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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 22.07.1903
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1903-07-22
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19030722022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1903072202
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1903072202
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1903
- Monat1903-07
- Tag1903-07-22
- Monat1903-07
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Die „Mitteilungen für die Vertrauensmänner der nattonalliberalen Partei" gruppieren die Parteien in sechs Hauptgruppen: 1) Aeußerste Rechte (Antisemiten, Christlich-Soziale, Bund der Landwirte, Bayerischer Bauernbund) mit 18 Mitgliedern; 2) Konservative (Deutschkonservative, Kreikonservative und konservative ,^Vilde") mit 70 Mitgliedern; 3) Klerikale Mitte (Zen trum, Polen, Welfen und Elsaß-Lothringer) mit 132; 4) Liberale Mitte (Nativnalliberale und gemäßigt liberale ,Milde") mit 52; 5) Freisinnig-demokratische Linke mit 37 und 6) die Sozialdemokraten mit 81 Mitgliedern. Hierzu gesellt sich als die einsam ragende Säule ein Däne. — Zum Schluß des vorigen Reichstages zählte, wenn man dieselbe Gruppierung gelten lassen will, die äußerste Rechte 2 Mitglieder, die Konservativen 8, die klerkiale Mitte 2, die liberale Mitte 1 und die freisinnig demokratische Linke 15 mehr als jetzt. Diesem Verluste von 23 Mitgliedern aller fünf bürgerlichen Parteigruppen steht die gleiche Gewinnzahl bei den Sozialdemokraten gegenüber. Die nationalliberale Partei bezw. die „liberale Mitte" hat 19 Wahlkreise gewonnen und 20 verloren. Und zwar gewonnen von den Sozial demokraten die fünf Kreise: Sorau, Hanau, Offenbach (wildliberal), Holzminden (wildliberal), Bernburg; von der freisinnigen Vvlkspartei die fünf Kreise: Schleswig, Wiesbaden, Eisenach, Koburg und Bückeburg (wild liberal); vom Zentrum den Kreis Limburg; von den Welfen die Kreise Verden und Lüneburg; von den Anti semiten die Kreise Gießen und Lauterbach und vom Bund der Landwirte die Kreise Geestemünde und Sins heim. Verloren gingen an die Sozialdemokraten die acht Kreise: Aschersleben, Bochum, Dortmund, Leipzig, Mittweida, Annaberg, Göppingen, Rudolstadt; an die Demokraten der Kreis Oberndorf a. N.; an die Frei sinnige Vvlkspartei der Kreis Tondern; an die Frei sinnige Vereinigung der Kreis Dithmarschen; an das Zentrum der Kreis Ottweiler; an die Welfen zwei Kreise: Melle, Celle; an die Polen der Kreis Thorn; an die Deutsch-Konservativen zwei Kreise: Herford, Schwerin; an die Antisemiten der Kreis Kassel; an die Christlich- Sozialen der Kreis Dillenburg; an den Bund der Land wirte der Kreis Homburg (Pfalz). Die 19 eroberten Kreise sind sämtlich schon früher im Besitze der Partei ge wesen; sie sind nach der ganzen sozialen Zusammensetzung ihrer Wählerschaft und nach den wirtschaftlichen und er- werblichen Verhältnissen derselben besonders geeignet, durch Organisation und fleißige Arbeit nunmehr zum dauernden Besitzstände der Partei entwickelt zu werden. Bon den 20 verlorenen Kreisen ist auch nicht ein. einziger als unwiederbringlich verloren anzusehen. Die meisten, eigentlich alle, sind überhaupt nur verloren gegangen, weil entweder nicht zeitig genug mit der Wahlvorbereitung begonnen wurde, oder weil der Wahlkampf durch vorübergehende erschwerende Um stände um seine an sich günstigen Aussichten betrogen wurde. Letzteres gilt sowohl für das Königreich Sachsen, wo tausend Ursachen zusammengewirkt haben, die alle mit der Reichspolitik und dem Zwecke der Reichstagswahlen kaum in Zusammenhang standen, wie für das Ruhrgebiet, wo eine Erregung in den Kreisen der Arbeiterschaft nachzitterte, die aus Anlaß des „Falles Krupp" entstanden ist. Die Sozialdemo kraten haben hier wieder einmal ihr sprichwörtliches Glück gehabt, d. h. andere haben ihnen gute Waffen zum Wahlkampfe geliefert. Die 20 verlorenen Wahl kreise sind bei fleißiger Parteitütigkcit nach fünf Jahren wieder zu holen. Zu den 49 Fraktionsmitgliedern der nationalliberalen Partei im Reichstage, deren Namen wir wiederholt genannt haben, kommen noch, außerhalb der Fraktion stehend, die drei „Wildliberalen": vr. Becker-Offenbach, v. Damm-Wolfenbüttel und Deppe- Bückeburg. Aus Schlochan-Flatow. Einen Rückblick aus die N e i ch s t a g s w a h l in S ch l 0 ch a u - F l at 0 w gibt eine Flugschrift des dort ausgefallenen nationalliberalen Kandi daten, des zweiten Vorsitzenden des Ostmarkenver- cins, Justizrat W a a n e r - Berlin. Wagner wendet sich gegen die gegen ihn gerichteten Angriffe, die haucktsächlich darin gipfeln, daß seine Kandidatur eine Zersplitterung der Deutschen im Wahlkreis herbeigcsührt und dadurch die Gefahr heraufbeschworen habe, daß der Wahlkreis den Polen ausgeliesert werde. Er meist die Unwahrheit dieser Behauptung nach und tui dar, daß der frühere Abgeordnete H i l g e n d 0 r f f als fanatischer Bündler, der sogar gegen das Bürgerliche Gesetzbuch gestimmt habe — er und Herr v. Ploetz als die einzigen —. vor allem aber aus dem Grunde sich unmöglich gemacht habe, weil er sich in der preußischen Landtagswahl 1898, in der er gegen den kon servativen Kandidaten mit 210 nur 31 Stimmen erhielt, durch ein Kompromiß mit den P o»l e n, die mit ihren 195 Stimmen für ihn eintraten, habe wählen lassen. Herr Hilgcndorff stand also auf Seiten der Polen gegen die deutschen vereinigten liberalen und konservativen Ele mente! Demnach lag die Gefahr vor, daß, wenn Hilgen dorff alleiniger Kandidat bliebe, sehr viele deutsche Wühler, die durchaus nichts von ihm wissen wollten, der Wahlurne fcrnbleibcn würden und dadurch der Pole iu Verein mit dem Zentrum Aussicht auf Erfolg haben könnte. Die Kandidatur Wagner hat also den Wahlkreis für das Deutschtum gerettet, nicht aber gefährdet. Zu ge ring wurde nur die Bedeutung der antisemitischen Kan didatur angeschlagen. Uebrigens hat auch in Schlochau- Flatow, nach der Behaurstung der Broschüre, der amtliche Apparat für den extremen Bündler gearbeitet. In der Stichwahl vereinigten sich dann gegenüber dem Polen alle deutschen Elemente ans den deutschen Kandidaten, der als solcher, nicht als Antisemit, gewählt worden ist. Dieser Sieg des Antisemiten Böckler verlangt aber noch eine gesonderte Betrachtung, welche die „Natlib. Korresp." in folgender Weise anstellt: Das dem Kreise benachbarte Könitz und die dortigen Bo>,länge die seit Jahren die Bevölkerung in Aufregung halten, bot den üppigen Nähr boden für eine antisemitische Strömung, von welcher die übrigen Parteien sich vollständig überraschen ließen. Noch im Jahre 1898 wagten es die Antisemiten nicht einmal, einen Zählkandidaten aufzustellen. Und zu Beginn der diesmaligen Wahlbeweanna erklärte der antisemitische Schildknappe der agrarischen Bundcsleitung, Liebermann v. Sonnenberg, in Besorgnis für das Schicksal des ex tremen Bündlers vilaendorfs die Kandidatur des eigenen Gesinnungsgenossen Böckler für einen Einbruch in den agrarischen Wahlkreis. Aber der mit dem Nimbus der Märtyrerkrone aus dem Konitzer Prozeß umgebene Herr Böckler verstand sich besser auf die Volksinstinkte. Die Anerkennung darf der antisemitischen Agitation nicht ver sagt werden, daß sie keine Mühe scheute, sich fast mit jedem "nzelnen Wähler, mit jedem Bauer, jeden. Tagelöhner zu beschäftigen. An diesem Punkt müssen auch die liberalen Parteien einsetzen und in den vor uns liegenden 5 Jahren keinen Tag verlieren. v » Die evangelische Bewegung in Oesterreich. Man muß iu der Tat staunen, wieviel seither in der Arbeit an der evangelischen Bewegung in Oesterreich ge leistet worden ist. Ueber die Fortschritte der Bewegung lseit 1899) und im ersten Halb jahre 1903 schreibt man uns: Von Anfang des Jahres 1899 bis Ende 1902 wurden in Oesterreich 37 evangelische Kirchen, 13 Bethäuser, 3 Friedhofskapellen insgesamt 53 evangelische gottesdienstliche Stätten, dazu 8 evangelische Pfarrhäuser, erbaut und ihrer Bestinnnung übergeben. An 120 Orten wurde seit den Tagen der Gegenreformation wieder zum ersten Male evangelischer Gottesdienst gelmlten, etwa 100 Predigtstationen wurden errichtet, 12 selbständige Pfarrgemcinden gebildet. Gegen 90 junge Seelsorger, meist aus Deutschland, traten in den Dienst der Bewegung, von denen etwa ein Dutzend wieder über die Grenze befördert wurden. Acht derselben wurden anderseits zu Pfarrern gewählt. Die Zahl der zur evangelischen Kirche Uobergctretenen beläuft sich im ge nannten Zeiträume auf 24 304, die Zahl der Austritte aus der römischen Kirche (mit Einschluß der Uebertritte zum Altkatholizismus — 9393 —, zu den Herrnhutern, den Methodisten und einschließlich der konfessionslos Ge- bliebcnen) auf mindcstcns 34 000. — Vor Beginn der Bewegung gab es in Böhmen 18 evangelische Seelsorge sprengel, 23 Kirchen, 28 Geistliche, 48 Orte mit Gottes dienst, Ende 1902 dagegen: 49 Seelsorgesprengel, 52 Kirchen und Bcthäuser, 68 Geistliche, 125 Orte mit regelmäßigem Gottesdienst. Für Steiermark lauten dieselben Zahlen: 1899: 6, 12, 8, 17; 1902 dagegen: 11, 19, 23, 59. Die Be wegung ist auch im verflossenen ersten Halb jahre 1903 in den gleichen Bahnen vorwärts ge schritten. An 14 Orten wurde in genanntem Zeiträume zum ersten Male evangelischer Gottesdienst gehalten, und so das Evangelium in immer weitere Gebiete Deutsch- Oesterreichs getragen. Acht Predigtstationen wurden be- gründet und zwei selbständige Pfarrgemeinden (Neuberg bet Asch und Brüx) errichtet; drei neue Kirchen wurden eingewciht, nämlich die in Techendorf (Kärnten), St. Acgyd (Nieder-Oesterreich) und Jägerndorf (Schlesien), welch' letzteres zur Zeit des Markgrafen Georg von Branden burg-Ansbach (um 1530) ganz evangelisch war. Mit dem Einznge des Frühlings begann auch wiederum die Zeit der Grundsteinlegungsfeiern, deren Heuer bisher 6 statt fanden, in Falkenau a. E., Boreslau, Kaaden, Morchen- stern und Radschiy, sämtlich in Böhmen, und in Arriach in Kärnten. Sieben Gemeinden erwarben für den baldigst zu beginnenden Kirchbau Grund und Boden (bekamen ibn teilweise auch geschenkt), und mindestens 40 weitere Ge. meinden planen den Kirchbau. Los von Rom-Versamm- lungcn fanden in zahlreichen Orten Böhmens, Mährens und der Alpenländcr statt. Zur Ueberwachung solch' einer „staatsgefährlichen" Veranstaltung wurde im Schänken hofe im Jsergebirge nicht weniger als folgender Apparat aufgeboten: zwei Gendarmen mit aufgepflanztem Seiten gewehr am Eingang, ein Gendarm im Gastzimmer, ein Wachtmeister in der Küche, ein Regierungsvertreter im Saale! — Das rege evangelische Leben in den jungen Diasporagemeinden kam endlich zum Ausdruck in der großen Einmütigkeit und der starken Beteiligung, mit der im Juni, meist am Fronleichnamstage, die Gustav Adolf- Zweigvereinsfeste abgehalten wurden, „lutherische Ab- lässe", wie viele katholische Landleute meinten. Tas evan- gelische Vereinsleben blüht ebenfalls kräftig empor. Viele Kirchbau-, Gustav-Adolf- und Jünglingsvereine wurden ins Leben gerufen, am Pfingst-Dienstag in Wien ein evan. gelischer Pfarrerverein für Oesterreich begründet. Letzterer macht es sich znr Aufgabe, die Interessen des so schwer ringenden evangelischen Pfarrerstandes Oesterreichs wirk, sam zu vertreten; hoffen wir auch, mit dem gewünschten Erfolge. Dem in Bildung begriffenen „Deutsch-evange. lischen Bunde für die Ostmark" hat die Regierung gleich zu Anfang einen Stein in den Weg gelegt, indem sie dessen Satzungen nicht genehmigte, vr. Eisenkolb hat un verdrossen sofort neue Satzungen eingereicht. Auch sonst hat die Negierung den Evangelischen ihre Macht spüren lassen, indem sie z. B. den zum Pfarrer von Neuberg tei Asch gewählten Superintendent-Vikar Wirth nicht be. stätigte. Alles in allem aber, ist das Bild vom gegen- wärtigen Stande der Bewegung als durchaus erfreulich zu bezeichnen. Sie schreitet eben unaufhaltsam vorwärts, und hilft an ihrem Teile mit, das evangelische Christentum also zu beleben, daß es wieder eine Macht und fähig werde, unsere ganze Nation zu beherrschen. Ein großes Werk fordert auch große Mittel. Leider gehen dieselben noch immer nicht in der gewünschten Höhe ein. Jeder Protestant sollte sein Scherflein dazu beitragen. Java« ««d Rußland. Der New Norker Korrespondent der „Times" erklärt, es sei aus Telegrammen aus Peking deutlich zu ersehen, daß die Japaner das russisch-amerikanische Abkommen wegen der Eröffnung von Häfen in der Mandschurei mit Mißfallen betrachten. Nach japanischer Ansicht sei durch dieses Abkoimnen die Lage für Japan um nichts günstiger geworden als bisher, da das russische Versprechen Amerika gegenüber die Russen absolut nicht hindern würde, ihre Pläne gegen Korea weiter auszubauen und die Mandschu rei besetzt zu halten. Daß Rußland nicht daran denkt, dem koreanischen Protest gegen die Anlegung von Eisenbahnen und Telegraphen nach dem Gebiete -er Bauholzkonzession Berücksichtigung zu schenken, läßt die Sache noch schwieri ger erscheinen. Der russische Gesandt«, Herr Paulow, ant wortete auf den Protest der koreanischen Regierung, daß dieBauhvlzkonzession alles das in sich schließe, was mit dem Fällen, dem Transport und dem Verkauf des Holzes zu tun habe, und daß Rußland sich deshalb berechtigt fühle, Eisenbahnen und Telegraphen anzulegen, sowie Bergbau behörden einznsetzen. — Auch der Reutersche Korrespon dent in Peking meldet von einer großen Erregung der Japaner, die über die Tätigkeit der Russen am Haluflufse noch aufgebrachter seien, als Uber das Bleiben der Russen in der Mandschurei. Man ist in Peking in diplomatischen Kreisen davon überzeugt, «'as, Rußland einen Krieg mit Japan wünscht, weil es glaubt, mit diesem Lande leicht fertig werden zu können und den Widerstand gegen die russische Politik im fernen Osten zum Schweigen zu bringen für notwendig erachtet. Die Japaner argwöhn ten, daß Rußland aus diesem Grunde den Versuch mache, England und die Vereinigten Staaten mit der russischen Politik auszusöhnen, und daß man deshalb von einem Besuche des Zaren in England spreche. Daß in letzter Zeit die „Times"-Nachrichten mit besonderer Vorsicht aufzu nehmen sind, ist bekannt. Feuilleton. 2Y Hotel Alpenrose. Roman von Arthur Achleitner. ->«>cl struck verbalen. Die Kunde vom Ausmarsch dieser Expedition mußte sich in dem kleinen Orte rasch verbreiten, sic drang auch in das Doktorhaus, obwohl Andre wohlweislich hierüber nichts verlauten ließ. Die Magd des Arztes hörte davon und brachte die interessante Neuigkeit in die Krankenstube, just in einer Stunde, da vr. Guggemoos über Land zu einem Patienten fahren mußte. Laura hatte etwas geschlafen, sie erwachte heim Eintritt der Magd, war aber wenig geneigt, auf das Geplapper der Magd zu achten. Doch als die Dienerin von dem „halb närrischen" Advokaten erzählte, erschrak Laura, und hastig forderte sie klaren Bericht. Ohne Ahnung, daß jener Advokat der Bräutigam der Herrin sei, plauderte die Magd weiter und erwähnte, daß man keine Hoffnung auf ein lebendiges Antreffen des waghalsigen Menschen habe, und daß der Advokat den Gfad -nm Brennen bringen wollte. Mit einem Ruck war Laura aus dem Bette, forderte ge bieterisch ihr Touristenkleid und machte hastig Toilette. Verdutzt ob der unerwarteten Wirkung ihres Ge plauders, wollte die nun angsterfüllte Dienerin das Fräu, lein veranlassen, sich wieder zu Bett zu legen, doch Laura bestand auf ihrem Willen und machte der Magd flinke Beine. „Jesses, da hab' ich was Schönes angerichtet!" lamen tierte die einfältige Person und gehorchte dem Befehl. Bon einer entsetzlichen Sorge und Angst erfüllt, achtete Laura nicht weiter ihres Schwächezustandes, sie fühlte sich stark, «S ist ihr, als habe der Schrecken alles weggejagt. Mag kommen, was will, die Expedition muß sie begleiten, Hülfe bringen dem geliebten Unglücklichen oder doch die Leiche bergen, herabbringcn in geweihte Erde, so Gott das Gräßlichste wahr gemacht haben sollte. Das stürmisch pochende Herz hofft auf die Möglichkeit einer Rettung. In kürzester Zeit stand Laura zur Bergfahrt gerüstet, ließ sich noch über die Stunde des Abganges informieren. Eine gute Bergsteigerin, kann Laura hoffen, die Männer trotz des erheblichen Vorsprunges einzuholen, besonders dann, wenn die Bergführer in der letzten Almhütte rasten würden. Im letzten Augenblick ließ sich Laura noch etwas Proviant und Wein in den Damenschnerfer geben, und trat trotz des Gezeters der Magd die verwegene Berg fahrt an, und zwar auf dem seitlich um das Dorf führen den Pfad, um nicht von Bekannten aufgehalten zu werden. Ein Schwarm von Hotelgästen, denen der Aufbruch ver schlossener, ernster Bergführer zur Aufsuchung eines Ver mißten ein Langweil verscheuchendes Ereignis war, hatte den Zug hinauf durch den Lärchenwald begleitet, bliob dann aber, da der Aufstieg steil und das Distanzhalten schwierig, ja unmöglich wurde, zurück und verlief sich auf den vielen Waldpfaden. Diesen Leuten mußte Laura be gegnen, ein Ausweichen war nicht möglich. Verwundert genug begafften die gelangweilten Menschen die allein an steigende Dame, welche in guter alpiner Ausrüstung den Bergstock richtig zu gebrauchen verstand, und deren Antlitz im ernsten Ausdruck unerschütterliche Energie kündete. Uebcrrascht tuschelten sich die Fremden Kombinationen zu und kamen der Wahrheit ziemlich nahe, mit der Ver mutung, daß diese einsame Dame wahrscheinlich in Be ziehungen zu dem vermißten Touristen stehe und nun suchen gehen werde. Zur Befriedigung erwachter Neugier wollten einige Herren die Touristin ansprechen, doch der strenge, tiefernste Blick Lauras wirkte cinschüchternd und abwehrend. Immer aufwärts im stetig gleichmäßigen Schritt. Die Vegetation wird zusehends kärglicher, die einsame, von Angst gefolterte Touristin gelangt an die Krummholz region. In der Alpenhütte hatte Laura die Führer nicht mehr angetroffcn. Gern wäre sie den Männern sogleich nachgesolgt, doch ein Kräftenachlaß erzwang hier eine kurze Rast trotz aller Energie des festen Willens. Zu essen vermochte Laura nicksts, nur etwas Wein genoß sie, ver mischt mit Wasser aus dem Almbrünnelein. Dann widmete sie dem Firmament einen aufmerksamen Blick als er fahrene, mit der Hochwelt vertraute Touristin. Von hier ans ist nur ein Streifen des GfadhaupteS sichtbar, jetzt ein gehüllt in eine Wolkenhaube. Die Sonne strahlt glitzernd nnd heiß herab, manchmal von segelnden Wolken verhüllt. Würde der Senn nicht schwätzen, es wäre kirchenstill im Alpboden. Laura hörte kein Wort, starr blieb der Blick in die Höhe zum Gfad gerichtet, dort oben im ewigen Eise soll der heißgeliebte Unglückliche weilen Selbst nach der Wegrichtung erkundigte sich Laura nicht, vertrauend -er Markierung und ihrem Orientie rungssinne. Sie nickte dem Senn zu und verließ schweigend die Alpe. Eine Todesruhe allum, nachdem die Hochgrenze zurück gelassen ist, eine Steinöde, durch welche die roten Mar kierungsstriche auf Felsen den einsamen Weg weisen. Ein schlimmer Weg für die Touristin mit wundem Herzen. Die Atemnot zwingt dazu, die bisher im herben Schmerz zusammengepreßten Lippen zu öffnen. In den Schläfen hämmert es, keuchend wird der Atem, die Brust wogt. Aufwärts, stetig, die Angst, zu spät zu kommen, beflügelt den Schritt; Laura weiß, wie schlimm eine Tempo beschleunigung in dieser Höhe und in dünner Luft ist, den noch hastet sie vorwärts. Es foltert der Gedanke ihr Ge hirn, daß die Männer im Eifer der Nachsuche erkalten, die Expedition im Eise als zwecklos aufgeben und unverrich teter Dinge umkehren könnten, und das möchte Laura verhüten, zu erneutem Suchen aneifern und Belohnungen versprechen. Die Angst überwindet die Schwäche; wohl zittern die Knie infolge der übergroßen Anstrengung, es ist ja Wahnsinn, vom Krankenbette weg diese Hochtour zu unternehmen; Laura stolpert, der Gang wird unsicher, die Kräfte sinken, ein Schleppen ist es nur mehr, bald wird die Touristin in der Steinwüste niedersinken. Doch Laura erzwang den steilen Sattel im Höhenzug. von der Schneide aus ist der Blick frei auf das Eisfeld des Gfads, das bleu- dend weiß im Sonnenlicht glitzert. Verschneit der Firn. Ein Stechen in der Brust veranlaßte das Mädchen, sich auf ein Stück herabgestürzten Felsens zu setzen. Schwarze Gestalten, klein winzig anzufehen, krabbeln in einer Zickzacklinie auswärts, der gigantischen Gletscher zunge zu. Unerreichbar kür die sterbensmatte Touristtn, der Vorsprung ist zu groß. In dieser schmerzliche« Er kenntnis, unfähig zu weiterem Marsche, blieb Laura sitzen, den Blick hinüber zum ewigen Eise gerichtet. Qualvoll lange währt eS. bis der traurige Zug suchen- der Menschen völlig an die Firnzunge gelangt. Nun seilen sie sich an. sondieren die Tiefe des Schnees auf dem ewigen Eise, ein Stochern mit Pickeln und Berg stöcken, ein Anblick, der Laura Hcrzkrämpfe vcrirrsacht. Liegt Christian dort unter dem Schnee als ein toter Mann, so durchstoßen die Männer den Körper. Wie Fliegen auf Zucker sieht sich der Zug jener Menschen auf der schimmernden Schneedecke an. Tie wagen sich nicht tiefer hinein in daS Eisfeld, sie fürchten die trügerische Schneedecke. „Feiglinge!" rief Laura ächzend. „Wär^ «ch nur drüben In die lange Linie angeseilter, winzig erscheinender schwarzer Menschen kommt Bewegung, der Führer deutet auf eine Stelle, die, so hofft und glaubt Laura, weniger tief verschneit ist, er bückt sich und stochert im Schnee. Nichts. Die Männer kehren um, verlassen das Gletscherfeld. Einer nach -em andern seilt sich ab, und nun umkreise« sie die Zungenausläufer. Was ist das? Die Menschen laufen zusammen, bilden einen schwarzen Knäuel; sie «Nüssen etwas gefunden haben. Hätte Laura ein Fernglas mitgenommen, könnte sie sehen, was die Führer entdeckten. Nochmals seilt sich die Schar an und betritt den Firn, diesmal in gerader Richtung von jener Fundstätte auS, eifrig hastend, stochernd. Eine bange Stunde vergeht, sie scheint endlos zu währen. Nun blinken die Eisärte und Schaufeln auf, die Männer wühlen sich in die Schneewüste, werfen da krustige Geflock in Ballen auf und von sich. „Großer Gott! Sie haben eine Spur von Christian!^ stöhnt Laura, und trübe wird es vor ihren Augen. Es ist ein harter Kampf, dem Eise das Opfer zu ent reißen. Sie haben die Leiche gefunden, ein Zufall im Hin blick auf das ungeheure Eisfeld, eingefroren der angekohlte Körper, mit tausenden Klammern sestgehalten vom Eise. Doch die Pickel greifen an, sie befreien -en irdische« Rest eines Menschen, der im ewigen Eise verbrannte. Nun stehen die Männer wie betend, dann greifen viele Arme tief und heben etwas Schwarzes auS der Gruft 00« Eis und Schnee. Auf Bergstöcke gebunden, wird die Leiche langsam weg ¬ getragen. - , „Tot!" schrie Laura gellend in die steinwüste und sank nieder, sich in Krämpfen windend. Das scharfe Gestein schürft die Hände, reißt Wirnden in die Wangen, Blut sickert ins Geröll, warmer Lebenssaft in totes, gefühllose» Gestein. Keine wohltätige Ohnmacht erlöst, Laura bleibt wach, bei Linnen in entsetzlichen Schmerzen, zusammen, gekrampft, unfähig, sich zu erheben, von qualvollen Ge- danken gefoltert. Tot der Geliebte, tragisch geendet ein Menschenleben. Schier eine Ewigkeit währt es. Werden die Männer auf diesem Wege zurückkehren mit der Leiche, oder eine andere Richtung nehmen ? Bergführer halten sich oft nicht an markierte Pfade. Kommen sie nicht hier vorüber, so muß Laura verkrampft als weiteres Opfer der Berge
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