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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 21.07.1903
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1903-07-21
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19030721021
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1903072102
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1903072102
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1903
- Monat1903-07
- Tag1903-07-21
- Monat1903-07
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Ihrem Ver fasser ist offenbar infolge des sozialdemokratischen Wahl sieges «ine schwere Sorge auf die Seele gefallen. Die Art, wie er auf Abhlllfe sinnt, ist ungeachtet der Verwahrung, daß die Hauptwaffe gegen die Sozialdemokratie jetzt nicht mehr angewandt werden dürfe, weil sie vor zwanzig Jahren nicht gebraucht worden sei, gerade für einen Zen- trumspolttiker ungemein charakteristisch. Doch bevor der frühere Parlamentarier sich seinem Hauptthema zuwendet, entlastet er sein Gemüt gegenüber den verhaßten National liberalen durch die nicht mehr neue Behauptung, daß die drei Millionen sozialdemokratischer Wähler nur die Kon sequenzen des Programms ihrer nationalliberalen Groß väter gezogen hätten: eine Behauptung, die deshalb als bewiesen gelten soll, weil der wichtigste Grundsatz der Nattonalliberalen von 1871 die Anschauung gewesen sei, daß man im Wege des Gesetzes alles machen könne. Wie man sieht, hat sich der frühere Parlamen tarier den Nachweis der nattonalliberalen Großvaterschaft betreffs der Sozialdemokratie ungemein leicht gemacht. Di« Kleinigkeit, daß die Nationalliberalen von 1871 eine durchaus konstitutionell-monarchische Partei waren, wird einfach übersehen, um so zu tun, als ob Punkt II des Er furter Programms: „Direkte Gesetzgebung durch das Volk vermittels des Vorschlags- und Verwerfungsrechtcs: Selbstbestimmung und Selbstverwaltung des Volkes in Reich, Staat, Provinz und Gemeinde: Wahl der Behörden durch das Volk . . ." gleichbedeutend wäre mit dem libe ralen Prinzip der ausschlaggebenden Macht der Mehrheit innerhalb von Verfassung und Gesetz! Daß die Zcn- trumspartet gegen ein so verstandenes Mehrheitsprinzip etwas einzuwenden habe, ist seit Jahrzehnten einiger maßen in Vergessenheit geraten. Und gerade aus diesem Grunde muß die Hauptwaffe, die der Gewährs mann des badischen Zentrumsblattes gegen die Sozial- demokraite empfiehlt, doppelt in Erstaunen setzen. Besteht doch jene Hauptwaffe in dem Verbot der politi schen Organisation! Ein derartiges Gesetz will der frühere Parlamentarier auf dem Boden des gemeinen Rechtes und nur für den Fall auf gebaut wissen, daß auch die Freimaurer davon ge troffen würden. „Der Reichskanzler", heißt es schließlich, „welcher einen in dem ermähnten Rahmen gehaltenen gesetzgeberischen Apparat zu fertigen und damit die Sozial demokratie und die Freimaurerei zu vertilgen vermöchte, wäre in den Augen des deutschen Volkes jedenfalls ein verdienterer Mann, als der Erfinder der Buchdrucker kunst, welche zahllose Gewinne, aber auch viel Uebles brachte, während das Werk der Vertilgung der Sozial demokratie und der Freimaurerei nur Lichtseiten aufmeisen würde." — Bon solchem „gesetzgeberischen Experiment" meint sein Befürworter, es hätte vielleicht vor zwanzig Jahren reiche Früchte getragen, heute würde damit nur Oel ins Feuer gegossen werden. Ungeachtet dieses Vor behaltes verdient die Empfehlung eines so radikalen Vor gehens gegen die Sozialdemokratie in dem Munde eines klerikalen Politikers ihrer symptomatischen Bedutung hal ber alle Beachtung. Welche Ironie des Schicksals, daß innerhalb der badischen Zentrumspartet derartige „Dozia- listentöter" in einem Augenblicke ihre Stimme erheben, da die badischen Zentrumswähler in Karlsruhe, Pforzheim und Mannheim der Sozialdemokratie die Reichstags mandate eben aufs Neue ausgeliefert haben! —» ,^Borrvävts" contra Bernstein. Die sozialdemokratische Orthodoxie scheint große Furcht davor zu haben, daß die opportunistischen An schauungen des „Genossen" Bernstein in Bezug auf einen sozialdemokratischen Vizepräsidenten des Reichstages die Oberhand gewinnen. Be stünde diese Furcht nicht, dann hätte das sozialdemo kratische Zentralorgan schwerlich die Manen Lieb knechts gegen Bernstein aufgerufen. In einer Fried- Hofs-Betrachtung nämlich legt der „Vorwärts" einem „Genossen" vor dem Grabdenkmale Liebknechts die Frage in den Mund, ob Liebknecht wohl den „Dreimillionen schrei" gehört habe, um darauf zu antworten: „Erregter flüsterten plötzlich die Blätter und Heller blitzten die Sonnenstrahlen auf des Denksteins blendenden Granit spiegeln . . . Unseren flimmernden Blicken schien es, als ob die erzene Büste sich zum vollen Menschen aus wuchs und der Soldat der Revolution in seiner ganzen Größe vor uns lebendig wurde, . . . und aus dem ein wenig nach der rechten Seite gespitzten Munde rollten die Worte: „Auf dem Friedhöfe hält der Tod Hof. Seinem Ruf zu Hofe bin ich gefolgt. Er ist dieeinzige Majestät, vor der das Volk der Arbeit sich beugt!" — Und sie legte sich grollend wieder zur Ruh', eine „stolze Rebellenleiche". — Gerade die „stolze Rebellen leiche" gegen Bernsteins Auffassung, daß ein Sozialdemo krat dem Posten eines Vizepräsidenten zu Liebe auch einen Besuch bei Hofe machen könne, auszuspielen, ist besonders boshaft. Denn der lebende Liebknecht hat be kanntlich den Bernsteinschen Opportunismus nicht nur in der schärfsten, sondern auch in der gehässigsten Weise bekämpft. War es doch Liebknecht, der aus Groll gegen Bernsteins Uusturz fundamentaler Umsturztheorien dem „Genossen" Bernstein jede geistige Begabung absprach, ihn als „Strohmann'' und „Si tz r e d a k t e u r" brand markte. Der Borstoß des vorwärts" mit der „stolzen Rebellenleiche" kann als Vorgeschmack für die Präsidial debatten des nächsten sozialdemokratischen Parteitages gelten. Die Lage in Marokko. Der Sultan läßt in den großen Moscheen seines Lan des die Botschaft von den Siegen verlesen, welche sein Heer von Tazza errungen hat, von der Unterwerfung zahl reicher Kabylcn, die mit dem Prätendenten gegangen waren, und von dem bevorstehenden Einzug seiner Trup pen in Tazza, zum Schluß von seiner Absicht, alsdann über Rabat nach Marrakesch zu reisen. Der Prätendent sieht sich auf den Beistand der allerdings ziemlich mächtigen Kabylen der H'maz bei Tetuan beschränkt: einer seiner Kalifen, ein Scherif dieses Stammes, welcher angeblich auch Wunder verrichtet, befindet sich in Scheschuan, von wo aus unheimliche Gerüchte nach der Stadt Tetuan dringen. Auch hat Rogui eine Einladung an die Schorfas von Tetuan, Tanger, Alcazar und Wazan nach Scheschuan ergehen lassen, sie sollen dort zu Allah für einen guten Ausgang des Feldzuges gegen den die Gesetze des Koran mit Füßen tretenden Abd-el-Aziz beten. Ob es dazu kommt, ist fraglich, denn Abd-el-Aziz hat in letzter Zeit mehrere Truppenabteilungen nach dieser Gegend geschickt, und von den Gerüchten, die Rogui ausgestreut, hat sich noch keins bewahrheitet. Es ist hohe Zeit, daß der Sultan in diesem nordwestlichen Teile seines Reiches seine Auto rität wieder herstellt, sie hat durch den Fall Harris einen zu argen Stoß erlitten. Derselbe ist zwar jetzt insofern er ledigt, als Mr. Harris selber gegen die Freilassung der 15 von Raisuli beanspruchten gefangenen Banditen aus seiner Gefangenschaft entlassen wurde. Vorigen Mon tag kam er in seiner Villa an und begab sich alsbald zu Pferde, von einer lärmenden Menschenmeirge begleitet, zum Diner auf die englische Botschaft. Aber davon, daß man jetzt dem Raisuli an den Kragen geht, verlautet noch nichts, und so lange dieser nickt seiner wohlverdienten Strafe verfallen ist, kann das Gefühl der Sicherheit bei den Europäern von Tanger, die nach -dem Innern reisen wollen, nicht aufkommen, vr. Harris ist jedenfalls um mehrere sehr interessante Erinnerungen reicher geworden, wenn er sich auch niemals, wie wir ihn kennen, in seinem Leben ernstlich bedroht gefühlt haben mag. Als für die Sache des Sultans günstig muß das Eintreten des Scherif von Wazan, Miley Achmed, der höchsten geistlichen Auto rität von Marokko, in einer der friedlichen Erledigung der Angelegenheit dienenden Weise betont werden. In Melilla hat sich ein merkwürdiger Streiffall erhoben, ob nämlich die Douane des Sultans wieder in Melilla selbst, also auf spanischem Boden, wie vor der Unterbrechung durch den Prätendenten, errichtet werden soll. Dieser hatte sie aus dem einfachen Grunde, weil man ihm das Betreten von Mililla nicht gestattete, auf dem Cabo Moreno in Tätigkeit gesetzt. Wie es scheint, will Spanien die alte, schon den Verträgen nach unstatthafte Einrichtung nicht wieder zugeben. Die Besitzergreifung der Suluiuseln. Das jüngste Ausgreifen der Nordamerikaner in den Machtkreis Englands unter den Inselgruppen Ostasicns ist hier schon seit längerem bekannt. Es handelt sich um sieben kleine Inseln, welche die Verbindung der Sulu-Gruppe mit Borneo bezw. mit den großen Sunda-Jnseln darstellen. Die unter einem eingeborenen Sultan stehenden Sulu-Inseln wurden bis 1897 als spanischer Besitz angesehen, wenngleich die spanische Herrschaft nur dem Namen nach auf den Inseln bestand. Mit -en Philippinen gingen auch die Sulu-Inseln an Nordamerika über: doch blieb der eingeborene Sultan in seiner Herrscherstellung, und die Amerikaner be gnügten sich damit, eine fliegende Garnison von etwa 120 Mann nach den Inseln zu entsenden. Die Offiziere dieser Truppe entdeckten nun aber bald, daß keine be stimmten Feststellungen über den Umfang der Insel gruppe vorlagen, weshalb sie den Kreis der Gruppe immer weiter zogen und zu Anfang dieses Jahres be reits in unmittelbarer Nähe von Britisch-Borneo an gekommen waren. Daraufhin ließ die Washingtoner Negierung in Madrid vertraulich anfragen, ob nicht auch Spanien bereits jene sieben nach Borneo hinüber liegenden Inselchen als zur Sulu-Gruppe gehörig an gesehen habe. Die spanische Regierung verneinte dies, gab jedoch zu, daß niemals zwischen Spanien und Eng land eine genaue Abgrenzung zwischen der Sulu- Gruppe und den zu Borneo gehörenden Inseln statt gefunden habe. Darauf ist ein nordamerikanisches Kriegsschiff nach den fraglichen Inseln abgegangcn und hat sie während der letzten beiden Monate durch Ab teilungen von Marinetruppen sehr gründlich durch ¬ forschen lassen. Auf zwei der Inseln soll auch eine tat sächliche Besitzergreifung durch Hifsung der Unionsflagge erfolgt sein. Somit hat Nordamerika durch eine landes hoheitliche Handlung seine Besitzansprüche auf jene Inseln geltend gemacht, und es wird nunmehr die britische Negierung „in freundschaftlicher Weise einladen, die Abgrenzung des beiderseitigen Machtkreises durch eine besondere Kommission vornehmen zu lassen". Doch wird es inzwischen die Inseln als nordamerikanisches Eigentum behandeln. Jedenfalls ist dies ein weiterer Schritt zur Verwirklichung des Rooseveltschen Pro gramms, welches den ganzen Stillen Ozean als aus schließlichen Machtkreis der Bereinigten Staaten in An spruch nimmt. Deutsches Reich. H- Berlin, 20. Juli. (Die Südpolar expedition und der Retchsetat.) Als der Reichsetat für 1903 ausgestellt wurde, mußte nicht bloß der Rest der für die Südpolarexpeditton ausgeworfenen Gesamtsumme mit etwas über 100 000 eingesetzt, es mußte auch damit gerechnet werden, daß im Rechnungs jahre 1903 die Ausrüstung einer Hülfsexpedition er forderlich werden würde. Die Kosten der letzteren wurden auf nahezu eine halbe Million Mark ver anschlagt. Da jedoch die Entschließung über die Ent. sendung einer Hülfsexpedition erst später gefaßt werden konnte, auch die Kosten sich nicht genügend genau über sehen ließen, so wurde davon Abstand genommen, in den Etat selbst eine Summe zu diesem Zwecke einzustellen, die Reichsverwaltung betonte nur, daß sie sich für den Fall der Genehmigung des oben angegebenen Rest betrages der Gesamtsumme für die Ausrüstung der Ex pedition ermächigt erachtet, erforderlichenfalls eine Hülfsexpedition auszusenden und die zur Ausrüstung derselben notwendigen Mittel im Wege -er Etatsüber, schreitung zu verausgaben. Nachdem die „Gauß" zurück- gekehrt ist, hat es sich glücklicherweise als unnötig heraus- gestellt, an die Ausrüstung einer Hülfsexpedition heran- zugehen. Aber auch für den Fall, daß die Expedition nicht zu dem in Aussicht genommenen Termine zurück kehren würde, war bei der Aufstellung des Etats des laufenden Jahres eine Nachforderung angekündigt und bemerkt worden, daß nur, wenn die Expedition im ersten Viertel des Rechnungsjahres 1903 zurückkehren würde, der ursprünglich vorgesehene Betrag ausreichen würde. Auch dieser Fall ist eingetreten. So darf man denn annehmen, daß, wenn überhaupt, die Südpolar, expcdition für den Neichshaushaltsetat auf 1904 jeden falls keine großen Ausgaben mehr verursachen wird. * Berlin, 20. Juli. Die Wahlstatistik des „R e i ch s a n z e ig e r s" läßt nach der „Hülfe" viel zu wünschen übrig. Das nationalsoziale Blatt schreibt: Am 25. Juni fanden die Stichivahlen statt, und am 9. Juli brachte der .„Reichsanzeiger" eine amtliche lieber- sicht über das Wahlergebnis. Die Bureaukratie hatte sich Zeit genommen. Aber dafür hatte sie wenigstens mit der ihr eigentümlichen Peinlichkeit und Gewissenhaftig keit gearbeitet. So mußte man annehmen. Ein Blick jedoch auf das Tableau des „Reichsanzeigers" zeigt, daß die Bureaukratie in diesem Falle nicht nur unglaublich langsam, sondern vor allem empörend liederlich gearbeitet hat. Von kleineren Versehen, wie von den Dutzenden von falsch geschriebenen Namen, soll noch weiter kein Aufsehens gemacht werden, wiewohl es auch da eine Feuilleton. Hotel Alpenrose. Roman von Arthur Achleitner. Nachdruck verboten. Schon wollte Tschurtschberger fragen, ob ein Tiroler Gnade finden könnte, da hielt die Equipage; man mar am Ziele der Wagenfahrt angelangt. Leider begann der um wölkte Himmel leise Tränen zu senden, es tröpfelte, und Ambros konnte eine Fußpartie unmöglich Vorschlägen. ,Zötr werden nun wohl oder übel im geschloffenen Wagen heimfahren müssen!" meinte Tschurtschberger. „Sie glauben wohl, Herr Tschurtscho, ich sei ein Zuckerpüppchen, das im Regen zerfließt ? Irrtum! Bin ja touristisch gekleidet! Wenn es Ihrem schwarzen Bratenrock nicht zu gefährlich ist, spazieren wir pro grammgemäß! Mir schadet das himmlische Naß nicht!" „Darf ich wirklich die Promenade unter ungünstigen Wetterverhältnissen proponieren?" „Gewiß! Kommen Sie!" Resolut nahm Aennchen den Arm ihres Begleiters und ließ sich den Gangsteig zur Höhe hinanführen. Der Wagen fuhr leer zurück. Der Pfad ward» je höher steigend, desto schmaler und zwang zum Gänsemarsch. Aennchen stieg voran und Ambros folgte, die zierlichen Füßchen des putzigen Mädchens bewundernd und sein Schicksal preisend, als ihm auch noch der Anblick des unteren Teiles der schön geformten Waden gegönnt ward. Wie ein GemSlein stieg Aennchen bergan, leicht und Fcher, eine geschulte Kraxlerin, wie sie sich selber lachend nannte. AmbroS hatte fast Mühe, mitzukommen, und als der Atem keuchend wurde, drehte sich Aennchen um und hwttete gutmütig: „Aber, Sie blasen ja, lieber Herr Tschurtscho! Ist denn bas in Tirol und bei einem Sohne der Berge erlaubt?" Pustend erwiderte Ambros, den Aufenthalt gern nützend: „Eigentlich freilich nicht! Verzeihen Sic nur! Mir fehlt in der Saison der Training! Im Herbst stelle ich meinen Mann! Fräulein Aennchen sollten 'mal nach Saisonschluß hereinkommen und Kon trolle AberM „Na, wer weiß! Aber kommen Sie, wir werden wirklich patschnaß hier auf der Waldblöße!" Hurtig ging es hinan, bis der Tann einigen Schutz gewährte. Ambros wußte in der Nähe eine Jagddienst- Hütte, die das Paar nun aufsuchte, aber verschlossen fand. Immerhin gewährte das vorspringende Dach einigen Schutz vor dem Sprühregen. ,^Äenn sich Fräulein Aennchen nur nicht in der Zug luft verkühlen?!" sagte besorgt Tschurtschberger. ,^Lir hätten doch besser den Wagen benutzt!" Fast erbost sprach Aennchen: „Nun aber stille! Sie machen weiß Gott noch eine empfindliche Zierpuppe aus mir, uud das bin ich nicht! Fragen Sie doch Papa, er wird Ihnen bestätigen, daß ich tapfer alle Bergstrapazen ausgehalten habe und gewiß nicht verweichlicht bin!" „Respekt, Fräulein Aennchen! Ganz wie die Tirolerinnen!" Jetzt lachte das Mädchen: „Stimmt bis auf die Sprache! Das Sächseln könnte ich mir wohl kaum ab gewöhnen, selbst wenn ich eine tirolische Ehefrau werden sollte!" „Wollen Sie denn das werden, Aennchen?" „Der Sprühregen hat aufgehört, wir wollen weiter marschieren!" „Darf ich um Antwort bitten?" „Nicht so neugierig sein, Herr Tschurtscho! Neugierde ist Wcibersachc!" „Oh, Sie sind grausam! Ich hätte die Antwort für mein Leben gern gewußt!" „Ich bin gerne herinnen in den Bergen von Schwarz wasser und nicht zum wenigsten in der „Alpenrose". Das muß Ihnen genügen für heute! Nun aber, ganzes Bataillon mattch!" „Tausend Dank! Ich gehorche und habe das Glück im Herzen! Militär war ich nicht, füge mich aber selbst verständlich Ihrem Kommando jetzt und . . . ." „Nicht schwören, Herr Tschurtscho!" rief Aennchen und trippelte voraus. Ambros jauchzte aus beglückter Brust und eilte dem zierlichen Mädchen nach. Der Himmel schien seine Freude an diesem Pärchen junger, hoffnungssreudigcr Menschen zu haben, er klärte wieder auf, die Fichten, Tannen und Lärchen schüttelten sich das lästige Naß aus dem Geäst, Frau Sonne sandte lichtes Gold in den hochstämmige» Wald und zauberte eitel Lust in das Waldweben. Die Bögelchen jubilierten dazu ein vielstimmiges Konzert zum Preise des Schöpfers. Die gewaltigen Bergspitzen ragen in den blauen Aether, rein und klar, hell schimmert das ewige Eis der Firnen. ,Zöie göttlich schön!" rief in ehrlicher Bewunderung Aennchen und blieb stehen. „Glücklich der, welcher hier seine Heimat hat!" Und freudig zählte das Fräulein die Berge in der grandiosen Runde, welche schon von Papa und Tochter bestiegen wurden. Allmählich drängte die Zeit für Tschurtschberger, der an den Dienst des Hauses zu.Tale gebunden ist. Die Pflicht ruft ihn heim. Eine leise Andeutung genügte, Aennchen erklärte sich augenblicklich bereit, nur bat sie, 'mal nach Kinderart ausgelassen sein zu dürfen. „Wir wollen Haschen spielen den Berg hinunter bis zur Kirche, ja?!" „Aber gerne! Und was bekommt der Gewinner im Spiels „So ein Egoist! Ich gewinne ja doch! Sie werden mich nicht erwischen! Eins, zwei, drei, husch, husch!" Und vogelgleich wirbelte das putzige Geschöpf den Hang hinunter. „Jetzt, Amberl, lauf' um dein Glück!" dachte Ambros und jagte dem süßen Mädel nach wie der Leibhaftige, wenn er eine arme Seele fangen will. Hasche einer ein im Alpensport trainiertes, lauf gewandtes Mädchen! Tschurtschberger sprang und rannte wahrhaftig wie um sein Glück und Leben, aber das mut willige Ting wollte sich nicht einfangen lasten und be hielt Vorsprung, bis Aennchen in der Hitze des Wettlaufes doch einen wcgkürzenden Steilpfad überlief und eine Serpentine nahm. „Hoch Tirol!" rief schier atemlos Ambros und sprang den kürzenden Steinpsad keck hinab. verloren! Juch!" jauchzte Tschurtschberger und breitete die Arme aus, als Aennchen erhitzt heran gesprungen kam. „Ich bin Gewinner!" „Noch nicht, husch, husch!" spottete das reizende Ge schöpf und wollte ausbicgcn, tollkühn in die steinige Steil wiese springen. Mit einem Satz war jedoch Ambros an AennchenS Seite und griff ihren Arm. „Gefangen! Ich halte mein Glück und fordere den Weltpreis!" Still hielt das Mädchen, hoch ging der Atem, die junge Brust wogte. „Aennchen, mein Lebensglück!" jubelte Ambros und küßte herzhaft den rosigen Mund. „Böser, lieber Mann!" sprudelte Aennchen, entwand sich seinen Armen und hastete davon. In gemäßigtem Tempo kam Tschurtschberger nach, und traf auf der tiefer gelegenen Serpentine Fräulein Irma, die höhnisch lächelte. „So ein Pech!" hauchte Ambros, grüßte und schritt weiter. Es kann kein Zweifel sein, daß die wider wärtige, aufdringliche Person die Küßscene beobachtet hat. Aennchen war längst im Zimmer, als Tschurtschberger in geteilter Stimmung in der Office anlangte. Geschäfte verschiedenster Art nahmen den Hotelier in Anspruch, bis er die eingelaufene Post durchsehen konnte. Auf Sonnenschein folgt Regen, aus eine Stunde irdischen Glückes heilloser Verdruß. Ambros fühlte kalten Schweiß auf seine Stirn treten, als er zwei Briefe las, die Aufkauf einiger Hypotheken und deren Kündigung avisierten. Im ersten Schrecken sah der Hotelier gar nicht nach der Unterschrift. Mitten in der Saison die Hypotheken gekündigt und weitaus zu wenig Bargeld zur Einlösung! Eine höchst fatale Situation, die ohne fremde Hülfe eine Katastrophe heraufbeschwören kann. „Wer um Himmels willen kann von unseren Leuten so rücksichtslos sein! Ich habe doch stets die Zinsen, hohe Zinsen gezahlt!" flüsterte Ambros und suchte nun nach der Unterschrift. Da stand, markig geschrieben: „Vasold." „Allmächtiger! Der Makler mit der widerwärtigen Tochter, und noch dazu Gast im Hotel!" Zum Sinnieren und Jammern fehlte es an Zeit, Frernde kamen und forderten Auskünfte, Offi ziere wimmelten herein, Diener holten Be fehle, der Hoteltrubel begann mit der An kunft der Bahnzüge und der Equipagen aus der Schweiz. Ganze Berge von Koffern und Handgepäck wurden im Flur aufgestapclt, Rucksäcke und Taschen in der Office zur Aufbewahrung übergeben, das Hotelburcau glich alsbald einem Trödlerladen. Ambros waltete seine- AinteS im Flur, dann in den Lokalen. Der Buchhalter suchte in daß Gepäckchaos etwas Ordnung zu bringen, und stellte unter anderem ein mit Tuch eingeschlagenes Paket, das bisher neben dein Schreibtische auf dem Fensterbrett gelegen, achtlos unter den Tisch auf den Fußboden, um für bessere, elegantere Handtaschen Platz auf dem Fenster brett zu schaffen. Die letzte Briefpost ward auf den Schreibtisch gelegt,
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