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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 08.07.1903
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1903-07-08
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19030708028
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1903070802
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1903070802
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1903
- Monat1903-07
- Tag1903-07-08
- Monat1903-07
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Professor Mazzoni erklärte einem Mitarbeiter der „Jtalie", es sei wohl grotze Wahrscheinlichkeit vorhanden, daß der Papst der Krankheit erliegen werde, aber er glaube noch nicht daran. * Rom. 7. Juli. Las Bulletin von 8 Uhr 2» Min. adendS besagt: Das ziemlich befriedigende Befinden des Papstes, von dem das letzte Bulletin mitteilte, hält an. Der Blntnmlanf und die Atmung find langsam, aber in fortschreitender Besserung begriffen. Der „voce della BeritL" zufolge ist die bläuliche Färbung tv^uuosl«) der Extremitäten geschwunden. Die Störung der Rierentätigkeit dauert fort. * Rom, 8. Juli. (Telegramm.) Die „Boce della veritü" meldet, der Papst habe eine verhältntsmätzig ruhige Nacht verbracht. * Rom. 7. Juli. (Mitternacht.) Im Vatikan herrscht voll kommene Ruhe; jedermann hat sich um 10'/, Uhr in seine Gemächer zurückgezogen. Der Piazza di San Pietro ist völlig menschenleer * Rom, 7. Juli. „Jtalie" meldet, der Papst habe den Wunsch geäußert, daß Kardinal Gotti sein Nachfolger werde. „Tribuna" tritt einer Pariser Meldung entgegen, nach der die italienische Regierung vier Kandidaten für den päpstlichen Stuhl haben sollte. Das Blatt erklärt, die italienische Regierung sei und bleibe eine eifrige Schützerin der Unabhängigkeit des Konklaves. Das künftige Konklave. und die Aussichten der Papstmahl Beschäftigen nicht nur die zunächst Beteiligten, sondern auch Kleriker und Laien in allen Ländern in steigendem Matze, je mehr eine Wiederherstellung Leos XIII. aus dem Bereiche der Mög lichkeit gerückt erscheint, lieber die Anschauungen, die hierüber an verschiedenen nnterrichtcten Stellen herrschen, wird dem „Berl. Lok.-Anz." berichtet: * Wien, 7. Juli. Eine in hervorragender Stellung befindliche, in vatikanischen Fragen sehr gut versierte Per sönlichkeit in Wien äutzert sich folgendermaßen über die Kandidaten für den päpstlichen Stuhl: „Die Namen, welche in Betracht kommen, sind Nampolla, Vanntclli, Svampa, Gotti und Oreglia. Von diesen fünf müssen zwei ausgcschiedcn werden: Svampa und Oreglia. Svampa hat ein Gcsichtsleidcn, das jeder ärztlichen Kunst bisher Troy geboten hat. Der Kardinal Eamerlengo Oreglia ist 76 Jahre alt und sehr nervös. Es bleiben Banutelli, Rampolla und Gotti. Nampolla l>at sich in den 16 Jahren, seit er Staatssekretär ist, unter den Kardi nalen viele Feinde gemacht, was so unvermeidlich ist, daß bisher noch kein Staatssekretär Papst geworden ist, und auch Nampolla wird es nicht werden. — Der beliebteste unter den Kardinälen ist zweifellos Banutelli, der keinen Feind hat, eine versöhnliche, diplomatische Natur, welche die meisten Chancen hätte, wenn ihn das Alter verschont hätte. Aber er ist mit 69 Jahren ganz taub, ein Mangel, Feuilleton. Hotel Alpenrose. Roman von Arthur Achleitner. "ioclwnict verboten. „Jesses, jetzt heult sie! Wegen einer solchen Kleinigkeit!" ,Huhuhu! Das hab' ich nicht verdient für meinen Fleiß und meine Sorge, datz man mich einem gewöhnlichen Dienstboten gleichstellt! Huhuhu!" Schorsch lenkte ein und suchte die heulende Häuserin zu beruhigen. „Na, du, sei nur wieder gut, es war ja so schlimm nicht gemeint! In der Eil' rutscht manchmal ein Mörtel heraus, das nicht überlegt war!" Der Gebrauch des vertraulichen „Du" besänftigte Sina augenblicklich und gab ihr willkommene Veranlassung, die jetzt geschaffene Situation zu ihren Gunsten auszunützen und Schorsch das Versprechen abzunehmen, nie wieder von einer Dienstbotenstellung ihrerseits zu reden. „Willst mir das auf die Hand versprechen?" „Jesses, mach' doch keine Geschichten! Ja, meinetwegen! Aber nun flink eingcpackt, ich möcht noch in die „Alpen rose" hinüber nnd Abschied feiern. Ist ja so schon ganz finster worden! Mach' geschwind Licht, Sina, ich bring' sonst alles durcheinander wie Kraut und Rüben!" Nähertretend sprach Sina: „Laß doch mich einpacken! Es wird deiner Wäsch' nichts schaden, wenn sie von Weiber händen angefatzt wird. Oder etioa doch?" „Glaub' nicht!" lachte Schorsch auf und stellte das Köfferchen auf den Tisch. Sina legte die Hand ans des Burschen Schulter und zog Schorsch sachte an sich, dabei flüsternd: „Wirst aber auch brav sein bei der Militär nnd unverdorben wieder Heim kommen?" Die Lisbkosung duldete Schorsch, doch die geflüsterten Worte wies er zurück: „Jetzt so ein Blech! Willst vielleicht ein militärisches Enger! aus mir machen?" Ein Zittern lief durch Sinas Körper, erregt klang ihre Stimme: „Das gerade nicht, aber ein Amulett möcht ich dir mitgeben, auf datz dir nichts passiert, und du wieder heil und gesund heiiükehrst! Weißt ja, wer — auf dich wartet!" Blitzschnell überlegte Schorsch, wen die Häuserin meinen könnte. Oder weitz Sina etwas von seinem Bei der für einen Papst schwer in die Wagschale fällt. — Do ist Gotti der Mann, bei dem die größte Wahrscheinlichkeit der Wahl liegt." (Auch soll ja, wie oben gemeldet, der sterbende Papst diesen als Nachfolger empfohlen haben. D. Red.) Neber Gotti sagt der obengenannte Gewährsmann: „Gotti, der im Jahre 1834 geboren wurde, also ein Jahr älter ist als Banutelli, war Zeit seines Lebens in allererster Linie un endlich klug, und wenn man fragt, warum gerade er die meisten Chancen hat, so ist eben zu antworten: weil er stets so vernünftig mar, sich streng reserviert im Hinter gründe zu halten. Namentlich hat er sich niemals mit der Oeffentlichkeit in Verbindung zu setzen gesucht. Er ist ge lehrt, er ist energisch, und dann hat er etwas, worauf im Falleschwankendcr Stimmungen aMEnde doch vielankommt, nämlich eine wunderbare, eine imponierend majestätische Erscheinung. Sie erinnern sich an die Wirkung, die von der Persönlichkeit Pius' IX. ausging. Nun, Gotti hat in seinem Auftreten etwas ähnlich Jmpcratorenhaftes. Dann noch etwas. Wenn man von den Päpsten spricht, fragt man gewöhnlich: wie waren sie auf dem Stuhle Petri, was haben sie getan, wie hat das Urteil der Welt über sie gelautet? Selten fragt man aber, von wannen sie gekommen sind. Die moderne Zeit hat vergessen, daß wir einige große Ordensmänner aus dem päpstlichen Stuhle hatten, zum Beispiel den gewaltigen Gregor VH., den glänzenden Pius V. In der neueren Zeit aber hatten wir keinen Ordensmann mehr auf dem päpstlichen Throne. Gotti nun ist ein Ordensmann. Er war seiner zeit General der Karmeliter, und auch dieser Umstand fällt heute, wie die versichern, welche die Stimmungen in Rom kennen, gar sehr in die Wagschale. — Dabei möchte ich Ihnen noch etwas erzählen, was bezeichnend ist für die persönliche Autorität, die man ihm zuerkennt. Ihm ist etwas höchst Seltenes passiert. Er war Nuntius in Brasilien, und weder vor noch nach ihm ist es vor gekommen, datz der Inhaber dieses Postens schon dort, in Rio de Janeiro, den Purpur erhalte» Hütte. — Gotti aber erhielt ihn schon von jenem Posten weg und in jungen Jahren — kurz und gut — alles, was man von ihm erzählt, und namentlich wie man es erzählt, läßt erkennen, daß ihm die Stimmungen am günstigsten sind. Freilich darf man aber nicht vergessen, datz bei einer Papstwahl es niemals eine Sicherheit gibt. Sie kennen das alte, kluge Wort: „Wer als Papst in das Konklave hineingeht, verläßt es als Kardinal." Nach einem alten Gesetze durften die im Konsistorium vom 22. Juni neu ernannten Kardinäle nicht am Konklave teilnehmen, weil an ihnen die vom regierenden Papste vorgenommene Ceremonie der Mundöffnung noch nicht erfolgt ist. Das Gesetz wurde aber von Pius IX. aufgehoben, indem er verfügte, daß Erzbischöfe, die in einem Konsistorium zu Kardinälen ernannt wurden, am zweiten Tage nach diesem Akte wahlberechtigt sind." politische Tagesschau. * Leipzig, 8. Juli. Kaiser und Papst. Bei einem Festmahle, daS zu Ehren des Kardinal erzbischofs Fischer in Köln in der Bürgergesellschaft ge geben wurde, brachte der Kardinal auf den Kaiser und auf spruch mit Füchsl? Sich zur Gelassenheit zwingend und Sina von sich drängend, erwiderte er: „Müßt' nicht, wer auf mich warten soll! Der Vater wird es wohl erwarten können, mein' ich!" „Du, du, du bist aber schon ein ganz hartgcsottncr Bösewicht!" „Bösewicht? Ich habe in meinem Leben noch nichts Böses verübt! Mutz die Häuserin schon besser herausrückcn mit der Meinung! Aber jetzt wird's höchste Zeit zum Ab- schiedstrunk, mich dürstet's nicht wenig!" „So bleib', ich hol' Wein herauf und will dir die Zeit schon vertreiben helfen, gut auch noch! Wirst dich nicht langweilen dabei!" „Fällt mir nicht ein! Ein lebfrischer Bursch gehört unter die Kameraden —!" „Auch recht! Ich wart' schon, bis du heimkommst, muß dir ja das Amulett noch geben —" „Tas kannst behalten, ein Kaiserjäger braucht so was nicht!" Lachend eilte Schorsch fort. Sina biß sich in die Lippe und ballte zornig die Faust. Für so widerspenstig hatte sie den feschen Jungburschen nicht gehalten. Ein klein wenig Entgegenkommen hätte die Sachlage im Hause ändern können, der Sohn wäre sicher begehrenswerter denn der Vater für einen Ehebund. Wenn der Junge aber nicht zugreifen will, wird der Alte geheiratet werden. Nnd das bald. Sina steckte die Lampe an und besorgte die Packung für Schorsch zur morgigen Abreise. Alsdann griff die dralle Häuserin zum Strick zeug nnd ließ die Nadel eifrig klappern,' ist cs ihr doch dar um zu tun, häusliche Tätigkeit recht deutlich zu bekunden, bis Hungerte der Sina angetraut sein wird. Einmal im Ehestände kann der Fleiß schon gemindert werden. So harrte Sina stundenlang der Heimkehr von Vater und Sohn. Die Uhr schlug die zwölfte Stunde, die Hungerles saßen wohl noch drüben in der „Alpenrose" und feierten Abschied. Gähnend reckte sich die Häuserin, rieb sich den Schlaf ans den Augen, griff wieder nach dem Strickzeug, doch die Müdigkeit ward übermächtig. Ein Poltern an der Haustür verscheuchte die Schlafsucht. Sina sprang aus und ging mit einem Kerzenlicht in den Flur, durch welchen Schorsch den schwer bekneiptcn Vater schleppte. „Häuserin, hilf mir ein bissel!" rief der Bursche. Flink stellte Sina das Licht weg und griff herzhaft zu, den Papst einen Trinkspruch aus, der nach der „Köln. Volksztg." folgendermaßen lautete: Wenn ich heute als erster das Wort ergreife, so tue ich das mit sehr gemischten Gefühlen. Liegt doch eine von den Majestäten, denen das erste Hoch gelten soll, von einer gefähr lichen Krankheit schwer getroffen darnieder. Die ganze gesittete Welt nimmt Anteil an diesem Geschick deS Heiligen Vaters, unseres Oberhirten, und gewiß als einer der ersten unter allen Monarchen des Erdreichs unser erhabener Kaiser und König, der in einem innigen Verhältnis zu unserem Heiligen Vater steht. Ich habe aus dem Munde des Kaisers selbst vernommen, wie sehr er den Heiligen Vater schätzt, und der Heilige Vater sagte mir verschiedene Male, er ehre unseren Kaiser hoch, ja, er bewundere ihn. Ter Papst sagte mir noch vor einigen Tagen: „Is vous pris ä'exprimer ma siuosre vßaöration et won sentiment protouck, mon amitis envers votrs ewpereur." Wie schön und erhebend war das untrüg liche Zusammenwirken zwischen dem Papst und dem Kaiser. Das Zusammentreffen dieser beiden Herrscher vor wenigen Wochen war ein weltgeschichtlicher Moment. Wenn der Papst und der Kaiser auch in mancher Beziehung verschieden sind, anerkennen müssen wir doch die Kongenialität, in der sie in ihrem Schaffenseifer auf allen Gebieten dieses Lebens zusammenwirken. Dieses Zusammenwirken der beiden größten Herrscher der Jetztzeit ist umso wichtiger, als der Geist der Verneinung, der Zerstörung und des Um sturzes in unserem Vaterlande weitere Verbreitung gefunden hat. Da tut es not, daß alle staatserhaltenden Kräfte sich zu- sammenschließen und daß diejenigen, die berusen sind, an der Spitze zu stehen, die Geister zu leben und das Schwert zu führen, zusammenarbeiten zum Wohle des Vaterlandes, zum Schutze der Gerechtigkeit. Da ist es nötig, daß beide Gewalten sich begegnen, wie wir es jüngst gesehen haben bei der Zusammen kunft zwischen dem Papst und dem Kaiser. Möge Gottes Vor sehung das Leben und Schassen beider Herrscher noch lange er- halten. Ich spreche aus dem Herzen und aus der Gesinnung unseres Kaisers, wenn ich heute namentlich den Wunsch äußere, Laß Gott den Heiligen Vater trotz seines hohen Alters noch lange erhalten möge in seiner bisherigen Frische und Schaffenskraft, nicht nur zum Wohle der katholischen Kirche, sondern auch zum Wohle der gesamten Menschheit. Ter Papst und der Kaiser leben hoch! Die Versammlung stimmte lebhaft in den Hochruf ein. Nachträglich dürfte sich wohl mancher der Zuhörer im Stillen gefragt baden, ob die Versicherungen des Redners über daS Verhältnis der „beiden größten Herrscher der Jetztzeit" nicht mehr den Wünschen des Kardinals als den Tatsachen entsprechen. Wie Leo XIII. über den Protestantismus denkt, ergibt sich aus seiner CanisiuS-Encyklika, seiner JubiläumS-Bulle vom 1l. Mai 1899 und anderen Kundgebungen sonnenklar. Seine Bewunderung für unseren Kaiser findet also ihre bestimmte Schranke an dem treu protestantischen Charakter Kaiser Wilbems II. Und dieser wieder kann als Protestant den Papst nur soweit verehren, als dieser nicht den Protestantismus verdammt. Tatsächlich kann also die gegenseitige „Ver ehrung und Bewunderung" nicht weiter gehen, als! bis zu dem Zugeständnis, baß man trotz der prinzi-1 sodaß es beiden gelang, den Alten die Treppe hinauf und ins Bett.zu bringen. „Nett bringst den Vater heim!" sprach Sina, „ich arbeit' mir die Hände blutig, warte und warte; cs ist aber nichts erkannt!" „Na, sei nur nicht bös'! Und arbeiten muß unsereins ja auch! Ich dank' halt recht schön. Und wenn die Häuserin etwa noch nicht schläfrig genug ist, könnten wir zwei noch ein Flasche! trinken, mich dürstet jetzt erst recht, es war ja eine Mordsarbeit, den Vater Heimzubringen." „Gern, Schorsch! Gehst etwa mit in den Keller und willst mir leuchten?" „Kann ich auch!" rief der Bursch, nahm hen Leuchter und schritt etwas unsicher in den Keller, wohin Sina als bald mit einer dickbäuchigen Flasche nachfolgte. „Na, diese Flasche wird groß genug sein, ich merk' schon, du schaust auf mich und sorgst, daß ich nicht zu kurz komme!" lachte Schorsch und bezeichnete das Faß, von welchem abgezapft werden solle. „Wenn cs der Herr Schorsch nur einsieht! Mes für den jungen Herrn!" zirpte Sina und blickte den Burschen lodernd an. „Bist ein gutes Ding, Sina! Mußt aber schon auch auf den Vater schauen, nicht gleich alles für mich tun! Und abzapfen mntzt schon du, ich seh' nimmer ganz gut, hm, werd' vielleicht doch bereits zuviel Wein erwischt haben, ein Zungenschläge! ist — supp — schon da, jupp!" „Nu, nn, ein Viertele geht schon noch hinunter, ist ja ein Abschiedsschluck!" erwiderte Sina und ließ den Reben saft in die Flasche rinnen. Droh des getrübten Blickes und des schlechten Lichtes gewahrte Schorsch doch die auffallenden Reize und üppigen Formen Sinas, besonders in der gebückten Stellung am Fasse, nnd heiße Sinnenlust erfaßte den Jungburschcn, dcr wie verlangend die Arme ansstrecken wollte. Absichtlich blieb Sina in dieser gebückten Haltung, leise kichernd in Erwartung des sicheren Triumphes, den betörten Jungen nun in wenigen Augenblicken zu ihren Fußen zu sehen. Im Vorgefühl des Sieges achtete die Häuserin nicht des Abfüllgeschäftes, der Hahn blieb ge öffnet, der rote Quell rann murmelnd aus dein Fasse und überflutete die längst gefüllte dicke Flasche. . Dieses plätschernde Geräusch vernahm Schorsch trotz der Benebelung, mit dem Rufe: „Oha!" griff er statt nach Sina, an den Faßhahn und drehte ihn zu. „Saxendi! Laßt das dumme Frauenzimmer den Wein auslaufcn und piellen Gegensätze mit einander auszukommen vermöge. Und dieses tatsächliche Verhältnis sollte nicht verwischt oder in falsches Licht gerückt werden, am wenigsten jetzt, wo die Möglichkeit nicht fern liegt, daß der deutsche Kaiser zu dem Nachfolger LeoS XIII. vergebens in dasselbe persönliche Ver hältnis zu treten versuchen könnte, in daS er zu dem Schwer kranken im Vatikan getreten war. Papstwahl xnd staatliches Exklusivrecht. Längst sind die Zeiten vergangen, da vor der Wahl eines Papstes die Zustimmung des römischen Kaisers deutscher Nation für den aus der Wahlverhandlung her- vorgegangenen Kandidaten eingeholt wurde; heute üben nur herkömmlich die gröberen katholischen Staaten, wie Oesterreich, Frankreich und Spanien, die Be fugnis aus, bei jeder Papstwahl je einen Kardinal für passiv wahlunfähig zu erklären «Exklusive). Für die Anwendung dieses staatlichen Exklusivrechtes und für seine Ausdehnung auf das Deutsche Reich hat sich, wie erinnerlich sein wird» unlängst der Innsbrucker Rechtsgelehrte Professor vr. Ludwig Wahr mund in seiner Schrift „Das Deutsche Reich und die kommenden Papstwahlen" (Frankfurt a. M., 1903, Neuer Frankfurter Verlag) mit großer Lebhaftigkeit ausgesprochen. Wahr mund verkennt allerdings nicht, daß die staatliche Exklusive in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts keine Rolle im Konklave gespielt hat. Der Grund dafür sei aber keines wegs die Antiquiertheit jenes Rechts, sondern lediglich der Umstand, daß der Anlaß zu seiner praktischen Anwendung fehlte. In dem ganzen Zeiträume nämlich fand eine ein zige Papstwahl statt und diese dauerte kaum zwei Tage: ehe man in den Kabinetten der Diplomaten noch recht zur Be sinnung kam, war Leo XIII. bereits Papst. Zudem lag für die interessierten Staaten kein vernünftiger Grund vor, sich gegen die Erhebung des Kardinals Pecci zu wehren. Im vorletzten Konklave, aus dem 1846 Pius IX. hervor ging, wurde allerdings auch keine Exklusive erteilt, aber eine solche war bereits auf dem Wege nach Rom und konnte nur wegen der Verspätung des österreichischen Be vollmächtigten, des Kardinals Gaysruck, nicht durchgeführt werden, da auch jenes Konklave bloß zwei Tage dauerte. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts jedoch brachte beinahe jedes Konklave einen Erklusionsfall. So erhielt bei der Wahl Gregors XVI. (1831) der Kardinal Giusti- niani die formelle Exklusion Spaniens, im Konklave Leos XII. (1823) der Kardinal Severoli die formelle Ex klusion Oesterreichs, im Konklave Pius VII. (1799—1800) der Kardinal Gerdil die unzweideutige, anscheinend nicht formelle Exklusion des dcirtschen Kaisers. Aus dem 18. Jahrhundert lassen sich ebenfalls genügend Beispiele für die Anwendung der Exklusive anführen. Als Rechtsnach folger des heiligen römischen Reichs deutscher Nation im Punkte der Exklusive siebt Wahrmund das Deutsche Reich an. Nicht nur vom Standpunkte der geschichtlichen Tradi tion, sondern auch vom Standpunkte des aktuellen Inter esses an der Person des Papstes besitze das heutige Reich den Anspruch auf die Exklusive bei der Papstwahl. Als Recht im eigentlichen Sinne betrachtet Wahrmund die Ex klusive auch nur unter dem Gesichtspunkte desGewohn - heitsrechtes, in den Vordergrund rückt er allein das kirchenpolitische Moment. „Gefordert haben einfach", schreibt Wahrmund, „die europäischen Großmächte die Berücksichtigung ihrer Exklusiven um der Staatsraison willen. Und erfüllt hat man diese Forderung in den Kon klaven, weil man ihre guten Gründe innerlich begriff und merkt es nicht! Du — jupp — bist mir die Wahre! So eine Verschwendung — jupp! Schad' um den guten Wein!" Enttäuscht, ob der eigenen Ungeschicklichkeit sich selber zürnend, richtete sich Sina auf und schritt aus dem Keller. Schorsch nahm das Kerzenlicht und torkelte hinterdrein. Im Flur angekommen, verzichtete der Bursche auf den allerletzten Abschicdstrunk und kletterte schluckend die Stiege hinauf. „Was hast denn? Wer wird denn, ohne Gutenacht sagen, davonrennen?" rief ihn» Sina nach. „Jupp! Genug hab' ich und Schlaf — jupp — auch!" „Aber so wart' doch einen Augenblick! Trink einen Schluck Wasser, dann bist gleich wieder nüchtern und beinander!" Schon wollte Sina flink die Treppe hinanspringen, da tauchteinnotdürfttgcrNachtkleidung dieHausmagdaufund fragte, halbverschlafen, ob etwas passiert sei. Barsch wieS Sina die unbequeme Person zurück und befahl ihr, sogleich die Schlafkammcr aufzufuchen. Unterdessen war Schorsch unsicheren Ganges oben an gelangt; der überstarke Weingenuß verwirrte daS Gedächt nis, cs fand dcr Bursche die eigene Kammer nicht mehr, er tappte in die nächstbeste Stube, stellte das Kerzenlicht auf den Boden, ließ sich in einen Stuhl fallen und schlief augenblicklich ein. Unten schloß Sina ab, blies die Lampe aus und huschte, unzufrieden mit sich selbst, ins obere Stockwerk. Ein Lichtschimmer, der aus ihrer Stube durch de» Türspalt flimmerte, erschreckte die Häuserin, vorsichtig schlich Lina heran, drückte die offene Tür etwas nach innen und blickte in größter Spannung in die beleuchtete Kammer. Ein triumphierendes Lächeln flog über Sinas Gesicht beim Anblick des Burschen, der versehentlich in ihre Kammer geraten und hier etngeschlafen war. „Endlich bist eingefangcn!" flüsterte die Häuserin und drehte leise den Zimmerschlüssel um. Dann blieS sie daS Kerzenlicht aus und begab sich zur Ruhe. Der Schlaf für den Rest dieser Nacht muß geopfert werden, damit das Erwachen Georgs nicht verpaßt wird nnd sein Ueber nachten in Sinas Kammer morgen gehörig auSgenuy: werden kann. Schorsch orgelte, fiel vom Stuhl, ohne zn erwachen und schlief am harten Fußboden weiter.
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