Suche löschen...
02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 16.07.1903
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1903-07-16
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19030716027
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1903071602
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1903071602
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1903
- Monat1903-07
- Tag1903-07-16
- Monat1903-07
- Jahr1903
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
BezngS-PreiS t» d«r Hauptexprdittou oder deren Ausgabe stelle» abgeholt: vtertrljährltch S.—, bei zweimaliger täglicher Zustellung in» Hau» 8.75. Durch die Post bezogen für Deutsch- lwld u. Oesterreich vierteljährlich 4.50, für di« tbrtgeu Länder laut ZeituugSpretSüste. Nedaktion und Lrvedition: Johanntsgaffe 8. Fernsprecher l53 und 222. FUialrepeditione« r Alfred Hahn, Buchhandlg., UoiversitätSstr.S, 8. Löschs Katharinenstr. 14, u. KüutgSpl. 7. Haupt-Filiale Vres-eu: Marienstraße 64. Ferusprechrr Amt I Nr. 1713. Haupt-Filiale Serlir: Carl Duncker, Herzgl. Bayr. Hosbuchhandlg^ Lützowstraße 10. Feeusvrecher Amt VI Nr. 4608 Abend-Ausgabe. M'iMgcr TligMalt Anzeiger. Amtsblatt -es Königlichen Land- und -es Königlichen Amtsgerichtes Leipzig, -es Rates und -es Volizeiamtes -er Lta-t Leipzig. Anzeigen »Preis die 6gespaltene Petitzeile 2Ü Reklamen unter dem Redaktionsstrich s4 gespalten) 75 vor den FamUieuuach> richten ^Sgeipalten) 50 H. Lab«llar»>cher und Ziffrrnsap entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen mrd Ofsertenaunahmr 25 (excl. Porto). Extra-Beilagen (gesalzt), nur mit de, Morgen-AuSgabe, ohne Postbesörderung 60.—, mit Postbesörderung 70^-» Annahmeschluß für Anzeigen: Abend-Su-gab«: Bormittag- 10 Uhr. Morgea-Aa-gabe: StachmittagS 4 Uhr. Anzeige» find stet» an di« Expedition V» richten. Die Expedition ist Wochentag- ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi» abends 7 Uhr. . Druck und Berlag vou E. Pol» in Leipzig. Nr. 357. Donnerstag den 16. Juli 1903. 87. Jahrgang. politische Tagesschau. * Leipzig, 16. Juli. vezirksprästdent Prinz Hohenlohe «nd der Klerikalismus. Der Versuch der reichsländischen Klerikalen, den Be zirkspräsidenten Prinzen Hohenlohe wegen der Annahme der liberalen Kandidatur im Reichstags-Wahl kreise Hagenau ausdem Amtezuentfcrnen, wird von dem Organ des durchgefallenen Reichstagskandidaten Hauß mit gesteigerter Heftigkeit fortgesetzt. Prinz Hohen lohe hat als liberaler Politiker dem Klerikalismus den Krieg erklärt, und damit nach der Ansicht der reichSlündi- schen Klerikalen einen Verstoß begangen, der mit dem Ausscheiden ans dem Amte gesühnt werden muß. „Die hohen Beamten", schreibt das Blatt des Herrn Hauß, „mögen ihre politische Ueberzcugung behalten, sie mögen klerikal sein oder liberal, aber daß einer der Majorität des Landes den Krieg erklärt, wie es der Bezirkspräsident von Kolmar getan hat. das darf die Regierung nicht dulden. Die Steuerzahler haben das Recht zu erwarten, daß gerade die hohen Beamten sich nicht in das Gewühl der Parteien stürzen. . . . Die katholische Ma jorität wird es sich ernstlich verbitten, daß ihre Steuern antiklerikalen Sturmreitern hohe Gehälter liefern." — Der Anspruch, daß ein hoher Beamter aus Rücksicht auf die Majorität der Steuerzahler keine Reichstagskandida tur annimmt, die im Gegensätze zu jener Majorität steht, ist mit der R e i ch s v e r f a s s u n g unvereinbar. Denn die Reichsverfassnng gewährt den Beamten ohne Ein schränkung das Recht, sich in den Reichstag wühlen zu lassen. Der Anspruch der reichsländischen Klerikalen ist ferner unvereinbar mit der Praxisder klerikalen Politik: der Klerikalismus zählt in den Parlamenten so manchen Beamten, dessen politischer Standpunkt nicht nur nicht derjenige der Majorität der Steuerzahler ist, sondern dem letzter» aufs schroffste gegenüber steht. Wenn die Regierung sich häufig genug die schroffste Opposition solcher klerikaler Beamten im Parlament gefallen lassen muß, hat sie mit doppelter Entschiedenheit das ebenso selbst süchtige, wie hcrrschsüchtige Verlangen abzuweisen, daß nichtklerikale Beamte von ihr im Parlament nicht geduldet werden sollen. Das AuSspielen der Steuerzahler gegen den Prinzen Hohenlohe bedeutet sachlich wegen der völligen Unzulässigkeit, diesen Gesichtspunkt überhaupt geltend zu machen, nur insofern etwas, als es der So zialdemokratie Vergnügen bereiten muß, klerikale Poli tiker auf denselben Wegen der Demagogie zu be gegnen, welche sie ihrerseits bevorzugt. Das Organ des durchgefallenen Rcichstaaskandidatcn Hauß macht endlich die Straßburger Regierung gegen den BczirkSpräsidenten von Kolmar durch die Drohung scharf, daß infolge seiner Hagenauer Kandidatur das Vertrauen der katho lischen Bevölkerung zur Regierung ge litten habe. Die Straßburger Regierung hat sich in den letzten Jahren gegenüber dem Klerikalismus wiederholt gefällig erwiesen: wenn sie dies auch betreffs des kleri kalen Ansturmes wider den Prinzen Hohenlohe tüte, wäre damit unzertrennlich eine schwere Erschütterung ihrer Autorität verknüpft. Evangelische und katholische Bolksschiiler. Die allgemeine Volksschulstatistik vom Jahre 1901 weist im letzten Jahrfünft ein erheblich stärkeres Wachs- Feuilleton. Hotel Alpenrose. Roman von Arthur Achleitner. >,!urvvruck verboten. Dreizehntes Kapitel. Doktor Kluibenschädel hatte, alpin ausgerüstet, früh morgens seine Gar«onwohnung verlassen, in der Absicht, den Gfadglctscher zu besuchen, wohin es ihn mit unwider stehlicher Kraft zog. Im Rucksack trug er keinen nennenswerten Proviant für eine ebenso strapaziöse wie gefährliche Hochtour, dafür aber sehr viel Kolapastillen, von deren Wirkung er sich einen ungeheuren Erfolg ver sprach, und eine Blechflasche, mit Benzin gefüllt. Am oberen Ende des Dorfes Schwarzwasscr traf der junge, nervenkranke Advokat den Ltraßcnmeister, der gleichfalls in aller Frühe auszog, um seine Wegarbeiter auf der Strecke zu kontrollieren. Der Straßenmeister sprach den ihm bekannten An walt an und erkundigte sich nach dem Ziele der Wan derung. Funkelnden Auges, lebhaft gestikulierend, rief Kluibenschädel: „Großartige Hochtour! Gfadglctscher! Will Eis brennen sehen!" ,^8?as? So etwas Verrücktes! Nehmen Sie doch einen Führer mit! Die Tour ist sehr gefährlich!" Der Bergwind verschlang das unheimliche Lachen KluibenschädelS, der mit großen Schritten dem Lärchen wald zustrebte. Achselzuckend und über moderne Bergkraxlerei brum mend, ging der Straßenmeister seines Weges weiter, sich natürlich damit beruhigend, daß der Advokat sich wahr scheinlich einen albernen Scherz geleistet habe. Eine Wegstrecke, zu deren Bewältigung ein normaler Bergsteiger reichlich zwei Stunden braucht, legte Christian in kaum der Hälfte Zeit zurück, so sehr hastete er aufwärts, dabei immer Pastillen lutschend. „Es wirkt großartig, das Kola!" keuchte der Anwalt, nahm den Hut ab und fuhr mit den zitternden Händen über den schmerzenden Kopf. Immer unentwegt aufwärts. Die Baummuchsgrenze war bereits überschritten, ödes, kahles Gestein ringsum, eine Bruthitze dazu, und kein Quellchen oder Wasser- tumderZahlderkatholischenVolksfchüler auf als der evangelischen. Während die Schülerzahl auf evangelischer Seite nur von 3 296 481 auf 3 520 743, also um 244 262 oder 6,8 Prozent gestiegen ist, erhöht sich die Zahl der katholischen Volksschüler von 1896 bis 1901 von 1 901 013 auf 2 118 815, also um 217 802 oder 11,4 Prozent. Die Zentrumspresse hat dies „als ein günstiges ZeichenfürdengesundenmoralischenKern deskatholischenBolkes" bezeichnet. Diese Freude könnte man der katholischen Presse sicherlich gönnen, wenn in dieser Feststellung nicht zugleich das Gegenteil in Bezug auf den evangelischen Volksteil behauptet würde. Tat sächlich hat sich aber die Zentrumspresse, wie das „B. T." des näheren nachweist, nur durch eine oberflächliche Kenntnisnahme täuschen lassen. Allerdings nimmt seit Jahren die Zahl der katholischen Volksschüler stärker zu als die der evangelischen, aber dieser Unterschied ist nicht so erheblich, daß man daraus so weitgehende Folgerungen ziehen dürfte. Nach den Feststellungen der Schulstatistik betrugen die evangelischen Bolksschiiler im Jahre 1886 63,31 Prozent, 1996 62,95 Prozent der Gesamtheit, während die Zahl der katholischen Volksschüler in demselben Zeit räume von 35,76 auf 36,30 Prozent stieg. Die Hauptursache dieses an und für sich geringen Unterschiedes liegt nicht so sehr an der Verschiedenheit der natürlichen Vermehrung auf beiden Seiten, als in dem verschiedenen Anteil an der überseeischen Auswanderung. Daß nun im Jahrfünft 1896/01 ein so viel bedeutender Unterschied auf beiden Seiten vorhanden ist, erklärt sich aus der Tatsache, daß eine Reihe großer Gemeinden ihre Volksschulen, durch das Gesetz von 1897 gezwungen, in Mittelschulen umgewandelt haben, so daß eine große Zahl früherer Volksschüler nunmehr bei den Mittelschulen gezählt wird. So verzeichnet die Statistik von 1898 für die Stadt Magde burg 29 078, für 1901 dagegen nur 18.740 evangelische Bolksschiiler. Eine ähnliche Verschiebung hat in einer ganzen Reihe von Städten stattgefunden, und da dies im wesentlichen nur Städte mit überwiegender evangelischer Bevölkerung betrifft, so mußte ein erheblicher Ausfall an Volksschülern auf dieser Seite eintreten. Die Zentrums presse hat also ohne hinreichende Veranlassung ihren wesentlichen moralischen Unterschied zwischen den beiden Konfessionen „festaestellt". Kriegsbesorgnifle im fernen Osten. Dem „Reuterschen Bureau" wird aus Port Arthur über Tschifu gemeldet, daß die Beratung der russischen Diplomaten und anderer Beamten vorgestern beendet wor den ist. Der letzte Sonderzug mit den Teilnehmern an der Beratung sei gestern nach Moskau abgegangen. Es werde zugegeben, daß die Möglichkeit eines Krieges erörtert wurde, es werde aber erklärt, daß dies nicht Gegenstand der Beratung gewesen sei. Es zeige sich deutlich, daß seit der Ankunft des Kricgsministers Kuropatkin Rußlands kriegsmäßige Vorbereitungen im Wachsen begriffen seien und die Absicht bestehe, mehr T r u p p e n i n d i e M a n d s ch u r e i zu bringen. Unter nehmer in Port Arthur hätten in der vorigen Woche Auf träge erhalten zur sofortigen Beschaffung von Bau materialien zur Einrichtung von Baracken für 20 000 Mann, die uns Eharbin abgehen sollen. Beamte, die an der Beratung teilgenommen haben, hätten erklärt, der Widerstand Rußlands gegen die Oeffnnng der mandschu rischen Plätze für den fremden Handel sei nicht begründet auf eine Gegnerschaft gegen die Anwesenheit der Fremden, sondern dagegen, daß fremde Konsule in den Städten, die tatsächlich unter russischer Kontrolle stehen, bei der chine sischen Regierung beglaubigt werden und die Kaufleute, die sie vertreten, außerterritoriale Rechte genießen sollen. Ein solcher Zustand werde sicherlich große Reibungen zur Folge haben, wie es in Ntutschwang der Fall ge wesen ist. Etwas friedlicher lautet die folgende Meldung: * Washington, 15. Juli. (Reuters Bureau.) Es ver lautet, gestern habe eine Besprechung über die Mandschurei angelegenheit zwischen dem Staatssekretär Hay und dem russischen Geschäftsträger Hansen stattgefunden, die einen durchaus befriedigenden Verlauf nahm. Es werde die baldige Erledigung der Frage der Mandschureihäfen erwartet. Dem japanischen Minister, der im auswärtigen Amte vorsprach und sich über die Besprechung erkundigte, sei erklärt worden, Hays Politik in der Mandschureiangelegenheit sei lediglich darauf gerichtet, dort offene Häfen für die ganze Welt zu erlangen. Vom Deutschtum in Australier,. Tapfer kämpfen in jüngster Zeit unsere Landsleute in Viktoria (Australien) für die Erhaltung der deutschen Muttersprache. Es hat sich dort einDeutscherSchul- verein von Viktoria gebildet, aus dessen jüngstem Jahresberichte wir einige interessante Daten mitzuteilen in der Lage sind. Der Verein unterhält in Melbourne eine Sonnabcndklasse zum Unterrichte deutscher Schul kinder. Ungefähr 80 deutsche Kinder besuchten diese Klasse; am Unterricht beteiligten sich zwei besoldete Lehrer und drei Daiiuii die, wie schon früher, so auch im letzten Jahre, ihre Dienste unentgeltlich zur Verfügung stellten. Das Ziel des Schulvereins ist die Begründung einer täg lichen deutschen Schule: jedoch steht der Erreichung dieses Zieles die Beschränktheit der zur Verfügung stehenden Mittel im Wege. Immerhin ist die Zahl der Mitglieder des Vereins im vorigen Jahre gewachsen: eine besondere Ermutigung hat er dadurch erfahren, daß der Kaiserlich deutsche Konsul in Brisbane, Herr v. Ploennies, sowie unser heimischer Allgemeiner deutscher Schulverein zur Erhaltung des Deutschtums im Auslande als Mitglieder beigetreten sind. Wie der Verein auch sonst für die Be lebung des deutschen Geistes im fernen Lande wirkt, be weist die schöne S ch i l l e r f ei er, die er an dem vorigen Geburtstage des Dichters, am 10. November 1902, im Saale des Melbourne! Deutschen Turnvereins abgehalten bat, und bei der u. a. auch Rombergs Kantate „Das Lied von der Glocke" unter Nlitwirkung verschiedener deutscher Gesangvereine zur Aufführung kam. Ein Fortschritt der deutschen Sache in Viktoria ist es, daß sich auch in dem Melbourne benachbarten Doncaster, einer ländlichen Hoch burg des Deutschtums im Staate Viktoria, im Juni 1902 gleichfalls ein deutscher Schulverein gebildet hat, der eben falls eine Sonnabendklasse kür den Unterricht deutscher Kinder eröffnen konnte. Diese Klasse feierte am 28. März dieses Jahres ein schönes Schulfest. Interessant war dabei, daß der dortige — englische — Friedensrichter, Tom Pctty, der in seiner Jugend mehrere Jahre in Deutsch land verlebt und die deutsche Sprache und deutsche Art kennen und schätzen gelernt hat, in warmen Worten seine Freude über die Gründung der Sonnabewdklasse aus drückte; die deutschen Lieder, welche heute seine Kinder mitgesungen hätten, wie er es einst getan — so äußerte er bei dieser Gelegenheit —, hätten ihn so recht wieder in seine eigene schöne Jugend zurückversetzt. Durch das verdienst liche Wirken dieser Vereine ist eine feste Basis für die Er haltung und das Gedeihen des Deutschtums im Staate Viktoria gegeben. Möae es beiden Körperschaften ver gönnt sein, ihr Werk stetig wachsen und gedeihen zu sehen. Deutsches Reich. * Berlin, 15. Juli. Ueber die Arbeiter sekretariate, soweit sie mit den sogenannten freien Gewerkschaften in Verbindung stehen, brachte jüngst das „Kvrrcspondenzblatt" der Generalkommission der Ge werkschaften Deutschlands einen längeren Artikel. Dar nach sind die Arbeitersekretariate, die spezifisch deutschen Verhältnissen entsprechen, dem Bedürfnis der arbeiten den Klassen nach volkstümlicher und unentgeltlicher Rechtshülfe entsprossen und den Gewcrbegerichten und den Schiedsgerichten der Arbeiterversicherung gegenüber freie Schöpfungen der Arbeiter. Augenblicklich gibt es 39 Sekretariate, doch hat dem ,Forrespondenzblatt" nur das Material von 32 vorgelegen. Sie sind durchweg sehr jugendlichen Alters. Das älteste Arbeitersekretariat, das von Nürnberg, entstand 1894; es wurde das Vorbild für alle übrigen, die in längeren Zwischenräumen folgten. Die meisten Sekretariate werden von Gewerkschafts kartellen und anderen gewerkschaftlichen Organen unter halten, während bei anderen auch parteipolitische Organi sationen zum Unterhalt beitragen. Staatliche Unter stützung genießt nur das in Gotha errichtete Sekre- tariat, dessen Unterhalt zunächst fast völlig aus staatlichen Mitteln (im Jahr 2200 ^t!) bestritten wird. In anderen Bundesstaaten scheint wenig Neigung zur Nachahmung des Gothaischen Beispiels vorhanden zu sein; auch mehr fache Versuche, Gemeindeverwaltungen zur Unterstützung von Arbeitersekretariaten anzuregen, sind bislang stets gescheitert. Die Verwaltung der Sekretariate liegt teil bet den Kartellvorständen, den beteiligten Vereinen oder bei gewählten Aufsichtskommissionen. In Gotha steht das staatlich unterhaltene Sekretariat unter der Leitung einer Kommission von 7 Personen, in der auch der Ge werbeverein (Unternehmer-Organisation) vertreten ist. Die meisten Sekretariate haben festbesoldete Beamte in eigenen Bureaulokalitäten. Zu -en Aufgaben der Sekretariate gehört allgemein die Auskunfterteilung (die Gesamtzahl der Auskunftsuchenden belief sich im ver gangenen Jahre bei 32 Sekretariaten auf 195 679) und die Anfertigung von Schriftsätzen zur Rechtserlangung. Die Auskünfte verteilten sich auf folgende Gebiete: Ar- beitcrversicherung, Arbeits- und Dienstvertrag, bürger liches Recht, Strafrecht, Arbeiterbewegung, Gemeinde- und Staatsbürgerangelegenheiten, Gewerbesachen, Verschie denes. Nahezu alle Sekretariate vermitteln auch Be schwerden in Arbeiterschutzangelegenheiten an die Ge- werbeinspektion, und sind außerdem auch auf gewerk schaftlichem Gebiete tätig, namentlich durch Vermittelung der Aufnahme neuer Mitglieder in die Gewerkschaften, teilweise auch durch Erhebung der Mitgliederbeiträge und Verbreitung der Berbandsorgane, sowie durch persönliche Agitation der Sekretäre. Vielfach sind auch zur Auf klärung und Aufdeckung wirtschaftlicher Verhältnisse und Mißstände Erhebungen verschiedener Art (z. B. über Arbeitslosigkeit, Lebenshaltung, Wohnungszustände usw.) gemacht worden. Die Rechtshttlfe ist gewöhnlich unent geltlich für die organisierten, d. h. zum Unterhalt deZ Sekretariats beitragenden Arbeiter; die Unorganisierten werden entweder abgewiesen oder durch Gebühren- erhebung oder freiwillige Beitragsleistungen zur Kosten- rinnchen zu finden. Christian erkannte in dieser Stein- und Felswllste alsbald, daß er den rechten Aufstieg ver loren haben miißte, da keine Markierung mehr zu sehen ist. Sei es drum! Hoch oben leuchtet ja der ewige Firn und dort ist das Ziel der heutigen Wanderung, das er reicht werden muß. Aufatmend blieb Kluibenschädel stehen; er muß Luft schnappen, die Lungen versagen sonst den Dienst; das Herz klopft zum Zerspringen, ein stechen der Schmerz wühlt in den Schläfen, es ist, als siede das Gehirn, brennend heiß sind die Augen. Hände und Füße zittern, der ganze Mensch ist am Zusammenbrechen. „Ich will hinauf!" keuchte erschöpft vom zu hastig be gonnenen Aufstieg der junge Anwalt, und eigensinnig schleppte er sich weiter mühsam ein Geröllfeld durch querend, dabei rutschend, stürzend, sich wieder auf richtend und erneut wieder zu fallen. Christian blutete an den wund gerissenen Knien, die Hän-e sind zer schunden und klebrig vom sickernden Lebenssaft. Es ge lang, das Kar zu. traversieren, dann aber wirbelten heiße Windstöße ein graues Chaos von Staub auf, das alles in der Felswllste verhüllte. Christian war gezwungen, sich, wo er eben stand, zu setzen, auszuharren, bis die Staubwolken sich legten. Brennender Durst quälte den eigensinnigen Wanderer, dem der Geröllstaub die Kehle austrocknetc und die Augen wie Ohren etnsandete. Gegen die Kolapastillen empfand Kluibenschädel bereits Widerwillen; durst löschende, getrocknete Zwetschgen hatte der bergkundige Apotheker unten wohl empfohlen, doch Christian wollte dergleichen nicht Mitnehmern Die Strafe für solchen Eigensinn ist jetzt entsetzlich quälender Durst. Im Felskesscl trieb der Wind ein grauenhaftes Spiel, die Staubwolken kreisten unablässig und vom Urgestein der gigantischen, zerrissenen Felsschründe ging Stein schlag hernieder, prasselnd, knatternd, Wolken von Staub und Gries aufwühlend. Plötzlich trat Ruhe ein, die unheimliche Ruhe vor dem eigentlichen Losbrechen des gefährlichen Sturmes. Trotz seines rasend machenden Zustandes konnte der Wanderer erkennen, in welcher Richtung ein Entrinnen aus dem Felskesscl möglich ist, und die kurze Ruhepause nützte Christian und schleppte sich aufwärts durch eine Art langgezogenen, nicht zu steilen Kamins. Anfänglich ein mattes Steigen, dann der Höhe zu auf zerrissenem Ge stein kriechend, gelangte der Bergfahrer doch zur Schneide des den Kessel umrahmenden HöhenzugeS. Welcher Ausblick hier auf das nahe, riesige Eisfeld! Aber in welch' unheimlicher Beleuchtung! Grau, teil weise schwarzverhängt das Firmament, gegen Westen fahles Gelb, der kleine Strich freien Himmels grünlich schillernd, dazu rote Streifen an den aus Südwest heran jagenden Cirruswolken, ein märchenhaft schönes Farben spiel, doch unheimliche Gefahr kündend für den Ein dringling in die Stein- und Eiswüste. Wie verzückt starrte Christian in diese Pracht des hoch alpinen Bildes. Der Felsgipfel des Gfad hebt sich schwarz aus dem weißlichen Krustenpanzer, die Eis- schründe leuchten bald meergrün, bald dunkelblau auf. „Rot müßt ihr erglühen! Ich mach' euch brennen!" schrie Kluibenschädel und winkte zum majestätischen Gfadgipfel hinauf. In wahnsinniger Erregung vergaß der Wanderer das peinigende Durstgefühl, heiser jauchzte er und vollführte einen Abstieg auf schmalem Felsband, den eine Gemse nicht sicherer betätigen könnte. Schier ein Engelsschweben ist es, ohne Gefühl für die ungeheure Gefahr des drohenden Absturzes in die gähnenden Klüfte zu beiden Seiten des schmalen Felsbandes schritt Christian tiefer in unbegreiflicher Wahrung der Balance und er reichte den Moränenboden, der in sanfter Steigung hinan zur Gletscherzunge führt. Zn sattem Gelb erstrahlt der Gfadgipfel nun, der Süd wind trieb das graue Gewölk von dannen, tiefblau er scheint das Firmament ringsum, das Vorzeichen für einen Föhnsturm. Ahnungslos eilte der Kanzleimensch aufwärts, nicht wissend, was ihm solche Kräfte gibt; Christian fühlt sich leicht, von Schwingen gehoben. Pfeifend geht der Atem, ein Röcheln ist es aus verstaubter Kehle, gierig atmet der Bergfahrer den kühlen Odem, der vom Gletscher ent gegenströmt. Eine Stunde höchst ermüdenden Steigens, dann ver sagt die Kraft, Christian sinkt nieder und bleibt wie be täubt liegen. Zürnt der Gletscherkönig dem schwachen Menschlein, will er den Knirps hinausfegen lassen aus dem Reich des Todes, ihn verderben? Ein letztes Rot flammt auf, ein schillernd Grün und Gelb, der Sturm reißt ein Loch in die ans Westen heran jagende Wolkcnbank, gleißend strahlt für wenige Augen blicke die Sonne hernieder, verklärend die erhabene Eis welt, bis das schwarzdräuende Gewölk den Kcuerball verhüllt. Christian erwachte, stieren Blickes betrachtete er die fremde Umgebung, im Frost erschauernd. Was seine Hände befühlen und betasten, ist Eis, wirkliches, ewiges Eis. „Erreicht! Glücklich erreicht, nun muß der Kirn brennen!" schrie Christian, und ein irres Lächeln um spielte seine zuckenden Lippen. Am ganzen Leibe zitternd, öffnete der Wanderer den Rucksack, nahm die Benzinflasche heraus und schritt heiser jauchzend auf der Eisfläche hinan. „Der Berggeist muß schwitzen! Ich bin der Herr der tückischen Gnomen! Heraus mit dir, Gfad- könig, dein Ende ist gekommen, in die Knie mit dir! Dein Herr und Gebieter steht vor dir! Ich bin Majestät, der König der Eiswclt! Brenn' auf, du Eis, ich setze deiner Ewigkeit Schranken!" schrie Christian, öffnete die Flasche mit Anwendung seiner letzten Kraft. Der Inhalt spritzte auf seine Kleider, doch der Irre achtete dessen nicht. „Brennen muß das Eis, es gibt keine Ewigkeit!" Bebend holt Christian Stein und Zunder und daö Taschenmesser hervor, mit dessen Stahlrücken er Feuer schlug und den Schwamm zum Glosen brachte. „Nieder mit dem Gletfchergeist!" Christian goß das Benzin auf das Eis und lieb den glosenden Schwamm, der seine Kinger sengte, fallen. Ein Knall, eine ungeheure Flamme loht auf, Christian steht brennend. „Hahaha! Brennendes EtS! Ach! Ein Schrei gellte über das Firnfeld ... - Ein Wimmern . _ . . Mit brennenden Kleidern sinkt der Irre nieder. Ein Röcheln Wilde Sturmstößc blasen herein, weiß sprüht eS vo« Gletscher herab, Schncesturm auf dem ewigen Eise. Finster wir- es wie zur Nachtzeit, es wirbelt Flocken i» schrägen Strichen, ein weißes Chaos von unermeßlichen Dimensionen, Schründe und Gletscherspalten verdeckend, Klüfte ausfüllenb, Schnee auf Zacken und Zinnen, weißer Staubsturz allum.... .Klafterhoch wuchs die Decke des feinen Schnees an, verschwunden der Firnpanzer unter dem ungeheure» weißen Mantel, den Mutter Natur gleich einem König-» Hermelin dem Gfadglctscher umgelrangen, und nttt de» sie gleichsam mitleidig ein Linnen über die Firnwett gebreitet hat.
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite