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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 12.08.1902
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-08-12
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19020812022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902081202
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902081202
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1902
- Monat1902-08
- Tag1902-08-12
- Monat1902-08
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Ztg." aus Berlin übermittelte Behauptung, die Conservativen und das Ecntrum seien entschlossen, an dem Compromiß über die Getreide» und die Viehzölle festzuhalten, hat bis jetzt weder von conservativer, noch von ultramontaner Seite eine Bestätigung erfahren. Was besonders die Centrums presse betrifft, so scheint sie es gar nicht der Mühe für Werth zu erachten, direkt auf die Behauptung einzugehen; daß sie aber an eine bereits vollzogene feste Stellungnahme ihrer Parteigroßen zu den wichtigsten Zollfragen nicht glaubt, beweist sie dadurch, daß sie meldet, die CentrumSfraction beabsichtige vor Beginn der zweiten CommissionSberathung — der etwa für Mitte September in Aussicht genommen sei — zusammenzutreten und ihren Mitgliedern in der Commission weitere Direktiven zu geben. Vermutblich würden die übrigen Fraktionen, so heißt es dann, wenig stens die zollfreundlichen, eS ebenso halten. Man werde ohne Zweifel auch gleich Versuche einer Verständigung von Fraktion zu Fraktion machen. Seien diese erfolgreich, so dürfte die Zeit bis zum Wiederzusammentritte des Plenums auSreichen, um diesem sogleich, wenn noch nicht den ganzen Tarif, so doch wichtige Theile vorzulegen und ihm ein un unterbrochenes Arbeiten zu ermöglichen. — Ob bei den anderen Fraktionen, wenigstens den zollfreunvlichen, das Be- Lürfniß, vor Beginn der zweiten Lesung zusammenzutreten und ihren Mitgliedern in der Commission weitere Direktiven zu geben, ebenso stark vorhanden ist, wie beim Centrum, wissen wir uicht, möchten eS aber einstweilen bezweifeln. Beim Centrum liegt die Sache so, daß seine Mitglieder in der Commission bei der ersten Lesung weit mehr mit vcrtheilten Rollen zu Werke gegangen sind, als die der anderen zoll freundlichen Parteien. Da ergiebt sich von selbst die Noth- wendigkeit, vor der zweiten Lesung den Operationsplan einer Revision zu unterwerfen. Das wird zwischen den Abgeordneten Herold, Spahn, Bachem, Müller-Fulda und Gröber zweifel los geschehen. Die inzwischen stattfindende Generalversamm lung der Katholiken Deutschlands giebt vielleicht Gelegenheit — natürlich nebenbei —, die neuen Vereinbarungen so zu treffen, daß die Nothwendigkeit eines ausdrücklichen Zusammen tritts der CentrumSfraction vor Beginn der zweiten Com missionSberathung so zu sagen entfällt. Wenn etwa der Vorstand um diese Zeit in Berlin trotzdem zusammentritt, so wird das mehr eine dekorative Bedeutung haben. Selbst verständlich wird es uns nicht einfallen, den Werth einer solchen berabmindern zu wollen. Jedenfalls aber kann von einer definitiven Stellungnahme des Centrums noch nicht die Rede sein und deshalb werden auch die Conservativen sich hüten, sich allzufrüh sestzulegen. Der Rücktritt des bayerischen CultuSministerS v. Land- mann ist nunmehr vollendete Tbatsache. Wie der Telegraph bereit- gemeldet hat, hat der Prinz-Regent durch Erlaß vom 10. d. daS von Herrn v. Landmann eingereichte Entlassungs gesuch unter Anerkennung der von ibm geleisteten Dienste, aber ohne die sonst in solchen Fällen übliche Ordens verleihung, genehmigt und den bayerischen Gesandten in Wien Freiherrn v. PodewilS-Dürniz zum CultuS- minister ernannt. Für das Cent rum bedeutet das eine schwere Niederlage. Um Herrn v. Landmann zu erhalten und eine Umbildung des Ministeriums in klerikalem Sinne zu erzwingen, hatte es kein Mittel, nicht einmal die thörichle, den Prinz-Regenten persönlich kränkende Verweigerung der von der Regierung geforderten 100 000 für die Münchner Kunstausstellungen, unversucht gelassen, und eS Hal die Kalt stellung seines Günstling?, sowie die Befestigung des Ministe riums im Sinne der verbleibenden Mitglieder erreicht. Ist auch der Nachfolger v. Landmann's ein politisch noch unbeschriebenes Blatt, so beweist das Verbleiben der übrigen Minister im Amte doch, daß sie besser mit ihm als mit seinem Vorgänger auskommen zu können und in ihm eine kräftigere Stütze bei der Zurückweisung klerikaler Uebergrisfe zu finden überzeugt sind. Freilich werden sie wohl oder übel der Macht der klerikalen Mehrheit im bayerischen Abgeordnetenhause noch manchmal Rechnung tragen müssen, jedenfalls aber sind sie der Zustimmung der Krone sicher, wenn sie, wie in diesem Falle, eS ablehnen, die Herrschaft dem Centrum abzutreten. Seinem ausgeschifften Mitglied: v. Landmann giebt das Ministerium Crailsheim noch eine kleine Genugthuung mit auf den Weg, indem es dem Urheber seines in der Sache doch unfreiwilligen Rück tritts, dem Würzburger Universitätssenate, eine Rüge ertheilt. Darüber aber wird sich dieser schwerlich graue Haare wachsen lassen, denn dadurch, daß sein Haupt zweck, die Entfernung des Herrn v. Landmaim, mit dem ein friedliches Zusammenleben nicht mehr möglich war, erreicht worden ist, ist sein Vorgehen im höheren politischen Sinne als berechtigt erwiesen und anerkannt. Die Mißbilligung der Form seines Protestes ist unter dem weit niedrigeren Ge- sichtSpuncte der Beamtendisciplin zu betrachten. In den politischen, wie in den colonialen Kreisen Frankreichs wird gegenwärtig, wie man uns ans Paris schreibt, die Frage der Vertheidignng der französischen Colonien sehr lebhaft erörtert. Das Cvlvnialbudget ist nämlich in den letzten Jahren sehr gestiegen; cs hat im Jahre 1890 52 Millionen Francs erfordert, im Jahre 1902 aber 116 Millionen Francs, ohne di« Nachtragseredite, nnd von diesen 116 Millionen sind 96 Millionen für mili tärische Zwecke bestimmt. Diese Ausgaben sollen der Nothwendigkeit von Ersparungen angepaßt werden. Es werden zwei Systeme der Vcrthjeidigung der Colonien in Erwägung gezogen. Nach dem einen, demjenigen des Herrn Chantcmps, sollen die Auslagen nicht tuos nicht vermindert, sondern um ungefähr zehn Millionen erhöht werden; dagegen würde das Murinebudgset, von der Vertheidignng der Colonien entlastet, um diesen Be trag verringert. Nach dem anderen Systeme soll für vier bis fünf Jahre ein außergewöhnliches zeitweiliges Budget ausgestellt werden, in nselchcs die einmaligen Ausgaben, wie Bauten, Waffenbeschaffung, Arsenalerrichtung u. s. w., aufzunehmen wären. Tas gewöhnliche Budget würde dann um den Betrag dieser Ausgaben reducirt und nur die zur unmittelbaren Berthcidigung der Colonien un bedingt erforderlichen Beträge enthalten. Die im ordent lichen Budget erzielten Ersparungen würden dann für wirthschaftliche Zwecke dienen. Dieses System wird von Herrn C h a i l l e y - B c r t, der in Colonialkreisen in hohem Ansehen steht, befürwortet, und er schlügt zugleich vor, daß die ersparten Betrüge zu landwirthschastlichcn Versuchen in großem Maßstabe, wie Anbau von Baum wolle n. s. w., ferner zu wissenschaftlichen nnd wirth- schaftlicheu Erhebungen auf dem französischen Colonial gebiets verwendet werden. Der „Tcmps" betont, daß man in Anbetracht des Standes der Staatsfinanzen kaum au eine weitere Steigerung des Betrages von 96 Millionen Francs denken könne. Man müsse darauf bedacht sein, durch gewissenhafte Verwendung dieses Betrages die Mittel zur Organisation der Vertheidignng zu beschaffen. Es sei fraglich, ob alle Anschaffungen, die aus diesen 96 Millionen Francs bestritten werden, thatsüchlich un entbehrlich sind. Sicherlich nicht. Durch Aushebung von Garnisonen, die in vielen kleinen Colonien erhalten werden, ließen sich ansehnliche Ersparungen erzielen. Im Kriegsfälle wären diese Garnisonen ohnedies zu schwach, um Widerstand zu leisten. Aus allen diesen Aus einandersetzungen gehe hervor, daß die Frage der Ver theidignng der Colonien nunmehr auf die Tagesordnung der öffentlichen Discussion gestellt sei. Da nunmehr die Periode der militärischen Operationen in den Colonien beendigt sei, handle es sich darum, lein Vertheidigungs- system festzusteUen, das möglichst wenig Ausgaben ver ursachen und Ersparnisse erzielen soll, die zu Gunsten der Colonien selbst zu verwenden wären. Deutsches Reich. Berlin, 11. August. (I n v a l i d e n - u n d Alters rentenstatistik.) Wie ans dem neuesten Ausweise des Rcichs-Versicherungsamtes über die Entwicke lung der auf Grund des Jnvalidcnver- s i ch c r u n g s g e s e tz e s g c z a h l t e n R e n te n hervor geht, liefen von diesen Renten am 1. Juli d. I. nicht weniger als 718 370. Davon waren 534 000 Invaliden rente n. Diese Rentenart erführt noch iunner ganz beträchtliche Steigerungen. Im letzten Vierteljahr betrug ihre Zunahme «licht weniger als rund 25 000. Es ist selbst verständlich, daß bei einer solchen Zunahme auch der vom Reiche zu leistende Zuschuß eine entsprechende Erhöhung im Etat erfahren muß. Die Altersrenten, von denen am 1. Juli d. I. rund 174 000 liefen, nehmen an Zahl noch immer ctivas ab, jedoch läßt der jetzige Umfang der Ab nahme darauf schließen, daß das Beharrnngsstadinm nicht mehr lange aus sich wird warten lassen. Jedenfalls ist nicht daran zu denken, daß die Abnahme in der Alters- rcntcnzahl auch nur einen in Betracht kommenden Thcil der Zunahme bei den Jnvaliditätsrenten ansgleichen wird. Die neueste Rcntenart, die seit dem 1. Januar 1900 be willigt wird, ist die der K rankcnrente n. Von ihnen liefen am 1. Juli d. I. rund 10 400. Sie stiegen an Zahl recht langsam, weil der Wegfall infolge Tod oder Wieder erlangung der Erwerbsfähigkeit verhältnißmäßig bei dieser Rcntenart bedeutend ist. Jedenfalls nimmt die Ge- sammtzahl der auf Grund des Invalidenversicherungs gesetzes laufenden Renten stetig und beträchtlich zu. Im letzten Vierteljahre hat die Steigerung 23 000 betragen. Es ist nicht anzunehmen, daß sich in dieser Entwickelung bald eine starke Acnderung vollziehen wird. Demgemäß ist vorauszuschcn, daß innerhalb etwa dreier Jahre die Zahl der auf Grund des I n v a l i d c n v er st ch c r n n g ö g e s e tz e s laufenden Renten die erste Ni illivn überstiegen haben wird. * Berlin, 1l. August. Aus dem kaiserlichen Sommer-Reiseprograinm werden der „Post" in kurzen Umrissen die folgenden hauptsächlichsten Daten mitgetheilt. Im Anschluß an die Rußlandreise des Kaisers wird der Monarch am Dienstag, den 12. d. Mts, Vormittags zur Thcil« iiahme an dem Stapcllauf dcs großen Schnelldampfers „Kaiser Wilhelm II." in Stettin eintreffen, und nach 1'/»stündigem Aufenthalte daselbst nach Neugattersleben weiter» fahren, um bei der Enthüllung des Grabdenkmals für die verstorbene Gemahlin des Kammerherrn Grasen v. Alvensleben zugegen zu jein. Von dort begiebt sich dec Monarch am Dienstag Abend mittels SonderzugeS nach dem Truppenübungsplätze in Alten-Grabow bei Loburg, über nachtet daselbst im Kaiserzelte des Barackenlagers und wohnt am 13. und 14. ds. MtS. den großen Cavallerie-Exercircn bei. Von Alten-Grabow reist der Kaiser voraussichtlich direct nach Düsseldorf zum Besuche der Ausstellung, nachdem sich beide Majestäten zur gemeinsamen Fahrt nach dort auf einer Zwischeu- station vereinigt haben werden. Die Ankunft in Düsseldorf erfolgt am 15. d. M. 8V, Uhr Vormittags, die Abreise von dort nach Schloß Homburg v. d. H. bald nach 1 Uhr Mittags. Am 16. d. M. wird der Kaiser, nach einer an die königliche Regierung in Coblenz gelangten amtlichen Nachricht, von Bonn her zu Schiff in Coblenz eintreffen und dann die Reise nach Mainz mit der Bahn fortjetzen. Nach einer hierzu von anderer Seite gemachten Mittheilung wird der Monarch bereits am 15. d. Mts. Abends, direct von Düsseldorf kommend, in Mainz eintrcffen und im dortigen Grobherzoglichen Palais Wohnung nehmen. Aus diesem Anlasse ist die Illumination einzelner Straßen züge in Aussicht genommen. Am 16. d. Mts. beabsichtigt der Kaiser, nach den bisher getroffenen Dispositionen, in Gegenwart LeS von England zurückgekehrten Großherzogs Ludwig Ernst von Hessen auf dem Großen Mainzer Sande eine Truppenschau abzuhalten, zu welcher, dem Vernehmen nach, etwa 20 Jnsanterie-Bataillone zusammengezogen werden. Im Anschluß hieran besichtigt der Kaiser die Casernenneubauten und fährt dann nach Schloß Homburg, wo vorläufig das kaiserliche Hauptquartier aufgeschlagen wird. Ob der Kaiser gelegentlich seiner Anwesenheit in Mainz auch der Residenz des Großherzogs von Hessen einen Besuch abstatten wird, steht noch dahin. Am 19. d. Mts. Vormittags findet in Gegenwart des Kaiserpaares, des Kronprinzen u. s. w. die feierliche Enthüllung dcs Kaiserin Friedrich-Denkmals im Cur- parke zu Homburg, und am Tage darauf (20.) diejenige des Kaiser Friedrich - Denkmals in Cronberg statt. Die Rückkehr des kaiserlichen Hofes nach dem Neuen Palais bei Potsdam ist gegen den 24. d. Mts. zu erwarten. Am 25. d. Mts. wird in Gegenwart des Kaiserlichen Paares die Kapernaumcapelle in der Seestraße hierselbst eingeweiht. Nm 27. d. M. trifft König Victor Emanuel III. von Italien mit großem Gefolge als Gast des Kaiserpaares zu mehrtägigem Besuch im Neuen Palais ein. Ter König wird auch der großen Herbstparade am 30. d. M. auf dem Tempclhoser Felde in der Suite des Kaisers beiwohnen. Bald nach der Abreise des Königs von Italien treten die Majestäten in Begleitung Les Kron prinzen und der beiden älteren kaiserlichen Prinzen (Prinzen Adalbert und Eitel Friedrich) die Fahrt zu Len Kaisertagen in Posen an. Die Ankunft daselbst ist auf Dienstag, 2. September, festgesetzt. Die Kaijerparade findet am 3. September statt. Am 5. September verlassen die Majestäten Posen, um sich mit den Prinzen-Söhncn für die Dauer des nun beginnenden Kaiser-Manö vers in das Manöoergclände zu begeben. Nach Beendigung der Kaisermanöver kehrt der Hof nach Berlin bezw. Potsdam zurück. — Die Hofhaltung der kaiserlichen Familie in Cad inen wird nach etwa vierwöchigem Bestehen in Liesen Tagen wieder aufgelöst werden. Tie Kaiserin beabsichtigt, mit den beiden jüngsten Kindern, dem Prinzen Joachim und der Prinzessin Victoria Luise, demnächst von dort abzureisen und auf einer Zwijchenstation Feuilleton. Das Fräulein von Saint-Sauveur. sj Roman von Groville. (Nachdruck verboten.) Neuntes Capitel. „Sie können sich das nicht vorstellen, meine Damen!" sprach -er alte Baron von Molly, der sich bequem in seinen Fauteuil zurückgelehnt hatte, das Kinn auf den Rabenkopf stützte, der seinem Stocke als Griff diente, und dabei mit den Augen zwinkerte, gleich einer Eule, die un versehens ans Tageslicht gcrüth. „Jede Phase war un vorhergesehen! Achtundzwanzig gingen ab, darunter mehrere zum ersten Male. „Bon-Ami" und „Folichon" haben sich wacker gehalten, aber „Rocaillouj" lief, als hätte er Blei an den Füßen gehabt, und „Va-Ton-Train", daß es ein wahrer Jammer war. „Löchefrite" hat den Charte preis davvngctragcn, obwohl ihm „Croqnemitaine" den Lieg am Ende zu sehr streitig machte. In Folge eines Fehlers, den „Collerctte" im großen Mühlenpreis beging, hätte das Pferd des Herrn Grandier seinen Jockey auf ein Haar zur Erde gesetzt. Der Schlnhkampf zwischen „Bella" und „Lucifer" war wunderhübsch. Vor der Hecke überholte „Lucifer" seinen Eoncurrcnten. Es war geradezu himmlisch, sage ich Ihnen! Herr von Villorä sollte „Lucifer" ankanfen; denn cs wäre das ein nnver» glcichliches Zuchtpferd." „Um Gottes willen, Antoinette, wovon wird denn da gesprochen?" fragte Fräulein von Saint-Sauvcnr ihre Nichte mit gedämpfter Stimme. „Bon den Wettrennen zu Poitiers, Tautchcn", gab das junge Mädchen zerstreut zur Antwort. „Ich habe keine Silbe verstanden! Du guter Gott, wie viele Dinge giebt cs doch gegenwärtig, von denen ich nichts verstehe! Und ist das wenigstens interessant?" „Gewiß, Tantchen, für Diejenigen, für die cs eben — interessant ist." „Wie wär's, wenn wir gingen?" „Sobald der Baron aiifstcht, Tantchen. Warte also noch ein wenig." Die Blicke der jungen Dame schweiften bei diesen Worten durch die Glasthür über den Rasenplatz von Tonrnellcs, wo man wohl oder übel den üblichen Dankes- besuch abstatten mußte. Wird sie denn hinter dem wohl- gcpflegten Gebüsch nicht endlich die hohe Gestalt des Poeten auftauchcn sehen? Sie wäre trotz der An forderungen der Schicklichkeit nicht gekommen, wenn sie nicht gehofft hätte, ihn wiederzusehen. Nicht etwa, als hätte sie Gefallen an ihm gefunden; allein eine Art nervöser, fast krankhafter Neugierde liest sie ein Wieder sehen herbciwünschen, vielleicht nur um sich selbst zu über zeugen, daß er ihr nicht gefalle, oder aber auch, um ähn liche Worte zu vernehmen wie jene, die sic vor einigen Tagen ein wenig berauscht hatten. Der Baron erhob sich nicht ohne Mühe. „Es war sehr interessant, meine Damen, ich versichere Sic! Es geht aber auch nichts über die Pferde! Natürlich muß man Bescheid wissen; denn sonst . . . Ich Halle mich jüngst ganz köstlich bei Ihnen amüsirt, und ich drücke Ihnen meinen verbindlichsten Dank aus, mein schönes Fräulein, meine sehr verehrte gnädige Fran. . . Ich küsse Ihnen die Hände." Und damit tänzelte der alte Geck hinaus. Auch Antoinette und ihre Tante waren aufgcstanden, um sich gleichfalls zu verabschieden, als ein Schatten sich zwischen sie und das Tageslicht schob, und Jehan eintrat. Ja, Antoinette hatte sich ganz entschieden getäuscht. Im gewöhnlichen Jackct nahm er sich bedeutend weniger vorthcilhaft aus. Aber wie stellte man es an, jetzt zu bleiben? Sie hätte gar zu gerne gewußt, ob er auch weniger gut sprechen würde. . . . Sic fühlte indessen, daß unter dem spähenden BlickeRolande's jedwede Unter haltung ausgeschlossen sei. Sie raffte sich also empor und nahm Abschied. „Schon?" fragte Jehan, als sic an ihm vorbeikam. Sic blickte ihn an, ohne zu wissen, was sie sich denken sollte. Der Dichter hatte ganz entschieden einen Ausdruck im Gesicht, der ihr nicht gefiel und den sie noch bei keinem Manne wahrgenommcn hatte, mit dem sie bisher in Be rührung gekommen war. Sie fühlte sich verletzt, als Hütten dieses „Schon?" und der dasselbe begleitende Blick den Verdacht eines Einverständnisses zwischen ihnen er regen können, nnd mit einem leichten Neigen des Kopfes schritt sic schweigend an ihm vorüber. „Sic werden die Leute doch nicht begleiten?" fragte Rolande bissig, als sic sah, daß sich Olivettes anschicktc, den beiden Damen bis zur Freitreppe zu folgen. „Da ich der einzige Mann im Schlöffe bin, so wäre dies durchaus meine Pflicht gewesen, mein Fräulein", er widerte er nicht ohne Acrger, „Hoch wenn es Ihnen miß fällt, so verzichte ich gerne darauf." Er machte eine türze Verbeugung und schritt durch die entgegengesetzte Thür hinaus. Der große Salon war leer. Mutter und Tochter blickten sich mit kriegerischer Miene an. „Man sollte meinen, der Mann glaubt, er sei zu Hause", bemerkte die Mutter mit honigsüßer Stimme. Rolande zuckte die Achseln. Seit acht Tagen schon durchkostete sic allerlei Freuden und Bitternisse. Welch' eine Menge von Frauen und Mädchen hatten sich ein gefunden, um sie ihres Troubadours zu berauben! Und welch' eine Menge von Jagdeinladungcn er erhalten hatte, für drei und acht Tage und noch mehr! Man be fand sich in den ersten Tagen dcS August; glaubte mau wirklich, daß sie ihn bis zum Beginne der Jagdsaisvn im Hause behalten werde, damit sie dann enögiltig mit ihm eomproinittirt sei? Entweder wird Jehan bis Ende dcZ Monats nin ihre Hand anhalten oder er wird nach Paris zurückkchren. Zum Narren läßt sie sich von 2kicmand halten. „Was ist denn das für ein Brief, den Du in der Hand hältst?" fragte Rolande ihre Mutter mit einem Male. „ES wäre doch besser, offen und rückhaltlos zu sprechen, als wie die Katze um den Brei zu schleichen." Fran von Tonrnellcs blickte zum Fenster hinaus, schloß die Thür nnd zog den Brief aus seinem Umschlag. „Meine Nichte Chantcflcur schrieb mir", sagte sic, „das heißt, nicht sie, sondern ihr Gatte. Arme Cölestinc! Ich glaube, daß sic in gewaltige Verlegenheit käme, wenn sic etwas Anderes als ihren Namen zu schreiben hätte. Rolande warf den Kopf empor wie ein Kampfroß, wenn cs Trompeten schmettern hört. „Deine Nichte Cllantcflcnr? Du hast eine Nichte Chantcflcur? Was für Leute sind das? Du hast noch niemals über dieselben gesprochen." „Weil es arme Leute waren" erklärte Frau von Tonrnellcs. Das Argument war so einleuchtend, daß Rolande keinen Einwurf machte. „Und nun wollen sie gewiß Geld?" fragte sic ver ächtlich. „O nein; denn sic haben ein schönes HauS nnd ein hübsches Vermögen dazu geerbt." „Tas ist etwas Anderes. Was wollen sie also?" „Besuchen wollen sie uns, nm zn sehen, wie man ein großes Hans führt. Sie wollen sich nämlich ein Ansehen geben." „Doch nicht hier?" „Nein, sondern in der Nähe von Blois, wo sic ihr Schloß besitzen. Sie nennen eS Schloß, weißt Du . . . Ich kannte den Patron . . ." „Welchen Patron?" „Bon dem sie geerbt haben." „Mama, Du sprichst wie ein Traumbuch. Könntest Tn Dich nicht ein wenig klarer ansdrücken?" Die Mutter räusperte sich. „Die Lache . . . hm! ... die Sache ist ein wenig ver wickelt. Doch nm eS kurz zn machen, die Mutter Cölcstincns war meine Schwester, die nur diese einzige Tochter hatte." „Sic ist also meine Base?" „Wenn Du willst, ja. Und da sie geerbt hat, so ist sie sicherlich Deine Base. Sic hcirathctc einen Vcrwal- tungsbeamtcn, der sic nicht ihrer Schönheit wegen heirathcte, sondern . . . hm! . . . der Erbschaft halber, die ihr eines Tages Zufällen mußte." „War er auch ein Verwandter?" „O, nur sehr entfernt! Ich hätte niemals viel für ihn gegeben. Er hat sich mißliebig gemacht und seine Stelle verloren. Di« Gallen brachten sich nnr mit großer Mühe fort, bis ihnen endlich die Erbschaft zuficl. Sie haben möglichst Alles zn baarem Gelde gemacht nnd das Schloß neu aufbaucn lassen, da cs in sehr schlechtem Zu stande gewesen zu sein scheint. Und nun wollen sie sich ein feines Benehmen und elegante Manieren aneignen, um in der Gegend ihres Schlosses, wo sie Niemand kennt, zu Macht nnd Ansehen zu gelangen!" „Ich verstehe", erwiderte Rolande. „Doch wenn sic auch unserer bedürfen, so bedürfen wir doch ihrer nicht! Schreibe ihnen, daß wir daS Hans bis zum Giebel voll gepfropft mit Menschen haben, nnd damit ist die Sache erledigt!" „Du bedarfst ihrer freilich nicht", bemerkte Fran von Tonrnellcs, dije während der Worte ihrer Tochter die Lippen unaufhörlich bewegt hatte, „aber ich bedarf ihrer um so dringender!" „Was willst Dn denn mit ihnen ansangen?" „Wenn Cölestinc sterben würde — Kinder sind nicht vorhanden, nnd die Acrmste ist nicht gesund —, so fiele ihr Geld mir zu." „Mama, ich bewundere Dich! Du denkst an AlleS!" „Daß ich an Alles gedacht habe, ist nur Dir zu Gute
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