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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 13.07.1903
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1903-07-13
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19030713023
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1903071302
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1903071302
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
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- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1903
- Monat1903-07
- Tag1903-07-13
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Nachdem vor einigen Wochen der Leipziger Historiker Brandenburg in der „Historischen Zeitschrift" daS Werk von Ottokar Lorenz „Kaiser Wilhelm und die Be gründung des Reiches" einer scharfen Kritik unterzogen hat, tat das Gleiche Hermann Oncken im neuesten Bande der „Forschungen zur brandenburgischen und preußischen Geschichte" (Leipzig, Duncker L Hum- blot). Oncken stellt den Quellenwert deS Lorernschen Buches ebenso wenig in Abrede, wie den patriotischen Sinn der deutschen Fürsten, die ihr geschichtliches Material Lorenz zur Verfügung stellten und mit diesem Material die Auffassung deS Jenenser Historikers maßgebend beein flußten. Aber Oncken bedauert, daß Lorenz sich nicht auf die geordnete Herausgabe seines Materials beschränkte, sondern eia Buch zu den Materialien schrieb und damit eine nützliche Quellensammlung zu einem ver fehlten Werke machte. Die Hauptanklage, die Lorenz erhebt, besteht bekanntlich darin, daß er dem Fürsten Bismarck Schwäche gegen Bayern vorwirft, Bismarck als bayernblind behandelt. In Bezug hierauf stellt Oncken bei Lorenz „Ansätze zu richtigen Gedankenreihen" fest, wie denn daS ganze Buch außer seiner prinzipiellen Verfehltheit noch an erheblichen inneren Wiedersprüchen leide; aber in der Haupsache verkenne Lorenz die treibenden Kräfte der BiSmarck'schen Politik bis zur völligen Urteils losigkeit. „ES ist", schreibt Oncken wörtlich» „so viel über Bismarcks Realpolitik geschrieben worden, daß man glauben sollte, ein Begriff davon gehörte zum Gemeingut deS denkenden Deutschen und dem Historiker vollends sei eine tiefergrrifende Vorstellung in Fleisch und Blut übergegangeu: mit Ueberraschung siebt mau hier, wie weit doch wieder das Verkennen deS Eigentlichen getrieben werden kann. Bismarck schätzte den bayerischen Staat immerhin als Macht eia, als eine Realitität, die Respekt erforderte, und mit der man in dem neuen Reiche auf alle Fälle rechnen mußte; gut behandelt konnte sie eine Stütze deS Neugeschaffenen, genötigt aber mußte sie ein ernstes Hemmnis werden... Die ganze Bayernpolitik Bismarcks ... ist von demselben gesunden Realismus getränkt, der sein ganzes LebenSwerk auSzeichnet, sie ist ein wohlbegreifliches Werkstück des ganzen Baues; und die Gegenwart scheint mir eher für als gegen die Notwendigkeit zu sprechen, eS weiterhin zu respektieren." Die zweite Hauptanklage, die Lorenz auSspricyt, ist der Vorwurf, daß Bismarck zu Unrecht als der Reichs gründer bezeichnet werde, daß dem eigentlichen Urheber des Reiches, Wilhelm I., der wohlverdiente Rubmes- anteil weggenommen sei. In dieser Hinsicht erkennt Oncken eine starke, zuerst durch das Medium Sybels hin durchgeleitete Beeinflussung der Geschichtsauffassung von Seiten Bismarcks an und betont, daß man sich von den BiSmarckschen Tendenzen der Geschichtsauffassung befreien müsse. „Damit wird allerdings", fährt dann Oncken fort, „die Wahrheit nicht au« der Welt geschafft, daß in den Jahren 1862—1871 die Schöpfung deS Reiches von Bismarck ausgegangen ist; er hat nicht alles getan, natürlich nicht, sondern eine unsägliche Masse deS Verdienstes gebührt den verantwortungsvoll Mithandelnden, dem Könige Wilhelm I. an erster Stelle, ferner auch allen Mitstrebenden, wie jenen patriotischen Fürsten, und schließlich allen, die in ihrem Kreise, bis zum letzten Trainsoldaten berab, während deS Feldzuges ihre Pflicht und Schuldigkeit taten: aber der Mann der jedesmal entscheidenden Entschließungen auf dem Wege zum Hohen,ollern- sichen Kaisertum ist in jedem Stadium Bismarck gewesen, und deshalb dürfen wir ihn als den schöpferischen Gründer des Reiche- bezeichnen,ohne den andern ihreKränze,und den reichsten und schönsten dem Könige, zu versagen. Die überaus scharfen Angriffe Lorenz' gegen „Herrn v. Sybel" und die ganze bisherige Geschichtsschreibung veranlassen Oncken schließlich zu der Zurückweisung: „Die Grund lage der Lorenzschen Darstellung ist fast regel mäßig unzureichende Kenntnis der Literatur, unkritische Lösung der Probleme, mangelnder Sinn für die Realitäten und eigenwilligste« Vordringen einer alle« bester wissenden Persönlichkeit. Es bestraft sich doch, von dem Standpunkte der Kleinen, der Zuschauer, der nur an zweiter uud dritter Stelle Mithandelnveu Dinge zu beur teilen, die mau zu allererst von dem Zentrum aus zu be greifen versuchen muß; und e« bestraft sich nicht minder, die« in so überheblicher Weise zu tun, wie eS hier (bei Lorenz. Red.) geschieht". Deutsche und Polen in der Provinz Posen. Nachdem die amtlichen Feststellungen der Ergeb nisse der Reichstagswahlen vorliegeu, läßt sich auch ein zutreffendes Bild über das Verhältnis de« PoloniSmuS und deS Deutschtums in der Provinz Posen gewinnen. Besonderes Interesse gewinnt der Vergleich, wenn wir hierbei die Ergebnisse der 1898er Wahlen gegenüber stellen. Was zunächst die Zahl der Wahlberech tigten betrifft» so stieg sie in Posen von 343 295 im Jahre 1898 auf 369 782 im Jahre 1903. Die Zunahme (26 487 oder 7,7 Proz.) ist im großen ganzen normal, doch wird sie von manchen anderen Landestellen weit übertroffen. Sehr lebhaft gestaltete sich die Wahlbeteiligung. Sie stieg von 75,7 Proz. im Jahre 1898 auf 81,6 Proz. im Jahre 1903. Namentlich war r« der Regierungsbezirk Posen, der sich stärker an der Wahl beteiligte, denn die Prozentziffer stieg von 72,6 auf 79,0; im Regierungsbezirk Brom berg stieg die Ziffer von 81,2 auf 85,8. Die auf Polen und Deutsche abgegebene Zahl der Stimmen war nun — von einer Einschränkung abgesehen, auf die wir noch zu sprechen kommen — folgende: 1898 1903 mehr Polen 154 379 178095 23716 Deutsche 100 046 114 857 14811 Außerdem Sozialdemokraten . . 4586 7982 3396 Zusammen: 259 011 300934 41 923 Dieses Ergebnis würde eine im VerbältniS ziemlich gleiche Zunahme der Stimmen bei den Polen und Deutschen bedeuten (l5,3 Proz. und 14,08 Proz.). Es ist aber eine eben erwähnte Einschränkung zu beachten. Im Jahre 1898 hatten die Polen nämlich in den Kreisen Meseritz-Bomst und Fraustadt-Lissa von der Aufstellunb eigener Kandidaten abgesehen und für einen ZeutrumSkandidaten gestimmt. Die Stimmen, welche auf diesen fielen, waren nicht in deutsche und polnische zu trennen und sind in unserer Aufstellung den Polen zugerechuet. Nachdem 1903 in beiden Wahlkreisen Zentrum undPoleu gesondert vorgegangen sind, war damit eine reinliche Scheidung zwischen deutsch und polnisch bewirkt. Zugleich läßt sich übersehen, daß im Jahre 1898 etwa 2800 deutsch-katholische Stimmen abgegeben wur den, so daß unter Berücksichtigung dieses Umstande« sich in runden Ziffern folgender Vergleich ergibt: IMS IS« Zunahme Polen 151500 178 000 26 500 — 17,5 Pro,. Deutsche 102 800 114 800 12 000 --- 11,7 - Wenn nun auch davon nicht die Rede sein kann, daß — wie die ersten Nachrichten lauteten — da« deutsche Element eine Abnahme erfahren hat, so muß doch zugestanden werden, daß die Zunahme der Polen beträchtlicher rst als die der Deutschen. Was die Sozialdemokraten betrifft, die in der Provinz Posen keinen Boden fassen können und nur 2,6 Prozent aller abgegebenen Stimmen erhielten, so wird man sie weder den Deutschen, noch den Polen zurechnen können, denn ihre Kandi daten trugen, je nach Bedürfnis, deutsche und polnische Namen. — !i » Die Türkei «ud Bulgarien. Die Lage auf der Balkanhalbinsel, die infolge Her Hal- tung der bulgarischen Negierung neuerdings zu Beun ruhigungen und Besorgnissen Anlaß gegeben hatte, hat sich inzwischen leidlichaufgeklärt. Vor allem hat dazu die einmütige Haltung der beiden nächstbeteiligten euro päischen Mächte, Oesterreich-Ülngarn und Rußland, beige- tragen, die mit allem Nachdruck der bulgarischen Regie- rung versichert haben, daß türkischerseits jede Kriegs absicht und jeder Gedanke an eine Verletzung der bulgari schen Grenze fehle, und daß die türkischen Truppen bewegungen lediglich daS Ziel haben, den Uebertritt von aufständischen bulgarischen Banden nach Makedonien zu verhindern. Diese Versicherung, für die die Mächte mit ihrem Worte eintraten, bat der bulgarischen Regierung den Vorwand nehmen müssen, ihrerseits neue Truppen verstärkungen und Truppenverschiebungen vorzunehmen, die notwendig weitere türkische Gegenmatzregeln nach sich gezogen haben mürbem Die türkische Regierung ihrer seits befindet sich in einer unerquicklichen Zwickmühle, sie hat sich den europäischen Mächten gegenüber anheischig ge macht, -er durch ihre Schuld in Makedonien grotzgezogenen Mißwirtschaft entgegenzutreten und endlich einmal Ver besserungen der Verwaltung einzuführen; aber die von ihr zu diesem Ende eingelettcIn Maßnahmen sind vv.. vornherein durchkreuzt worden durch eine systematische Beunruhigung der makedonischen Bevölkerung, die bis in die jüngste Zeit hinein ihre wichtigste Quelle gerade im Fürstentum Bulgarien Hatter demgemäß trat für die Tür kei die verheißene Verbesserung der Verwaltung immer mehr zurück, je mehr bulgarische Banden in Makedonien eindrangen und zur Wiederherstellung der äußeren Ord nung mit Nachdruck bekämvst werden mußten. Die Be wachung der bulgarischen Grenzen durch die bulgarische Regierung ist noch heute völlig ungenügend; zahlreiche aufständische Banden können diese Grenze überschreiten, ohne von den bulgarischen Grenzwärtern zurückgehalten zu werden, um io mehr war es die Aufgabe der tür kischen Behörden, eine Verstärkung der Grenzwachen herbeizuführen. Leiber sprechen z:rverlässige Berichte dafür, daß auch eine Anzahl türkischer Truppen, nicht bloß die wegen ihrer Zügellosigkeit bekannten Baschibo uks, sich bei der Niederwerfung des Aufstandes, namentlich in der Umgebung von Ueskltb, schwere Mißhandlungen und Grausamkeiten haben zu Schulden kommen lassen. Ruß land und Oesterreich-Ungarn haben hiergegen bet der Pforte entschiedene Verwahrung eingelegt und schleunigste Abstellung verlangt. Freilich ist nicht zu leugnen, daß, solange von Bulgarien aus die Schürung der Unzufrieden heit in Makedonien fortgesetzt wirb, den türkischen Behör den die Lösung der Aufgabe, dort Ruhe und Frieden zu schaffen, nahezu unmöglich gemacht wird. Für die Türkei bedeutet die Fortdauer -des jetzigen Zustande» eine un gemein schwere Last, die Unterhaltung der dort zusam» mengezogenen türkischen Truppen bedingt unerschwing liche Kosten, und es ist begreiflich, daß es auch in Konstan tinopel Kreise gibt, die zum Kriege drängen, zumal -ort die Kriegsbereitschaft Bulgariens ungemein unterschätzt wird. Aber diese Kreise haben, wie der „Köln. Ztg." auS Berlin berichtet wird, auf den Sultan keinen Einfluß und werden nicht das Geringste auSrichten, denn die unbe dingte Friedensliebe des Sultans ist über jeden Zweifel erhaben, und sein Wort wird genügen, jede militärische Uebereilung zu verhindern. Äon der Regierung -eS Fürsten Ferdinand kann man nicht dasselbe sagen; doch wird auch sie sich den unzweideutigen FriedenSabsichten der beiden Großmächte anzupaffen haben. Austzalie« «ud das englische Weltreich. Eine Debatte, die augenblicklich in Melbourne über die erhöhte Beteiligung Australiens an der englischen Klottenkosten geführt wird, hat -war noch nicht ihren Abschluß gesundes, aber zu interessanten Auseinandersetzungen über das Verhältnis der Kolo nien -um Mutterlande Veranlassung geboten. Der Premierminister der Vereinigten australischen Staaten, Sir Edmund Barton, legte in seiner die Beitrags leistung befürwortenden Rede den Hauptton daraus, daß die maritime Uebermacht sür das Reich eine unumgäng liche Notwendigkeit sei. Es sei -war anzuerkennen, daß sich das Verlangen, eine eigene Flotte zu bauen, in Australien fühlbar mache, aber die Regierung sei nicht in der Lage, einem solchen Plan näher zu treten, weil die Bildung einer eigenen Flotte gegen das Prinzip der ein heitlichen Kontrolle verstoßen würde und sich außerdem durch die Kostspieligkeit verbiete. Von einer einheitlichen Kontrolle könne aber nicht abgewichen werden, da ledig lich von dieser die Sicherheit der Handelsstraßen abhänge. Den Hauptwiderspruch gegen daS Abkommen der erhöhten Beiträge für die englische Flotte ging von denen au», die gern eine australische Flotte geschaffen sehen möchten. Der Führer -er Opposition, Reid, erklärte, die Haupt einwendung, die er zu erheben habe, sei die, baß die Ber einigten Staaten von Australien durch Bewilligung des in Vorschlag gebrachten Abkommens Teilhaber an der englischen Flotte werden würden, währen- nach -en früheren Bestimmungen Australien nur einen Anteil zu dem australischen Geschwader gezahlt habe. Der ganze Zweck sei offenbar der, Australien in die Verpflichtungen des Weltreiches hineinzuziehen. Er werde zwar für das Abkommen stimmen, aber niemals Aenderungen in dem Verhältnis Australiens zum Mutterlande gutheißen, so weit dadurch der australische Bund für die Regierung des Reiches mitverantwortlich gemacht werde. Deutsches Reich. ä Berlin, 12. Juli. Zur Frage einer sozial demokratischen Vizeprasidentenstelle beginnt jetzt der „Vorwärts" in die oppurtunistischen Bahnen der „Ge noffen" v. Vollmar und Bernstein einzulenken. Gegenüber den Auslassungen des „Mannheimer General-Anzeiger«" und de« „Schwäbischen Merkurs", welche dazu auffordern, den Feuilletsn. Hotel Alpenrose. Roman von Arthur Achleitner^ Nachdruck verboten. Zehntes Kapitel. „Nanu, Sie in der Sprechstunde?" Mit diesen Worten der Verwunderung begrüßte der Bczirköarzt vr. Gugge- moos den zukünftigen Schwager vr. Christian Kluiben- schädel, welcher nun um eine ärztliche Untersuchung und so es möglich, um Hülfe bat. „Aber selbstverständlich und gern nach bestem Wissen und Gewissen! Bitte nehmen Sie im „Marter"^Ltuhle Platz! So! Und nun sagen Sie mir, Verchrtester, wo es fehlt und wo die Schmerzen sitzen!^ Nervös saß Christian auf dem Stuhle, strich sich oftmals über den Kopf, zwinkerte mit den Augen, deren Pupillen verengt sind, räusperte sich fortwährend und klagte zu nächst über Schlingbeschwerden im Halse, argen Schmer- Im Gehirn und über eine unerklärliche Schwerbeweglich- keit der Zunge. „Das merkt man auch am Sprechen! Etwas viel auf einmal!" sprach der Bezirksarzt, dessen Miene sehr ernst wurde, und der nun tiefer in die Krankheitsgeschichte durch detaillierte Fragen einzudringen suchte. Die Antworten lauteten verworren, ohne Zusammen hang, überstürzt, unsicher, namentlich in den Zeitangaben, und plötzlich wich der Patient vom KrankheitSthema völlig ab, indem er äußerte: „Die Wahl zum Präsidenten der Anwaltskammer nehme ich an, gleich nach der Hochzeit, ebenso übernehme ich die Leitung deS Kaiserlichen Fidei kommisses!" Forschend blickte vr. Guggemoos dem Patienten in daS bleiche Antlitz, und meinte gewissermaßen en pagsant; „Ge- miß! Ich wutzte nur nicht, daß Ihnen diese Anträge in letzter Zett geworden sind!" „Anträge? Lächerlich! Gebeten hat man mich, und wie gebeten! Ich gehe aber trotzdem ungern von hier weg, die Glctscherwelt fesselt mich zu sehr, ich muh noch viel tiefer in deren Geheimnisse eindringen, sie völlig erschließen. Ist mir das gelungen, so werde ich leichter von der grandiosen Alpemvelt scheiben, und Laura etnführen in die große Ge sellschaft, welche mit Schmerzen auf mich wartet!. Angesichts dieser, einen bedenklichen Größenwahn ver ratenden Aeußerungen vermochte der erfahrene Bezirks arzt kaum seine Bestürzung zu verbergen; mit Mühe be- wahrte er die zur Untersuchung des Patienten nötige Ruhe. Gewissenhaft begann der Arzt diese Untersuchung, peinlichst sorgfältig bet diesem Patienten, der ihm durch Verlobung mit der eigenen Schwester nahe steht. Un gleich weite Pupillen, die auf Lichteinfall nicht mehr rea- gieren, eine Verstärkung der Kniesehnenreflexe, Gedächt nislücken, eigenartiger Größenwahn ergeben höchst be trübende Symptome. Dazu ist die rechte GesichtShälfto verstrichen von einerParese des Gesichtsnerven. Die Zunge wird in zitternden Stößen vorgestreckt. Der Gang ist et- was unsicher. Kaum hielt der Patient dieser sorgfältigen Untersuchung Stand, polterte, forderte rasche Hülfe, Be freiung von den geradezu unerträglichen Gehirnschmerzen, und bat um eine süße Arznei, wasmaßen bitjere Medizin seinem Magen nicht bekomme. „Aber rasch, Herr Bezirks, arzt, ich will am Hochzeitstage frisch und munter sein, befreit von Schmerzen!. Tiefernst erwiderte vr. Guggemoos: „Ihr Zustand macht es zur Pflicht, die Hochzeit htnauszuschieben. Außerdem mutz ich Ihnen hringendst empfohlen, ja darauf bestehen, bah Sie behufs richtiger und genauester Pflege eine Heilanstalt aufsuchen, deren dirigierendem Arzt ich die nötigen Informationen direkt -usenden werde. Nur unter diesen Voraussetzungen kann eine Befreiung der ärgsten Schmerzen erhofft werben." »Mas, Heilanstalt? Warum denn nicht gleich Zwangs jacke? Fällt mir nicht ein! Vom Kostenpunkt ganz ab gesehen! Und womöglich kaltes Wasser? War nie mein Kass! Ich werbe demnächst einer der einflußreichsten Männer Oesterreichs, stehe vor der Ernennung zum Iustizminister, werde aber ablehnen, Lauras wegen, der ich die Repräsentanzpflichten nicht zumuten möchte." Schmerzbewegt betrachtete vr. Guggemoos den jungen Advokaten, dessen Zustand höchst bedenklich ist. »FSie lautet Ihre Diagnose, bester Freund? Nicht von Bedeutung, was? Nur Kopfschmerzen, allerdings intensiv, kommt vom vielen Arbeiten, viel Prozesse, Schlaflosigkeit, Chloralhydrat macht immer Kopfweh und Schmerz im Genick. Bitte, verschreiben Sie mir Morphium, ich mutz mich mal au-schlafen. Sagen Sie aber Laura nichts davon, Laura bettelt fortwährend, ich soll« nicht medtztnterem Hat leicht rede», mutz Mittel haben, die Schlaf gewähren. Halten Sie etwas auf Kola? Nicht? Ich schon, will mir Kraft verschaffen, will, wenn möglich, nächster Tage auf den Gfadgletscher, Eis lockt mich unsagbar, Eis und Feuer! Das gibt eine grandiose Mischung, großartigen Lichtefffektl Blaue Gletschcrschründe, ins Grüne schillernd, und rot dazu von des Feuers Macht, glühende Gnomen, weiße Jung frauen schweben darüber — Ach!" „Beruhigen Sie sich, lieber Freund! Gehen Sie so gleich zu Bett, es ist starkes Fieber im Anzug» ich werde Sie begleiten, Sie müssen in sorgsamste Pflege kommen und diese kagn dem Garton nur das Krankenhaus bieten." „Nein, nein! ES wird mir bereits wieder besser! Ich bin nur etwas nervös! Wahrscheinlich habe ich vorhin dummes Zeug geschwätzt, es rutscht mir oft unglaubliches Zeug heraus, geradezu verrückte Gedanken, sinnlos; nach einem Weilchen ist aber alles wieder normal. Irritatton der Nerven! Nehmen Sie das Geschwätz nicht übel, bester Doktor! Bin ich 'mal verheiratet, wird alles wieder gut! Es regt mich eben alles fürchterlich auf! Ich wäre sehr dankbar, wenn die Frist abgekürzt werden könnte. Die Papiere sind ja schon in Ordnung! Bitte sehr, genehmigen Sie eine Zeitküvzung! Kann ich nun meine Braut sprechen?'! vr. Guggemoos drang darauf, daß der Patient sich in Pflege begebe, und erreichte schließlich die Zustimmung. Die Begleitung des Arztes lehnte Christian jedoch ah un entfernte sich auffallend ruhig. Allein im Ordinationszimmer, seufzte der BeztrkSarzt tief auf, gequält von bitterstem Seelenschmerz. Die Untersuchung deS jungen Anwaltes hatte ein gera-ezu entsetzliches Resultat sür den Fachmann ergeben. Und dieser Pattent steht in nahen Beziehungen »um Arzte, steht vor der Hochzeit mit deS Fachmannes Schwester. Unmöglich ist diese Heirat, undenkbar! Ein Ehebund mtt diesem Patienten würde Laura ins tiefste Elend stürzen, unglücklich machen für das ganze Leben! Unmöglich! ES ist heiligste Pflicht deS Bruder-, die Schwester zu warnen, einzugreifen; die Ehe mutz verhindert werden, wenn nötig, mit Gewalt! „Ich darf meine Schwester nicht in» Elend gehen lassen!" stöhnte der Arzt und ließ sich in einen Stuhl fallen. „Wie soll ich aber etngretfen? O Gott, da» Berufs- geheim«!» bindet mir die Zunge, ich darf nicht» verlauten lassen, was mir durch die ärztliche Untersuchung offen bar geworden!" Kalter Schweiß bedeckte Guggemoos' Stirn. Fieber schauer und Glühhitze wechselten ab. Der Arzt zer marterte das Gehirn nach einem rettenden Ausweg. Schweigen müssen in solchem Falle, kann es einen ent setzlicheren Konflikt geben? Der Arzt muß schweigen, der Bruder muß aber pflichtgemäß die Schwester vor Un glück bewahren! Gesetz steht gegen Gesetz, Pflicht gegen Pflicht! Bruch des Berufsgeheimnisses, gräßlicher Ge danke! Entschuldbar sicherlich, da es gilt, Unheil von der Schwester abzuwenden l Unentschuldbar aber vor dem eigenen Gewissen, eine unmoralische Handlungsweise, von gesetzlicher Strafe bedroht! Was wird die Welt sagen, wie wird man den Arzt beurteilen, der fein Be- rufsgeheimniS preiSgibt? Ist ein solcher Arzt nicht ein erbärmlicher Schuft? Kann der Arzt als Bruder aber anders handeln? I>r. Guggemoos stöhnte im Seelenschmer-, er flehte zum Allmächtigen um Hülfe in dieser Not. Laura trat in das Ordinationszimmer und bat den Bruder, zu Tisch zu kommen. Der Bezirksarzt vermochte kein Wort HerauSzu- bringen, er winkte ablehnend und stützte de« Kopf auf die zitternden Hände. Besorgt rief Laura: „WaS ist dir. Andre? Bist du unwohl? Gott, wte siehst du auS?2 Guggemoos schüttelte das Haupt. Sechzenb sprach er; „Laß mich allein!? „Nein, nein! Du bist krank, stehst entsetzlich au»! Ich werde nach einem Kollegen schicken! Geh zu Bett, Andrei" In größter Sorge trat Laura völlig heran, griff nach Andres Händen, die sich eiskalt anfühlten, und dringlichst bat die Schwester, es möge sich der kranke Bruder zu Bett legen. „Unsinn! Laß mich allein! E» geht gleich vorllberN „Ich weiche nicht von dir! WaS kann e» nur sein? Eine fürchterliche Erregung! Wer war da? All mächtiger! Ich habe Christian vorhin ins Hau» treten sehen, war er bei dir? WaS wollte er? Warum kam er nicht zu mir? Ist er krank? Hast du Christian unter suchen müssen? Sprich! Erlöse mich au» Angst und Sorge! Christian hat gestern sehr schlecht auSgesehen, sprach sonderbar! Der Mann ist krank, ich mutzt« «» mir
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