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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 12.08.1902
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-08-12
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19020812015
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902081201
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902081201
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1902
- Monat1902-08
- Tag1902-08-12
- Monat1902-08
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Wenn wir cs auch für angemessen erachten wollen, der Bedeutung jener Worte keinen allzu- hohcn Werth bcizulegen, sondern dem Umstande Rech nung tragen, daß der im Eifer des Patriotismus sprechende General vor der überaus schwierigen Aufgabe stand, den Senatoren die Ueberzeugnng von der Noth- wcndigkcit der Einführung der zweijährigen Dienstzeit für die französische Arince beizubringen, so darf -er gegen die deutschen Soldaten geführte Hieb doch nicht ganz un erwidert bleiben, sondern mutz in kurzer Sachlichkeit in seiner wesentlichsten Behauptung zurückgewtesen werden. Darüber kann doch wohl zunächst kein Zweifel sein, daß, so lange nicht die siegreiche Entscheidung eines Krieges für die Ueberlegenheit einer Armee über die andere als Beweismittel herangezogen werden kann, höchstens die sorgfältigere und sachgemäßere Frtedens- ausbildungsmcthodc als ausschlaggebender Factor für die Behauptung der besseren Qualität einer Armee in Rech nung zu stellen sein dürfte. Auch darüber kann wohl unter sachverständigen Leuten schwerlich gestritten werden, daß unter den vielfachen Dienstzweigen, die zur militä rischen Erziehung und zur Schätzung des Wertstes des Soldaten nothwendtg sind, der Schiebdienst obenan steht und daß dann die Ausbildung auf groben Uebungsplätzen und im Gelände einen zweiten werthvollen Gradmesser für die Beurthctlung der Leistungsfähigkeit einer Truppe bildet. Wie verhält es sich nun mit diesen Dienstzweigen in der französischen Armee, welche Mittel stehen ihr zur Erreichung guter Resultate zur Verfügung und welche amtlichen Urtheile liegen über diesen Gegenstand vor? Die diesjährigen Verhandlungen der Deputirtenkammer über den Militüretat haben unö auf diese Fragen recht deutlichen Aufschluß gegeben und zunächst gezeigt, daß weder die Infanterie, noch die Artillerie die zu ihrer Aus bildung hinreichende Munition besitzen und daß aus diesem Grunde der Kriegsminister sich veranlaßt a>'ehen hat, unter ernstester Betonung dieses großen Uebel- standes 2 Millionen Francs zur Beschaffung von In fanterie- und Artillerie-Munition zu beantragen. Aus SparsamkcitSrücksichtcn sind aber trotz aller Vorhaltungen des Ministers nur 1 Million Francs bewilligt worden. Und weiter haben uns die bezüglichen Kammcrverhandlungen darüber belehrt, -aß es in Frankreich zur Zeit noch 41 Garnisonen gicbt, die nur Schieß stände haben, auf denen man bis höchstens 300 Meter schießen kann. Einen Theil dieser Garnisonen bilden sogar die Sitze der GeneralcommandoS, wie Paris, Lille, Man- beuge, NenneS, Nantes, Tours, Toulouse, Limoges, Marseille, Toulon und Brest. Gar keinen Schießstand haben noch 5 Garnisonen, unter ihnen Cherbourg, Niort und Bourg; 18 Schießstände sind wegen der benachbarten baulichen Anlagen zur Benutzung durch die Truppen zu gefährlich! 7 sind zu weit entfernt von der Garnison und auf 6 kann nur eine beschränkte Anzahl der vorgeschrie benen Bedingungen erfüllt werben. Ebenso mangelhaft wie mit den Schicßstünden, ist es um die großen Uebungspläye bestellt, die den Truppen zur Verfügung stehen, obgleich bereits im Jahre 1897 die Mittel zur Anlage dreier solcher Plätze und zur Beschaf fung von je einem Jnfantekie-Exercterplatz in jedem ArmeccorpSbeztrk bewilligt worden waren. Thatsüchlich hatte die gesummte französische Armee bis in die jüngste Zett tnnner nur noch den einen einzigen großen UebungSplatz im Lager von CHLlonS und acht Infanterie-Exer- cir Plätze. Erst am 3. Juli b. I. ist der im Bereich des 20. ArmcecorpS liegende zweite große Truppenübungsplatz von Mailly eingeweiht und den Truppen zur Benutzung übergeben worden, während der 3. und der 4. Uebungsplatz in der Nähe von Courtine (12. Armeecorpöbezirk) und bei Larzac litt. Armeecorps- bezirk) wegen mangelhafter, zum Theil ganz fehlender Unterknnftsränmc für Mannschaften und Pferde bis jetzt nur zu ganz beschränktem Gebrauch verfügbar stehen. Es erscheint über-flüssig, einen Commentar zu diesen Thatsachen zu geben, und was die bezüglichen Verhältnisse in der deutschen Armee angcht, so genügt der Hinweis, daß es keine einzige Garnison ohne Lchießstand giebt und daß 17 Truppenübungsplävc für die Ausbildung unseres Heeres im Gelände vorhanden sind. Es darf als bekannt vorausgesetzt werden, daß kürzlich der Vorgänger des Generals Andrö auf dem Kricgs- ministerpvsten, der General Gallis et, öffentlich Stel lung genommen hat zur Frage der zweijährigen Dienst zeit in Frankreich und daß seine Ansichten sich gegen die Einführung derselben gerichtet haben. General Gallifet hält die französische Armee für einen solchen Uebergaug nicht für „reif" genug, und diese Anschauung des ver dienten Generals dürfte sich nicht nur darauf beziehen, daß er zur Zeit keine zuverlässige Deckung für den auch vom General Andr« zngegebencn Ausfall von 50 000 Mann an der Friedenspräsenzstärke weis;, sondern daß er auch mit ungetrübtem Blicke die Mängel in de; Aus bildung des heute noch drei Jahre dienenden französischen Soldaten erkannt hat und mit der Verkürzung dieser Dienstzeit einen weiteren Rückgang für die Qualität des selben fürchtet. Trotz alledem ist General Andrs bekanntlich Sieger in dem Streit geblieben und hat das von ihm erstrebte Ziel der zweijährigen Dienstzeit erreicht. Qb die Deckung des Ausfalls von 50 000 Mann durch Verbesserung der Capi- tulationSbedingungen zu erreichen sein wird, kann nur die Zukunft lehren,- vor der Hand aber kann man die Aus sichten nicht für sonderlich günstig halten, denn trotz der hohen Handgelder konnten bisher nicht einmal alle Unter- officicrstcllen besetzt werden, nnd ob die geringen, 12—10 Centimes täglich betragenden Zulagen den Gemeinen ver lockend genug zum Weiterdiencn erscheinen werden, ist zum Mindesten fraglich. Die meiste Aussicht von allen Vorschlägen zur Beseitigung des vorhandenen Mangels hat die Heranziehung der Halbtauglichen lsorries suxilnire) znm Heeresdienst, deren dienstliche Verpflich tung im Friederi bisher nur in Contrvlvcrsammlungen bestand, während die künftig ihnen zu übertragenden Functionen im Verpflegnngs-, Magazin- und Bureau dienst von volltauglichen Mannschaften versehen wurden, die auf diese Weise säst aller militärischen Ausbildung ent- zogen waren und bei einzelnen Truppentheilen eine nicht unbeträchtliche Zahl erreichten. Die deutsche Heeresleitung wird mit derselben ruhigen Sicherheit den neuesten Schritt der französischen Armee reform beobachten, die sie in allen vorangcgangenen Fällen beobachtet hat, und mit ebenso zielbewusster Be stimmtheit wird sie die Ver-vollkommnung unserer Armee weiter im Auge behalten, gleichgilttg, ob diese sich in Frankreich anerkennender Werthschätzung erfreut oder nicht. Deutsches Reich. H: Berlin, 11. August. Neber die Frage der Kündigung der Handelsverträge werden noch immer Auslassungen veröffentlicht, die mit dem Wortlaute dieser Verträge schwer in Eintlang zu bringen sind. Man macht sogar den gesetzgebenden Körper schaften den Vorwurf, daß sie bei der Stipulir-ung der be treffenden Handelsvertragsbestimmungen leichtfertig vor. gegangen wären und nicht das Interesse des Vaterlandes genügend gewahrt hätten. Es ist sonderbar, daß über die Frage der Kündigung der Handelsverträge solche Theorien sich entwickeln können, um so mehr, als doch schon früher Handelsverträge bestanden haben, auch Kündigungen der selben erfolgt sind, und niemals Zweifel der jetzigen Art über die in Rede stehenden Bestimmungen auch nur in die Erscheinung traten. Gewiß existirt rin Unterschied zwischen den früheren Kündignngselauseln der Handels verträge und den jetzigen. Früher war fast immer vor gesehen, daß erst von einem bestimmten Termine ab ein Jahr verflossen sein müßte, ehe nach der Kündigung der Vertrag außer Kraft treten durfte. Es konnte demnach Vorkommen, daß nahezu zwei Jahre nach dem Küudi- gungstage der betreffende Vertrag in Kraft bleiben mußte. Jetzt ist bei den hauptsächlichsten Handelsverträgen vor gesehen, daß sie ein Jahr nach dem Tage der Kündigung ihre Giltigkeit verlieren. Es ist dies aber lediglich ein Unterschied in Bezug aus die Fristbestimmnng. Tie mate rielle Regelung der Kündigungsclauselu ist noch so ge lassen, >vie sie früher war, und aus ihr geht hervor, daß der Reichstag den verbündeten Regierungen das Recht übertragen hat, die Kündigung nach Ablauf einer zuerst auf längere Zeit bemessenen Frist nach eigenem Gut dünken vvrzunchmen. Ter Reichstag hat sich damit aus drücklich seines Rechtes begeben, zu den Erwägungen über die Kündigung oder zu dcu Entschließungen darüber zu gezogen zu werden. Daß dein so ist, geht nicht nur aus dem Wortlaute der Kündigungsclauselu der jetzigen Ver träge hervor, es ist auch dadurch zu erweisen, daß der Reichstag niemals früher bei in Frage kommenden Kün digungen von Verträgen ein solches Recht in Anspruch ge nommen hat, obwohl, wie gesagt, die Kündigungsetauseln der früheren Verträge, abgesehen von der erwähnten kleinen Verschiedenheit, mit den jetzigen übcrcinstimmten. Auch die in der Presse austrctcnde Behauptung, daß die Handelsverträge mit den bedeutenderen Staaten nur auf zwölf oder zehn Jahre abgeschlossen seien, ist falsch. Ge wiß kommt diese Fristbeslimmung in den Verträgen zur Erscheinung, aber doch nur in der Bedeutung, daß inner halb ihrer Dauer keine Kündigung der Contrahcnten eintretcn darf. Die Handelsvertragsdauer selbst ist da mit nicht begrenzt, im Gegentheil, cs ist ausdrücklich hin- zugcfügt, daß, wenn bis zum Abläufe der genannten Zeiträume die Verträge nicht außer Kraft gesetzt sind, sie jedesmal ein Jahr nach dem Tage einer etwa erfolgten Kündigung noch weiter lausen. Das ist eine, wenn auch bedingte, so doch ganz klar ansgesprvchene Verlängerung der oben bezeichneten Fristen, und es ist danach zweifellos, daß die neuen Handelsverträge nach dein Willen beider gesetzgebender Factvren, die an ihrem Zustandekommen in Deutschland betheiligt waren, über zehn oder zivölf Jahre hinaus laufen können. Andererseits ist natürlich nicht, ivic dies von einigen Seiten vorausgesetzt zu werden scheint, die Regierung allein im Stande, die Handelsver träge auf eine ihr gut scheinende Zeit zu verlängern, also sagen wir einmal, mit irgend einem anderen Staate zu vereinbaren, daß die nach dem Ende 1903 jedesmal ein Jahr ausmachende, ans einen Kündigungstag folgende Frist in eine zweijährige umgeivandelt werde. Tas würde eine direete Abänderung der Handelsvertrags bestimmungen bedeuten, und jede solche Aenderung wäre natürlich mit dem Reichstage zn vereinbaren, ebenso wie dieser bei der Festsetzung und Abschließung der Verträge selbst zugezogen werden muß. Tie Vorschriften der Kün- digungselauseln in den neuen Handelsverträgen sind dem nach vollkommen deutlich. Von den gesetzgebenden Fak toren ist in dieser Beziehung nichts verabsäumt worden, sowohl Bundesrath wie Reichstag sind durch sie in ganz bestimmte Grenze gewiesen und sowohl in staats- wie in völker-rechtlicher Beziehung gebunden. Aendcrungen an den Kündigungsclanselbcstiinmnngen vorzunchmen, ist weder der eine, noch der aridere gesetzgebende Factor für sich im Stande; andererseits kann keiner von beiden den andern zwingen, etwas zu thun, was nicht in den Kündignngöclauseln enthalten ist. 6. tt. Berlin, 1l. August. (Die Socialdemokratie und die N e i chSt agsw a l> len.) Mit ihren Vorbereitungen für die nächsten NeickStagSwahlen will die Socialdemokratie bereit» jetzt so gut wie fertig sein. In der Thal sind fast alle ReichstagScandidaten bereits aufgestellt. Dabei sind in allen ernstlich in Betracht kommenden Wahlkreisen Doppel candidaluren vermieden. Mit ganzer Kraft soll die Agiiaiiou für die Hauplwahleu eir.setzen, damit Stichwalrlcn tbunllchü vermieden werden. Wegen des Ausfalles ter Wahlen trägt sich die Svcialdemokratie mit ausschweifenden Hoffnungen; n- erwarlet ein ganz gewaltiges Anschwellen ihrer Stimmen ans dem Lande. Herrv Vollmar hat ja schon ausgesprochen, das; der Zolltarifentwurf als das beste Agitationsuuttel gehörig aus- genutzt werden solle. Von ihren 60 Wahlkreisen hält d:e Socialdemokratie nur wenige für ernstlich gefährdet und nimmt mit Bestimmheit an, daß sie mehr als ein Dutzend Kreise, darunter solche, welche die Partei früher besehen, neu erobern werden. Neue Männer hat die Partei als ReichstagScandidaten nur in geringer Zahl ausgestellt; bc- merkenöwerlh ist, daß, nachdem einer ter ehemaligen „Ex.lirtcn' „Bernstein" bereits ein ReichStagSmankat er halte», auch der andere, Motteter, der rotbe Postmeister, sich um ein solche» (Leipzig) bewirbt. Geldmittel sollen der Partei in mehr als genügender Höbe zur Verfügung stehen; trotz der schlechten Zeiten kann der Verbantscassirer Gerisch immer über Tauseiide quittiren, die freilich nur aus wenigen Wahlkreisen (Hamburg, Berlin rc.) kommen. Von dem Kampfe gegen das Eentrum, der ja mit aller Energie ausgenommen werden soll, ver spricht man sich vorläufig noch nicht besonders viel, glaubt aber ganz bestimm«, daß die socialdemokratischen Stimmen ui den CenlruuiSkreisen stark in die Hohe gehen werben. Voller 3 Millionen Stimmen glaubt man sicher zu fein. Bekanntlich sind die socialdemokratischen Wahlmacher immer Optimisten, jedenfalls aber steht fest, daß die Social demokratie schon jetzt den regsten Eifer für die ReichstagS- wadlen entwickelt und dadurch einen Vorsprung vor allen anderen Parteien gewinnt. -f- Berlin, 11. August. (Deutscher Grundbesitz i n p v l n i s ch e n H ä n d en.) In letzter Zeit sind wie derum zwei Rittergüter in der Provinz Posen aus deut schen Händen in polnische Ubergegaugen, Wolawspvwv an die polnische Parcellenbank in Pofen, also an das Con- currenzuuternehulen gegen das deutsche Ansiedelungs werk, Gstrvwicczki an den Grafen Coltvwski, der eine zu dem Gute gehörige Ziegelei weiter verkauft hat, selbst verständlich ebenfalls an einen Polen. Hinsichtlich des letzterwähnten Besitzwechsels wird gemeldet, daß der deutsche Vorbesitzer des Gutes der deutschen Ansicüelungs- comlnissivn das Gut um 25 000 billiger angeboren hat, als dein polnischen Käufer. Trifft diese Meldung zu, so ist dem deutschen Verkäufer kein Vorwurf zu machen, denn er wollte ja, um das Gut in deutsche Hände übergehen zu lassen, sich mit einem minderen Gewinne begnügen. Um sc schwerer zu erklären also wäre daun das Verhalten der Ansicdelungscommission. Es mag sein, daß das Gut an sich zur Auftheilung an bäuerliche Besitzer nicht geeignet war, und mit einer Ziegelei im Werthe von 150 000 .L hätte ja ein bäuerlicher Bewerber keinesfalls etwas anfangen können. Nach den neueren Bestimmungen aber sollen eben Güter unter Umständen auch ungetheilt verpachtet werden können. In jedem Falle muß man sagen, daß, wenn binnen Kurzem deutscher Grundbesitz von nahezu Mil lionen Mark in polnische Hände übergeht, der Erfolg des Ansiedelungswerkcs doch erheblich abgeschwächt wird. Nachdem ter preußische Landtag im vorigen Winter neue Ricscnsummen für das Ansiedelungswerk bewilligt hat, wird cs seine Aufgabe sein, die Thätigkeit der Anfieoelungs- commission bis ins Einzelne genau zu verfolgen und sich auch nachdrücklicher als bisher nicht nur mit dem zn be fassen, was gethan, sondern auch mit dem, was unterlassen worden ist. Vielleicht wäre cs das Beste gewesen, wenn nicht die gesammte im vergangenen Winter geforderte Summe auf einmal bewilligt worden wäre, sondern wenn der Landtag nur einen Theil be willigt und jede weitere Bewilligung davon abhängig gemacht hätte, daß die Ansiedelungsevmmission vollgiltige Beweise für votlwerthige, den gebrachten Opfern ent sprechende Leistungen liefere. Man spricht ja viel davon, FerriHetsn. Baron von Toll's Expedition im Sibirischen Eismeer im Lahre IM. Nachdruck verdolkn. Ueber seine Thätigkeit im Jahre 1901 hat Baron von Toll auS der Nerpitsch-Bucht der Insel Kotelnyj einen Be richt an den Präsidenten der Akademie der Wissen schaften in Petersburg, den Großfürsten Konstantin Konstantinowitsch, eingesandt, dem wir auf Grund von Veröffentlichungen in russischen Blättern Folgendes ent nehmen: Die Expedition (bestehend auf der Nacht „Sarja") über winterte von 1900 zu 1901 im Hafen Archer bei der Tajmyrstraße. Nach dem Osterfeste 1901, das die Sxpc- dition in vollem Bestände feierte, machten sich am S. April kalten Stils) der Leutnant Kolomejzow mit dem Unter- officier Rastorgnjew und der Zoolog A. A. Bjalynizktj- Birulja auf den Weg, der Erstere mit dem Befehl, sich zum Jenisscj zu begeben und ttohlenntederlagen ctnzurichten, der Andere, um diesen 200 Werst weit zu begleiten. Zwei Tage später unternahmen Baron von Toll und Leutnant Koltschak eine Erpeditivn nach der Tscheluskin-Halbinsel. Sie bcnntzten zu ihrer Fahrt Hunde, mußten aber selbst oft ziehen heften, um über die Schwierigkeiten Hinweg zukommen. Die Erpeditivn dauerte 41 Tage, von denen nenn auf Rast während der Purga (Schneesturm) kamen, und vier auf den erfolglosen Versuch, ein Depot auSzu« graben. Während der übrigen 28 Tage wurden etwa 500 Werst zurückgelegt. Leutnant Koltschak besorgte die Aufnahme der Marschrout« und -us t«d»r Gtatton wurden magnetische Beobachtungen vorgenommen, Baron v. Toll veranstaltete geologische Sammlungen. A. A. Birulja, der Kolomejzow bis zum Cap Sterlegow begleitet hatte, kam am 28. April auf die „Sarja" zurück, v. Toll und Koltschak aber am 17. Mai. Im Juni begann sich der Sommer in bemerklicher Weise zu nähern. Ende Juni bildete sich zwei Werst von der „Sarja" die erste Spalte im Eise auer über die Rhede weg; dies gab eine geeignete Gelegenheit zu wissenschaftlichen Arbeiten am Meere. Hier wurde auch eine Bärin und ihr Junges von der Expedition erbeutet. Das Eis, das im Winter eine Stärke von 1,82 Meter er langt hatte, thaute jetzt von oben und von unten, und cs näherte sich der Moment, wo die „Sarja" aus dem Winter- Hafen befreit werden würde. Vorher mußte aber noch aufgeklärt werden, wo sich die Mündung des Flusses Tajmyr befindet. Diese Frage hat nicht nur ein geo- graphisches, sondern auch ein historisches Interesse, weil die Mündung dieses Flusses den Officteren einer großen nordischen Expedition des achtzehnten Jahrhunderts oft als Ausgangspunkt diente. Es stand für die Expedition nur ein Monat zur Verfügung, urzd man nahm an, daß sich die Mündung deS Tajmur in einer der drei Buchten bc- finde. ES war unmöglich, daß eine Person in so kurzer Zeit dieses ganze Gebiet durchsuchen konnte. Deshalb wurden zur Lösung der Aufgabe einerseits der Zoolog Birulja und I)r. Walter, andererseits Baron v. Toll und der Astronom Sebera bestimmt. Diese Ercursion dauerte etwa einen Monat und die Mündung des Tajmnr fand sich in der Bucht vor, die Baron v. Toll durchsuchte. Außerdem wurde ein reiches wissenschaftliches Material zusammcngebracht. Am 12. August sing ein frischet Ostwtnd an zu wehen. Die Polynen (eisfreien Stellen) wurden breiter, und darauf kam die ganze Masse deS EtseS, das die „Tarja" umgab, in Bewegung. Die „Sarja" war zur Fahrt voll« ständig fertig und Lief« begann ntzn. Durch die gram« straße wurde das Schiff ins offene Meer getragen, aber es konnte bis zum 17. August wegen Eis nicht frei schwimmen und mutzte an einem Vorgebirge der Insel Nansen auf eisfreies Fahrwasser warten. Am 19. August wurde das Cap Tscheluskin umfahren. Am 22. eröffnete sich die Küste der östlichen Tajmyr-Halbinsel, von wo die „Sarja" ihren Eurs direct in die Nerpitsch-Bucht der Insel Kotelnyj nahm. Auf dem Wege nach den Sibirischen Inseln war das Meer eisfrei, aber am 25. August erhob sich ein Südost, gegen den das Schiss nur sehr langsam vorwärts kam. Deshalb wurde der Eurs geändert und die „Sarja" wendete sich nun nach Nordost; am 27. August befand sie sich unter 77 Grad nördl. Br. und 140 Grad östl. L Hier traf die Expedition ein südlicher Sturm, der sich daralis nach West-Süd-West wendete. Um den Wind zu benutzen, wurde der Eurs auf die Insel Bennet, auf das Cap Emma, unter 78 Grad 38" nördl. Br. und 148 Grad östl. L. ge nommen. Am 29. August tauchte das Cap Emma aus dem Nebel auf, mit einer Erhebung von 2000—3000 Fuß, die mit ewigem Schnee bedeckt ist. An diesem Tage zeigten sich am Bord oft Walrosse, viele Müvcn verschiedener Art umflogen das Schiff, darunter die äußerst seltenen rolcn- farbigen. Wahrscheinlich nisten alle diese Vögel auf den Felsen der Insel Bennet. Außer reicher zoologischer Aus beute hob der Anker interessante vulkanische Gesteine, die offenbar durch die Gletscher der Insel Bennet ins Meer gelangt waren. Aber daS Eis, das die Insel auf einer Breite von 12 Meilen umgab nnd gegen 14 Fub Stärke batte, gestattete der „Sarja" nicht, sich der Küste zu nähern. In Erwartung einer Aenderung deS EiSstandcs blieben mir zwei Tage stehen, aber vergeblich. Wir mutzten um kehren und wendeten unS nun dtrcct nach der Insel Kotelnyi. - - ... Am 3. September ging die „Sarja" tn der Nerpitsch- Bucht vor Anker zur «usbesseruna der Maschine und der Pumpen, und zur Reinigung deS Kesselt, in -em et wegen Anhäufung von Salz zu kochen begann. Hier in der Nerpitsch-Bucht traf uns der Vorstand der Hilfscxp.dition zu Schlitten, K. A. Wollossowitsch, an. Am 11. September war die „Sarja" schon wieder bereit, tn See zn gehen, aber am Morgen desselben Tages sank die Temperatur d« r Luft auf 0,5 Grad und die deS Wassers auf 1 Grad, und »m das Schiff herum stellte sich dichtes Treibeis ein. Hic^ mußte überwintert werden nach einer Fahrt von nur einen: Monat, und dies war der zweite Winter der russische» Polarerpedition. Von 25 Tagen der Schifffahrt stand die „Sarja" sechs Tage vor Anker und vier Tage unter Dam-.si mit gestoppter Maschine; in den übrigen vollen >5 Fahr tagen wurden 1850 Meilen zurückgelegt. Währe.id der Fahrt wurden nach Möglichkeit zoologische und hiidre logische Stationen gemacht, die ein besonderes Interesse hatten, weil die von der „Sarja" befahrenen Theile des Eismeers bisher zumeist noch unberührt war.n. Von den Mitgliedern der Erpeditivn sind während der Ercurnviicn theils auf Hundeschlitten, theils zu Fuß und auf Booten (dajckar^) tnsgesammt 2500 Werst zurückgelegt worden. K. A. Wollossowitsch blieb den Winter über auf der „Sarja" als Mitglied der Hauptexpedition. Dem lag fol gende Erwägung zu Grunde: Tic in wissenschaftlicher Be ziehung sehr interessanten neusibirischcu Fineln sind so umfangreich, daß die ersten recognoßeirenden Erpcöitivncn von 1888 und 1893 nur einen unbedeutende» Theil der selben berühren konnten. K. A. Wollossowitsch, der außer dem mit Provlantnicderkagen beschäftigt war, war cs eben falls nicht möglich, während eines kurzen Sommers alles WttnschenSwcrthe zu erforschen. Leine merkwürdig inter essanten und wichtigen Entdeckungen machten den Wunsch in ihm rege, die begonnenen Forschungen auf der Insel «m folgenden Frühjahr fortzusetzen. VV.
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