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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 31.07.1903
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1903-07-31
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19030731022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1903073102
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1903073102
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1903
- Monat1903-07
- Tag1903-07-31
- Monat1903-07
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ÄmtsMtt des Königkichen Land- und des Königlichen Amtsgerichtes Leipzig, des Nates und des Nolizeiamtes der Stadt Leipzig. Anzeigen-Preis die Sgejpallene Petitzeile LS H. Reklamen unter dem Redaktionestrich s4gespallen) 78 H vor den Familtennach» richte» (6 gespalten) KO H. Labellarischer and Ziffernjah entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Osfertenannahme 25 H (excl. Porto). Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-AuSgabe, ohne Postbesörderung SO.—, mit Postbesörderung 70.—, ^nnahmeschlub für Anzeige«: Abrad-Ausgabe: Bormittog» 10 Uhr. Morgen-AuSgabe: Nachmittag» 4 Uhr. Anzeigen stad stet» an dl» Expedition zu richten. Die Expedition ist wochentags ununterbrochen geöjsnrt von früh 8 bis abend» 7 Uhr. Druck and Verlag von E. Polz in Leipzig. Nr. 385. Freitag den 31. Juli 1903. 97. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig, 31. Juli. Zur Verschmelzung der Nationalsozialen mit der freisinnigen Bereinigung schreibt die „Natlib. Korresp.": Tas Bestehen des Planes einer Verschmelzung der Nationalsozialen mit der frei sinnigen Vereinigung kann aus mehrfachen Rücksichten mit Genugtuung begrüßt werden. Einmal um deswillen, weil, wenn sich demnächst verwirklicht, was im Prinzip -wischen dem Vorstand der nationalsvzialcn Partei und dem Vorsitzenden der freisinnigen Vereinigung, dem früheren Abg. Schrader, abgemacht ist, ein schritt zur Vereinfachung unserer Parteicnentwickcluug sich voll ziehen wird. Nicht etwa zur Verminderung, sondern unbedingt zur Vermehrung der Genugtuung über diese Tatsache kann und muß es beitragen, wenn jetzt eine Partei auf ihre Selbständigkeit verzichten will, welche sich die Daseinsbetätigung einer solchen sozusagen kinder leicht vorgestellt hat. Für das im Deutschen Reich noch immer billige Streben, wenn möglich, in jedem Jahre eine neue Partei zur Welt zu bringen, ist die siebenjährige Geschichte der nativnalsozialen Parteicntwickelung lehr reich genug. Ob aber die professionellen Neuerer bei uns die entsprechende Lehre daraus ziehen und aufhören werden, statt sich an Schillers Rat zu halten: „Kannst du selber ein Ganzes nicht bilden, schließ an ein Ganzes dich an", den grackus aci Laruassum zu gewinnen glauben, wenn sie das „O, müßt' ich eine große Tat" des Uriel Acosta ins Parteipolitische übersetzen, erscheint fraglich. Denn wie stark in Deutschland der Trieb entwickelt ist und sich besonders auch in Kreisen regt, die der Ameri kaner gern als prominente bezeichnet, die parlamenta rische Entwickelung dadurch zu erleichtern und zu be fördern, daß man schleunigst eine neue Partei gründet, hat gerade die Erzeugung und Geburt der National- snzialcn gezeigt. Plötzlich sollte das non plrr« ,»ltr» des modernen Parteiwcscns gefunden sein. Die beteiligten Damen und Herren aber gemahnten an Leute, welche, dieweil die Sonne hell am Himmel steht, mit Laternen auf dem Markte herumgchen. Hätte sich im Jahre des Heils 1881 nach Erlaß der denkwürdigen kaiserlichen Bot schaft eine nativnalsozialc Partei gebildet, so würde man das haben verständlich finden können. Daß sie aber vor sieben Jahren ans Licht dieser sündigen Welt trat, hätte Windthorst, wenn er es noch erlebt, als stors cke 8sison bezeichnet. Und zwar nicht deshalb, weil damals der soziale Teil dcS nationalen Programms in geringeres Ansehen gerückt war wie vorher, sondern weil ihm selbst von der Seite zugcstimnnt wurde, welche sich, wie das in der freisinnigen Vereinigung am vollendetsten verkörperte Manchestertum am längsten wider die Politik der kaiser lichen Botschaft gesträubt hatte. Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen. Die jüngsten Ver öffentlichungen von nationalsozialer Seite bieten die köstlichsten Proben der Selbstironisierung einer Partei, die auszog, um der Welt neues Heil zu bringen, und die jetzt cingeht, da sie sieht, daß sie jeder Fähigkeit auf die Massen einzuwirken, bar ist. In der vorigen Nummer der ,^Hilfe" führte ein Nationalsozialer aus, daß die Nationalsozialen ohne ihre Partei-Organisation nur ein Haufen sein würden, bestenfalls ein Rudel Heimat-1 loser Flüchtlinge, die hier und da untcrkriechen, wo sie I einen Leithammel zum politischen Futterplatz finden. Das Maß des Nutzens zu bestimmen, welchen die frei sinnige Vereinigung davon trägt, wird sich erst zeigen, wenn als nnmittelbare parlamentarisch-praktische Folge eines Zusammenschlusses der Nationalsozialen und der freisinnigen Vereinigung sich der Hinzutritt des national sozialen Abgeordneten v. Gcrlach zu der Fraktion der Letzteren im Reichstage vollzieht. Einstweilen muß die Befriedigung über eine zu erwartende Vereinfachung des deutschen Parteiwesens, namentlich durch die Erinnerung an die Verwirrung, verstärkt werden, welche von national sozialer Seite letzthin in zahlreichen Wahlkreisen, weniger durch eine zeugungskräftige Propaganda, als durch clne alles besser wissende, splitterrichtende Schrcibsellgkeit, hervorgerusen worden ist. Wie lange diese Befriedigung nicht durch die Sorge eine Herabminderung erfährt, es möchte die Neigung der freisinnigen Vereinigung wachsen, der Sozialdemokratie noch mehr als bisher auf dem Präsentierteller entgegenzubringen, steht einstweilen dahin. Zentrum und Sozialdemokratie. Die „Köln. Voltsztg." stellt für die n ä ch st c R ' ichs - tagswahl den bürgerlichen Parteien einen „g roßen Erfolg gegenüber der Sozialdemokratie" in Aussicht, falls die bürgerlichen Parteien das Zentrum vom Standpunkte der „Gleichberechtigung" aus behandeln und nicht, wie cs diesmal der Fall gewesen, durch den „leidigen konfessionellen Kampf" das Zentrum zwingen, der kulturkümpferischcn Bewegung seine Hauptaufmerk samkeit zu widmen. Es trifft sich zufällig, daß gleichzeitig mit dieser Auslassung des rheinischen Zentrumsorgans ein Leitartikel des offiziellen bayrischen Zcntrumsblattes über das Ergebnis der soeben vollzogenen Landtags ersatzwahl in München vvrlicgt. Der „Bayrische Kurier" erinnert aus dem gedachten Anlasse mit unver kennbarer Genugtuuna an das klerikal-sozial demokratische Wahlkomvromitz von 1800. Es würde dem Geiste dieses Kompromisses, so betont der „Bayer. Kurier", widersprochen haben, wenn bei den Nach wahlen anders verfahren wäre, als bei der Hauptwahl von 1890. Nun haben jedoch mehrere sozialdemokratische Wahlmänner bei der jetzigen Nachwahl nicht für den Zen trumsmann gestimmt. Während das Blatt des Herrn von Vollmar diesen Seitensprung der „Genossen" mit der Er bitterung über das Verhalten des Zenlrumskandidaten bei der Reichstagswahl erklärt, entschuldigt der „Bayer. Kurier" die disscntierenden „Genossen" wohlwollend da mit, daß daS Wahlergebnis ja von vornherein fest gestanden habe. Die innigen Beziehungen zwischen Zen trum und Sozialdemokratie, w»e sie das bayrische Zentrum pfleg-, müssen stets vor Augen gehalten werden, wenn nach Art des eingangs erwähnten Sirenengesanges der „Köl nischen VolkSztg." von klerikaler Seite das Zusammen gehen aller bürgerlichen Parteien gegen die Sozialdemo kratie am Himmel der Zukunft gezeigt wird. Von den italienischen Sozialdemokraten. Die Meinungsverschiedenheiten, die seit langer Zeit im italienischen Sozialismus zwischen Reformi st c n und Intransigenten bestehen und die erst im vorigen Jahre auf dem Parteitag in Imola heftig aufeinanderplatzten, haben in Mailand zu einer offenen Spaltung geführt. Eine große Anzahl Refor misten, unter ihnen der einflußreiche Abgeordnete Turati, beschloß, wie die „Frkf. Ztg." berichtet, aus der „Fede- razione socialista", der offiziellen Parteiorganisation für Mailand, auszutreten, der sozialistischen Partei aber weiter anzugehören. Der tiefere Grund dieses Schrittes liegt in der Verschiedenheit der politischen Anschauungen, die unmittelbare Veranlassung in Reibereien mehr per sönlicher Art. Vor einigen Wochen hatten die Intran sigenten in einer öffentlichen Versammlung den Abge ordneten Sacchi, der zwar bürgerlich-radikal ist, aber trotzdem dem sozialistischen Abgeordneten Turati politisch nahesteht» ausgcpfiffeu. Diese Demonstration war nicht eigentlich gegen Sacchi gerichtet, sondern man hatte damit seinen Freund Turati treffen wollen. Dies verstanden die Turatianer wohl, und sie verlangten von der Ver sammlung des Vereins ein Tadclsvotum gegen die De monstranten. Als dies abgclehut wurde, beschlossen die Gemäßigten, aus dem Verein ausgetreten. Ueber die Bedeutung dieses Schrittes gehen die Ansichten ^vcit auseinander. Während man von sozialistischer Seite natürlich bemüht ist, die Sache möglichst als unwichtig hinzustellen und sie zu vertuschen, hebt man auf der bürgerlichen Seite hervor, daß die Spaltung, deren Be seitigung man vergeblich versucht und die sich nur noch verschärft hat, auch bei den Wahlen hervovtreten müsse. In der Tat hat sich bereits die Unzufriedenheit der Ge nossen mit der lauen Haltung der der reformistischen Richtung angehörigen Sozialisten in der Mailänder Stadtverordnetenversammlung scharf geäußert. Die Spal tung in Mailand, das für den italienischen Sozialismus die größte Bedeutung hat, kann auch nach auswärts an steckend wirken. Es ist bemerkenswert, daß seit dem Parteitag von Jmoln vor kaum einem Jahre die Jntian- sigenten ganz entschiedene Fortschritte gemacht haben. Die Leitung des sozialistischen Zcntralorgans, des „Avanti", ist in die Hände des revolutionären Ferri ge kommen: in der Mailänder Organisation, in der bisher die Reformisten herrschten, sind nach deren Austritt allein die Intransigenten tonangebend. Der Grund für deren Fortschritte liegt darin, daß die breite Masse mit der Hal tung der Partei, die das Ministerium Zanardelli-Giolitti unterstützte, unzufrieden ist und eine entschieden opposi tionelle Stellungnahme wünscht. Namentlich wendet man sich gegen Turati, dem man vorwirft, er sei kein Sozialist, sondern ein Bourgeois, der nach einem Ministerporte feuille schiele. Die Genossen in Neapel haben sogar eine Resolution gefaßt, die Turatis Ausschluß aus der Partei fordert. Der Terrorismus der Gewerkschaften in Amerika. Ein Einschreiten des Präsidenten Roosevelt gegen den Terrorismus der Arbeiterverbände gewinnt angesichts der künftigen Präsidentenwahl erhöhtes Interesse. Der Verband der Buchbinder in New Vork hatte, wie wir be reits mitteilten, einen nicht dem Verbände angehörigen Setzer namens Miller aus der Regierungsdruckerci hin- ausgeärgeri. Darauf ordnete der Präsident unter aus drücklichem Hinweis auf das Zivildienstgesetz die Wieder einstellung Millers an. Der Verband antwortete mit der Drohung, eine allgemeine Arbeitseinstellung herbeizu führen, falls dem Befehle des Präsidenten Folge geleistet würde. Darauf hat der Präsident nach einem Telegramm der „Times" vom 24. d. M. durch den Sekretär Cortelyon dem Verbände Mitteilen lassen, daß er die Wiedereinstellung Millers nicht rückgängig machen und einen deswegen vom Zaune gebrochenen Ausstand als eine Auflehnung gegen die Staatsgewalt anschen werde. Der Präsident will also beweisen, daß ihm die Arbeiterverbände in die Anstellung oder Entlassung seiner Arbeiter nicht dreinzureden haben. Er kann der Zustimmung eines sehr großen Teiles der Be völkerung bei seinem Vorgehen sicher sein, denn allerlei böse Uebergriffe, die sich die Verbände in letzter Zeit haben zu schulden kommen lassen, haben eine allgemeine Erbitte, rung gegen die Verbände erzeugt. In Indiana. Penn- sylvanien, Texas und New Aork haben die (Gewerkschaften tatsächlich von ihren Mitglieder den Austritt aus der Miliz verlangt und gefordert, daß der Staat die Miliz nicht zur Unterdrückung von Unruhen verwende, wenn der Zweck dieser Unruhen die Förderung der Inter, essen der Arbciterverbände sei. Der Gouverneur Turbin hat dieses Verhalten mit dem richtigen Namen Verrat be- zeichnet. Hält man dazu die Erfahrungen aus einer Reihe von Prozessen der letzten Zeit, in denen sich Führer von Arbeiterverbänden als bestochene Personen erwiesen haben, so versteht man die Klage der „Evening Post", daß die Verbände sich bereits über die Gesetze und über den Staat stellten. Die öffentliche Erbitterung wird denn auch wohl die New Iorker Gewerkschaften davor bewahren, die entschiedene Antwort, die sie jetzt vom Präsidenten haben einstecken müssen, zum Anlaß eines allgemeinen Ausstan- des zu machen. Deutsches Reich. /». Berlin, 30. Juli. (Das extreme Bündle». tum und die Stimmung im Lande.) De« „Deutschen Tageszeitung" genügt offenbar der Ausfall der Reichstagowahlen als Symptom der im Land« herrschenden Stimmung nicht: richtiger auSgedrücVr Die „Deutsche Tagesztg." möchte die bei der Reichstags wahl zweifellos bekundete Stimmung entweder nijcht gelten lassen oder in Vergessenheit bringen. Infolgedessen! druckt das Blatt eine Zuschrift ab, in der denn auch pro grammmäßig „festgestellt" wird, daß bei der „Schwäche" der Regierung gegenüber der Linken im Punkte der extrem, agrarischen Zollforderungen die Landwirte allerorten sich fragen: „Ist es da nicht besser, den Acker liegen zu lassen und Sozialdemokrat-» werden?" — Worauf dann den Herren Roesicke, Hahn, Oertel und Lucke ans Herz gelegt wird, sich nur nicht beirren zu lassen und für die deutsche Landwirtschaft wie bisher weiter zu kämpfen. Nachdem die genannten Bundesagitatoren soeben in der Wahl durchgefallen sind und damit doch den deut lichsten Beweis dafür bekommen haben, wie die Wähler schaft über die extremen Zollforderungen des Bundes denkt, ist es ein starkes Stück, jetzt den Glauben hervor- rufen zu wollen, daß die extrem-bündlerische Agitation fortgesetzt werden müsse, wolle man nicht die Landwirte ins sozialdemokratische Lager drängen. Solche Stim mungsmache entspricht ohne Zweifel den Interessen der Bundesagitatoren und der Bundespresse, aber sie schadet i ebenso offenbar den Interessen der Landwirte. Das dürfte I die „Deutsche Tagesztg." freilich nicht abhalten, in der I jetzt eingeschlagenen Richtung weiterzugehen. Feurlletsn. gj Lorena. Roman von C. Deutsch. Vloclwruck verdolen, Stefie, den das Interesse an diesem Liebesverhältnisse so sehr in Anspruch nahm, daß er sein eigenes darüber vernachlässigte und zu Zeiten ganz vergaß, Stefie grübelte Tag und Nacht nach einem Mittel, das die Lösung dieses verwickelten Knotens herbeiführen könnte, endlich hatte er es gefunden. Szamko sollte einen Sonntag abpassen, an welchem die Eltern nicht in der Kirche waren, und sich in ihrem Namen aufbieten lassen. „Wirst sehen, wie das helfen wird. Dein Vater, der stolz und eingcbild't ist, wird nit zeigen wollen, daß man ihn überrumpelt hat, und wird's schweigend zugestehen. Ich kenn' ihn, er tut's schon um das Gerede und Gespötte zu vermeiden", sagte Stefie. Szamko erschrak anfangs über das Ansinnen. Wie durfte das ein Sohn einem Vater bieten, und noch dazu, wenn dieser Vater Janek Kreuzar hieß! Das Ansehen, in welchem der alte Krenzar, vermöge seines großen Reich- tums, stand, war nicht ohne Einfluß aus den Sohn. Auch er glaubte, Janek Kreuzar stehe über allen andern Leuten, und ihm komme mehr als jedem andern zu. Er erschrak anfangs und wies den Freund mit Ent rüstung zurück. Als aber Stefie trotzdem täglich davon sprach, ihm die Abende bei der Geliebten immer unerträg. sicher wurden und ihn die Burschen auch noch über seine lange Brautschast neckten nnd aufzogen, beschloß er, dem Rate Stefics Gehör zu schenken. Um seine Handlungs weise vor sich selber zu rechtfertigen, überredete er sich, sein Vater warte nur auf eine solche Gelegenheit, da er von selbst nicht nachgcben könne, so gern er eS vielleicht jetzt wolle. Bozena sagte er kein Wort davon; er wnßtc, sic würde nicht darein willigen: auch Hendrik machte er nicht zum Mitwisser, er hatte noch kein rechtes Vertrauen zu ihm gefaßt. Der Hirte hielt ibn noch immer sehr kurz und schroff von sich Entfernt. Nur Hornak wußte davon. „Es ist ein toller Streich", meinte er, „kann aber gelingen. Schlimmer, wies steht, kann's nicht werden: also tu in Gottes Namen, was dir der Stefie rät. Wenn s nit grad' geht, muß eS krumm gehen, das ist kein Unrecht und keine Schänd: denn jeder ist sich selbst der Nächste.? Sechstes Kapitel. Es war an einem Psingstvormittage, und in den Straßen von W. war es ungewöhnlich still. Ein goldiger Lichtstrom quoll und wogte in der Luft und aus den san digen, trockenen Straßen und spielte mit den Schatten, die das durchbrochene Laub der Bäume und die vorspringen den Dächer der Häuser warfen. Ueber den Marktplatz zog ein Strom von Melodien, ein tausendstimmiger, feier licher Chorgcsang, begleitet von den Klängen der Orgel. Die Kirche war zum Erdrücken voll. Kopf an Kopf gedrängt, saßen Männer, Weiber nnd Kinder auf den langen Bänken. Das Schiff der Kirche mar groß, aber ohne jedweden Schmuck. Nach dem Altar waren jetzt aller Augen gerichtet, denn auf der Kanzel stand der neue Priester und erklärte und erläuterte das Bibclwort. Es war eine hohe, schlanke Gestalt, mit einem edlen Antlitze, und dies Antlitz leuchtete jetzt wie verklärt, und das Feuer der Begeisterung lag in seinen großen, blauen Augen, als er, hingerissen von seinem Gegenstände, in einfachen, zum Herzen gebenden Worten von der Nächstenliebe, der Dul dung, der Versöhnlichkeit sprach, die er zum Texte gewählt hatte. Lautlose Stille herrschte in dem großen, dichtgedrängten Raume, sodaß man das Fallen eines Blattes hätte hören können. Manches Auge hing gefesselt an den beredten, geistvollen Zügen, als liege eine göttliche Offenbarung darauf. Selbst, als die Predigt zu Ende, der junge Priester die Kanzel verlassen und in der Sakristei verschwunden war, dauerte dieses lautlose Schweigen noch einige Minuten fort, dann erhob sich ein leises Summen und Flüstern, das durch das Geräusch des Aufstehens und des Zuschlagens der Gebetbücher noch verstärkt wurde. „In meinem Lebtag hat mich nichts so erschüttert und bewegt, wie diese Stimm' und die gesprochenen Worte", flüsterte der stattliche Janek Kreuzar ganz leise seinem Nachbar zu, „eine Stimm', wie diese, und solche Worte können den verstocktesten Menschen zu sich bringen, so denk ich mir's, Hornak." Kreuzar unterbrach sich plötzlich, denn eine lautlose Stille war um ihn cingetreten; er blickte in die Höhe und — auf der Kanzel sah er jetzt einen kleinen, schwarzgc kleideten Mann, der mit einer unangenehmen, aber laut schallenden Stimme sprach: „Vor allen Leuten, die hier versammelt sind, ver kündige ich zum zweiten Male die Aufbietung deS Braut paares Szamko Kreuzar und Bozena Josxsak, mit Be willigung und im Namen der Eltern des Bräutigams, Janek und Suska Kreuzar, und des Vaters Hendrik Josefak." — „Das ist nicht wahr!" schrie eine laute Stimme. Erschrocken und bestürzt wandten sich die Blicke aller nach jenem Punkte hin. Janek Kreuzar hatte den Rus ausgcstoßcn, er stand aufrecht mit funkelnden Augen uns die Hände auf dem Vetpulte geballt. „Es ist nicht wahr!" wollte er nochmals rufen, aber voller Entsetzen legte sich ihm die Hand seines Weibes auf den Mund, und mit bleichem Gesichte flüsterte sie: „Janek, nm Gottes willen, was tust du? Du bist ja in der Kirche!" Allerdings, er war in der Kirche: wie durste er in dem geheiligten Raume sprechen und sich so gebärden! Er warf einen vernichten den Blick auf seinen Sohn, der an der Seite der Mutter gestanden, sich aber weiter in die Menge zurückgezogen batte, und wischte den Schweiß von seinem geröteten An- gesichte, das den Ausdruck höchster Erregtheit, ja Be stürzung trug. In diesem Augenblicke ertönten mit Hellem, scharfem Klang die Glocken, nach allen Richtungen widerlmllcnd. Die Türen wurden geöffnet und die Menge strömte heraus, den Kircheuplatz und die Straße bedeckend: doch verteilte sie sich nicht so rasch, wie sonst, um nach den zahlreichen Schenken zu eilen und nach der Seclenstärkung auch den Leib mit einem Trnnke zu erquicken. Dichtge drängt standen die Leute nebeneinander, die Blicke nach der Kirche gewendet. Endlich erschien im Ausgange der selben der junge Priester und trat auf den Markt. Sein großes, edles Auge fiel erstaunt ans die ihn erwartende Menschenmenge: die Bauern entblößten ehrerbietig ihre Häupter, der junge Mann grüßte mit milder, herzge winnender Freundlichkeit nach allen Seiten, dann ver schwand er im nahen Pfarrbause. Jetzt erst teilte sich der Menschenstrom, nnd cs war ein schöner Anblick, dieses bunte Gewogc und Gedränge, diese kräftigen Männcrgcstaltcn mit den weißen, wallenden Mänteln über der blauen, reich verschnürten Kleidung, die Werber mit den weißen Linncnröcken und flatternden Kopftüchern. In dieser plaudernden Menschenmenge finden wir Kreuzar wieder. Im Hellen Tageslichte zeigte sich erst die ganze Stärke und Stattlichkeit seiner Gestalt. Die Art, wie er den Kops trug und um sich blickte, der Ausdruck von Kraft, Selbstbewusstsein, ja Stolz in seinem Gcuchte be kundete, daß er ein reicher Mann nnd sich dieses Rcich- tumes sehr wohl bewußt war. Er trug, wie alle übrigen, die weiße, lange Guba über der blauen Tuchkleidung nnd einen großen, schwarzen Filzhnt auf den laugen, nach Mädchenart rund abgeschnittencn Haaren. Janek stand an den Zann eines Gartens gelehnt und um ihn ein großer Kreis von Freunden und Bekannten. „Tn warst ja Sonntag, als der Herr Pfarrer aus Bre- sowa den Gottesdienst abgehalten, nicht in der.Kirch', wie es Brauch ist, daß Eltern mit zugegen sind, wenn ihre Kinder zum ersten Male aufgeboten werden", sagte Hornak. „Ich fehlte in der Kirche, weil ich gar nicht zu Hause war", entgegnete der andere erbittert, „ich war grab' in Brcsowa mit meinem Weib zum Besuch bei Verwandten." „Das ist aber schändlich, unerhört!" ließen sich ver schiedene Stimmen hören. „Es ist eine böse Zeit", sagte ein großer, magerer Bauer, „und keine Zncbt nnd Ordnung mehr unter den Kindern. Früher, wenn Eltern was gesagt, so haben die Kinder ge horcht, ohne zn fragen, wie oder warum? Jetzt will jedes nach seinem eigenen Kopfe gehen: aber wenn Kinder so etwas den Eltern bieten, wie dieser Szamko, dann hört alles ans: wenn mir das mein Sohn tät', ich s.hwör's beim Herrgott, er hätt'S zum letzten Male getan." „Einen Zornigen reizen, heißt Fett in die Flamme werfen", sagte in diesem Augenblick das Weib Krcuzars mit ängstlicher Miene, „es wäre besser, Pavel, Ihr behieltet Eure Worte für Euch." „Suska hat recht", meinte Hornak, „und wenn ich Janek Kreuzar mär', würde ich gute Miene zum bösen Spiel machen und die Sache sein lassen, da sie einmal ge schehen ist." „Wer das glaubt, der ist mein Feind, mein Todfeind", unterbrach ibn der alte Kreuzar mit funkelnden Augen. Man sah, wie er, während die anderen sprachen, unab- lässig die Blicke auf den Sohn gerichtet hielt, der in einiger Entfernung stand, das gebräunte Gefickt mit den erlisten, stillen, ja schwermütigen Zügen ein wenig aus die Seite geneigt: man sah, wie er innerlich rang, den Zorn nicder- zukämpfen, um nicht auf offener Straße loszubrechen. „Ein Janek Kreuzar läßt sich von keinem Menschen ans solche Weise zwingen, am wenigsten von seinem Sohne. Ihr könnt eS alle hören, die Ihr hier nm mich versammelt seid, und es jedem sagen: So lang' ich leb', wird ans dieser Heirat nichts, und wenn er auch schon zum dritten Male anfgeboten worden wär', und nenn auch schon die Kirchcnglockcn den Hochzeitstag cingeläutct hätten. Die Lent' werden sich bald überzeugen, wer sich lächerlich ge macht und wer den Kürzeren gezogen bat, der Lohn oder der Vater." Und als fürchtete er, daß längeres Weilen den Tamm Niederreißen könnte, den er künstlich sPnem Zorne vorgebaut, wendete er sich plötzlich um und entfernt«
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