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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 23.07.1903
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1903-07-23
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19030723018
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1903072301
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1903072301
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1903
- Monat1903-07
- Tag1903-07-23
- Monat1903-07
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BezugS-PreiS t» d«r Hauptexpedition oder deren AnSgabv- stell«, obgedolt: vierteljährltch 8.—, bei zweimaliger täglich« Zustellung in« Hau« 8.7L. Durch di» Post bezogen für Deutsch land u. Oesterreich vierteljährlich 4.80, sür dt« übrigen Länder laut ZeUungSpreiSüst«. Nedaktion und Expedition: JohanntSgaffe 8. Fernsprecher 158 und SSL FMalevpedMot»«, r Alfred Hahn, Buchhandlg., UntoersitSt-str.S» 8. Lösche, Katharinenstr. 14, ». KöntgSpl. 7. Haupt-Filiale Vrerden: Marienstraße 84. Fernsprecher Amt 1 Nr. 1710. Haupt-Filiale Serlin: Earl Duucker, Herzgl. Bayr.Hosbuchhandlg, Lützowstrahe 10. Fernsprecher An^ VI Str. 4808. Morgen-Ausgabe. KiWM TagMM Anzeiger. Ämtsölatt des Königlichen Land- nnd des Königlichen Amtsgerichtes Leipzig, des Nates und des Nolizeiamtes der Ltadt Leipzig. Nr. 389. Donnerstag den 23. Juli 1903. Anzeigen'PreiS die 6 gespaltene Petitzeile LS H. N«tla«<u unter dem Redaktionsstrich (4 gespalten) 75 vor den FamUieuuach» richten («gespalten) üv Dabellarischer and Ziffernsatz entsprechend Häher. — Gebühren für Nachweisung«» and Offertenaunahme LS H (exel. Port»). Grtra-Beilagen (gesalzt), au? mit oer Morgen-Ausgabe, oha« Poslbesörderuu, 60.—, mit Postdesürderimg 70^-> ^nuahmeschluß für Anzeige«: Abeud-Ausgabe: Bormittag« 10 Uhr. Morg,u-Au«gab«r Nachmittag« 4 Uhr. Anzeige» sind stet« an di« Expedition zu richte». Die Expedition ist Wochentag« ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi« abends 7 Uhr. Druck und Verlag voa E. Pol» M Leidig. 97. Jahrgang. Wilhelm I. und Bismarck in Stockerscher Beleuchtung. Herrn Stöcker im „Vorwärts" als Autorität geehrt zu sehen, diese Erscheinung ist so absonderlich, datz man meinen sollte, sie existiere nur in der Hundstags- phantasie; ist doch der „Vorwärts" das Blatt gewesen, welches seinerzeit durch die Veröffentlichung des „Scheiter haufenbriefes" dem moralischen Ansehen des Herrn Stöcker einen vernichtenden Stoß versetzt hat. Mer Herr Stöcker hielt eS für angezetgt, über die Sozialpolitik Kaiser Wilhelms I. und Bismarcks den Stab zu brechen, und damit wurde er für das sozialdemokratische Zentralorgan zum maßgebenden Beurteiler. Das „bißchen Sozialreform" dient der sozialdemokratischen Partei auS taktischen Gründen von jeher als Gegenstand des Spottes. WaS also kann dem „Vorwärts" er wünschter sein, als aus dem Munde Stöckers zu hören, Wilhelm I. sei zu alt für eine starke Sozialreform gewesen, Bismarck, zu verständnislos für solche Dinge, habe sich die Sozialversicherung erst abzwingen lassen, sei für Arbeiter schutz überhaupt nicht zu haben gewesen, und die ganze Sozialpolitik tcS ersten Kanzlers wäre mechanisch gedacht. Je mehr die Sozialdemokratie mit dieser oberflächlich- einsettig-ungerechten und unhistorischen Beurteilung „krebsen" wird, um so notwendiger ist es, ihr die Auf fassung eines berufenen Geschichtsschreibers entgegenzu stellen, der den Fürsten Bismarck nicht mit der Feindselig keit eines Stöcker beurteilt. Max Lenz, der Berliner Historiker, nennt in seiner „Geschichte Bismarcks" (Leipzig, Duncker L Humblot) die BiSmarcksche Soztalreform der Idee nach „vielleicht seingrößteSWerk". In ihm knüpft er an Gedanken seiner früheren Jahre an, an die großen Traditionen der preußischen Krone, in denen er aufgezvachsen war. Schon im Frühjahre 1863 hatte er die Schaffung von AlterS- versorgungSanstalten angeregt, und eine Kommission burchgesetzt, welche die Arbeiterfrage diskutierte,' über Arbeitszeit und Arbeitslohn, über Frauen- und Kinder arbeit, über Nachweis und Verschaffung von Arbeits gelegenheit, über Sicherstellung der Arbeiter vor Krank heit, Unfällen und Invalidität hatte er längst Erhebungen anstellen, Denkschriften ausarbeiten lassen. Im Zu sammenhänge mit diesen Ideen war er auf die Einführung des allgemeinen Wahlrechtes gekommen, -als eines Mittels, „um die gesunden Elemente, welche den Kern und die Masse deS Volkes bilden, wieder in Berührung mit der Höchsten Gewalt zu bringen". „Der Kaiser", schreibt Lenz weiter, „stand dies mal ganz bet seinem Kanzler; mit freiem Verständnis, mit dem warmen Eifer seines reinen Herzens unterstützte er die heroische Unternehmung. Aber er war auch, wie Bismarck in bitterem Humor sagte, sein einziger FraktionSgenossc. Den Parteien gegenüber stand Bismarck auch jetzt wieder so einsam da, wie jemals früher. . . . Auch bei den eigenen Anhängern fand er nur lau und langsam Hülfe. ... Er aber verlor keinen Augenblick den Glauben an sein Werk und den Willen zu siegen. Die Niederlage, die er gleich bei der ersten Vor lage des Krankenkassengesetzes erlitt, erschreckte ihn nicht.. Durch seinen Kaiser und die verbündeten Regierungen gedeckt, achtete er nicht die Warnungen der Freunde, die Drohungen der Gegner, den Hohn, mit dem die Sozial demokraten die „Bettelrenten", die „Almosen" des Staates zurückwiesen. Gerade jetzt bewog er den Kaiser, in den erhabenen Worten der Botschaft vom 17. November 1881 das ganze Programm der Reformen zu verkündigen. . . . Was schließlich erreicht wurde, war lange nicht daS, was BiSmarck erwartet und gewollt hatte. Er wollte daS Reich unmttelbar als den Dstributor der Gelder an die Inva liden der Arbeit aufstellen r in großen Reichsanstalten oder vom Reiche geleiteten Korporationen sollte ihr Strom ein- und ausfließen,' NeichSzuschüsse sollten ihn verstärken. Statt dessen gingen aus dem Hader der Parteien drei Organisationen hervor, lückenhaft und schwerfällig, und schlecht ineinander sich fügend. Die Einen bekämpften die Reichszuschüsse, die Anderen die ReichSanstalt, und fast alle zusammen das Tabaksmonopol, das BiSmarck die Mittel fitr die Reform bringen sollte. Dennoch ist eS ein Werk geworden, das feinen Meister loben wird, solange unsere Staaten vor die Aufgabe gestellt sein werden, Macht und soziale Wohlfahrt miteinander zu verbinden. Und niemand wirb dem Schöpfer unseres Reiches jemals den Ruhm streitig machen können, unter den Soztalreformatoren allerZeiten als einer der ersten genannt zu werben." So weit Lenz. Aehnltch, wie er, hat auch einer der vorgeschrittensten Sozialreformer, Gustav Schmol le r, in -er „Sozialen Praxis" die Bedeutung der deut, schen Sozialversicherung gewürdigt. Was aber Bismarcks Stellung zum Arveiterschutz anbelangt, so ist die Anklage StöckerS durch die Ausführungen zu berichtigen, die der Bonner Nationalökonom H. Dietzel im „Hand- wörterbuche der Staat-Wissenschaften" über Bismarcks Sozialpolitik macht. „Die Furcht", so schreibt Dietzel unter anderem, „die nationaleJn- dustrte zu lähmen, sie ungünstiger zu stellen wie die des Auslandes, war daS eine, die Furcht, es könne die politische Wirkung, die er von der Arbeiter versicherung mit Sicherheit erhoffte, durch Fehlschritte auf dem schlüpfrigen Gebiete des ArbeiterschutzeS wieder verscherzt werden, war das andere Hauptmotiv seiner schroff ablehnenden Haltung. Zeitweise wirkte wohl auch die Verstimmung über die frostige Aufnahme mit, die das DersicherungSprogramm zunächst bet den unteren Schichten fand. . . . Ferner auch die Besorgnis, daß dies Versicherungsprogramm, dessen Durchführung ihm die dringlichste sozialpolitische Aufgabe war, bei gleich zeitiger Inangriffnahme der schwierigen und mannig faltigen Fragen des ArbeiterschutzeS auf die lange Bank geschoben werden möge. . . . Aber weder jene Verstimmung, noch diese Besorgnis würden den Kanzler auf die Dauer abgehalten haben, eine emanzipierende Ge setzgebung auch behufs deS Arbeiterschutzes anzubahnen. Daß er dies nicht tat . . ., war daS Ergebnis der Uober- zeugung, daß, wenn sie Gegen stiften solle, für die Nation, wie für die Arbeiter, die Regelung der Betriebsbe dingungen eine nach Ort und Zeit, vor allem aber nach BerufSgruppen durchaus verschiedene sein müsse.... Vielleicht würde, trotz seiner entschiedenen Neigung, die Fragen des ArbeiterschutzeS im Wege der korporativen Selbstverwaltung erledigt zu sehen, der Kanzler das, wie er meinte, große Risiko staatlicher Gesetzgebung auf sich genommen haben, falls ihm Sicherheit dafür geboten worben wäre, daß die übrigen, m 1 t Deutschland auf dem Weltmärkte konkurrierenden Völker ihre Industrie gleich schweren und gleich rigoros durchgeführten Beschränkungen unterwerfen würden. Aber diese Bedingung hielt er für unerfüllbar." Herr Stöcker hat in seine gehässige Kritik der BiSmarck- schen Sozialreform auch die Bemerkung einfließen lassen, daß bei Bismarck von wirklich innerer Anteilnahme an dem Wohle des Arbeiters nicht die Rede sein könne. Den Vorwand für diese Behauptung müssen BiSmarcksche Aus lassungen über den Nutzen der Existenz von Millionären und über die Sonntagsruhe liefern! Angesichts der zahl reichen urkundlichen Zeugnisse, die in der gedachten Rich tung in Bismarckschen Kundgebungen mannigfacher Art vorliegen und von Dietzel zahlreich citiert werden, beweist gerade die fragliche Behauptung, mit welcher Befangenheit Herr Stöcker dem verewigten Kanzler gegenübersteht: Der Schreiber des „Schetterhaufenbrtefes" kann seine Stellung zum Fürsten Bismarck eben niemals verleugnen. Eine evangelische Kirchenzeitung aber, wie „Der alte Glaube", hätte wahrlich Besseres zu tun, als durch den Abdruck Stückcrscher Gehässigkeiten Wasser auf die sozial demokratischen Mühlen zu führen. Deutsches Reich. * Leipzig, 22. Juli. Es wird uns mitgeteilt: „Nächsten Sonntag findet hier eine Besprechung der Vorstands mitglieder des Nationalliberalen Landes vereins mit den nationalliberalen Mitgliedern -er beiden Kammern über die Neugestaltung des Land tagswahlrechts statt. Zur Vorbereitung der wei teren Behandlung der Sache war schon vor längerer Zeit ein Rundschreiben erlassen worden." Indem wir mit größter Genugtuung hiervon Notiz nehmen, sprechen wir zugleich die Hoffnung aus, daß damit eine Periode eifrigster praktischer Tätigkeit und ener gisch st er Vertretung nationalliberaler Interessen auf dem Boden der gegebenen Verhält nisse zum Wohle des Vaterlandes ihren Anfang nehmen möge. 8KL. Berlin, 22. Juli. (Zweite Internatio nale Seismologische Konferenz.) Die internationale seismologische Konferenz hatte bei ihrer ersten Tagung zu Straßburg den Antrag der schweizerischen Delegierten, den Regierungen die Bildung einer internationalen seis mologischen A'sociation zu empfehlen und gleichzeitig dir Regierung de« deutschen Reiches zu bitten, weitere Schritte zur Vorbereitung eines Assoc«ationSvertrageS zu tun, durch eiuen in der Sitzung am 13. April 1901 einstimmig gefaßten Beschluß angenommen. Die ReichSreaierung hat der ihr vorgetragrnen Bitte entsprochen und an alle in Betracht kommenden Staaten die Aufforderung gerichtet, sich auf einer konstituierenden Versammlung durch Delegierte vertreten zu lassen. Fast alle Kulturstaaten baden die vom Deutschen Reich ergangene Einladung in zustimmendem Sinne beant wortet. Zweck der Konferenz ist die Gründung einer Asso ciation unter den für dir Erdbebenforschung inter essierten Staaten. Demnach wird eS die Aufgabe der Versammlung sein, die Grunvzüge eines AssociationsoertrageS auszustellen, sowie bindenoe Abmachungen über die allgemein gültigen Grundsätze zu treffen, welche für die seismische Beob achtung in den associierienSiaaien fortan maßgebend sein sollen. DieSitzungen der Konferenz finden im Landesausschußgebäude zu Straßburg statt. Des weiteren ist eine Reibe von festlichen Ver anstaltungen geplant, welche im Namen der Landesoerwaltung von Elsaß-Lothringeu, sowie der Stadt Straßburg den Teil nehmern an der Konferenz dargeboten werden. Dem unter dem Protektorate d«S kaiserlichen Statthalters Fürst zu Hohenlohe-Langenburg vereinigten Ortsausschüsse gehören der Staatssekretär und die UnterstaatSsekretäre, der komman dierende General, der Gouverneur von Straßburg, der Präsident deS LandeSauSsckusseS, der Bürgermeister, der Rektor und Professoren der Universität, mehrere Ministerial räte und andere höchste Reichs- und LandeSdeamte an. An der Zweiten Internationalen Seismologischen Konfe renz, welche vom 24. bis 28. Juli in Straßburg statt findet, werden folgende deutsche offizielle Delegierte teilnehmen: Da» Deutsch« Reich wird durch Geh. ObrrregierungSrat Lewald, Geh- RegierungSrat vr. Kautz, Vortragende Räte im Reichsamt LeS Innern, und durch den Direktor der kaiserlichen Hauptstation für Trdbebenforschung Professor vr. Gerlaub ver treten sein. Di« Deügierten der deutschen Bundesstaaten sind: Preußen: Geh. RegierungSrat Professor Vr. Helmert, Direktor deS geodätischen Institut» in Potsdam; Geh. RegierungSrat Pro fessor vr. Freiherr F. von Richthofen, Berlin; Geh. RcgierungS- rat Professor vr. Wagner, Göttingen; Professor vr. Wiechert, Güttingen. Sachsen: Geh. Bergrat Professor vr. Cr ebner, Leipzig. Bayern: Professor vr. Günther, München. Württemberg: Professor vr. Schmidt, Stuttgart, und Professor vr. Mack, Hohenheim. Baden: Hofrat Professor vr. Haid, Karlsruhe. Elfaß-Lothrtngen: Ministerialrat Stadler, Professor vr. Becker, Direktor der Sternwarte; Pro fessor vr. Rudolph, Sekretär der 1. Joteroationaleu Seismolo gischen Konferenz, Straßburg. Hamburg: Professor vr. Boller, Direktor deS physikalischen StaatSIaboratoriums; vr. Schütt, Leiter der Erdbrbenstation, Hamburg. * Berlin, 22. Juli. Die Statistik der Feuer bestattungen weist folgende Zahlen auf: Einäscherungen in den Krematorieu in Gotha von 1878-1902 2984 Heidelberg - 1891—1902 1174 Hamburg - 1892—1902 1014 Jena - 1898—1902 289 Offenbach a. M. - 1899—1902 823 Mannheim - 1901—1902 63 Eisenach - 1902 . 17 Gesammtzahl in Deutschland bi» 1902 5814 Feuerbestattungen im Jahre 1902. Bereinigte Staaten Nord-Amerika 3158 Deutschland 856 England 452 Italien 322 Frankreich nur bezahlte (Gratisverbrennungen ca. 4500) 805 Schweiz 217 Schweden 66 Dänemark 44 Zusammen 5420 (-) Berlin, 22. Juli. (Telegramm.) Der „Staats, anzriger" berichtet im Anschluß an seine früheren Veröffent lichungen über den Stand der Wurmkrankheit im Ober- bergamtSberirk Dortmund und über den Stand der Maßregeln zu ihrer Bekämpfung. (-) Berlin, 22. Juli. (Telegramm.) Die „Nordd. Allg. Ztg." hört: Dem Dichter Detlefs v. Liltenkron ist neben seiner Offizierspension eine königliche Guaven- bewtlligung voa 2000 Mark jährlich überwiesen worden. — Die „Franks. Ztz." empfiehlt donNationalsozialea den Anschluß an die Freisinnige Vereinigung. — Eine deutsche National-Konferenz zur internationalen Bekämpfung deS Mädchen handels, die zweite derartige Konferenz, findet am 27. und 28. Oktober 1903 in Berlin statt. Am 27. Oktober wird eine AuSschuß-Sitzung der Delegterteu abgrhalten werden, welcher sich die Begrüßung der Teilnehmer an der Konferenz anschlirßt. Diese wird unter Vorsitz deS Kammer herrn der Kaiserin, Graf von Keller, am 28. Oktober vormittags 9 Uhr im Bürgersaal de» Rathauses zusammentreten. Major a. D. Wagner wird über den „Stand der Frage der Bekämpfung des Mädchenhandels", Pfarrer Burckhardt über „OrganisatiouSfragen des National-ComitäS" sprechen. Professor vr. von Ullmann wird Borschläge, betreffend die strafrechtliche Verfolgung deS Mädchenhandel», unterbreiten, und zwar ». Ausdehnung aus Fälle der Einwilligung, d. Ausbeutung der Notlage, o. Strafbarkeit deS Versuche?, ck. Ausdehnung der Anzeigepflicht. Der vierte Punkt der Verhandlungen betrifft „Mädchenhandel nnd Kunst" (Referenten vr. Naumann-München und SanitätSrat vr. Maretzki). ReichstagS- abgeordnetrr Henning wird daS „Herbergerecht der BermietungS- bureau»" behandeln. Am Abend desselben Tages findet in der Tonhalle eine öffentliche Volksversammlung statt, in welcher Kano- nikus vr. Müller-Simonis über „Ausgaben der Gesellschaft gegen über dem Mädchenhandel" und Pastor Philipps über „Gefallene und Mädchenhandel" spreche» werden. — Auf einem Festkommers zu Hildburghausen hat sich der Reichstagsabgeordnete vr. Müller (Meiningen) nochmals über die Frage der großen liberalen Partei, und zwar in der Hauptsache pessimistisch, ausgesprochen. Der Plan sei ein schöner Traum. Er sei der letzte, der die riesigen Schwierigkeiten einer Einigung unterschätze. Derjenige nutze Fsnillrtsn sofort genommen. Nein, nein, das ist nicht wahr, du hast nur nicht gewollt." „O, gewollt hätt' ich schon. Aber wirklich, eS hat mich keiner gefragt. Wißt Ihr, Kinder, wenn die alten Jungfern so viel zu berichten wissen von zahllosen Körben, dann bin ich immer 'n bißchen zweifelhaft. Ich hab' nicht einen einzigen au-geteilt, und ich hab' auch keine unglückliche Liebe auszuweisen. Ich hätt' ganz gerne geheiratet, einen -raven Mann. Denn, wißt Ihr, Dtrickstunben, die gibt man eben doch nur als Notbehelf, und wenn man sonst nicht genug zu leben hat. Nur ans Liebhaberei oder aus Menschenfreundlichkeit schon gar nicht. Freilich, ja, daß ich nicht lüge, einmal hat mich doch einer haben wollen, aber ich weiß bis heute noch nicht, wer —" „Wie, Tante Hanna? — Aber Fräulein Gutsmuts — daS kann doch nicht sein! Wie wäre das möglich? — DaS mutzt du uns erzählen — Da bin ich aber gespannt?" So klingen die Ausrufe des Brautpaares durcheinander. „Meinetwegen! Ich hab' -war die Geschichte noch keinem Menschen erzählt, nicht einmal meinen Ge schwistern; von so was spricht ein rechtes Mädchen nicht. Aber weil Ihr so neugierig seid, und weil Brautleute von solchen Sachen so gerne hören, und weil die Geschichte schon längst verjährt ist, mag « sein. Also, eS hat mich richtig 'mal einer gewollt. In meinem Elternhaus herrschte ein sehr lebhafter Verkehr von jungen Leuten. Meine Brüder brachten gute Freunde mit, die beiden Schwestern waren in der Heimatstadt verheiratet, und durch ihre Männer gab'S auch immer neue Bekanntschaften und Be ziehungen. Ich, als da« Nesthäkchen, war der allgemeine Liebling. Ich soll auch recht hübsch damal» gewesen sei« —* „Bist du noch, Tante Hanna —" „Nicht unterbrechen. Also ja, recht hübsch, und lustig und guter Dinge war ich auch. Halt' keinen Grund, anders zu sein. Die Eltern lebten mir, wir hatten'S so behaglich zu Hause, nnd ich war im schönsten Alter, eben achtzehn Jahre. Einen besonderen Verehrer halt' ich nicht, meiner Meinung nach. Alle waren nett zu mir, und ich war freundlich mit jeden?. Da wurde mein Vater an'S Land gericht in die Residenz verseht, und als wir schon mitten im Aufbruch, im Packen und so weiter waren, da krieg' ich einen Brief, einen veritablen Liebesbrief, vielmehr einen Werbebrief. In wohlgesctztcn Worten hielt der Schreiber lrm meine Hand an, versicherte mir, daß er mich längst trn Stillen liebe, baß er aber nicht genug Mut besitze, sich mir mündlich zu erklären. Er sei seiner Sache nicht so sicher, und nur, weil wir im Begriff seien, die Stadt zu verlassen, wage er'S jetzt schon, um meine Hand zu bitten. Seine Verhältnisse seien mir bekannt, und so hoffe er aus günstigen Bescheid. — So der Mief, dem gar nicht» fehlt« zu einem ordentlichen Werbcbrief, als — die Unterschrift.il „Die Unterschrift?" „Allerdings, die Unterfchrtft. Ja, ihr künnt'S glauben. Der Freier hatte vergessen, sich zu unterschreiben. Ent weder in seiner Aufregung, oder kam ihm sonst etwas da- zwischen, kur-, die Unterschrift sohlte. Die Handschrift war den Eltern und mir unbekannt, und es war uns nicht möglich, zu antworten. Wir beschlossen als», die Sache geheim zu halten. Es hätte ja auch möglicherweise ein schlechter Scher- sein können, obgleich mir das nicht wahr- scheinlich dünkt. Ein« bestimmte Persönlichkeit vermochte ich mir nicht unter dem Schreiber vorzustellen. Ein« -irmnelstürmerids Vietze »« einem unserer »atzlrrichm Was sein soll Tine seltsame Liebesgeschichte von B. Rittweger. Ätachdruci verbalen. „Na, Schatze!, sind wir nun fertig? 's ist doch eine entsetzliche Strapaze, solche Brautvisiten!" „Aber, Willy, das nehm' ich übel —" „Das wär' noch schöner, Maus! Im Gegenteil — es muß dir doch sehr schmeichelhaft sein, wenn ich lieber mit dir zusammen zu Hause sitzen möchte, als bei allen mög lichen Leuten Herumrennen und höfliche Redensarten wechseln. Nicht mal 'n Kuß kann man sich dabei geben. Also — Lieb — war dies endlich der letzte Stretch?" „Nein, ein anderer folgt sogleich, Liebster. Aber be ruhige dich, das ist dann der letzte. Wir müssen nur noch zu Tante Hanna." „Tante Hanna? Aber, mein Gott, Maus, du hast ja entsetzlich viele Tanten. Ich dachte, die Verwandtschaft hätten wir schon am letzten Sonntage abgeklappert. Da waren wir doch bei Tante Alma, bei Tante Marie, bei Tante Sophie, bei Tante Olly und bei Tante —" „Ja, ja, schon gut Schatz. Aber Tante Hanna ist ja -ar keine Tante —" „So, ist gar keine Tante. Wozu brauchen wir dann -in?" „So hör' doch nur. Bet Fräulein Hanna Gut»mut» hab' ich al» kleine, Mädel „Bist ja jetzt noch 'n kleines Mädel und —" „Ach, laß doch nur die Dummheiten! Also bei Fräu lein Hanna GutSmutS hab' ich als kleines Mädel die ersten Strickstunden gehabt, und alle ihre Schülerinnen nennen sie „Tante Hanna" und haben sie furchtbar lieb, und sie wird sich furchtbar über unseren Besuch freuen und —" „Also 'ne alte Jungfer!" „Wie du das sagst! So spöttisch. Aber ich versichere dir, an Tante Hanna ist gar nichts zu spotten. Sie ist einfach süß! Natürlich, ganz jung ist sie nicht mehr. Sie mag wohl schon über vierzig sein, aber so hübsch ist sie noch mit ihren? rosigen Gesicht und ihren freundlichen braunen Augen, und so lieb ist sie. Na, du wirst ja sehen." „Wunder über Wunder! Warum hat dieser Engel eigentlich nicht geheiratet?" „Gott ja, darüber hab' ich auch schon oft gesonnen. Weißt du was, ich frag' sie, ja, ganz bestimmt, heute frag' ich sie. O, das kann ich ganz gut, paß nur aus. Da, hier wohnt sie, hier, in dem netten Haus, drei Treppen hoch." DaS junge Brautpaar wirb von Fräulein Hanna Guts mut» äußerst herzlich empfangen und beglückwünscht, und bald schwatzt der Herr Bräutigam so lustig mit der „alten Jungfer", als hätte er sie schon immer gekannt. Sie will die ganze Vcrlobungsgeschichte hören, und nachdem alles so genau wie möglich berichtet worben ist, platzt Lent, die strahlende Brau», heraus: „Sag' mal, Tante Hanna, warum hast du eigentlich nicht geheiratet?" „O, du Dummes! Go 'ne Frage. Weil mich keiner gewollt hat." „Das ist nicht wahr, Tante Hanna. Da» ist aar nicht möglich. Ich, wenn ich 'n Mann wär' — ich hätt' dich
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