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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 20.07.1903
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1903-07-20
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19030720012
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1903072001
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1903072001
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1903
- Monat1903-07
- Tag1903-07-20
- Monat1903-07
- Jahr1903
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s Nr. 363. Montag dm 20. Juli 1903. S7. Jahrgang. Bezugs-Preis tu der Hauptrxpedttion oder deren AllSgabe- stulle« abgedolt: vtettrllährlich 8^—, bet zweimaliger täglicher Zustellung in« Hau« ^l 8.76. Durch die Post bezogen für Deutsch land «. Oesterreich vierteljährlich ^l 4.50, für die übrigen Länder laut ZettuaglpreiSUste. LrLaktton und Lrveditioa: JohmmiSgaffe 8. Fernsprecher lüü und 222. FUialerpaditioieerr r Alfred Pah«, Buchhandlg., llutversitättstr.S^ L. Lösche, Kathartneustr. Ich u. Länigspl. 7. Morgen-Ausgabe. UeiWM. TagMaü Haupt-Filiale Dresden: Marienstraße Sch Fernsprecher Amt I Nr. 1718. Haupt-Filiale Lerliu: E«l Dunckrr, Herzgl. Bayr. Hvsbuchhandlg. Lützowstraße 10. Fernsprecher A»t VI Str. «SOL Anzeiger. Ämlovlatt des Königlichen Land- «nd des Königlichen ÄmLsgerichles Leipzig, des Rates «nd des Volizeiamkes -er Stadt Leipzig. Anzeigen-Preis die -gespaltene Petuzeile LS Reklamen unter dem RrLaktiou«strtch («gespalten) 78 vor den Familien nach- richten (6 gespalten) KO H. Labellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Eebübrev für Nachweisungen und Offerteummahme Ük (excl. P«to). Lrtra-Beilage» (gesalzt), nur mit oer Morgen'Ausgabe, ohue Postbefkrderun, SO.—, «tt PostdesSrdernng 7L—» Ammhunschluß fir Anzeige«: LL«»d-A»Sgad«: vormittags io Uhr. Morgeu-AaSgaber Nachmittag« 4 Uhr. Anzeige» sind stet« an die Expedition M richte». Di« Expedition ist wocheatngS mnmterbrvche« geöffnet mm früh 8 bi« abend« 7 Uhr. Druck und Verlag voa «. Pol» tu Leipzig. Amtlicher Teil. Ausschreibung. Die Lieferung eine« einspännigen Sprengwagens, sowie Meier Handwasserwagen soll an einen oder mehrere Unter» nehmer verdungen werden. Die Bedingungen und Arbeitsverzeicknisse für diese Liefe rung liegen in unserem Tiefbauamte, Abteilung für Straßen reinigung, Georgiring 19, Tr. L, 2. Obergeschoß, aus und können dort eingesehen oder gegen Entrichtung von 1,öO entnommen werden. Angebote find verschlossen und mit der Aufschrift: „Lieferung von Sprengwagen und Handwasserwagen bett." versehen, in der oben bezeichneten Abreilung bis zum Mittwoch, den 29. Juli 1908, 12 Uhr mittags portofrei einzureichen. Die Eröffnung der Angebote erfolgt zu dieser Zeit im Tiefbauamte, Brühl 80, 2. Obergeschoß, Geschäftszimmer Nr. 46 daselbst in Gegenwart der etwa erschienenen Bewerber oder deren Bevollmächtigten. Der Rat behält sich jede Entschließung, insbesondere das Recht vor, sämtliche Angebote abzulehnen. T. A. Nr. 6338. Leipzig, den 18. Juli 1903. Lfd. Nr. 63. DeS Rates der Stadt Leipzig Deputation zum Tiefbauwesen. Versteigerung. Dienstag, den 21. dieses Monat«, vormittags V»9 Uhr, sollen in L.-Kleinzschocher, Eythraerstr. 44, ca. 8000 Stück ge» wohnliche Mauersteine an den Nieisrbietenden öffentlich gegen sofortige bare Bezahlung an Ort und Stelle versteigert werden. Leipzig, am 15. Juli 1903. Der Rat der Stadt Leipzig. I 6 L 1257/03. Or. Dittrich. Hübschmann. Loulrurs-SosvsrkLUl. Die Konkursmasse Llvkurä Daatr, ReichSstr. 6, l., bestehend au« galanlerie-, Spiel- u. traerwaaren, gelangt nur noch kurze Zett zu bedeutend ermäßigten Preisen zum Ausverkauf. Händler und Private werbea hieraus brsvader« aufmerksam gemacht. verkauf-lokal: ReichSstratze 6, I., gegenüber dem Burgkeller. Der Konkursverwalter Rechtsanwalt Or. jur. H. Große. Leo XIII. * Rom, 18. Juli. Der um ^9 Uhr abends ausgegebene Krankheitsbericht lautet: „Der Papst hat während Les Tages wenig geruht. Die Atmung hält sich genügend ruhig. Atmung 32: Puls klein und schwach, 92; Tem peratur 36,8; Allgemeinbefinden ein wenig verschlechtert. Mazzoni. Lapponi." (Wdhlt.j * Rom, 18. Juli. Der Papst hat heute, da er sich schwach fühlte, das Bett nicht verlassen; er nahm indessen hinreichend flüssige Nahrung zu sich. Er hörte früh eine Messe und empfing im Laufe des Tages den Kardinal, staatssekretär Romvolla. Am Abend war Prof. Mazzoni von 8 Uhr bis gegen 9 Ubr im Vatikan. Die Aerzte sehen nach dem Befinden von beute abend die Lage wieder etwas ungünstiger an; die Hoffnung, -aß durch den in den letzten Tagen einaetretenen Stillstand der Krankheit die Gefahr in weitere Entfernung gerückt fei, ist durch die neue Verschlimmerung des ^Allgemeinbefindens ins Wan- ken geraten; auch ist die Brustfellentzündung noch keines- wegs geheilt und die Neubildung der Flüssigkeit nicht ausgeschloffen; die Aerzte erklären, daß günstige Schlüffe aus dem gegenwärtigen Aus und Nieder in dem Leiden des Papstes nicht gezogen werden dürfen. * Rom, 19. Juli. Die gestern abend etngetretene Ver schlechterung tm Befinden des Papstes setzte sich, den Blättern zufolge, di« Nacht über fort. Der Papst war erregt, hatte keinen Schlaf, ruhte auch nur vorüber- gehend; alles wachte im Vatikan. Professor Mazzoni er schien heute früh nach 8 Uhr im Vatikan und verweilte eine Stunde. Er bestätigte, baß der Papst eine unruhige Nacht gehabt habe; er liege zu Bett. Seiner Erregung halber sei auch di« heutige Untersuchung zu kurz gewesen. Der durch die Brustfellentzündung erzeugte Kräftever fall schreit«, unterstützt durch die Schwäche -eS hohen Lebensalters, fort «nd habe sich seit gestern abend ver stärkt. DaS Bewußtsein sei klar, doch spreche der Papst nicht. Die Gefahr fei groß, doch nicht etwa so, daß der Papst -en Vormittag nickt überleben könne. Die Aerzte wollen, wenn keine unerwartete Verschlimmerung ein tritt, den Papst erst abends wieder besuchen. * Rom, 19. Juli, früh. Die „VocedellaveritL" schreibt: DaS gegenwärtige Befinden beS Papstes ist folgendes: Die Lunge zeigt keine ungewöhnliche Er scheinungen, aber das Atmen wird zuweilen häufiger in folge der Erregung und der Depression des Herzens, Um stände, die von der Pleuritis herstammen. Diese hatte sich gebessert infolge der Verringerung der Brustflüffig- keit und Vermehrung der Nierenfunktion; obwohl letztere durchaus nicht allzu stark ist, ist sie doch ausreichend g«nug, um ihrerseits keine Krankheitserscheinnngen zu zeitigen. ES bleibt die große Altersschwäche, die durch die Krank heit noch zugenommen hat. Die Schwäche und die De pression dürften immerhin, sagt das Blatt schließlich, in folge der WiederstandSfähigkeit des Organismus Les Pap stes, und der Sorgfalt der Aerzte keine unmittelbare Ge- fahr bilden. * Nom, 19. Juli. BulletinvonSUHrvormit- tags: „Die Nacht verlief ohne Schlaf und wenig ruhig; der deprimierte Kräftezustand hält an; Atmung ruhig und oberflächlich, 84; Puls regelmäßig, aber schwach, 98; Tem peratur 86,5. Mazzoni. Lavvoni." 10 Uhr 45 Min. vormittags. (Meldung der ,/Agenzia Sbefani") Es geht das Gerücht, der Zu- st and des Pap st es sei sehr ernst geworden. 10 Uhr 50 Min. vormittags. Der Großpöntten- tiar Kardinal Serafino Bannutellt und der Kardtnal-Kämmerer Oreglia sind dringlich in den Vatikan berufen worden. Die Kardinäle treffen nacheinander im Vatikan ein. 11 Uhr 50 Miu. vormittags. Der Papst liegt im St e r b e «. 12 Uhr 25 Min. mittags. Die Kardinäle haben soeben den Vatikan verlassen; es be stätigt sich, daß der Zustand beS Papstes äußerst ernst ist. Die Botschafter Haden in diesem Sinne an ihre Regierungen telegraphiert. lUhr nachmittags. Die Blätter veröffentlichen Sonderausgaben mit der Nachricht von der plötzlichen Verschlimmer ungimBefindendesPapstes; diese trat, dem „Mornale d'Jtalta" zufolge, heute früh 10 Uhr ein. Die Herbeirufung beS Groß-PönitentiarS und des KardivalkämmererS, die, wenn der Papst stirbt, stets zuerst gerufen werden müssen, rief große Erregung hervor; 11^ Uhr war bereits das Gerücht verbreitet, der Papst sei gestorben, es wurde jedoch sofort für unrichtig erklärt. Der Großpönitentiar Kardinal Serafino Bannutellt ist, um für alle Füll« anwesend zu sein, im Vatikan geblieben. Kardinal-StaatSsrekretär Rampolla entschuldigte sich bei den Diplomaten, die im Vatikan erschienen, daß er sie augenblicklich nicht empfangen könne, da er zu sehr in An spruch genommen fei. 2Uhr15Mtnutennachmittags. Der Beicht, vater beSPapstes hält sich dauernd in dem Vor zimmer des päpstlichen Gemaches auf. Der Kardinal. Staatssekretär Rampolla kam zweimal ans feiner Woh nung herab, um den Papst zu besuchen. Der Groß pönitentiar Kardinal Serafino Bannutelli bleibt ständig im Vatikan. Das Allgemeinbefinden des Papstes ist äußerst ernst. Der um 6 Uhr abends ausgegebene Krankheits bericht besagt: „Der Papst verbrachte den Tag in einem fast ununterbrochenen schlafartigen Zustand. Die Kräfte find noch weiter herabgesetzt. Atmung 30, Puls 96, Tempe ratur 86,4. Mazzoni, Roffoni, Lapponi." Abends 6Z4 Uhr. Der Zu st an- beSPapsteS ist andauernd äußerst ernst. Die Mitglieder des beim päpstlichen Stuhle beglaubigten diplomatischen Korps halten ihre Wagen bereit, um sich gegebenen Falles sofort in den Vatikan begeben zu können; auch Kardinal Oreglia, der heute nachmittag noch nicht im Vatikan er schienen ist, hält seinen Wagen bereit. Kardinal Bannu telli, der heute vormittag im Augenblick der äußersten Be sorgnis schleunigst in den Vatikan berufen wurde, hat den Vatikan nicht wieder verlassen; mit ihm halten sich ab wechselnd drei päpstliche Zercmonienmetster bereit für den Fall, daß Bannutelli berufen werden sollte, um dem Papst die Absolution zu erteilen. Die Aerzte Mazzoni und Roffoni trafen um KZ4 Uhr nachmittag- im Vatikan ein. AbendS7 Uhr 15 Minuten. In einer trotz beS Sonntags erschienenen Sonderausgabe erklärt die „Voce della veritL", das Allgemeinbefinden deS Papstes lasse die äußerste Todesgefahr be fürchten wegen deS andauernden Schwin dens -er Kräfte. Wie das Blatt weiter mttteilt, wird für Kardinal Oreglia im ersten Stock -es Vatikans diejenige Wohnung bereit gehalten, die schon ehemals von dem Kardinal LedochowSki bewohnt wurde. * Rom, 19. Juli. „Voce della BeritL" schreibt, das Befinden des Papstes habe sich schon in der Nacht verschlimmert; der Papst habe wegen der Er regung, tn der er sich fortgesetzt befand, und wegen der außerordentlichen Hitze nicht einschlafen können un mehrere Male seien die tm Zimmer zu seiner Pflege be- finblichen Personen an sein Bett geeitt, um ihm Erleichte rung zu verschaffen. Bei Tagesanbruch habe der Zustand eine wesentliche Verschlimmerung gezeigt, weil die Ab- nähme der Kräfte und die nervöse Erregung fortdauernd anhtelten. Im Laufe deS Vormittags sei eine weitere Ab- nähme der Kräfte und darnit auch eine weitere Vcr- schliunnerung eingetreten, sodaß man eS fttr angezeigt ge halten habe, schleunigst den Grosipönitenttar Kardinal Bannutellt in den Vatikan zu berufen, zu dessen Ob liegenheiten es gehört, am Sterbebette des Papstes die Sterbegebete zu verrichten. Gleichzeitig sei auch Kardinal Oreglia benachrichtigt worden, der sich ebenfalls unver- zttglich in den Vatikan begeben, ihn dann aber wieder verlassen habe, während Bannutelli im Vatikan geblieben sei. Später hätten sich auch mehrere Kardinäle und Dtplo, maten in den Vatikan begeben. Letzt« Nachvicht««. * Leipzig, 19. Juli. „D a 8 B a t e r l a n d", Organ deS Konservativen LandeSvereinS und sämtlicher konser vativen Vereine im Königreich Sachsen, schreibt an leiten der Stelle über „die Reform -eö Landtags- wahlrechtes": „Obwohl uns bekannt war, daß bereits im April d. I. Sr. Majestät dem König in Gardone eine Vor lage über die Abänderung unsers Landta'gs- wahlrechteS unterbreitet worden ist, so haben wir es doch für unsere Pflicht gehalten, Hiericker und über die Grundzüge des Gesamtentwurfes nichts in die Oesfentlichkeit zu bringen, weil wir der Ansicht Nxrren, daß eine frühzeitige Erörterung in der Presse zu einem leidenschaftlichen Meinungs austausch führen werde, welcher der Förderung der Sache am wenigsten dienen könne. Wir werden auch bis zur Veröffent lichung der Vorschläge mit unserm Urteil zurückhalten, können aber heute schon die Besorgnis nicht verhehlen, daß der in der Mitteilung des Amtsblattes vorgeschlagene Weg uns kaum der richtige zu sein scheint. — Die Konservativen sind durchaus nicht grundsätzliche Gegner einer Aenderung des bestehenden Wahlsystems, sie Feuilleton. Das Ällerseelenfest in Japan.*) Von vr. LudwigRteß, ehemaligem Professor an der kaiserl. Universität in Tokio. Nachdruck verboren. Regenzeit und Schule schließen in der Hauptstadt Japans gleichzeitig am 10. Juli. Aber die Kinder, die es schon nicht mehr erwarten können, hinaus zu reisen ans Meer, wo man so merkwürdige Muscheln sammeln kann, oder in die Berge zu einer der heißen Quellen, wo eS Blumen und Schmetterlinge in Fülle und so schöne Holzspielsachen gibt, müssen sich noch einige Tage ge dulden. Erst muß noch am 13., 14. und 15. Juli das japanische Totenfest gefeiert werden, ehe die Familie das Haus verlassen darf. Denn an diesen Tagen kommen nach altem Glauben die Seelen der verstorbenen Vorfahren zu Besuch in ihre früheren Behausungen. Man muß sie würdig empfangen, festlich bewirten und ehrenvoll htnausgelettcn; das erfordert die japanische Höflichkeit und die einen Grnndzug des ostasiattschen Denkens bildende Ahnenverehrung. Eine einladende Mobnung muß man den erwarteten Ahnengeistern (japanisch: Lborci) zunächst bereiten. Dafür genügt als Fundament ein niedriger Tisch, auf den man eine neue Binsenmatte breitet. Grüne Bambus stäbe von drei Fuß Höhe werden an den Ecken als die vier Pfähle der Geisterwohnung aufgerichtet und nahe an der noch belaubten Spitze mit Strohschnüren, an denen Papierfcknipsel hängen, verbunden und in ihrer senk rechten Position gehalten. In dieses symbolische Gehege stellt man den goldlackierten kleinen Götterschrein deS Hauses und die Photographien der in den letzten Jahren gestorbenen Familienmitglieder. Vor dieses den Seelen als zeitweilige Behausung angewiesene Gestell setzt man zwei auS Schilf und Holzstäbchen ganz kindlich primitiv gefcrtige, winzige Tiergruppen, die ein Pferd und eine Kuh darstellen sollen, damit sich die Geister dieser willigen Genossen der in Ostasien so hoch geachteten ländlichen Arbeit bedienen können. *) DaS japanische Allerseelen«(Bon-)Fest fällt in die Mitt« des Juli. AlS Speise verlangen die unsichtbaren Gäste eine Reihe wildwachsender, von Lebenden nicht als Nahrung verwendeter Wurzeln, Blätter und Früchte; dazu NetS- kuchen winzigen Formats als Schaubrote und den Rauch einer Menge Räucherstangen, die eine nach der anderen in das kleine Aschengefäß gesteckt werden und langsam verglimmen. All das wird feierlich und schweigsam von der Frau des Hauses schon am Tage vorher -urecht ge macht und von den Kindern erwartungsvoll angestaunt. Go vorbereitet, wartet man, bis der Priester des Tempels erscheint, bei dem jedes Familienmitglied bei der Geburt eingekauft wird, um ein Anrecht auf ein buddhistisches Begräbnis zu erwerben. Glattrasierten Hauptes, die prächtige Brokatdecke über die Schultern geschlungen, kniet er vor -em Geistergestell nieder, rollt, während er sein unverständliches, weil aus in China verderbtem DanSkrit zusammengesetztes Gebet ableiert, die Kugeln seines Rosenkranzes -wischen den gefalteten Händen und nimmt, nachdem er sich bei einem Schälchen Thee ansgeruht hat, das ihm verstohlen hingelegte, in Papier etngewickelte Geldgeschenk für seinen Tempel mit sich, wenn er mit vielen Bücklingen zur Tür geleitet wird. Am Abend werden dann die seltsam geformten Laternen angezündet, die zu Ehren der Geister an diesen drei Tagen vor dem Hause prangen. Am 15. Juli leuchtet man bet Einbruch der Nacht vor dem Hauptetngange deS Hauses mit einem brennenden Kienspan den Deelen auf den Weg zurück ins Schattenreich. In anderen Städten Japans geleitet man sie ein Stück Weges und trägt ihnen die Laternen voran, die ihretwegen angeschafft sind. Bei Kyoto flammen dann an den Gipfeln zweier Berge die als Wegweiser gedachten riesigen Feuer in Gestalt eines chinesischen Tchriftzeichens, das „Groß" bedeutet; eines recht» gewandt und eines links gewandt, damit sich die Seelen danach richten können. Befreundete Familien verfehlen nicht, in diesen Tagen Besuche und, wie dies in Japan üblich ist, Geschenke aus zutauschen; Obst oder frisches Gemüse, Fächer, Papier, die kleinen und doch so praktischen porösen Handtücher von 10 Zoll Breite und 2Vz Fuß Länge, neuerdings auch Taschentücher, Parfüm, Postkarten, ja sogar Gelb gilt tm Volke als ein passendes Geschenk unter Freunden. Die Diener und Dienstmädchen haben, wie zu Neujahr, einen herkömmlich gesickerten Anspruch auf etwas Besseres: ein Sommerkleid, Holzschuhe, Socken, oder, wenn sie noch nickt so lange im Hause sind, auf eine Schürze, Haar- schmuck, ein Paar Handtücher. Auch Kaufleute geben ihren Kunden eine meist mit Reklame verbundene Kleinigkeit. Hat inan nun aber diese ernste Feier in der Hauptstadt und die Plage des Geschenkemachens von wegen deS „Bon festes" (don uo watsuri heißt es japanisch) glücklich hinter sich, und ist man in der Sommerwohnung tn den Bergen ein paar Wochen behaglich eingelebt, so tritt dieses nämliche Totenfest in dieser neuen Umgebung noch einmal an uns heran. Auf dem Lande rechnet man nämlich noch nach dem alten Mondkalender, nicht nach der vor 30 Jahren von der Regierung eingeführten europäischen Chrono- logie. Dort vollzieht sich also die Reise der abgeschiedenen Seelen erst zu der Zett, wo sich der Mond zum siebenten Male im Jahre völlig rundet. Da das javanische Mond- jahr nicht früher anfangen kann als Ende Januar, so ver schiebt sich das Bonfest bis tn den August. Hier hat man aber auch Gelegenheit, ein« ganz andere, heitere, ja aus- gelassene Seite dieses Volksfestes zu beobachten; denn das Verbot der Regierung ist noch nicht in die freie Lust der Berge gedrungen. Da sammelt sich spät abends, wenn der Vollmond schon recht hoch steht, die junge Welt eines oder mehrerer Dörfer auf dem geräumigen Hofe eines Tempels oder sonst auf einem freien Platze, um sich bi- zum frühen Morgen der Lust deS Bonreigens zu ergeben. Eine Pauke in der Mitte, auf der kräftige Fäuste un- ermüdlich Im Dreitakt trommeln, ersetzt die Musik. Di« Burschen und Mädchen binden sich die erforderlichen neuen Sandalen an, geben sich durch Umdrehcn ihrer Kleider ober umgebunbenen Dtrohgeflcchte und Tücher ein phan tastisches Aussehen und bewegen sich schnell und schneller im Kreise um den Paukenschläger herum. Sie singen dabei ein einfaches Lied und markieren den Takt durch kräftiges Hänbeklaffchen, indem sie sich zugleich vorwärts bewegen und den Oberkörper links und rechts drehen. Wie an strengend und ermüdend das ist, habe ich selbst erfahren, als ich mich im Hofe meines Hauses von den Kindern meines Wirtes in die Lehre nehmen ließ. „Man muß tm ReiSfelde gearbeitet haben, um den ixm no cxior! (b. h. Totenfesttanz) vergnüglich zu finden", sagte mir der Alte. Dieser primitive Reigen im Walzertakt ist baS einzige tanzartige Vergnügen, bet dem in Japan die Burschen und die Mädchen sich gemeinsam ihrer Kunstbetätigung freuen. Sonst kennt man hierzulande nur terpsichoriscke Auf führungen, tn denen professionelle Tänzer und Tänze rinnen in charakteristischen Kostümen pantomimisch einen gesungenen Text oder rbvtbmisch eine bekannte Melodie mit ihren Bewegungen nach Art unserer Figuranten mrd Figurantinnen begleiten, oder bescheidenere Nach, ahmungen dieser Kunstübung, wenn etwa ein Mädchen im Hause als Tänzerin ihre Grazie entfaltet oder ein junger Mann im Kreise seiner Genossen den Schwert tanz als Beweis seiner körperlichen Gewandtheit produ. ziert. Wie alles in Japan seine genau vorgeschriebene Zeit hat, so gibt es auch keinen Reigen der Bauernburschcn und Bauernmädchen, außer an den Menden des Toten festes. An diesen aber sind sie uralte Tradition, wie sich schon daraus ergibt, baß sie auch aus den entlegensten Inseln deS Ntuktu-Archipels im Schwange sind, dessen Be wohner nur durch vorgeschichtlichen Zusammenhang mit den Japanern dazu gekommen sein können. In alten Zeiten war dieser Festtanz allen Ständen gemeinsam; da mals wurde er auch am kaiserlichen Hofe ausgeübt. LiebeS- gctändel und poetisches Spiel fanden Gelegenheit, sich bei diesen nächtlichen Zusammenkünften im Mondenschein ein- zustellen. Wir haben eine Reibe von dichterischen Scherzen und Liebesgedichten, die beim Totenfesttanie in alter Zeit vorgetragen wurden oder heimlich an ihre sonst sstwer er reichbare Adresse befördert wurden. Unser Konsul Dr. Weipert hat eine Auswahl d<rvon geschuwcknoll über setzt; wir geben nur einen poetisch gesonnten Vornmrf eineö japarrischen Ritters an seine Geliebte wieder: „Du bist ein Masamune-Sckwcrt, eine Klinge, von Rost versehrt, schneidest leicht das Band entzwei. Ich schneid' ja nicht, — ich bleibe treu.st Bei dem Niedergang deS Fcsttanzcs infolge des Aus bleibens der höheren Stände trat die Gelegenheit deS freien Verkehrs der Geschlechter in immer derberer Form in den Vordergrund. Der -Heimweg von dem Tanzplatz zum Hcimatsdorf vertrat die Rolle des Fensterns in einigen Gegenden BancrnS. Das ivar der Grund, wes halb die Polizei seit Anfang der jetzigen Perücke der „Auf- klärung" diesen alten Brauch des TotenfesttanzeS zu unter drücken suchte, so daß er sich nur tn entlegeneren GebirgS- dörfern bis heutigen TageS tn der altherktstnmlichen Weise erhalten konnte. Daß der altjapanische Hochsommerrcigen mit seiner ost lasziven Ausgelassenheit, nachdem ihn der BuddbiSmuS rubig hin eingenommen hat in sein Hochsommer-Toteniest, jetzt von dem „aufgeklärten" Polizeistaat allmählich in di« Entlegenheit der Berge zurückgedrängt und demnächst ver schwinden wird, ist ein krasser Beweis für den Unterschied mittelalterlicher Derbheit und moderner nervöser Fetti. fühligkeit auch in Japan,
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