Gatten waren in der Gesellschaft sehr beliebt; sie besuchten dieselbe nicht selten, aber das beste Thetl ihre- Lebens war doch jenes, von dem Niemand etwas wußte: ihre argen- seitige Zärtlichkeit und ihre gemeinschaftlichen Arbeiten. All' dies hatte Frau Nögnier mit einem Male verloren. Auf telegraphischem Wege herbeigerufen, hatten sich Herr von Laint-Sauveur und Landry zu ihr begeben; treuere und thcilnchmendere Freunde besaß sie ja nicht. Nachdem die Freunde sie zum Leichenbegängnisse nach Paris geführt hatten, brachten sie sie in ihr Landhaus zurück, wobei der stumme, ernste Schmerz der Wtttwe sie weit mehr erschreckten, als es verzweiflungsvolles Schluchzen und heiße Thränen gethan hätten. Die Wittwe suchte ihre Freunde selbst zu beruhigen, indem sie sagte: „Ich hatte nur ihn. Das war vielleicht ein Unrecht, aber mir hatten ja keine Kinder, und das zwang unS, an-, schließlich nur für einander zu leben. Nun muß meine ganze Sorge dahin gerichtet sein! seinen Namen mit Ernst und Würde zu tragen, und mich in meinem Alter nicht lächerlich zu machen. Ihr braucht Euch also um mich nicht zu sorgen". Schweren Herzens reiste der Vater AntoinettenS, den dringende Geschäfte riefen, wieder nach Hause, und ließ BillorL bet ihr, der ihr in der Ordnung und Entwirrung der zahllosen materiellen Einzelheiten, die leider mit dem herbsten moralischen Leiden verbunden zu sein pflegen, behilflich sein sollte. Landry verblieb einen vollen Monat bei ihr, und als er sie endlich verlassen mußte, that er es von tiefem Bedauern über den Umstand erfüllt, daß es ihm nicht gelungen war, sie zu einer Uebersiedelung nach Parts zu bestimmen, wo sie weniger allein gewesen wäre und den traurigen Trost gehabt hätte, daö Grab ihres Gatten besuchen zu können. Am Borabende der Abreise Lanüry'S befanden sich Beide tm Garten. Die Sonne war bereits unter, gegangen, und ihr letztes scheidendes Licht vergoldete die Spitzen der bereits herbstlich gervtheten Bäume. Nie« mals war dieser Garten, die Schöpfung der beiden Gatten, so schön und herrlich erschienen, wie an diesem Abende, niemals hatte er mehr Rosen enthalten alS jetzt, Ende October, »IS wollte er an der Schwelle -er Vergänglichkeit noch ein wenig leben und sich förmlich in leidenschaftlicher Gluth verzehren. „Landry", sprach Frau Regnier mit leiser Stimme, „denkst Du wirklich, daß ich all' dies verlassen könnte, waS bcch ebenso sein Werk war, wie daS meinige?" „Pathtn, ich bitte Dich!" sprach er beunruhigt. Es war zvm ersten Male seit der Abreise des Marqutö, daß die Wtttwe diesen Gegenstand auS freien Stücken be- rührte. „Laß mich Dir sagen: wir haben hier In vollkommenem Glück gelebt; noch niemals und nirgends war mein Leben inniger mit dem meines Gatten verknüpft aewesen, als in diesem Hause, welches wir zu dem trauten Heim unserer alten Tage gestalteten. Hier werde ich auch mein Werk der Pflicht und der Zärtlichkeit vollenden. Mein Gatte wurde mir inmitten meiner unvollendeten Arbeit entrissen; -och seine Aufzeichnungen sind alle fertig, und sein Name soll ihn in diesem Buche überleben, welches er für da wichtigste seiner Werke ansah. Ich werbe eS allein voll, enden." „Pathin. Du verstehst also die Sprache der Kopten^ fragte Landry dermaßen erstaunt, -aß er nicht einmal er griffen fein konnte. Ein leises, bescheidene- Lächeln umspielte ihre Lippen. „Wir haben immer gemeinschaftlich gearbeitet", gab sie einfach znr Antwort, „doch trug«» seine Bücher Immer nur seinen Namen allein; denn ich hätte eS niemals anders geduldet. War er doch mein Herr und Meister! Habe ich nicht ihm allein zu danken, was ich weiß? Der Band, den ich recht bald zu vollenden hoffe, wird gleichfalls seinen Namen tragen. Du allein kennst den wahren Sachverhalt; doch bitte ich Dich, ihn Niemand zu enthüllen. Du würdest mir damit Schmerz bereiten." „Gewiß will ich es Niemand sagen, Pathtn. Aber wie kann man nur so viel wissen und es niemals auch mit einem Worte verraten?" „Hätte ich anders gehandelt, mein Sohn, so hätte ich meinem Gatten damit Unrecht gethan, und man würde mich für eine einfältige Prahlerin, vielleicht sogar für eine Lügnerin gehalten haben. Denn Nachsicht und Erbarmen kennt die Welt nicht, wte Du weißt." Landry lieb den Kopf sinken; er war noch jung, und diese Worte kamen einer Belehrung gleich. „Du kannst aber auch in Part- arbeiten", wandte er ein. „Nein; in Paris kann man nicht arbeiten, wenn man Frau, Wittwe, und gezwungen ist, allerlei Rücksichten der Höflichkeit zu nehmen. Und bann — er wollte das Werk hier schreiben. Diese Bäume haben wir gepflanzt, sie sind unter unserer Aufsicht herangewachsen; diese Allee haben wir angelegt, diese Rasenstücke . . ." Die Nacht war völlig angebrochen, und die Glocke er tönte, die zum Speisen rief; Beide kehrten in das Hau- zurück. „Ich glaube, Du hast unangenehme NachSarschast", be- merkte Landry. „Die Pächter, die Dich ausbeuten wollten, und die Du nicht einmal kennst . . „Wir kennen unS gegenseitig nicht", gab die Wtttwe zur Antwort. „Habe ich Dir schon gesagt, baß der Eigen, thümer dieses Hauses gestorben ist? Ich habe eS heute Morgen erfahren." , „Na, da- hat noch gefehlt!" „Weshalb denn? Der Vertrag bleibt noch weiter be- stehen; Niemand kann mich hier stören." „Und wenn man da- jenseits Deiner Gartenmauer befindliche Hau-, welche- bisher leer gestanden, be ziehen solltet „Diese- Hau- ist weit von bier. . . . Und was hat mich da» schließlich zu kümmern?" „Weißt Du, Pathtn, daß Du mir mit Deiner Wissen- schäft, die ich niemals in Dir vermuthet hätte, gewaltig imvonirt hast? Dein Entschluß ist Dekret würdig, und ich erblicke in Dir die vollkommenste Kran der Welt." „Behalte Deine Schmeicheleien für Antoinette. Wann hcirathcst Du sie denn?" „Sobald sie will; ich selbst weiß eS nicht." Am nächsten Tage reiste er ab; doch zu Ostern nächsten Jahres kam er wieder. Frau Nögnicr zeigte ihm die fertigen Correcturbogen; sie hatte während des Winters fleißig gearbeitet, und der Band befand sich bereits im Druck. „Nun, glaubst Du, daß ich das in Paris auch zu Stande gebracht hätte?" „Nein, ganz gewiß nicht." Langsam schritten sie durch den Garten, der sich mit frischem Grün zu schmücken begann. Die Sonne, die sich durch das neue Laub der Bäume einen Weg bahnte, be deckte die Kieswege mit funkelnden Puncten. Mit einem Male vernahm man eine schmetternde Stimme) die mit dem blauen Himmel der schönen Natur gar nicht im Einklänge zu stehen schien. „Dieb! Ja, Dieb! Du wirst schon sehen, daß Dir das nicht so htngehen wird! Schuft, Halunke, Schurke, Dieb!" „Getrauen Sie sich, mir das noch einmal zu sagen!" erwiderte eine andere Stimme, die eines Mannes, der sich nicht mehr zn beherrschen vermochte. „Großer Gott! WaS ist denn das?" fragte Landry bestürzt. Die schmetternde Stimme erfüllte die milde Frühlings- lüft mit einer Flnth wüthender Flüche, worauf sie endlich verstummte. „DteS ist mein neuer Eigentümer, der mit seinem Gärtner spricht", erwiderte Fran Rögnier gelassen. Entsetzt blickte Landry seine Pathtn an. „Und Du duldest daS?" fragte er. „Du würbest mtchsehr verbinden, wenn Du mir sagen wolltest, auf welche Weise ich es verhindern soll!" „Jst er häufig hier?^ „Er ist zu Ostern gekommen, also erst vor Kurzem, und ich denke, daß er bald dahin zurückkehren wird, woher er gekommen ist. Gewiß kam er nur, um sein Erbe zu be sichtigen. Es scheint ein verheiratheter Mann ohne Kinder zu sein." „Wo lebt er denn?" „In PoitierS. Doch laß Dich die Sache nicht anfechten; ich beginne mich schon daran zu gewöhnen." (Fortsetzung folgt.)
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