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Riesaer Tageblatt und Anzeiger : 23.04.1904
- Erscheinungsdatum
- 1904-04-23
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1666408611-190404232
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1666408611-19040423
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1666408611-19040423
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungRiesaer Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1904
- Monat1904-04
- Tag1904-04-23
- Monat1904-04
- Jahr1904
- Titel
- Riesaer Tageblatt und Anzeiger : 23.04.1904
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«8 noch in viel gröberem Maßstabe. Da- Ungeziefer hat dort sein Eldorado gefunden. Die Leutnants und Sergeanten, die ohne Kontrolle das ihnen von der Intendantur ange wiesene Geld verwenden, können sich ungestraft berei- chern. Nur der größte Hunger läßt das abscheuliche Essen kosten. Der Rekrut hat bei solcher Behandlung tüchtig zu arbeiten, Gräben aufzuwerfen, Steine zu klopfen, Wege zu den Bergen zu bahnen. Das Entsetzlichste sind die alten Legionäre, von denen sich fast immer einige auf den Forts befinden. Diese Kerls, die in ihren Handlungen weil unter dem Bieh stehen, entblöden sich nicht, jungen, frischen Rekruten die schändlichsten Vorschläge zu machen. Und mancher wird in der Aussicht auf ein gutes Essen ein Opfer des scheußlichsten aller Laster, noch ehe er seinem Truppenteil, dem 1. Regiment in Sidi-bel-Slbbes, oder dem 2. Regiment in Saldo eingereiht wird. Die Fremdenlegion bildet nicht nur den merkwürdigsten Misch masch von Nationalitäten, sondern auch von einzelnen Menschen klassen: ehemaligen Offizieren, Unteroffizieren, Gemeinen und Künstlern, Gelehrten, Kaufleuten, Arbei tern; unmündigen, halbwüchsigen Burschen, Männern in vierziger und fünfziger Jahren, Unschuldigen, Verbre chern. Auf den bureaux de recrutement kann bei der Anwerbung jeder angeben, was er will; die Daten seiner Vergangenheit sind unkrontrollierbar. Ist diese aus allen Ländern und Ständen zusammengewürfelte Schar auch durch die Berbrecherluft verpestet, so ist doch fast jedem einzelnen eine Verwegenheit eigen, aus der „eine eiserne Energie treibt, eine instinktive Leidenschaft für Abenteuer, ein erstaunliches Talent für selbständiges Entschließen und eine übernatürliche Todesverachtung, kurz, alle die höchsten Eigenschaften des Kriegers". Daß eine unnachsichtliche Strenge in der Fremdenlegion herr schen muß, das wird niemand der französischen Regierung zum Vorwurf machen wollen. Aber leider wird infolge heillosester Korruption nur nach Ansehen der Person ver- . fahren. Nordeck erzählt von einem Sergeanten, der zu ü Jahren travaux force- (Zwangsarbeit) verurteilt wurde, weil er seinen Kapitän niedergeschossen hatte. Nach 4 Jahren wurde er frei und Regimentslammer-Unter- ofsizier. Oder ein Soldat weigert sich zu exerzieren. Er wird von dem Sergeanten «ägeführt. Zwei Stunden daraus ist der Soldat frei, und der Sergeant hat vier Lage Arrest zu verbüßen. Ein Rekrut läßt beim Tpill ein Wort der Entrüstung fallen. Er kann dafür nach dem Willen des Instrukteurs jahrelange „Staatsarbeit" er halten. Ein anderer Instrukteur läßt den Rekruten in feldmarschmäßiger Ausrüstung (78 Pfund) alle Arten von Hebungen machen, bi- er aus Ueberanstrengung umfällt. Dem Armen werden nicht nur Kolbenstöße und Fußtritte versetzt, er kann leicht noch wegen dieser Art von „Ge horsamsverweigerung" 5 bis 10 Jahre travaux erhalten. Lrotzdem die Legierung Geld zur ausreichenden Verpfleg ung gibt, ist die Nahrung infolge der Betrügereien der Vorgesetzten eine äußerst schlechte. Die erbärmliche Löh nung kann das Fehlende nicht ergänzen: der Legionär wird zum Diebstahl getrieben. Ein gewisser Müller aus Pommern, der 1885 aus Metz desertierte, wurde, weil er, vom Hunger getrieben, drei Gewehre an Araber ver kauft hat, zu fünf Jähren Zwangsarbeit verurteilt. Drei Monate waren im,Mlo" zu verbüßen, dem sogenannten algerischen Gefängnis, einem tiefen Erdloch, das sich »ach oben verengt. Müller mußte dort in seinem eigenen Kote schlafen; eiternde Löcher zeigten sich infolge des Ungeziefer- an seinem Körper; Schmerzen und Hunger brachten ihn soweit,, daß er sich mit Hilfe eines an einem Stein geschliffenen Blechlöffels den Zeigefinger der rechten Hand absägte. Ein Elsässer namens Reiter war beim Strafexerzieren zusammengebrochen und konnte kein Wort auf die Frage des Kommandeurs über die Lippen bringen. Reiter wurde dafür in die „Cvapaudine" ge spannt, in eine Art „spanischer Bock", durch welchen Hände und Füße aus dem Rücken derart gebunden werden, daß sie sich berühren. Als nach 14 Tagen die Banden gelöst wurden, fand man den Unglücklichen tot. Auf - einem Marsche wurde 1885 ein anderer Elsässer Huber wegen eines leichten Vergehens in die „Crapaudine" vor dem Wachtzelte bei gliihender Sonnenhitze gespannt und Speise und Trank vor ihn gesetzt, ohne daß er die Nahrung be rühren konnte. Es hagelte noch Kvlbenstöße und Fuß tritte. Dann wurde Huber nackt auf einen Ameisenhaufen geworfen. Ein Herzschlag endeten die Leiden: der Tote wurde nicht begraben, sondern für Hyänen und Schakale liegen gelassen. Das sind Beispiele von vielen Hunder ten. Wir leben im 20. Jahrhundert. Tas Volk, das eine Institution wie die Fremdenlegion duldet, wagt es im mer noch, seine Kultur als die hervorragendste zu prei sen. Wem aber das Wesen der „Fremdenlegion" bekannt ist, der wird wissen, welchen Platz man einer solchen Na tion unter den Kulturstaaten anzuweisen hat. Wäre ich Kriegsminister, so würde ich zu Nutz und Frommen aller deutschen Vaterlandsverteidiger die „Erinnerungen ehe maliger Fremdenlegionäre" in den Kasernen verteilen lassen. v wie wunderschön ist die. Frühlingszeit. Wenn der Frühling auf die Berge steigt Und im Sonnenstrahl der Schnee zerfließt. Wenn das erste Grün am Baum sich zeigt Und im Gras das erste Blümlein sprießt — Wenn vorbei im Tal Nun mit einemmal Alle Regenzeit und Winterqual, Schallt es von den Höh'n Bis zum Tale weit: O wie wunderschön Ist die Frühlingszeit! Wenn am Gletscher heiß die Sonne leckt, Wenn die Quelle von den Bergen springt, Alles rings mit jungem Grün sich deckt Und das Lustgetön der Wälder klingt — Lüfte lind und lau Würzt die grüne Au', Und der Himmel lacht so rein und blau. Schallt es von den Höh n Ms zum Tale weit: O wie wunderschön Ist die Frühlingszeit! War's nicht auch zur jungen Frühlingszeit, Als dein Herz sich meinem Herz erschloß? Als von dir, du wundersüße Maid, Ich den ersten langen Kuß genoß? Durch den Hain erklang Heller Lustgesang, Und die Quelle von den Bergen sprang — Scholl es von den Höh n Bis zum Tale weit: O wie wunderschön Ist die Frühlingszeit! R. Z. Friedrich Bodenstedt. KrMk >mb «all w» Lmga 4 Winterlich, «ksa; für die «rdavion vrrantwortlich Hermann Schmidt in Rieia. Erzähler an der Tide. vrlletr. Gr«tiSveil»ge r» „Mefier r«<evlrtt". Nr. »7. Zk Heimat. WTizahlnngkvon'H'v^n KVa'u.s-.e^Egr»nsHellew. — I Fortsetzung. Meta lachte laut und höhnisch auf: „Das is wirklich zu jütig, daß ich nicht Schafe scheren soll, nee zu nett!" „Na also, Meting," meinte er zärtlich, „was willst Tu mehr?" „Nach Berlin will ich wieder, heerste," sagte sie heftig. ,/Was bildste Dir ein? Soll ich Schweine füttern? Soll ich melken? Soll ich graben und Kartoffeln hacken? Das fällt mir garnich ein, dazu och noch heiraten. Ich will heiraten, damit die ewige Schinderei mit die Herr schaften uffheert, damit ich jute Tage habe und meine eigene kleenc Wirtschaft, aber hier uff'n Lande mich zu Schanden raffen und Sonntags vor Langeweile um kom men, nee, da haste Dir verrechnet." Es entstand eine Pause, dann sagte Franz kleinlaut: „Aber Meting, was soll dann werden, Du willst mir doch nicht aufsagen?" „Ach wo, Schnutecken," entgegnete sie in verändertem Don, aber Mores will ich Mr beibringen, wie der alte Professor immer sagte, was ineine vorletzte Stelle war. Tu bist doch auch Ville zu schade vor dies Leben. So eener wie Du sinkt doch überall Arbeit, da sind in Berlin ganz andre Posten. Wenn Du zum Beispiel bei Borsigen onkommen kannst oder in ne andre jute Fabrik. Da tuste Deine paar Stunden Arbeit, nachher biste frei. Ich kriege ne Auswartestelle, wir mieten uns ne kleene, nette Wohnung, nicht zu weit von der Fabrik, da brauchen wir uns mit kein Vieh zu schinden, da fahren wir Sonn tags nach Rixdorf mit der Elektrischen oder wo sonst was los is. Da hat uns keener was zu befehlen, da sind wir Freiherren. So wird's gemacht, und nu gib mir 'n Kuß und sage Deinen ollen Herrn, daß wir riss seine Wohnung blasen." Franz antwortete nicht. Endlich meinte er zögernd: „Ich wär' doch gern hier geblieben, man ist doch mal hier zu Hause." „MUmpitz," sagte sie verächtlich, „zu Hause ist, wo Tu Deine Frau und Dein jutes Auskommen und Tein be quemes Leben hast. Und nun sei vernünftig. Wart Schnutecken, Du sollst mal sehen, was wir uns fein raus machen in Berlin, so'n Kerl wie Du muß sich hier von Enspektors anschnauzen lassen und hast doch bei de Jarde gestanden und willst Mist laden!" „Ja, da hast Du recht, Meting, der Inspektor, das is n' Äel, der wird sich ärgern, wenn ich fortmache, der dachte, ich müßte man so." „Siehste," triumphierte sie und fuhr dann fort, ihm das Berliner Leben, das sie in Zukunft führen würden, so lange in den rosigsten Farben auszumalen, bis er ganz hingerissen war und garnicht mehr begriff, wie er hatte so dumm sein können und hier bleiben wollen. Sie lachten und schäkerten zusammen und Meta ging endlich hinunter, holte Kaffee für sie beide herauf, ihren Weih- nachtsluchen und Zucker. Als sie wieder heraufkam, meinte Franz, bei dem die Begeisterung für die neue Zukunftsidee wohl etwas ver flogen sein mochte: „Aber Mutter, Meting, die wollte doch bei uns einziehen, die kommt nicht mit nach Berlin." »7. Iahe«. „Ach, das wäre doch nicht jejangen," sagte sie. „So mit ne Schwiegermutter, das jeht meistenteils schief, nee laß sie man hier. Das ist besser für sie." Franz dachte daran, wie seine Mutter allerdings nicht für Berlin passen würde, und daß sie sich neulich ziemlich abfällig über die zukünftige Schwiegertochter geäußert hatte, von der die Frauen im Dorf erzählten, daß sie gar keine ordentlichen leinenen Hemden habe, und keinen gestrickten Strumpf, lauter Fludder. So war er auch zufrieden. Er nahm Meta auf den Schoß, und sie war liebevoll und zärtlich und versicherte einmal über das andere, daß ihr Schnutecken sicher das zgroße LoS in Berlin haben werde als feiner Arbeiter. Fielen hatte leider nebenan beide Aermel auf einen Arm zugeschnitten, und da das Zeug nur gerade reichte, war das eine üble Sache; aber als es nun dunkel wurde und sie noch kein Licht anstecken wollt«, setzte sie sich in die Fensternische der Mansardenstube und sah durch die halbgefrorenen Scheiben der Purpurglut der sinkenden Sonne nach dis hinter dem Schleier des kahlen Gezweigs im Garten nach und nach verblaßte. Nur daS laute Ticktack der alten Schwarzwälder Uhr und das zärtliche Flüstern der beiden nebenan drang durch die Stille. Fielen wollte sich gern freuen, daß sie nun beide fort zogen, sie brauchte doch nun nicht mehr täglich zu sehen, wie sie glücklich waren, aber sie freute sich nicht. Nun ging er auf immer,' und wie würde es ihm gehen in der schrecklichen, großen Stadt. Sie faltete unwillkürlich die Hände. „Ach, lieber Gott, behüte ihn, behüte ihn!" flüsterte sie, und zwei dicke Manen rannen über ihr gutes, kleines Gesicht. — ' . Im April war Franz mit seiner jungen Frau bereits in Berlin. Sie schien wahr prophezeit zu haben. ES fehlte ihm nicht an Arbeit. Auf der ersten Stelle blieb er aber nicht lange, er behauptete, der Werkmeister könnte ihn nicht leiden. Eines Tages kam es zum Wortwechsel, er wurde entlassen. ,Laß Du Dir nischt jcfallen, det brauchste nich!" sagte Meta, „Tu kriegst wieder ne Stelle." Es dauerte doch ein paar Läge, bis er wieder in einer Eisengießerei an kam, hier war die Arbeit schlverev als in der Tuchfabrik, aber er griff zu, denn der kurze Ausfall brachte ihn schon in Verlegenheit. Seine Ersparnisse hatte die von Meta ziemlich groß artig veranstaltete Hochzeit in Berlin verschlungen, und als er nach den ihrigen nun ernstlich forschte, hieß es, sie habe ihre Aussteuer besorgt. Diese bestand zumeist im Brautstaat; einige wenige Bettbezüge schenkte di» Tante aus Fürstenwalde, von der Meta immer so viel Wesens gemacht hatte und die dabei ziemlich grob und unmißver ständlich schrieb, sie könne übrigens für solche Hunger heirat nichts tun. Franz wollte dies Geschenk zurück schicken, aber Meta behielt es, weil es doch sehr nötig war. Sie sagte aber, daß sie dem alten, geizigen Drachen den Gefallen nicht tun wolle. Ales, was sonst zur Ein richtung gehörte, einige Kochtöpfe und Schüsseln, die Metas Freundinnen als Hochzeitsgeschenk brachten, aus genommen, ward auf Abzahlung genommen. Ein Plüsch sofa durfte indessen nicht fehlen. Meta fand eine leichte Aufwartestelle und nähte Kinderschürzen für ein Geschäft. UebrigenS schloß sie Rief», de« »3. «prU1V»4.
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