02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 23.07.1903
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1903-07-23
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19030723024
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1903072302
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1903072302
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
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- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1903
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- Tag1903-07-23
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Einmal nämlich deswegen, weil das Münchener Zentrumsblatt dem verstorbenen Papste für die hohe Weisheit dankt, mit welcher er die beim Tode Pius' IX. zugespitzten Verhält nisse versöhnt habe, „um sie hoffentlich einem gleich weisen Nachfolger zur Fortsetzung des von ihm Angefangenen zu überlassen". — Gerade von dem Organe des ausgesprochen radikalen Klerikalismus die Mäßigung Leos rülynen und sie seinem Nachfolger empfehlen zu hören, ist erfreulich. Dagegen sticht es ungemein ab, wenn dasselbe Zentrums blatt die Wiederherstellung des Kirchen- staatcs mit dem größten Nachdruck fordert, indem es schreibt: „Leo XIII. ... hat seit den 25 Jahren, welche er Papst ist, außer dem Vatikan und dessen Gärten nichts mehr von Gottes Welt zu sehen bekommen. Daß dies kein erträglicher Zustand ist, weder für den Papst, noch für uns Katholiken, liegt auf der Hand. Eine Aenderung dieses Zustandes gehört zu den nächsten Aufgaben der Zukunft." — Wenn der Papst außer dem Vatikan nichts von der Welt zn sehen bekommen hat, so liegt das lediglich an ihm selbst; denn von keiner Seite wäre er gehindert worden, innerhalb oder außerhalb Italiens zu reisen. Wie wenig das Aufhörcn der weltlichen Herrschaft des Papstes seinem geistigen Einfluß genommen hat, wird von dem Organe des württcmbergischen Zentrums an läßlich des Todes Leos mit besonderem Nachdruck hervor gehoben. „Diese Welt", schreibt das „Deutsche Volks blatt", „hatte geglaubt (?), mit ihren armseligen politischen Künsten das Papsttum des geistigen Einflusses berauben zu können, indem sie ihm die weltliche Macht nahm; sie mutz, wenn sie der Wahrheit Zeugnis geben will, jetzt ein gestehen, daß der geistige Einfluß des Papsttums nie auf weltlichen Machtmitteln beruht hat." Ist dem so, dann kann auch vom klerikalen Standpunkte aus die Wieder herstellung des Kirchenstaates nicht zu den politischen Auf gaben der Zukunft gerechnet werden. Staatshiilfe! Die „Natlib. Korr." schreibt: „Die Regierung erstattet durch die „Berliner Korrespondenz" eine Art Bericht über die Inspektionsreise des Ministers des Innern in das Hochwasser-Gebiet. Wir müssen gestehen, daß der zweite Teil dieses Berichtes über die nun zu ergreifenden Maß regeln uns eigentümlich berührt, obwohl das mitleidige Herz der Regierung in den darin ausgesprochenen Absich ten durchaus nicht verkannt werden soll. Die Privat wohltätigkeit griff bereits zur augenblicklichen Lin derung der Not ein. Aber soll und darf der Staat seine Pflicht auf die private Wohltätigkeit abwälzcn? Es heißt in der offiziösen Kundgebung: „Zunächst handelt es sich um die Linderung der augen blicklich dringenden Not. Dazu wird hoffentlich(II) das Er gebnis der mit Energie und in weitestem Umfange aufge nommenen Sammlungen, die großer Opferfreudigkeit begegnen und an denen sich alle Kreise nicht nur Schlesiens, sondern voraussichtlich ganz Preußens und Deutschlands beteiligen wer den, ebenso genügen (II) wie zur Bestreitung der unmittel baren Kosten der Aufräumung und Desinfektion. Die letztere namentlich ist von weittragender Bedeutung, da erfahrungs gemäß das Auftreten epidemischer Krankheiten, namentlich der Ausbruch von Typhusepidemien als Folgeerscheinung derartiger Wasserkatastropheu zu den häufig beobachteten Erscheinungen gehört." Mit keinem Wort ist hier eine energische Staatshiilfe angedeutct, sondern die Negierung hofft, daß die aufge brachten Privatspenden nicht nur zur Liuderung der augenblicklichen Not, sondern zur Deckung der Kosten für die Vvrbeugmigsmaßregeln gegen die tm Gefolge der Hvchwasserkatastrophe auftretendcn Epidemien genügen werden! Also die Regierung verläßt sich ganz und gar auf die Privat-Wohltätiakeit, deren Quellen naturgemäß nur langsam und deshalb auch nicht sofort gleichzeitig und auch beim besten Willen nicht überall zweckmäßig und aus reichend fließen können. Aber die schleunigste und auf alle Stellen verteilte Hülse tut not. Hier dürfen keine engherzige fiskalische oder „verfassungsmäßige" Be denken vorwalten. Rasche Staatshiilfe im großen Stil muß die erste Maßregel sein. Für die Flüssigmachung eines ausreichenden sofortigen Kredits wird kein einziges Mitglied des Landtages der Regierung in diesem Falle die Indemnität versagen. Durch Unterlassung- einer solchen ersten organischen Hülfe, die sofort an allen Punkten er folgreich eingreisen kann, ladet die Regierung eine schwere Verantwortlichkeit auf sich. Sie erkennt die bittere Not, sieht Typhus und andere Evidemien voraus und verläßt sich auf die Privatwvhltätigkeit! Wenn es am Schluß der offiziellen Kundgebung heißt: „Jedenfalls wird die Königliche StaatSreglcrung der Lö sung dieser für das Wohl und Wehe einer wertvollen, mi>t der Geschichte und den Geschicken der Monarchie engvcrflochtcnen Provinz so außerordentlich wichtigen Fragen dasjenige hervor ragende Interesse zuwendcn, das der Bedeutung des Gegen standes entspricht" so weht aus dieser halbamtlichen Erklärung ein solch burcaukratisch erkältender Hauch, der wahrlich nicht „die Bedeutung des Gegenstandes" für die Regierung erkennen läßt. Statt der Versicherung des — ganz selbstverständ lichen — „hervorragenden Interesses" konnten die von der Wasserkatastrvphe betroffenen unglücklichen Bewohner Schlesiens, denen noch das Gespenst mörderischer Epi demien droht, eine rasche, entschlossene, hülfreiche Tat von der Regierung erwarten! Noch ist es hierzu nicht zu spät! Wir neigen keineswegs dazu, bei jeder Gelegenheit nach Staatshiilfe zu schreien; aber außerordentliche Ver hältnisse erfordern auch außerordentliche Maßnahmen. Das vielfach durch Wassersnot hcimgesuchte Schlesien ist diesmal so hart betroffen, wie kaum je zuvor. Zahlreiche Existenzen kleiner Leute stehen vor dem Zusammenbruch, wenn nicht schnell geholfen wird. Privat-Wohltätigkeit allein reicht nicht aus. der Staat hat die Pflicht, dies ¬ mal so rasch wie möglich helfend einzugreifen." — Diese Auffassung teilt anscheinend auch der Kaiser, wenn nämlich folgende Meldung zutreffend ist: Wie der „D. Tages-Ztg." aus Breslau mitgeteilt wird, ist beim Ober präsidium ein ausführliches Telegramm des Kaisers aus Norwegen eingetroffen, in welchem er sich über den Um fang des schlesischen Hochwasserschadens Bericht einfordert und schnelle und ausreichende Hülfe zu sichert. Bom türkischen Bandenkrieg. Eine Reihe von Nachrichten lassen darauf schließen, daß die makedonischen Comitos in den letzten Tagen noch einmal alle Kräfte zusammengerafft haben, um sich zu betätigen. Sie mußten es tun, damit die Besserung der Beziehungen zwischen der Pforte und Bulgarien möglichst wirkungslos bliebe. Jedenfalls hofften sie auch, die mohammedanische Bevölkerung zu Ausschreitungen reizen zu können, damit die Konsuln und Botschafter wiederum in Konstantinopel Beschwerden erhöben und neuer Stoff für die Sensationsfabrik in Sofia geliefert würde. Tatsächlich ist ja auch die Stimmung der Moslim sehr erregt, besonders die Mannschaften der Jlaweh- bataillone, die unter schlechter Verpflegung leiden und keinen Sold erhalten, klagen erbittert, daß sie die reiche Ernte, die dieses Jahr auf den Feldern steht, nicht ein bringen können. Ueberall herrscht Geldmangel und die Geschäfte stocken. Natürlich fehlt es auch nicht an den üblichen Gerüchten; in Monastir wird immer wieder er zählt, ein großes Christengemeyel stände bevor, und die Comites benutzen das, um die jungen Leute zu be stimmen, sich den Banden anzuschließen. Ihre Macht wollen sic durch Morde beweisen. So wurden bei Wodena vier christliche Frauen getötet, weil sie den Be hörden verraten hatten, daß in ihrem Dorfe ein ver wundeter Aufständischer liege. Die Unruhen in SiiVchina. Einem Reuterschen Berichte aus Hongkong zufolge ist die Rebellion in K wangsi keineswegs unterdrückt und das Eingreifen des Gouverneurs Wangtschihtschun keineswegs von Erfolg gekrönt gewesen. Der neue Vize könig der beiden Kwangs ist sofort nach seiner Ankunft in Kanton, die am 19. Juni erfolgte, nach dem Norden weiter geeilt, um die Operationen gegen die Rebellen zu leiten. In Whampoa bei Kanton inspizierte er aufs genaueste die Marinewerft und die Forts. Der Gouver neur von Hunan entsandte 2500 Mann an die Grenzen seiner Provinz, und mehrere Hundert „Schwarzflaggen" haben Hongkong auf dem Wege nach Kwangsi passiert. Ein aus dem Aufstandsgebiete in Hongkong ein getroffener vertrauenswertcr Mann teile mit, daß die Rebellen täglich an Zahl zunehmen und daß der berühmte Marschall Sn, der bekanntlich abgcsetzt wurde und sich auf dem Wege nach Peking befindet, wo er sich verant worten soll, viel zur Stärkung des Nebcllcnheercs bei trug, indem er etwa 1500 Mann seines Heeres entließ. Diese Leute ziehen jetzt plündernd umher. Die Rebellen sollen in der Nachbarschaft der großen Stadt Kweilin be sonders stark sein und ihre Rekruten in systematischer Weise drillen. Sie erhalten fortwährend Waffen sendungen aus -en benachbarten Provinzen. Nach den letzten Nachrichten ist die Stadt Tschungtschou, die an der Grenze von Kwangtung liegt, von Rebellen belagert worden. Erst nach vielen Bitten um Hülfe entsandte der Gouverneur eine Entsatzarmee. Die kaiserlichen Truppen in der Provinz Kwangsi sind zweifellos zu schwach, um die Städte der Provinz genügend zu garnisonieren. Deutsches Reich. Berlin, 22. Juli. (Arbeitslosigkeit in deutschen Fachverbänden.) Das Kaiserliche Statistische Amt legt zum ersten Male eine Uobersicht über die Arbeitslosigkeit in deutschen Arbeiter-Fachverbänden vor, welche fortan regelmäßig vierteljährlich im „ReichS- Arbeitsblatt" veröffentlicht werden und den bisherigen Methoden, die Schwankungen des Arbeitsmarktes zu messen, neu hinzutrcten soll. Die der Uebersicht «u Grunde liegende allgemeine Idee besteht darin, daß, wenn man die Mitgliederzahl eines Arbeiter-Fachverbandes und außerdem die Zahl der in einem gegebenen Zeiträume oder an einem bestimmten Termin arbeitslosen Mitglieder kennt, es möglich ist, aus den zeitlichen Veränderungen des Verhältnisses der absoluten Mitglicderzahl zu der Zahl der arbeitslosen Mitglieder einen Schluß auf die Ent- Wickelung der wirtschaftlichen Verhältnisse in dem be treffenden Gewerbe zu ziehen. Um es an einem Bei spiele zu verdeutlichen: Wenn am 1. Januar ein Verband 1000 Mitglieder hat, von denen 100 arbeitslos waren, und am 1. April die Zahl der arbeitslosen Mitglieder auf 200 bei gleichbleibender Mitgliederzahl gestiegen ist, so wird, falls nicht diese Veränderungen sich anderweit erklären, hieraus ein Schluß auf die Gestaltung der wirtschaftlichen Verhältnisse in dem betreffenden Berufe gestattet sein. Der Wert einer derartigen periodischen Uebersicht liegt darin^ daß die zeitliche Veränderung des Prozentsatzes der arbeitslosen Mitglieder einen Schluß auf die Entwickelung! im Gewerbe gestattet und damit eine Vervollständigung der übrigen Methoden zur Arbeitsmarktstatistik bildet. So weit der Verband tatsächlich einen großen Teil der in deut Berufe vorhandenen Arbeiter umfaßt, wird die zeitliche Veränderung des genannten Verhältnisses einen umnittel- baren Schluß auf die Verschlechterung oder Verbesserung der Lage gestatten. Aber selbst wo das nicht der Kall, wo der im Verbände vertretene Teil der Arbeiterschaft! nur einen geringfügigen Bruchteil der Berufsgenossen darstellt, wird diese Statistik wenigstens ergänzend als weiteres Kontrollmittel der anderen Methoden zur Beob achtung des Arbeitsmarktes von Bedeutung sein. In' dieser Erkenntnis wandte sich das Kaiserliche Stattstische Amt im Frühjahr dieses Jahres an die in Deutschland bestehenden Fachverbände, welche Arbeitslosen^«! unter st ützung zahlen, mit dem Ersuchen, ihm die für eine derartige Statistik erforderlichen Unterlagen zuv Verfügung stellen zu wollen. Das Kaiserliche Statistische Amt hat, wie das „Reichs-Arbeitsblatt" feststellt, überall in den Ärbeiter-Fachverbünden das bereitwilligste Entgegen-, kommen gefunden. Wir entnehmen der Uebersicht, daß anZ, Schluffe des zweiten Quartals in 42 Fachvereinen miL 213 962 Mitgliedern 5058 arbeitslos waren und sich (aut letzten Tage des Quartals) 1700 auf Reisen meldeten. Dte^ von den 8894 Arbeitslosen während deS ganzen zweitem Quartals bezogenen Berbandsunterstützungen beliefen sich auf 259 763,77 und verteilten sich auf 174 362^ Tage,j Die Verbands-Reiseunterstützungen beliefen sich auf! 65 925,72 und verteilten sich auf 9940 Personen, deren gesamte Reisetage sich jedoch aus der Uebersicht nicht genau feststellen lassen. Berlin, 22. Juli. Die unerhörten Bor« gängevon Laurahütte, die Gewalttaten des von gewiffenlosen allpolnischen Agitatoren ausgehetzten Pöbels sind noch in aller Erinnerung. Soweit die Fettilleton. Hotel Alpenrose. Roman von Arthur Achleitner. Nachdruck verboten. „Aber, Herr Doktor!" „Nu, nu, mein Gutester! So und nicht anders wird es kommen! Nun tun Sie mir den Gefallen und schwätzen Sie kein Wörtchen über all den Kram mit meinem Mädel! Auch nicht Honig schlecken von rosigen Lippen, bitt' ich mir aus! In hoffentlich acht Tagen rangieren wir uns, bester Tschurtscho, und dann haben wir wieder wohligen Sonnenschein in der „Alpenrose"!" „Gott gebe es! Ich weiß nicht, wie ich Ihnen danken soll!" „I wo! Nichts zu danken! Sorgen Sie lieber, -atz das Münchner „Echte" klar zum Ausschank kommt, gestern war es nämlich etwas staubig! So, nun her mit den Faszikeln! Hält' es nicht gegloobt, daß ich in der Sommerfrische mit Akten herumbuddeln mutz." „Es ist auch eine unverschämte Zumutung meinerseits, ich weiß es wohl! Aber in der Not ..." frißt der Teufel Fliegen! Jawohl! Bin ooch nich als Millionär geboren worden! Nu aber, Gott be fohlen, mein Gutester! Wie der olle Willem Magnus: dat machen wir! Servus. Turtscho!" Seine innigen Dankesgefühle legte Ambros in den Händedruck bei der Verabschiedung, und vr. Bier kreischte auf: „Hol' Sie der Guggug! 'n Wurm so zu quetschen!" Das Hotel hatte mit dem Abzüge des Militärs den krie gerischen Anstrich verloren und auch die Physiognomie sich insofern geändert, als die Engländer einer Art russischer Invasion Platz gemacht batten. Es wimmelte von neu gekommenen russischen Aristokraten, welche in Pvntresina und andern fashionablen Orten der Schweiz nicht das fanden, was sie wünschten, auf gut Glück das Dorf Schwarzwaffer aufsüchten und natürlich in die altbcrühmte „Alpenrose" kamen, in welcher nun das französische Idiom Umgangssprache wurde. TschurtschbergerS konziliantes Wesen machte den Aufenthalt sympathisch und seine Sprach, kennnifse erleichterten jeglichen Verkehr. Ein Häuflein „Sachsengänger" sand auch den Weg zur „Alpenrose", und zufällig fanden sich Bekannte aus Dres den darunter, daher Fräulein Acnnchen und Papa Bier als Spezialkenner der Umgebung Bärenführerdienste Lbernehme« mutzten. Einesteils war es Ambros erwünscht, daß Fräulein Aennchen dadurch beschäftigt und nicht in der Lage ist, ihn über seine Zurückhaltung zu befragen. Anderseits aber entdeckte Tschurtschberger unter den munteren Sachsen einen hübschen jungen Mann, der ersichtlich bestrebt ist, Fräulein Aennchen Aufmerksamkeiten zu erweisen, und diese Wahrnehmung rief in Ambros gewaltige Eifersucht und die Angst hervor, daß ihm die Braut weggefischt werden könnte. Völlig in Ordnung ist ja die Herzens angelegenheit noch nicht, cs lann möglicherweise alles entsetzlich schief gehen und die Braut verloren sein, aber wenn das Unglück dergestalt kommen sollte, braucht wenigstens jener Sachsenjüngling nicht Aennchen weg- zuschnappcn. Sorgen über Sorgen. In solcher Stimmung konnte Ambros unmöglich auf jubeln, als Frau Tauschkern ihn bestürmte um Auskunft, wo sie den armen Herrn Winkelhofer finden könne. Die hübsche Wienerin bettelte so dringlich, daß eine Ab weisung geradezu brutal wäre. Doch konnte es sich Tschurtschberger nicht versagen, zu äußern: „Sind Sie nach allen bisherigen Erfahrungen noch nicht genügend gewitzigt?" „Aber hören S', Herr von Tschurtschberger! Es ist doch meine Pflicht, gut zu machen, was ich gesündigt habe! Wenn auch Herr Winkelhofer kein Kammerherr und nicht einmal adelig ist, und etwas geflunkert hat, ein an ständiger Mensch bleibt er doch, und ich mutz ihn um Ver zeihung bitten. Wenn nötig, aus der Haft befreien!" „Das ist freilich eine lobenswerte Absicht!" stimmte Ambros bei und gab alle Auskunft, so daß Frau Tausch kern alsbald nach dem Gerichtsort aoreisen konnte. Das Zimmer in der „Alpenrose" ließ sie sich reservieren und ihr Schmuck blieb im Gewahrsam TschurtschbergerS. Da die fesche Wienerin bisher anstandslos ihre Rechnungen beglichen hatte, konnte der Hotelier mit einer Wieder kehr nur einverstanden sein. Neugierig blieb Ambros, wie sich dieses Pärchen wieder zusammenfinden werde. Jeder Tag brachte neue Kündigungen, Ambros scheute sich bereits, die einlaufenden, der Schrift nach bereits be kannten Briefe zu öffnen, mußte dies aber doch tun. Die Beträge für kleinere Hypotheken schickte er, die Summen der Betriebskaffe entnehmend, mit Postanweisung an den zum Erzfeind gewordenen Gütermakler Basold. Wie aber die großen Hypotheken getilgt werden sollen, das weiß Tschurtschberger nicht. Wenige tausend Gulden will eine Sparkaffe zu fünf Prozent leihen. Mit einem Galgenhumor meinte Ambros nach der Lektüre dieser Zuschrift: „Was hilft mir ein Tausender! Das ist genau so viel, als wenn etg Ochs ein Veilchen frißt! Will das Verderben hcreinbrechen, so hilft dieses Darlehen auch nichts mehr, Vasold wird die Schlinge zuziehen, und Tschurtschberger erdrosselt werden. Gehangen oder er drosselt, im Endeffekt bleibt es sich gleich." Wenn Ambros das Wetter dirigieren könnte, er würde regnen lassen, nein, wahrhaftige Wolkenbrüche veran stalten, um der Sachsenkolonie die Bergpartien zu ver eiteln. Tag für Tag schwirrt diese Kolonie aus, Aennchen ist umwimmelt, jener Jüngling gaukelt um das Mädchen herum wie ein honiglüsterncr Schmetterling. Lieber infolge Wettersturzes ein leeres Haus haben, als diesen faden Gaukler in Aennchens Gesellschaft wissen. Aber des Himmels Gunst ist mit dem Jüngling, blau das Firmament, herrlicher Sonnenschein, ein Pracht wetter Tag kür Tag und das Barometer steht unverschämt hoch. So tut der Herrgott rein, was er will und kümmert sich nicht den Pfifferling um Wünsche und Hoffnungen eines Hoteliers. Für ein Stündchen wurde Ambro- auf andere Gedanken gebracht, als zu feiner großen Ueberraschung Frau Tauschkern mit dem Freunde Winkelhofer zu Wagen ankam, und den unsicher blickenden, nun des aristokratischen Monokles beraubten Herrn als ihren Bräutigam vorstellte. ,Habe die Ehre! Zimmer gefällig?" rutschte es Ambros geschäftsmäßig heraus, er wußte in seiner Ueber raschung wahrhaftig nichts anderes zu sagen. Die fesche Frau schien sich die Oberherrschaft gehörig angeeignet zu haben, sie führte das Wort, Wtnkelhofer bildet das stumme, gehorsame Gefolge. „Aber hören S', Herr von Tschurtschberger, ich hab' Ihnen doch schon gesagt, wir sind jetzt Brautleut'! Natürlich! Es hat ja nicht anders kommen können! Ich hab' ihn um Ver zeihung gebeten, er hat alles gebeichtet, ich hab' ihm Ab- solution erteilt! Wissen S', Herr von Tschurtschberger, ein netter Mann ist der Moritzerl doch, und besser ein Mann als gar keiner! Und ist er nicht Kammerherr, als früherer Kammerdiener hat er doch feine Manieren un bessere Beziehungen. Wir werden schon auskommen! Meinen S' nicht auch, Herr von Tschurtschberger?" „Aber gewiß!" „Na also! Wir werden nun speisen, bitte aber im Zimmer, cs ist wegen der dummen Gafferei der Domestiken im Haus, und mit dem Abendzug fahren wir fort." „Ganz nach Wunsch! Ich darf wohl der Dame gleich den Schmuck einhändigen?" „Ja, sein S' so gut, Herr von Tschurtschberger, und besten Dank!" Frau Tauschkern führte ihren neuen Bräutigam hinauf, und hatte alsbald ihre Schmuckkassette in Händen. „So, Moritzerl, unser Vermögen haben wir! Da, setz' dich her und bewundere! War doch noch ein Glück im Pech! Und in Wien schaust du zu, daß du einen Posten bei einer Herrschaft bekommst. Hast mich verstanden, Moritzerl?2 „Jawohl! Zu Befehl!" „Siehst, Moritzerl, so ist es recht! So gefällst du mir besser als früher, ich brauch' einen gehorsamen Mann! Mit einem wirklichen Aristokraten wär' es ja doch nicht gegangen! Steh' auf, Moritzerl, das Essen wird ge bracht! Da, stell' dich her, Moritzerl! Guck nicht so dumm, Moritzerl, gib Acht auf die Suppen! Kannst überhaupt derweil einpacken, Moritzerl!" Und gehorsam kniete der gründlich veränderte Mann nieder und packte altgewohnt die Koffer. Freudestrahlend kam vr. Bier mit einer Depesche In die Office zu Tschurtschberger, wo es von Fremden wimmelte, und rief: ,Mktoria, Tschurtscho!" Ambros schoß das Blut in die Wangen, er zitterte und konnte für den ersten Augenblick kein Wort über die Lippen bringen. „Tschurtscho, raus!" lachte vr. Bier. Verblüfft standen die Fremden. Da kam Leben in den Hotelier, der sich aalglatt durch den Menschenknäuel drängte, auf den Anwalt lossteuerte und ihn überglücklich umarmte. Was liegt jetzt daran, was die fremden Hotelgäste von dem Wirt denken! „Fort, Tschurtscho! Kommen Sie augenblicklich t» meine Kemenate!" . Beide Herren benutzten der Eile wegen den Lift und waren rasch in vr. Biers Zimmer. „Großer Gott! Ist es möglich?" „ - ,^ier die telegraphische Zusage! sie erhalten auf, Ihr Eigentum, allen Grundbesitz, auf das Hotel samt Ein» richtung ein Gesamtdarlehen von dreihunderttausend Mark zu vier Prozent, Amortisation usw. wird alles ver traglich geregelt. DaS Geld gibt ein befreundeter Bank direktor, der überschüssige Kapitalien hat und selbe gern auf Ihr Anwesen plaziert. Binnen acht Tagen wird bas Geld der Postsparkasse in Wien auf Ihr Clearing konto überwiesen sein. Na, sind Sie jetzt zufrieden, Gutester?" „Wie soll ich Ihnen nur danken!" stammelte AmbroS, dem die Hellen Tränen in den Augen standen. „Nichts zu danken! Ein Freundschaftsdienst, weiter nichts. War mir eine Freude, Ihnen helfen zu können! Nun können wir jenem Gistniggel alle Hypotheken hinauszahlen, Sie haben dann nur noch einen einzigen Gläubiger, sigd rangiert, und bi- dZk ersten grauA
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