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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 21.07.1903
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1903-07-21
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19030721014
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1903072101
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1903072101
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1903
- Monat1903-07
- Tag1903-07-21
- Monat1903-07
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Februar 1878 zum Papst gewählt und am 3. März desselben JahreS gekrönt worden. Die Glocken der ganzen katholischen Christenheit läuten dem einstmaligen Bischof von Perugia das Sterbcgeläute, und tausend Federn setzen sich in Bewegung, um in hundert Zungen den Toten zu preisen, ihn, den die katholische Publizistik, eines gläubigen Publikums sicher, schon bei Leb zeiten mit einem St rahlenkranz und Legendenkreis umgeben hat. Wir haben kein Urteil darüber, ob die klerikalen Lobredner den dreizehnten Leo von ihrem Standpunkt mit Recht einen heiligmäßigen Manu nennen, und sein Leben und Wirken zeigt unS keinen Grund, einzustimmen, wenn er als großer Kirchenpapst und als großer Mensch gerühmt wird. Aber als eine denkwürdige Zeit in der langen Geschichte der Päpste wird das Regiment deS Verstorbenen jedermann erscheinen müssen. Interessant schon durch zwei Umstände, die den Antritt der Kirchenherrschaft LeoS kennzeichnen. Er ist, wenn man die graue Vorzeit außer Betracht läßt, der erste Papst gewesen, der mit dem Stuhle Petri nicht zugleich einen weltlichen Thron bestieg, und er war der erste, der, mit dem von der römischen Priesterschaft anerkannten unfehl baren Lehramt ausgerüstet, sich die dreifache Krone aufs Haupt setzte. Der erstere Umstand hat Leos auf Machtübung und Machterweiterung gerichtete Politik nicht behindert und den andern hat er zu nützen verstanden, als wäre die unbestrittene Jnfallibilität ein alles Erbe gewesen. Letztere Fähigkeit war ihm angeboren, sodann gepflegt von der Gesellschaft Jesu, der Spenderin deS Dogmas von 1870, die eS von je ge lehrt und die seine Meisterin gewesen. Joachim Vincenz Pecci war von seinem achten Jahre an, als er in daö für adlige Zöglinge begründete Kolleg von Viterbo eintrat, Schüler der Jesuiten und blieb es, so lange er lernte, um später, ohne persönlich dem Orden anzugehören, selbst ein Meister ihrer Kunst und ihrer Künste zu werden. „Die Jesuiten haben", so sagt ein theologischer Schriftsteller von Leo, „seiner Person und seinem Charakter vollkommen den Stempel ihres Geistes aufgcdrückt". DaS mag den erfahrenen Jugendbildnern nicht schwer gefallen sein; denn der junge OffizierSsohn brachte für ihre auf formale VerstandcSbil- dung und Erstickung der Innerlichkeit hinwirkende Methode eine vielleicht auch in romanischen Landen nicht häufige Em pfänglichkeit mit. Von eigenem Seelenleben verriet er nicht-. Leo übte früh und bis in sein höchste- Alter die Dichtkunst. Aber aus diesen glatt-korrekten, kalten lateinischen Versen spricht ein sich selbst ängstlich überwachender Rhetor, nicht ein Poet. Und noch ein andere« Zeugnis spricht für die frühe Fähigkeit, im jesuitische» Geilte aufzugehen. Wir besitzen eine Sammlung von Briefen aus der Jugend Leos XIII., und eS ist eigentlich ein Wunder zu nennen, daß wir sie und noch dazu in deutscher Ucbertragung besitzen. Denn für daS Strahlenbild, da- die klerikalen Schriftsteller von dem verstorbenen Papste zu entwerfen liebten, lassen sich aus diesen Briefen keine Farben entnehmen. Sie verraten keine Spur von Großherzigkeit, innerer Frömmigkeit, von Be geisterung für irgend eine Idee und sei eS selbst die kirch lich-politische deS Papsttum-. Wohl aber zeigen sie den Jüngling und jungen Mann als eine die eigenen Chancen mit erstaunlicher Klugheit und Kälte berechnende Persönlich keit. Einige Proben: „Meine Absicht ist", so schreibt der Siebenundzwanzigjährige seinem Bruder, „in die Laufbahn der Prälatur einzutreten. Die gesunde Bernunst und die sich bietende gute Gelegenheit bestimmen mich dazu. Ich zweifle nicht, daß Du mit Deinem nüchternen Urteil und Deinem lebhaften Wunsch, den Glanz der Familie zu er- höhen, mit meinem Entschlüsse einverstanden sein wirst." . . . „Dank der Gnade Sr. Heiligkeit bin ich nun aus einem neuen Weg, auf dem ich mit allen Kräften darnach streben werde, den Wünschen derFamtlie zu entsprechen und zu allem beizutragen, waS ihre Ehre und ihren Glanz vermehren kann." Dann in demselben Jahre: „Mit der Aufrichtigkeit, an die ich in meinen Angelegenheiten, zumal gegenüber meinen Verwandten gewohnt bin, kann ich Dich versichern, daß ich seit dem Tage, da ich, um den Wünschen des Vaters zu entsprechen, in mein» jetzig« Laufbahn «ingetrrten bin, nur einen Zweck verfolg» habe: ich wollte alle meine Kräfte an strengen und mich eines lobenswerten Betragens befleißigen, damit ich in den hierarchischen Stellungen der Prälatur vorankomme und damit zugleich die gerechte Achtung, di« unsere Familie im Laad genießt, sich hebt. — Wenn Ich diese» Zweck erreich«, glaub» ich den Absicht«, de» Vater» grmäß gehandelt zu haben. Diese Absichten sind ein Gesetz für mich und ich würde mir einen Skrupel machen, wollte ich in meinem Leben jemals dagegen verfehlen. Da ich noch jung bin, werde ich ohne Zweifel die Laufbahn derart durchlaufen, daß meine Familie an Ehre gewinnt, wenn mein Betragen un tadel ha st bleibt und Protektion mir nicht mangelt, zwei unerläßliche Be- dingungen, wie Du weißt, in Rom, um sicher und schnell höher zu steigen." Nichts von religiösem Bedürfnis, nichts von geistlichem Beruf, nur von erstrebten und erhofften persönlichen Er folgen — mit großem Fleiße, gewaltiger Tatkraft und seltenem diplomatischen Geschicke erstrebten Erfolgen, daS ist wahr. Der Diplomat in dem Menschen Pecci ist eS allein, der Interesse erweckt, zum unermeßlichen Unterschied von dem an Geistes- und GemütSschätzen überreichen Zeit genossen Bismarck, der nicht für sich, sondern für andere strebte. Diesem Großen in mancherlei Staatsgeschäften sich ebenbürtig erwiesen zu haben, ist einer der Ruhmestitel des Diplomaten Leo. Weit staatsmännischer als Pius IX., ent hielt sich der verstorbene Papst deS Polterns und Fluchens; er veröffentlichte keinen Syllabus, aber handelte durchaus im Geiste des Vorgängers und des Syllabus. Scheinbare und im Kleinen auch wirkliche Nachgiebigkeit verhalf ihm zu Siegen, wo jener Niederlagen heraufbesckiworen hatte. So bot er Bismarck die Hand zu einem kirchenpolitischen woäus vivenäi mit Preußen, der nach deS gewaltigen deutschen Staatsmannes Rücktritt vom Amt ein Füllhorn römischer Triumphe werden sollte. Daß er in Deutschland den kirchlichen Frieden einziehen lasten wollte, hat aber Leo, und das gereicht ihm zum Lobe, nicht einmal gesagt. Er nannte die Verständigung mit Preußen den Zugang zum Frieden, so dem UltramontaniS- muS in unserem Vaterlande die reichlich genützte Möglichkeit fortgesetzten Kämpfens erhaltend. Stark und mächtig steht der Vatikan da am Todestage Leos XIII., der ein zerrüttetes Papsttum vorgefunden. In Deutschland besitzt der Ultramontaniömus einen Einfluß, größer denn seit Menschengedenken. Auflehnungsversuche deutscher Ka tholiken gegen jesuitischen Druck, deren Zeugen die letzten Jahre des verflossenen Jahrhunderts waren, haben nur dazu gedient, die Stärke der römischen Macht zu zeigen. In Oesterreich haben die Diener des Papstes den Slawen geholfen, daS Deutschtum in Fesseln zu schlagen, der rein politische Katholizismus ist dort so unbeschränkt, daß er selbst wagen darf, daS deutsche Wesen der strenggläubigen Bewohner Südtirols zu knechten und sie dem Volkstum des „kirchenräuberischcn" Italien auS- zuliefern. In diesem Lande seines Sitzes selbst hat, die Fiktion vom gefangenen Papste aufrecht erhaltend, die klerikale Partei unter Leo Schritt für Schritt an Boden gewonnen und dort das klassische Beispiel für die Nichtigkeit deS Satzes er bracht, daß daS Papsttum auch für seine weltliche Machtbetätigung keines TerritvrialbesitzeS bedarf. Auch jenseits des Ozeans, in Nord-Amerika, hat der Papst in den letzten Jahren wieder Beweise unbedingten Gehorsams seiner Millionen Katholiken in überwiegend protestantischen Landen leitenden Diener erhalten. Leo XIII. wird von seinen Anhängern mit Recht nachgerühmt werden, er habe die Kirche in gewaltiger äußerer Kraft den Fuß auf die Schwelle deS zwanzigsten Jahrhunderts setzen lasten. Ob auch in innerer Stärke? Das wird das neue Jahrhundert darzutun haben. Der Deutsche Karl Jentsch, als einstmaliger katholischer Priester ein Kenner des Seelenlebens deS Volkes, weist nicht ohne Bewunderung auf daS Eintreffen der Vorhersage hin, Rom werde den Widerstand gegen die Einbürgerung des Unfehlbarkeitsdogmas in Deutschland mit Leichtigkeit überwinden. Aber er fügt hinzu: ob die, die in den siebziger Jahren dcS 19. Jahrhunderts Recht behalten haben, auch für daS zwanzigste richtig prophezeit haben, das steht dahin. Und jedenfalls: in Deutsch land hat der „Nachfolger Christi" und sein „heiliger Heer bann" die Wogen der roten Internationale nicht zu be schwören und da» Herannahen von Zuständen zu verhindern vermocht, wie sie das katholische Belgien aufweist; in Oester reich regt sich ein freier Geist, Spanien, diese Hochburg deS Jesuitismus, ist dank eben dieser Eigenschaft von einer prote stantischen Macht fast spielend zu Boden geworfen worden, das gleichfalls stockkirchliche Portugal stirbt dahin. Frankreich zwar hat sich von schweren Schlägen erholt, aber gerade da eS seine Wiedergeburt vollzog, war der UltramontaniSmuS ohnmächtig in diesem Lande, und als der JesuitiSmuS die „älteste Tochter der Kirche" wieder zu besitzen begann, brachte er ihr die DreysuS-Sache als Morgengabe zu. Und obwohl Leo XIII. von seiner Abneigung gegen ein geeintes Deutschland sich bestimmen ließ, Frankreich das schiSmatische Rußland als Bundesgenossen zuzuführen, versiegt der fran zösische PeterSpfennig und müssen die geistlichen Orden den weltlichen Behörden die Schlüssel überliefern, ihre Schüler entlasten und den Wanderstab ergreifen. Vielleicht daß auch Leo XIII. das unter seinem Vorgänger geborstene Schild der Papstkirche nur ncuvergoldet, nicht neu zusammengeschwcißt hat. Ganz ohne Erfolg ist er in dem Werk, de» Frieden» gewesen, da- er — ob in ähnlicher Ab sicht, wie die gewesen, die ihn als Jüngling in die Prälatur lockte, wer vermag eS zu sagen? — eifrig empfahl: in der Sozialpolitik. Er hat für die vom irdischen Glück minder oder gar nicht Begünstigten nur Worte gehabt, die klerikal regierten Länder, Belgien vor allem, sind in der Fürsorge für die Arbeiter am weitesten zurück, die Protestanten auf dem deutschen Hohenzollern-Kaiserthrone waren die Führer auf diesem neuen Pfade der ringenden Menschheit und sind es geblieben. Und daS von der Sonne deS freien Geistes gekräftigte germanische und evangelische Wesen wird, mag den Kardinälen auch künftighin die Wahl kluger und gewandter Päpste gelingen, auf allen Wegen, die nach oben führen, die Führung der Menschheit behalten. * Rom,20. Juli. (Tel.) Die Erteilung der letztenAb- solution an den Papst, die der Großpönitentiar, Kardinal Serasino Vannutelli, unter der Beihülfe des CeremoniarS des päpstlichen Hofstaates vornahm, war von ergreifendem Eindrücke. Die anwesenden Kardinäle, unter ibnen Oreglia, Rampolla, Della Volpe, ViveS, sowie die Neffen des Papstes waren niedergekniet und suchten ihre Tränen zurückzuhalien, um den Papst, der bei ziemlich klarem Bewußtsein war, nicht zu erregen. ES wird berichtet, der Papst habe zum Kardinal Oreglia einige Worte gesprochen und die Kirche seiner Sorge anvertraut. Monsignore BiSleti hab« um den päpstlichen Segen für die Personen deS HofdiensteS gebeten, die nebenan versammelt waren. Der Papst habe den Segen erteilt und gesagt, dies sei sein letztes Lebewohl. Dann habe der Papst mit großer Anstrengung den Kardinälen die Hand gereicht. Hieraus seien anregende Mittel angewendet worden, die den Papst wieder ein wenig belebt hätten. * Rom, 20. Juli. (Telegramm.) Die im Vatikan weilenden Diplomaten erhielten ebenfalls Zutritt zu dem Zimmer des Papstes. Der Papst erteilte allen Anwesenden mit großer Anstrengung den Segen und reichte ihnen die Hand zum Kusse. Die Kardinäle begaben sich nach dem Verlassen des Zimmers in die Bibliothek. Deutsches Reich. * Leipzig, 20. Juli. Der Wahlausschuß der vereinigten nationalen Parteien ließ heute durch seine« Schriftführer, Herrn Kaufmann Zeiß, dem bisherigen Leipziger Reichstagsabgeordncten, Herrn Professor vr. Hasse, folgende Adresse überreichen: Hochgeehrter Herr Professor! In freundlicher Weise haben Sie allen denen, die — leider ohne Erfolg — für Ihre Wiederwahl tätig gewesen sind, Ihren Dank ausgesprochen. Ungleich größeren Dank schulden wir Ihnen. Gestatten Sie uns jetzt, nachdem sich die Wogen der Wahlzeit einigermaßen gelegt haben, Ihnen diesen Dank in schlichter Weise auszusprechen. Wir sind uns bewußt, damit im Sinne weiter Kreise zu handeln — weit über den 12. Wahl kreis hinaus — trotz aller Anfeindungen, die Sie während der letzten Monate zu erfahren gehabt haben. Ihrem unermüdlich pflichttreuen, opferfreudigen Wirken, Ihrem mannhaften Auftreten in jeder, auch der schwierigsten Lage, danken wir es vornehmlich, daß sich unser Leipzig — zu letzt die einzige umer den großen Städten des Reichs — bisher den Ruhm einer in der Mehrzahl ihrer Wähler wahrhaft natio nal gesinnten Stadt zu bewahren vermocht hatte. Was das bedeutet, wird nun auch manchem, dem jetzt die Augen noch ge halten waren, erschreckend klar werden, wenn ec die Reden und Abstimmungen des nunmehrigen Vertreters des 12. Wahl kreises mit Ihrem Wirken zu vergleichen haben wird. Mit Ihnen teilen wir die Ucberzcugung, daß cs ein Zusam mentreffen unglücklicher Umstände war, das den Ausgang der Wahl verschuldet hat und daß über kurz oder lang eine Zeit kommt, in der die nationale Gesinnung wieder in voller Stärke erwachen und ihren Ausdruck finden wird. Möchte, Ihrem Beispiel folgend, jeder Ihrer Wähler an seinem Teile dazu Mit wirken, daß sie bald komme und daß dann nicht die große Zeit ein kleines Geschlecht finde. In aufrichtigster Hochschätzung zeichnen wir Der Wahlausschuß der vereinigten nationalen Parteien. (Folgen die Unterschriften^ 6. H. Berlin, 20. Juli. (Die sozialdemo kratischen Organisationen.) Unablässig ist bekanntlich die Sozialdemokratie bemüht, ihre Organi sation auszubauen und zu erweitern. Während des letzten Wahlkampfes hat sich gezeigt, daß die gewerkschast- lichcn Verbände die besten Truppen im Kampfe sind. So soll denn jetzt die ganze Kraft auf den Ausbau der gewerkschaftlichen Organisation verwandt werden. Zur Zeit gibt eS 02 gewerkschaftliche Zentralvereine, von denen ja einzelne, wie die der Bäcker, Barbiere, Fleischer, Masseure, nicht viel zu bedeuten haben, andere aber wiederum, wie die der Metallarbeiter, Holzarbeiter, Maurer, Buchdrucker, Zchntausende oder gar Hun derttausende von Mitgliedern zählen und Ver mögen von mehreren Millionen Mark besitzen. Die Zahl der A r b c it e r i e k r e t a r ia t e, die natürlich eifrig für die Partei tätig sind, hat sich in der letzten Zeit ebenfalls stark vermehrt; es gibt h"ute deren 35. Die internationalen Beziehungen der Sozialdemokratie traten beim letzten Wahl kampfe ganz besonder« stark hervor (Geldsendungen, Sympathiekundgebungen). Sie werden hauptsächlich ge pflegt durch die verschiedenen sozialdemo kratischen Landeözentralen; mit 20 derselben hat die unter Vorsitz des Abgeordneten Legten stehende Generalkommission der Gewerkschaften Deutsch lands enge Beziehungen. Die 20 sozialdemo kratischen Landcszentralen befinden sich in Oesterreich, Ungarn, in der Schweiz, Italien, Spanien, Frankreich, Belgien, iu den Niederlande», Großbritannien (Vor sitzender I. Mitchell), Dänemark, Schweden, Norwegen, Fiuland, Nordamerika, Australien (hier vier, und zwar für Neusüdwalcs, Queensland, Südaustralien, Viktoria) und Japan (Sen Katajama, Kingsley Hall, Kanda, Tokio). Bekanntlich ist kürzlich ein internationales Sekretariat der gewerkschaftlichen Landeszentralen gegründet worden; es hat vor läufig seinen Sitz in Berlin, außerdem existiert ein inter nationales Sekretariat der sozialdemokratischen Arbeiter parteien aller Länder (Victor Serwy, Zäo, 28 Nue de Portugal Brüssel). Ferner bestehen in Deutschland 7 besondere AgitationSkommifsionen, und zwar für Ostpreußen, Westpreußen, Posen, Pommern, Elsaß-Lothringen, Schlesien nnd Oberschlcsien. Die Zahl der sozialdemokratischen Rauch kl ubs wird auf 1200 geschätzt; die sozialdemokratischen Gesangvereine zählen wohl an 100 000 Mitglieder; hierzu kommen die sozialdemokratischen Sportvereine «Ruderer, Turner), hierzu treten ferner die sozial demokratischen Wahlvereine, eine Menge Krankenkassen; die Konsumvereine sind eben falls zum größten Teil in den Dienst der sozialdemo kratischen Agitation gestellt; kurzum, das Netz der Organisation ist außerordentlich viel maschig und dickt. * Berlin, 19. Juli. (E. v. Hartmann über die geistliche Schulaufsicht.) Die Tatsache, daß die geistlichen Kreise vielfach anfangen, die Schulaufsicht als eine drückende Last und als eine dornige und undankbare Aufgabe zu empfinden, ist vielfach bemerkt worden. Im „Tag" nimmt Eduard v. Hartmann zu dieser Frage also das Wort: „Früher wollte die Kirche ihren Einfluß auf die Schule durchaus nicht gemindert sehen in dem Glauben, daß, wer die Schule habe, auch die Zukunft habe, daß die Religion dem Volke durch die Schule erhalten werden muffe, und daß die Kirche sehr an Einfluß verlieren würde, wenn ihr die Schulaufsicht entzogen würde. Ich glaube, daß diese Ansicht auch jetzt noch um so mehr M icht über die Vertreter der evangelischen Kirche hat, je näher ihr Stand punkt dem der katholischen Kirche steht. Mir scheint jedoch so? k.'ß die RF'oscm Volke durch die Schule zu erhalten sei, ebens"wcuig zutreffend, wie .e Besorgnis, daß der geistliche Stand ohne Schulaufsicht die Fühlung mit dem Heranwachsenden Geschlecht der Ge meinde nicht mehr voll bewahren könne. Die Schule kann Disziplin, Kenutnisse und Fertigkeiten über' '.Nein, ist aber nur unter ausnahmsweise veranlagten Zehrern g.'- eignet, religiös erwccklich zu wirken. Das Christentum hat ohne Schule die Welt erobert und ohne Schule ein Jahrtausend die Seelen beherrscht; feit es einen Schul unterricht in der christlichen Religion gibt, geht ihre Macht über die Gemüter von Jahrhundert zu Jahrhundert zurück. Im allgemeinen verleidet der Durchschnitt s- lchrcr den Schülern jeden Gegenstand, den er schul mäßig behandelt, und um so mehr, je eifriger er sich seiner annimmt, also auch die Religion. Der viel zu breite Raum, der dem uns dogmatisch und kultur-geschichtlich gleich fernstehenden alten Testament im Religionsunter- richt der Schule zugewiesen ist, das Ueberwuchern des Memoricrstoffes, die teilweise veraltete Form der aus wendig gelernten Kirchenlieder uno Katechismen, der un freie, mit der theologischen Wissenschaft nicht Schritt haltende, der Zeitströmung widerst, ebende Gc^. der Er klärungen und das zu große Gewicht, das auf de- Buch stabenglauben, die Weissagungen und die Wunder gelegt wird, wirken zusammen, um gerade denRcligions- unterricht den Kindern no umehr zn ver leiden, als irgend einen andern Unücrichtsgegcnstand. Ueberall, wo der in der. Familie herrschende Geist bereits ein anderer ist, als der in der Schule, und das Kind diesen Unterschied merkt, dient ein solcher rückständiger Reli gionsunterricht geradeswegs dazu, dem Volke die Re ligion auszutreiben, nicht dazu, su ihm zi« erhalten. Dieser Uebelstand wird durch die geistliche Schulaufsicht verstärkt. Der Staat und die Kirchenbehörden sorgen dafür, daß fast nur buchstabengläubige Geistliche, die von der modernen theologischen Wissenschaft möglichst wenig berührt sind, zu Pfarrämtern gelangen bezw. in solchen verbleiben, und daß anders Denkende sich möglichst hüten muffen, ihren ab weichenden Ansichten in die Praxis Eingang zu gestatten. Jeder Geistliche neigt infolge seiner Vorbildung dazu, die Wichtigkeit des Religionsunterrichts in der Schule zu überschätzen und seine Aufsicht hauptsächlich u n d i n erster Reihe auf die Leistungen deS Lehrers und der Schüler in diesem Unterrichtsfach,.' zu erstrecken. Selbst Kreis- und Stadtschulinspektorcn im Hauptamte, die ans dem geistlichen Stande in daS Schulfach übergetretcn sind, verfallen nur zu leicht in diesen Fehler. Tic Lehrer wissen, daß mangelhafte Leistungen in andern Unterrichts fächern milde beurteilt werde«, ,-vcun nur die Pr.ifung in Ser Religion gut aussüllt, und drillen dcmgeutüß, um der geistlichen Schulaufsicht Genüge zu tun, die Schüler noch weit mehr im religiösen Memorierstoff, als die staat lichen Regulative eS verlangen. Nus diesem Umwege wirkt die geistliche Schulaufsicht noch mehr als die rückständigen Rcgumtivc dahin, den Kindern die Religion durch oie Schule zu verleiden. Religiös crweckiich soll die Schule überhaupt nicht wirken, weil sie im Durchschnitt dazu gar nicht befähigt ist. Sie ist eine Zwangsanstalt, und religiöse Erweckung kann mau nur von solchen erwarten, die sich ihr freiwillig darbietcn Alle diese Uebelstände würden aufhören, wenn die geistliche Schulaufsicht durch eine weltliche ersetzt und von Männern auSgeübt würde, ^ie niemals d n geistlichen Stande c.ngchö.. haben und ....ut aus dem Theologiestudium hcrvorgcgangen sind. Die Pfarrer brauchen dabei uiwts von ihrer Fühluug mit der Heranwachsenden Lenerattou einzubützen, sofern sie sich
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