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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 09.08.1902
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-08-09
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19020809010
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902080901
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902080901
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1902
- Monat1902-08
- Tag1902-08-09
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I Entscheidungen -es Reichsgerichts. Nachdruck verbat«». I.. Leipzig, 8. August. Wegen Betruges, Ver leumdung und unlauteren Wettbewerbes ist am 9. Januar vom Landgerichte Dresden der Provisionsreisendc Emil Jo hannes Kretzfchmar zu fünf Monaten Gefängniß verur- theilt worden. Von Anfang Juni bis Anfang Juli 1901 war er für eine Dresdner Musikinstrumentenhandlung als Provi sionsreisender thätig. Er erhielt von mehreren Personen den Auftrag zur Lieferung einer Stradella-Mandolin-Zither für 22 -L. Die unterschriebenen Bestellscheine sandte er ordnungs gemäß an jene Firma ein. Dann ging er aber nochmals zu den Bestellern und behauptete ihnen gegenüber der Wahrheit zuwider, jene Firma sei cingegangen; „die" Firma laute jetzt Gebr. Kretzschmar. Die Bepeller glaubten nun, sie bekämen die zuerst bestellten Zithern nicht und ließen sich von dem An geklagten bestimmen, auf einem an Gebr. Kretzschmar ge richteten Bestellschein abermals eine Zither zu bestellen. So kam es, daß sie zwei Zithern erhielten, von denen sie die zweite nicht gebrauchen konnten. Jeder von ihnen ist nach der Feststellung des Gerichtes um 22 geschädigt worden. Ver leumdung und unlauterer Wettbewerb wurde erblickt in den un wahren Behauptungen über die Firma, für welche er vorher thätig gewesen war. — Die von dem Angeklagten gegen das Urtheil eingelegte Revision ist vom Reichsgerichte als un begründet verworfen worden. . , Gerichtsverhandlungen. Königliches Landgericht. 6. Leipzig, 8. August. Nachdem der 24 Jahre alte Kauf mann Friedrich Eduard N. aus Oelsnitz längere Zeit für das Geschäft seines Bruders, des Mitinhabers der Firma H. L N. in Lelsnitz gereist war, hatte er am. 1. März 1901 wegen Differenzen mit dem anderen Theilhaber, H., die Stellung auf gegeben. Seine Hoffnung, bald anderweitiges Engagement zu finden, ging aber nicht in Erfüllung und so hatte N. in der Zeit bom December 1901 bis zu seiner im März erfolgten Ver haftung, um sich Geldmittel zu verschaffen, in zehn Fällen Geschäftskunden seines Bruders, der inzwischen alleiniger Inhaber der Firma H. L N. geworden war, ausgesucht und bei diesen zum Theil Rechnungen eassirt, zum Theit Darlehne erlangt. Er hatte dabei ausdrücklich sich als Beauftragter des Bruders ausgegeben und behauptet, er sei von seinem Bruder nach Ausscheiden des Compagnons H. wieder engagirt worden, oder er hatte doch mindestens verschwiegen, daß er seit ge raumer Zeit nicht mehr für seinen Bruder reise und für ihn zu cassircn nicht mehr berechtigt sei. In der Verhandlung vom 7. Juni dieses Jahres wurde N. des Betrugs in sieben Fällen für überführt erachtet und unter Anrechnung von sechs Wochen der erlittenen Untersuchungshaft zu sieben Monaten Gefängniß verurtheilt, welche Strafe er gegenwärtig ver büßt. Drei Fälle wurden behufs weiterer Beweisaufnahme abgetrcnnt. In der neuen Hauptverhandlung wurde bezüglich dieser drei Fälle festgestellt, daß N. am 29. Januar den Schuh machermeister N. in Schneeberg aufgesucht und bei diesem nach Bestellungen für die Firma H. L N. nachgefragt hatte. Der Angeklagte hatte bei dieser Gelegenheit zum Ausgleich des Contos des Schuhmachermeisters N. von diesem einen Wechsel über 196 erhalten. Eine Stunde später war aber der Bru der des Angeklagten zufällig ebenfalls nach Schneeberg ge kommen und hatte von dem Jncasso erfahren. Er suchte mit dem Schuhmachcrmeister N. seinen Bruder und traf ihn auch bei dem Schuhmachermeister L., wo er ihm dann unter Vorwürfen das Wechselaccept abnahm, das der Angeklagte als für ihn unver wendbar, angeblich hatte zurücksenden wollen. An demselben Tag hatte der Angeklagte N. bereits wieder einen Betrug ver übt. Er hatte bei dem Schuhmachermeister W. in Neustädte! eine Bestellung auf Kipse in Höhe von ISO entgegenge nommen und dabei um eine Abschlagszahlung von 20—30 gebeten. W. hatte sich erst geweigert, weil er für seine Schuld von 50 3 Monate Ziel habe, schließlich aber doch, weil N. erklärte, er habe sich ausgegeben und brauche das Geld zur Weiterreise, ihm 16 gezahlt, die ihm aber später vom Lrmst vn- Wissenschaft. Wissenschaft. * Berlin, 7. August. W«ou in der letzte» Zeit wiederholt davon di« Red« war, daß da« Befinden Rudolf Virchow'« langsame Fortschritt« zum Bessern mache, so war die«, wie der „Täglichen Rundschau" von zuverlässiger Seit« mitgetheilt wird, eine allzu euphe mistische Darstellung. In den dem Gelehrte« nahestehenden Krisen ist man sich heut« bereit« darüber klar, daß Birchow seine Lehr- thätigkeit nicht wieder anfnehmeu wird. Obwohl der Beckenbruch, den er sich seiner Zeit zugezogen hat, voll ständig aehtilt ist, läßt doch sein allgemeine« Befinden seit langer Zeit sehr viel zu wünschen übrig. Dazu kam noch, daß Virchow kürzlich da« Unglück hatte, abermals zu stürzen. Als er eine Au-fahrt machen wollte und im Begriff war, den Wagen zu besteigen, bäumte sich da» Pferd plötzlich und er stürzt« nieder. Wie «S scheint, hat dieser neuerliche Unfall sehr bedauerliche Folgen gehabt, denn da» Befinden des berühmten Gelehrten läßt von diesem Tage an sehr viel zu wünschen übrig; zwar liegt keine aus gesprochene Erkrankung vor, aber das Allgemeinbefinden, namentlich die Herzthätigkeit, ist derartig, daß Virchow'S Umgebung ernste Besorgnisse hegt, die leider auch die wiederkehrenden kurzen Besserungen nicht zu beseitigen vermögen. ES kann nicht mehr bezweifelt werden, daß der heute nahezu 81jährige berühmte Forscher, der bi» vor Kurzem eine so seltene Rüstigkeit au den Tag legte und trotz seines hohen Alter» oft bis 1 und 2 Uhr Nachts arbeitete, sich vou deu Folgen seine» Unfall» nicht mehr vollständig erholen wird. Musik. Briefkasten der Redaction. (Musikalischer Theil.) A. F., Berlin. Im Begriffe zu verreisen, konnten wir Ihr interessantes Buch nur flüchtig durchblättern. Nach unserer Zurückkunft (Ende September) werden wir nicht ermangeln, für eine Besprechung Sorge zu tragen. Bruder auf sein Conto gutgeschrieben wurden, so daß er eben falls nicht geschädigt ist. Größeren Erfolg hatte N. in Regnitz- tosa in Bayern, wo ihm der Schuhmachermeister St., bei dem er nach Aufträgen für seinen Bruder fragte, den Betrag seiner Rechnung in Höhe von 184 auShändlgte. Auch in diesem Falle hat der Bruder N.'s die Zahlung anerkannt und den Ge täuschten dadurch vor Schaden bewahrt. Mit Rücksicht hierauf erkannte der Gerichtshof gegen N. nur auf eine Zusatzstrafe von zwei Monaten Gefängniß zu der am 7. Juni festge setzten siebenmonatigen Gefängniß strafe. Aus der F.'schen Fabrik rn Lindenau hatte der 13 Jahre alte Carl Arthur W. einen neuen und zwei gebrauchte Fußbälle, die einen Gesammtwerth von 25 repräsentirten, entwendete und den Diebstahl in der Weise ausgeführt, daß er nach Zertrüm merung einer Scheibe in die Fabrik eingestiegen war. Einen der gebrauchten Fußbälle im Werthe von 7 .L hatte W. für 1 an den 13 Jahre alten Richard Paul Max M. verkauft, weshalb M. wegen Hehlerei unter Anklage gestellt wurde. Er bestritt aber, von dem unredlichen Erwerb des Fußballs, welcher der 26. Bezirksschule gehörte und bei F. reparirt worden war, Kenntniß gehabt zu haben. Der Gerichtshof schenkte M.'s An gaben auch Glauben und sprach ihn daher kostenlos frei. W. dagegen wurde wegen schweren Diebstahls unter Berück sichtigung seiner Jugend, sowie unter Zubilligung mildernder Umstände zu einem Monat Gefängniß verurtheilt. Vermischtes. --- Thale i.-., 7. August. Da» Triukgelderunwesen scheint leider im Harz immer weitere Fortschritte zu machen. So fordern gar neuerdings Wirthe und Curverwaltungen, um ihre eigenen Cur- und Ausgaben für Löhne zu beschränken, unverblümt in Hausordnungen da» Publicum zur Zahlung von Trinkgeldern auf. Der „Harz. Courier" schreibt: So steht in der „Cur- und Hausordnung für AlexiSbad im Harz" wörtlich: „Zur Bedienung der Badegäste sind in jedem Hause ein Kellner, ein Hausdiener, ein resp. zwei Stubenmädchen vorhanden; dieselben sind auf Trinkgelder angewiesen. Die Badeverwaltung." Daß eine solche Aufforderung so un verblümt vom Arbeitgeber und zugleich so herabwürdigend für den Arbeitnehmer ausgesprochen wird, ist für unseren Harz nicht erfreulich, und eS bleibt nur zu wünschen, daß hierin bald Aenderung eintritt. R. In einem unterirdischen See zu Grunde gegangen. Auö Adelsberg kommt folgende Nachricht vom Ende eines GrottenführerS: Am 2. d. MtS. wollten zwei Fremde den unterirdischen Lauf der Poik von der Otok-Grotte auS Hegen die Magdalenen-Grotte besichtigen und «ahmen zu diesem Zweck zwei Führer, Schibenik aus Adelsberg und Bilhar au« Groß-Otok, mit sich. In einem Kahne fuhren zunächst alle Vier über den ersten unterirdischen See und gelangten glücklich zum trockenen Flußbette der Poik. Hierauf tranSportirten die beiden Führer den Kahn zum zweiten, über 700 Meter langen und sehr tiefen See, und Schibenik bestieg mit dem einen Fremden den Kahn, um später allein zurück zukehren und den zweiten Fremden und seinen Genossen Bilhar aufzunehmen. Aber er kehrte nicht mehr zurück, die zurückgebliebenen Zwei harrten vergeblich volle drei Stunden; endlich stieg Bilhar in deu unterirdischen See und kam zum Felsen, von dem auS die unterirdische Fahrt unternommen worden war, erkletterte mit Hilfe eines Seiles den Felsen und eilte durch die Otok-Grotte nach Hause, um Hilfe. Er und sein Bruder stellten rasch ein Schilffloß her, fuhren zu dem zwischen dem ersten und zweiten See zurück gebliebenen Fremden und setzten dann über den See, um Schibenik und den zweiten Fremden zu suchen. Sie ge wahrten endlich auf einem hohen Felsen den zweiten Fremden, der in kritischer Situation volle sieben Stunden zugebracht hatte und erfuhren von ihm, daß sich Schibenik auf dem Felsen nicht einmal 10 Minuten auf gehalten, sondern soßrrt die Rückfahrt angetretrn habe. Alle kehrten nun auf dem Floße zurück und gewahrten unter wegs die Urberreste des in Stücke gegangenen Kahnes. Schibenik dürfte an eine Felswand angerannt und dann im unterirdischen See ertrunken sein. Thatsächlich wurde sein Leichnam nach langem Suchen mit zerschmetterter Stirn aufgefunden. — Wie man sich im englische« Parlament amüstrt. Man amüsirt sich anscheinend im englischen Parlament bisweilen recht gut. Vor Kurzem lieferte einem Führer der irischen Partei, John Remond, die Parlamentspost ein an ihn adressirtes Packet aus. Da aber besagtes Packet jedesmal, wenn man es bewegte, ein Tiktak hören ließ, da Böses zu verkünden schien, so zögerte der Empfänger, es zu öffnen, und schließlich faßte sich einer seiner Freunde — vielleicht war dieser selbst -er Absender — das Herz, es zu öffnen. Unter allgemeiner Heiterkeit sah man nun das Haupt des Mr. Chamberlain hervorschnellen, den mit den Augen zwinkerte, sein Monocle verschluckte und dazu einen kleinen Schrei ausstieß, der wie ein spöttisches Lachen klang. Vor einigen Tagen wurde der Colonialmtnister wieder der Gegenstand eines Spaßes derselben Art. Georges Harwood stellte ein Spielzeug aus, das durch ein Uhrwerk bewegt wurde und Chamberlain darstellte, wie er den Kopf be wegte, den Mund öffnete und sein ewiges Monocle fallen ließ. Der Eindruck war großartig . oobt amerik. ilaiswslü r. Lorelei", v. knäckings, Torten, Llelüspsieon. xesotunLckv. Leeeptv a. sock. 1 kkä.-krcotcst, vorrllKÜVeräauIiodtceit, LIIem-kM. AMMl. 8WM CI. «IM-MIl. 5532 schied und unterzog sich der vewirthschaftung de» sinem Vater gehörigen Gute» Bennigsen. 1856 wurde er vou Göttingen in die Kammer gewählt und übernahm in dieser die Führung der numerisch allerdings recht schwachen Opposition. AlS 1859 dir deutsche Frage wieder in den Vordergrund trat, schloß sich Bennigsen der Bewegung mit voller Hingabe an. Mit Miquel und 35 liberalen Politikern veröffentlichte er am 14. Juli in Hannover eine Erklärung, in der die Nothwendigkeit der Errichtung eines deutschen Parlaments, sowie einer starken Ceutralgewalt unter Führung Preußens betont wurde. Eine gleichzeitig in Eisenach tagende Versammlung erklärte sich für dieselben Grundsätze; am 14. August sand dann unter Bennigsen'S Leitung in Eisenach eine größere Versammlung statt, die sich für Bildung einer großen nationalen Partei aus sprach. Mitte September fand dieser Gedanke in Frankfurt a. M. in der Gründung des Deutschen Nationalvereins seine Verwirk lichung. Bennigsen wurde zum Präsidenten deS geschästSleitenden Ausschusses ernannt. Mit großem Eiser unterzog er sich der übernommenen Aufgabe; zugleich wirkte er als Abgeordneter in seinem engeren Vaterlande fort. 1863 bis 1866 Führer der Kammermehrheit, war er bei Ausbruch des Krieges 1866 ver geblich bemüht, die Neutralität Hannovers durchzusetzen. Nach der Einverleibung seines Vaterlandes in Preußen ordnete er sich vor behaltlos der neuen Ordnung unter und gründete noch in demselben Jahre die nationalliberale Partei in Hannover. Nach seiner Wahl in deu norddeutschen Reichstag und das preußische Abgeordnetenhaus nahm er als Bicepräsident dieser Körperschaften und Führer der neu gebildeten Partei hervorragenden Anlheil an den parlamentarischen Arbeiten. 1868 wurde er von den Provinzialständen Hannovers zum Landesdirrctor erwählt. Im December 1870 nach Versailles berufen, zeigte er sich als geschickter Unterhändler bei den Be« rathungen mit den Vertretern SüddeutschlandS über die Verträge zwischen den süddeutschen Regierungen und dem norddeutschen Bunde. Von 1873—79 war er Präsident des deutschen Reichstags. Im Winter 1877—78 knüpfte Bismarck mit ihm Unterhandlungen zwecks Eintritts in das Ministerium an, die aber auS verschiedenen Gründen scheiterten. DaS freundschaftliche Verhältniß der beiden großen Staatsmänner wurde dadurch eine Weile gestört, um so mehr, als Bennigsen den ersten Entwurf des Socialistengesetzes lebhaft bekämpfte. Trotz dieser Differenzen ließ sich Bennigsen nicht in die Opposition drängen und behielt selbst nach dem Abfall eines Theils der nationalliberalen Partei seine gemäßigte und regierungs freundliche Haltung bei, allein getragen von seiner nationalen Urber zeugung und seinem Pflichtgefühl. Als die Verhältnisse immer unerquick licher worden und ihm eine erfolgreiche Thätigkeit in diesem Sinne nicht mehr möglich erschien, legte er 1883 sein Mandat nieder. Erst 1887 trat er wieder in das politische Leben zurück, als sich nach Auflösung des Reichstags eine Annäherung der gemäßigten Parteien vollzogen hatte. 1888 wurde er zum Oberpräsidenten von Hannover ernannt. Er übernahm von Neuem die Führung der nationalliberalen Partei, bis er 1898 mit Rücksicht auf sein hohe- Alter sich endgiltig in daS Privatleben zurückzog. Die Beerdigung der sterblichen Reste deS Verewigten wird am Montag Nachmittag 2^2 Uhr in Bennigsen statt finden. * Nürnberg, 7. August. Die Vorstandschaft der baye rischen Conservativen erläßt einen Aufruf für den Candi- daten deS Bundes der Landwirthe im Wahlkreise Forch heim, in dem sie eS als Pflicht der conservativen Wähler erklärt, die Bauern im Kampfe gegen den Industrialismus und daS internationale Großcapital zu unterstützen. * Münch««, 7. August. Ueber die Motive, welche den Rücktritt der Erzherzogin Maria Annunciata von Oesterreich von der Verlobung mit dem Herzog Siegfried in Bayern zu Wege gebracht haben, wird dem „B. L.-A." gemeldet: Der Entschluß der Erzherzogin Maria Annunciata, ihre Verlobung mit dem Herzog Siegfried in Bayern zu lösen, findet nunmehr eine Er klärung, welche sich mit Gerüchten deckt, die hier gleich an fangs iuk Umlauf waren. Die Erzherzogin hat den Wunsch, in ein Benediktinerinnen-Klo st er einzu- ftreten und den Schleier zu nehmen. Es ist indessen noch -zweifelhaft, ob Kaiser Franz Josef, der sich durch das Verhalten seiner Nichte nichts weniger als peinlich be rührt gefühlt hat als deren übrige Verwandte, hierzu seine Genehmigung ertheilen wird. (D München, 8. August. (Telegramm.) Der Prinz- Regent hat an den König Georg zum Geburtstage vom Hofjagdlager in VorderrioS auS ein herzlich gehaltenes Glück wunsch-Telegramm gesendet, für daS der König von Sachsen in ebenso herzlicher Weise auf telegraphischem Wege dankte. Oesterreich - Ungarn. * Lemberg, 8. August. Eine Surrende des römisch- katholischen Erzbischofs BilczewSki fordert die Geist lichkeit auf, auf die beihörte Landbevölkerung beruhigend einzuwirken und gleichzeitig die Arbeitgeber zu be wegen, wenn möglich, dem arbeitenden Landvolke biluge Zugeständnisse zu machen. Sonst sind in der Lage deS Feldarbeiter - AuSstandeS keine wesent lichen Veränderungen zu verzeichnen. In Czarnycz warfen die Ausständigen mit Steinen auf die von der Arbeit zurück kehrenden fremden Arbeiter, wobei zwei Personen verletzt wurden. Gestern Morgen nahmen gegen 100 mit Sicheln, Arxten und Sensen bewaffnete Bauern an der Dorfgrenze Ausstellung und ließen keine fremden Arbeiter hineinkommen. Sie zogen sodann unter Ausstoßung vo« Drohungen in Schaaren durch da» Dorf und schlugen einige Feasterscheiben rin. Man hat um Entsendung von Militär gebeten. Frankreich. * Le»niwen, 8. August. (Telegramm.) Die Schließung der geistlichen Schule in Sizura (?) fand beute Vormittag statt. Mau mußte die Thürea sprengen. Als die Schwestern die Schule verließen, brach die vor der selben versammelte Menschenmenge in die Rufe auS: „Hoch die Freiheit! Hoch die Schwestern!" * Luimper, 8. August. (Telegramm.) Der Senator Chamaillard und das Mitglied deS Generalrathe» de» Departements Finistsre, Servigny, haben die Siegel an drei Schulen von Quimper abgerissen. * Pari», 8. August. (Telegramm.) DaS Ministerium des Auswärtigen erklärt, nichts davon zu wissen, daß, wie eine auS Saigon datirte Depesche deS „TempS" wissen will, der französische Geschäftsträger in Bangkok um sei« Zu rückberufung nach Frankreich nachgesucht habe. Großbritannien. * London, 8. August. (Telegramm.) Zu Mitgliedern des CabinetS sind ernannt: Walrond als Kanzler des HerzogthumS Lancaster und Austen Chamberlain als Generalpostmeister. * London, 8.August. (Telegramm.) Dem„Reuter'schen Bureau" wird die Meldung von dem Abschluß ei«eS Vertrages zwischen dem Morgan-Trust und der Admiralität als unrichtig bezeichnet. * London, 8. August. (Telegramm.) In der heutigen Sitzung des Unterhauses, dessen Vertagung erst heute eintritt, erklärte Balfour in Beantwortung einer Anfrage über den atlantischen S ch i f f f a h r t S t r u st, die Regierung sei in Unterhandlungen getreten in Folge von Umständen, die mit der Bildung des Trusts im Zusammenhang stünden. Er könne zur Zeit keine Erklärung abgeben. Chamberlain'S Unfall habe eine Verzögerung herbeigeführt, er hoffe aber, daß die Regierung im Stande sein werde, da» Hau» iu der Herbstsession ins Vertrauen zu ziehen. Rußland. * Reval, 8. August. (Telegramm.). Die „Hohen- zollern" hat um »/«4 Uhr den Anker gelichtet und ist mit dem Curse auf WiSby in See gegangen. Die Zweikaiser begegnung war von herrlichem Wetter begünstigt und ist in befriedigendster Weise verlaufen. Bei dem ständigen Beisammensein der beiden Monarchen hatte der Verkehr ein überaus herzliches und intimes Gepräge. * Petersburg, 8. August. (Telegramm.) Dem deutschen Botschafter Graf v. AlvenS leben ist vom Kaiser Nikolaus der Alexander-NewSky-Ordru verliehen worden. Deutscher Reichstag. Au» den EomuUffionen. T Berlin» 8. August. (Telegramm.) Anläßlich der heutigrn hundertsten Sitzung der Zolltarif.Commission erhob sich vor dem Platze des Vorsitzenden ein prächtiger Rosenstrauch, auS dem sich in Hellen Rosen die Zahl 100 heraushob. Davor lag ein mit den Farben der deutschen Fahnen geschmückter Carton, ein launiges Gedicht Brumer'S enthaltend. Der Vor sitzende sprach feinen Dank aus, der auch dem Abg. von Kardorff und allen Mitgliedern der Commission gebühre. Die Commission nahm darauf nach der Vorlage an die Positionen 894, 904, 906 (Dampfmaschinen, Maschinen zur Verarbeitung von Metallen, Hölzern rc. und andere Maschinen); sie nahm gleichfalls nach der Vorlage an die Positionen 895, 896, 897 (Nähmaschinen, Strickmaschinen, Gestelle von Näh maschinen), desgleichen nach der Vorlage die Positionen 898 bis 902, nämlich 898 (Maschinen, Maschinentheile in fester Verbindung mit Kratzenbeschlägen) 20 899 (andere Maschinen für Vorbereitung und Verarbeitung von Spinnstoffen, Maschinen für Spinnerei, Zwirnerei einschließlich HaSpeln, Spuhlen, Wickeln, Gespinnste bewirkenden Maschinen, sowie Maschinen zur Vorberei tung von Gefpinnslen für dir Weberei, Spitzen-, Tüllmaschinen, Wirkmaschinen und Strickmaschinen ausgenommen, Kurbelstick- majchinen) 10 Position 902 (Zuricht- (Appreturen) Maschinen, Maschinen für Wäscherei, chemische Reinigung) 6^t Die Positionen 905 bis 9l5 werden fast ausnahmslos nach der Regierungsvorlage genehmigt. Bei der Frage der Verwendungsanträgr machte Staats- sekretär Gras Posadowsky darauf aufmerksam, daß die Ver wendung der Ueberschüsse auS dem Zolltarif unsicher sei, zumal da diese von den zukünftigen Handelsverträgen abhingen. Die Regierung könne eine bindende Erklärung erst nach Beendigung der Comnnffions- berathungen geben. Nächste Sitzung Montag. MMar un- Marine. G Bremerhaven, 8. August. (Telegramm.) Unter den Truppen des ostasiatischen Expeditionscorps, die heute Vormittag 9'/. Uhr an Bord de- ReichSpostdampferS „Hamburg" hier ein getroffen sind, befinden sich nur 4 bettlägerige Kranke und einige Reconvalescenten. D Berlin, 8. August. (Telegramm.) S. M. S. „Iltis" ist am 7. August von Wusung in See gegangen. — S. M. S. „Loreley" ist am 7. August in Aalta angekommen und geht am 9. August nach Sewastopol in Ser. — S. M. S. „Grille" ist am 5. August in Cuxhaven eingetroffen und am 7. August wieder in See gegangen. mit Len „Persönlich keitsfatzken," zusammenhtng, mochte er nicht nach ihm fragen. Alle braven Bürger, die es sich leisten konnten, zeigten ihre Schaumwcinvorräthe an. Baurath Reinhardt lachte dazu und rühmte sein Verschenk-Verfahren. Aber selbst in dieser guten Stimmung durfte nicht von den Nachbarn gesprochen werden. Und es war nicht allein der moderne Stil, den er ihnen nachtrug: ganz heimlich saß ihm im Herzen die Furcht vor einem Tochterraube. Er war kein Sabiner. Was sollte er ohne Elsletn anfangen? Zehn Jahre konnte sie unbedingt noch warten, ehe sie mit dem Hochzeits-V-Zug ins Land der Selbstständigkeit entfloh. Acht Tage etwa nach dem allgemeinen Champagner- trinken, da kam mit allerlei Höflichkeit und Entschuldigung die Schaumweinrevision in Herrn Reinhardt s Haus. „Das ist ein Jrrthum, meine Herren, mich kann Keiner! Alle ausgetrunken." Aber die Herren wollten selber sehen, denn Herr Bau- rath Reinhardt war als Steuerhtnterzteher angezeigt worden. Daß er angezetgt worden war, ärgerte ihn natürlich, daß die Herren beschämt wieder würden abztehen müssen, freute ihn. Lächelnd stieg er mit dem großen Schlüssel bund bewaffnet hinunter in seinen wohlgerüsteten Wein- keller. „Donnerwetter!" rief Gteuerrath Heinzelmann, der auS freundschaftlicher Neugierde mttgekommen war. „Sie können ja morgen eine Hochzeit ausrichten!" Das ärgerte Reinhardt wieder, und was er dann weiter erblickte, das machte ihm die Haut schaudern. Dreißig blanke Köpfe leuchteten schön geordnet auS dem Lattenschrank, davor aber lag, boshaft grinsend, ein Rothkäppchen als Einunddreißigste. „Ich trinke ja gar kein Rothkäppchen!" stammelte Reinhardt. Nein. Getrunken war dies leider nicht. Es lag da,, und ob man vorwärts oder rückwärts zählte: einund dreißig warens. — Der Schlosser, der am ersten unten ge wesen war, hatte richtig gezählt. Reinhardt wüthete. Erstens die Nachsteuer, zweitens die Strafe, drittens das Achselzucken der Fremden und das Hohnlachen der guten Freunde. Viertens, und oben drein wars auch noch unheimlich und unbegreiflich. Nicht für Alle. Fritz wußte, wie die Flasche ins Haus, und die Magd wußte, wie sie in den Keller gekommen war; Elsen vertrauten sich die Uebelthäter an, Else schüttete ihr bekümmertes Herz an den Rosen aus. „Weh' — welch ein Schicksal hat uns da betroffen! Die Hölle siegt, es ist nichts mehr zu hoffen!" rief Paul, kleidete sich feierlich an und wanderte aufs Steueramt. Ein paar Tage gingen ungcmüthlich dahin, dann hallte es auf einmal dröhnend durchs Haus: „Else!'' Else flog. — Oben lag ein amtliches Schreiben, in dem stand, daß von einer Steuerhinterziehungsstrafe abgesehen werde, da Herr Paul Wendehals unter seinem Eide ver sichert habe, daß die Flasche Rothkäppchen am 30. Juni durch ihn heimlich ins Haus des Bauraths gekommen sei. „Ist das wahr?" schrie der Vater sie drohend an. „Ich habe die Flasche nicht eher gesehen, als bis sie im Keller lag", stammelte Else. „DaS ist Dein Glück.". Vaters Stimme wurde ruhig; sechs mal ging er im Zimmer auf und ab, dann blieb er vor Else stehen. „Ich habe den jungen Mann unterschätzt; er hat An- standsgcfühl und Muth, sein Geschmack kann sich also noch bessern. Wir werden heute Abend die Einunddreißigste zusammen ausstechen, dabei kann er mir erzählen, wie Alles zusammcnhängt. Das Weitere findet sich." Es fand sich. Ehe der Rothkäppchen ausgcpcrlt hatte, war Else Reinhardt Braut. Fritz aber strahlte vor Stolz, denn wenn er nicht als Schöpfer dieser Ehe gefeiert wurde, gab es überhaupt keine gerechte Weltgeschichte mehr. erklärung, die freilich immer siegesgewisser und fröhlicher wurde, je geduldiger das Elselcin zuhürte. Und warum nicht? Es hörte sich ja so sicher zu hinter dem Schutz der Gaisblatthecke. Als sie aber aufsah und ein liebes glückliches Lachen verheißend aus den jungen Augen, daß die Hecke strahlte, da schrumpfte plötzlich die schützende Hecke zu sammen und der junge Architekt schwang sich darüber wie über einen Maulwurfshügel. „Ach Gott!" „Still, still!" Wenn einem der Mund von zwei Lippen zugehalten wird, muß man schon still sein, schreien kann man höchstens darnach, und dann hat cs keinen rechten Zweck mehr, sagt also lieber: „Ach, wenn uns doch Papa bet der Ein- undüreitzigsten seinen Segen geben wollte." Dafür bekam sie noch einen Kuß — im Uebrigen aber blieb es ein frommer Wunsch. Nachdem Vater Reinhardt Else mit Donnerstimme von ihren benaschten Rosen hinaufgerufen, und bet Tisch beide Kinder mit verdrießlichen Wendungen in Unruhe versetzt hatte, kam ein langweiliger Nachmittag, an dem alles Männliche der beiden Nachbarhäuser „auf Bau" war. Und dann wars Abend; ein weicher, wonniger Abend, «nd die Nacht kam, die letzte von mattem geheimntßvollen Dämmerschein durchleuchtete Juninacht. Elslein stand, erfüllt von Sehnsucht und Seligkeit, auf der Veranda. Beinah freute sie sich, daß sie nicht mit drüben war bet den Papierlaterncn, dem Buntfeuer und dem vielstimmigen Gelächter. Sie batte ja an etwas so Wunderschönes z» denken und manchmal ertönte wie auS einer schönen Zukunft heraus eine Stimme in lustigem Ncimwort zu ihr herüber. Verdrießlicher nahm cs Fritz, der Primaner. Er hätte sich gern über die Hecke geschwungen und Peter Wende hals rief «nd lockte. Aber da stand Paul neben ihm und winkte ab. „Nein, junger Freund, machen Sie uns unfern ver ehrten Herrn Papa nicht noch wüthender — da, nehmen Sie lieber diese Bulle Sect und trinken Sie die auf eine fröhliche Zukunft — es schmeckt auch drüben." „Famos!" schrie Fritz, aber ehe er trinken oder sich wundern konnte, rief „unser verehrter Papa", nach seinen Kindern und nach seiner Einunddreißigsten. Else trat aus -em Schatten des wilden Weins, dicht neben den Vater, was ihr ein Lobwort eintrug, Fritz schob seinen Sect „auf nachher'! durchs Flurfenster und crschien etwas athemlos. „Du hast Dir natürlich die Augen ausgeguckt nach Liefen Stilverhunzern, Geschmackverberbern, Persönltch- kcttsfatzken, — auch grüner Junge." ElsenS Herz klopfte bis zur Kehle hinauf, die Einünd- dreißigste schmeckte ihr bitter; unbegreiflich, daß sich die Menschen gestern so über den Schaumwein gefreut hatten. Sie nippte nur, der Vater trank ohne allen Humor, weil die jenseits des Zaunes zu viel davon verbrauchten, nur Fritz „genoß". Ja er genoß so eingehend, daß er gar nicht mehr an „seine" Flasche dachte, als die Magd zum Fenster heraus fragte: „Soll ich en noch enne Bulle rauSbringen?". Vater Reinhardt verneinte grollend; jetzt würde ein Jahr lang überhaupt kein Sect mehr getrunken, auf daß man seinem Schaden wieder beikomme. Vater Reinhardt schlief aber doch zufrieden ein, um die Nachsteuer hatte er den Staat gebracht; Fritz schlief ein in Seligkeit, Elslein stand in Seligkeit am Fenster, btS drüben der letzte Lichtschein verglommen. Dann blieS die Trompete noch: Gute Nacht, du mein herziges Kind, und davon ließ sie sich einschläfern, mochte es nün ihr gelten oder einer Anderen. — Juli — die Stadt war wieder nüchtern. Gern hätte sich Fritz am andern Tag noch mal „iu Stimmung gebracht", aber sein Sect war weg, und da er
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