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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 28.07.1903
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1903-07-28
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19030728020
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1903072802
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1903072802
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1903
- Monat1903-07
- Tag1903-07-28
- Monat1903-07
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Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offertenanaahme 25 (excl. Porto). Grtra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderung «0.—, mit Postbesörderung 70.—^ Ännahmeschluß für Anzeigen: Äbend-AuSga-e: Bormittag» 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Anzeigen sind stet» an die Expedition zu richten. Die Expedition ist wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Pol» in Leipzig. 97. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig, 28. Juli. Ueberschwemungsnöte. Der preußische Minister des Innern Freiherr von Hammerstein ist trotz der schlesischen Ucberfchwem- mung in den Urlaub gegangen: der „Staatsanzeigcr" meldet es, also ist nicht daran zu zweifeln. Damit durfte wohl seine ministerielle Nolle ausgespielt sein. In zwischen hat der Finanzminister v. Nheinbaben, der ressortmäßig nur mit der Beschaffung, aber nicht mit der B e r w e n d u n g der Hülfsgclder zu tun hat, die Aufgabe seines beurlaubten Kollegen übernommen und anscheinend ein gut Teil Arbeit geleistet. Bon dcu Beschlüssen der Hochwasser-Konferenz, die am letzten Sonnabend im Breslauer Oberpräsidium tagte, und den im Anschluß daran in Angriff ge nommenen Maßregeln erzählt die „Schlesische Zeitung": Sowohl vom Finanzminister als von den übrigen Herren wurde in der Konferenz Wert darauf gelegt, das; der vom Staate zunächst zur Verfügung gestellte Betrag von 1,6 Mill. Mark, als auch die später zu bewilligenden Gelder namentlich gegeben werden, um 1) zerstörte und schwer beschädigte Ge bäude aus dem Ueberschwcmmungsgcbiete auf die Höhe zu verlegen; 2) die erforderlichen Deichschlüsse ungesäumt vor nehmen zu lassen und 3) durch Wiederausrichrung zerstörter Brücken und Wehre und Wiederherstellung von Wegen die sofortige Wiederaufnahme der gewerblichen Tätigkeit zu er möglichen. Ferner sind die Einkommensteucr-Vcranlagungskom- missionen (wir sind unschuldig an dem schrecklichen Worte) des Regierungsbezirks angewiesen worden, bei der Ein ziehung der direkten Staatssteucrn möglichst milde zu ver fahren. Auch sonst scheint ia nun allmählich die staatliche Hülfsaktion in ein beschleunigteres Tempo zu kommen. Ob freilich die angewiesene Pauschalhülsssumme von zehn Millionen ausreicht, erscheint sehr zweifelhaft. Die ver ursachten direkten Schäden werden allein auf 20 Mil lionen veranschlagt. Auch in der Provinz Posen stellen sich die Verheerungen durch dasHochwasicr alsfehr erheblich heraus: zur Deckung der Verluste in dieser Pro vinz werden, so weit sich vorläufig übersehen läßt, 3 Mil lionen Mark erforderlich sein. Zu den glücklichen Maß nahmen ist jedenfalls nicht die schon telegraphisch erwähnte neuerliche Auslassung der halbamtlichen „Berliner Kor respondenz" zu rechnen, die gleich in der Einleitung schreibt: Die öffentliche Meinung neigt beim Eintreten außergewöhn licher Ereignisse, die große Notstände im Gefolge haben, dazu, irgend jemand für das Unglück verantwort lich zu machen und zu versuchen, die Notstände auf Aus führungen oder Unterlassungen von Arbeiten zurückzuführen. So ergehen sich auch nach den diesjährigen, für die Provinz Schlesien so verderbenbringenden Hochwassern verschiedene Zeitungen in mehr oder weniger scharfer Weise in A n - griffen auf die Regierung oder deren Or gane, als ob diese im stände gewesen wären, das tief be klagenswerte Unglück zu verhindern. Es ist keinem Blatte eingefallen, den Minister Frhrn. v. Hamerstein für das schlesische Unglück verantwortlich zu machen. Die preußische Presse war dagegen einig in dem Urteil, daß es unerhört sei, die Kosten der Aufräumungs arbeiten und der Desinfektion durch die öffentliche Mild tätigkeit, wie Frhr. v. Hammerftein es wollte, decken zu lassen, da es Sache des Staates ist, für die allgemeine Ord nung und die BolksHygieue zu sorgen. Wenn dann die Aufzählung der geleisteten staatlichen Borbeugungsar beiten eingeleitet wird mit den Worten: „Derartige Hochwasser entstehen durch starke Nieder schläge", so ist satiram non soristoro eben ckiffioUo, und der ungeschickte Artikclschreiber kann sich über den Erfolg seines „Beruhignngs"-Anssayes nicht beklagen. Bedauer lich ist es ferner, daß Minister Studt seine für gestern angekündigte Reise ins Ueberschwemmungsgcbict auf acht Tage h i n a n s g e s ch v b e n hat. Dagegen hat das Bei le i d s t e l e g r a m m d e s K a i s e r s , dem vom Minister v. Rheinbaben eingehend Bericht erstattet worden ist, sicher überall wohlgetan. Und dieser Eindruck wird noch erhöht werden durch folgende Nachricht: O Breslau, 28. Juli. Der Kaiser spendete, wie die „Schlesische Zeitung" meldet, zu den Sammlungen für die Ueberschwemmten in Schlesien 10 000 Mark. Tic Nationalsvzialcn und die Tosialdcmokratic. Die nationalsopate „Hilfe" hat gleich nach den Reichs- tagSwablen statistisch nachgewiesen, daß die National- sozialen der Sozialdemokratie nicht nur nicht das Wasser abgraben, sondern sogar gerade in den Kreisen, in denen sie besonders lebhaft agitieren, Wasser auf die sozialdemokratischen Mühlen siibren. I» diesem unbestreitbaren Sachverbalt liegt »in Hauptgrund sür Pfarrer Naumann, die nationalivziale Flagge ein- zuziehen. Der einzige in den Reichstag gewählte Nationalsoziale aber, Herr v. Ger lach, scheint daraus zu folgern, daß nunmehr Nationalsoziale und Sozial demokratie Hand in Hand gehen müssen. Wenigstens rät Herr v. Gerlach dem Liberalismus, bei den Landtags wahlen Hand in Hand mit der Sozialdemokratie zu gehen. „Die Stellung zur Sozialdemokratie" schreibt Herr v. Gerlach, „ist der Prüfstein dafür, ob man es mit L.uten zu tun hat, die nur liberal firmieren oder die wirklich liberal gesinnt sind. Em Liberaler, der cS von vornherein adlehnt, bei den Landtagswahlen mit den Sozialdemokraten zu paktieren, bekundet schon damit seinen Abfall von der liberalen Gedanken welt." — Bekanntlich ist Herr Or. Barth der gleichen Ansicht. Aber derselbe I)r. Barth hak 1881 geschrieben: Sozialismus und Liberalismus sind tätliche Feinde. Alle anderen Gefahren, welche der Freiheit droben, reichen an Gefährlichkeit nicht an die Gefahr heran, der die Freiheit von feiten des Sozialismus ausgesetzt ist. Mil der bürger lichen Freiheit wird es in dem Maße zu Ende gehen, wie sie nicht im Stande ist, sich dieses schlimmsten Feindes zu erwehren. — Ist dieser Standpunkt deute für vr. Barth überwunden, so sollte er doch für die Wähler von der frei sinnigen Vereinigung einstweilen noch maßgebend bleiben — auch selbst wenn Herr v. Gerlach dagegen eifert. Ein Franzose über Abrüstung. Ein ehemaliger französischer Offizier, der Abgeordnete Messimy, hat eine Abhandlung über die Notwendigkeit einer Verminderung der Rüstnngslasten in Frankreich veröffentlicht, die jenseits der Vogesen Aufsehen erregt hat und von den republikanischen Zeitung nicht als einfache theoretische Spielerei, sondern als ernst zu nehmender praktischer Vorschlag eifrig besprochen wird. Messimy er klärt kurz und bündig, daß die Ziffer der französischen Feuilleton. „ Lozena. Roman von E. Deuts ch. vxMwiucl virkioiini. Wochen vergingen, alles blieb, wie es war. Lzamko ging mit seinen Kameraden nach der Hirtenhütte, ohne einen Schritt weiter gekommen zu sein, obwohl sich das Feuer feiner Liebe immer tiefer in ihn eingewühlt hatte und fein ganzes Wesen erfüllte. An einem Sonntag Nachmittage bei der Musik war der junge Bursche leiden schaftlicher und glühender als je. Man sah, daß der Becher, bis zum Rande voll, übersließen mußte. Bozena war unruhig: feine Blicke ängsteten sie. Er verfolgte sie auf Schritt und Tritt, und wenn er auch nichts sprach, oder doch nur wenig, so bewegte sie doch tief der stumme, wehmütig schmerzliche Blick seiner ernsten sinnenden Augen. Sie konnte keine Ruhe finden und der Tanz machte ihr heute zum ersten Male kein Vergnügen. Sie beschloß, nach Haufe zu gehen, aber ungesehen. Einen unbewachten Augenblick benutzend, schlüpfte sie in den Garten des Maierhofes und von da in eine enge Straße, die aus Gärten bestand, durch welche man aus Feldwegen nach dem „oberen Eck" gelangen konnte, ohne das Städt chen zu passieren. Man mußte bergauf steigen und der Piad lag zwischen Gärten und Weizenückern. Langsam und sinnend schritt Bozena hinaus. Tie war gerade am Saum des Waldes angelangt, als sie plötzlich Schritte hinter sich hörte. Sic wandte sich um — der junge Kreuzar stand vor ihr. Er war Schritt vor Schritt gefolgt, der weiche Rasen hatte feine Schritte gedämpft, bis er den steinigen Boden be trat, der zwischen Feld und Wald lag. „Du hier?" rief das Mädchen erschrocken. Erschrak sie so, daß er ihr gefolgt mar oder weil sic sich den ganzen Weg mit ihm beschäftigt twttc und er plötzlich vor ihr stand, wie ein verkörperter, lebendig gewordener Ge danke? — „Du hier!" „Verzeih", sagte er, „du bist sortgcgangcn, ohne mir nur ein „Behüt' Gott" zu sagen." Sic lehnte sich an den Stamm einer brcitästigcn Eiche und sah ihn an. Sein gebräuntes Gesicht war von innerer Aufregung blaß und der Zug um den Mund und der Ausdruck seiner Augen so schmerzlich und vorwurfsvoll, daß ihr Herz er zitterte. Eine Weile standen sic sich stumm gegenüber. In Szamkos Herzen rauschte es mit.den Bäumen und Winden um die Wette. Das Wort mußte heraus, wenn es die Brust nicht sprengen sollte: „Bozena!" rief er, und faltete die Hände. „Bozena!" Sie mußte gezittert haben, denn eine Blume fiel ihr aus der Hand. Sie bückte sich rasch und hob sie auf, und als sie sich dann langsam aufrichtete, war ihr sonst freund liches Gesicht ernst, zeigte aber keine Aufregung. „Was willst ?" fragte sie, und sah ihm fest ins Gesicht. „Ich hab' dich lieb, Bozena." „Und ich will das Wort nit hören." „O, ich hab' dich lieb, Bozena, mehr als mein Leben." Als sie ihm den Rücken wendete und fortgehen wollte, umschlang er sie mit beiden Armen und seine Worte klangen fast erstickt vor Aufregung, als er flehend rief: „Bozena, sei nit bös! Gib mir nur ein gut' und freund lich' Wort." Sie machte sich von ihm los, und die Hand erhebend und in die Ferne deutend, wo man von der Höhe, auf der sie standen, über die Felder und die Stadt hinweg das jenfeitige Gebirge und an dem Saume des bewal deten Gipfels die weißen Mauern eines stattlichen Hauses sah, sagte sie: Kennst du jenes Haus? Dort wohnt Janek Kreuzar, der reichste Mann in der Gegend, der so stolz und eingebildet sein soll, wie sein Reichtum groß ist, und dn — dn bist sein Sohn. Und ich frag' dich statt aller weiteren Worte: Werden deine Eltern einwilligen, daß ich dein Weib sei? Gib mir Antwort, Bursch', und so, als stündest du vor dem lieben Herrgott!" . . . Er schwieg. „Siebst, LicbcSwort' sind leicht gesprochen. Das Herz braucht nur ein bissel warm geworden sein vom Tanze oder einem Glase Wein, so fließt die Zung' über, und ist die Dirn' leichtsinnig und glanbt's, dann ist die Ge schichte fertig. Es hat noch immer Unglück gegeben, wenn ein reicher Bursch', wie du, einem armen Mädel von Lieb' vorgcred't lmt. Entweder läßt der Bursch' das Mädel sitzen, das er in seine Netze gekriegt l>at, weil er sich nicht mit den Eltern entzweien will, oder er entzweit sich mit den Eltern, heiratet das Mädel and kann ihr dann nit verzeihen, nachdem die Lust gestillt ist, daß er ihretwegen sein reiches Erbe hat hingcgcben und sich Sorg' nnd Arbeit aufgcladcn, nnd dann gibt'S eine schlechte Ebe, wie sie nit fchlimmcr sein kann. Ich bin aber keine solche Armee zu der der Bevölkerung des Landes in einem un haltbaren Verhältnisse stehe. Frankreich dürfe höchstens 400 000 Mann in Friedenszeiten unter Waffen haben, nicht aber 500 000. Uebrigens werde diese Berminderung um 100 000 Mann ganz natürlich durch die Einführung der zweijährigen Dienstzeit erfolgen. (?) Daran werde sich eine bedeutende Einschränkung der Formation «Regi menter nnd Kompagnien) schließen müssen, da schon jetzt, abgesehen vvn den Grenzgarnisonen, die verschiedenen Einheiten skelettartig abgcmagert sind. Die Nebcndienst- zweigc «Arzt- und Hospitalpersonal, Einkleidung, Inten dantur nsw.) könnten vvn Letzten, die nicht zur Armee ge hören, versehen werden. Ferner verlangt Messimy die Beseitigung aller unnützen Kommando- und Inspektions organe, die in der französischen Armee üppig wuchern und Sinekuren für unnütze Personen bilden, nnd vor allem die Herabsetzung der Altersgrenze für kommandierende Generale ans 56 Jahre. Die Zahl dieser Generale solle auf die Hälfte des jetzigen Bestandes herabgcmindert wer den. Nach allen diesen Maßregeln würden die Ausgaben für das Kriegsbndget und die Verteidigung der Kolonien vvn 910 ans 775 Millionen gebracht werden können. Bei der Marine könnten 15 Millionen Ersparnisse erzielt wer den, so daß jährlich 150 Millionen zur Tilgung der er drückenden französischen Staatsschuld frei würden. Mes- simn schließt wie folgt: „Die französische Jugend bekundet energisch den Millen, im Frieden zu leben und zu wirken. Gewiß ist sie leidenschaftlich für ihre Freiheit begeistert und bereit, ihre Rechte nnd ihr Land gegen den Fürsten zu ver teidigen, der das Verbrechen auf sich zu nehmen wagte, über Europa einen blutigen Sturm zu entfesseln: und des halb verlangt sie, daß Frankreich stark bleibe. Dreißig Jahre lang hat Europa, über unsere wahren Absichten ge täuscht, sich nach unserem Borbilde gerüstet, um uns er forderlichen Falles zur Rnhe zu zwingen. Menn wir nunmehr, ohne unsere Verteidigungskraft irgendwie zu vermindern, in augenfälligster Weise unsere friedfertige Politik durch eine Herabsetzung unseres Effektivbestandes und unserer Militärausgabcn bekräftigen, so wird Eu ropa nicht umhin können, seinerseits der Anregung zu folgen, die wir gegeben haben. Und dieser Gesichtspunkt ist wichtiger als die jährlichen Ersparnisse vvn 150 Millio nen, so notwendig diese auch für unsere Finanzen und unseren Kredit sein mögen." Die Abdankungsgcrüchte in Sofia. Die makedonische Sackgasse, in die sich augenscheinlich die bulgarische Politik verrannte, der falsche Kriegslärm, den das Kabinett Petrow zum internen Gebrauche für nötig erachtete, der aber den unerwünschten Erfolg brachte, daß die Türkei nun tatsächlich mit der Möglichkeit rechnet, eine bulgarische Konfliktsgefahr kommen zu sehen — haben Gerüchte gezeitigt, daß Fürst Ferdinand sich mit Abdank nngsabsichtcn trage. In den politischen Kreisen Sofias, vornehmlich im Lager Zankows, kursieren, so wird der „N. Fr. Pr." geschrieben, heute Versionen, nach welchen der Fürst kampsesmnde sei oder aber im Begriffe stehe, sich eine Art „Vcrtrauenvotnm" der Großmächte für sein Verbleiben auf dem Throne zu erzwingen, eventuell Garantien dieser Mächte verlangt, daß die makedonischen Reformen und die Integrität der bulgarischen Nationalität in Makedonien gewährleistet werden, wenn man in Eu ropa wünsche, daß er seine dornenvolle Mission in Sofia weiterführc. Diese seit einiger Zeit im Unterwasser ent standenen Gerüchte sind jetzt, da der Fürst das Land ver lassen, um sich, wie übrigens alljährlich, am Jahrestage des Ablebens seines Vaters, in Koburg einznsinden, an die Oberfläche gelangt. Tie Kreise, in welchen sie vornehmlich besprochen werden, sind jene dunklen einstigen Ber sch wörerzirkel, welche noch unlängst in Sofia am Ruder standen. Es wird dort erzählt, daß das serbische Königs drama tief verstimmend auf den Fürsten eingervirkt habe, und daß der mögliche Mißerfolg in Makedonien, die Stim mung -er Eomit^s und der Makedonier in Bulgarien, welche sich allerdings jetzt ruhig verhielten, weil sie noch einen Refvrmerfolg erwarteten, dann die Unzufriedenheit der Bulgaren, sich in das Dilemma eingezwängt zu sehen, entweder einen für das Land unheilvollen Krieg zu führen oder aber ihre makedonischen Hoffnungen zu begraben, endlich die ökonomische Rückständigkeit des Fürstentums — angeblich ähnliche Gedanken im fürstlichen Palais zu Sofia hervorgebracht hätten. Borläusig entbehren diese Gerüchte sämtlich der realen Basis. Sie sind im fürstcnfeindlichen, zankowistischen Lager entstan den und schon deshalb nicht glaubwürdig. Trotz der noto rischen Energie des Kabinetts Petrow-Petkow, trotz des Erfolges dieser Staatsmänner, erreicht zu haben, daß sich dic Mächte im Interesse der Friedenserhaltung wärmer für Makedonien einsetzten, und obgleich die Kompletierung der bulgarischen Armcelücken fast widerstandslos erfolgen konnte, glaubt man aber doch nicht, daß das stambulo- wistische Regime die Sobranjewahlen gegen den Schlacht ruf „Für Rußland!", den die gesamte Opposition anstimmt, mit Aussicht auf Erfolg durchführen könne. Man be hauptet, die jetzige Abwendung der künstlich hinaufge- chraubten Kriegsgefahr sei ein leichtsinniges Spiel mit dem Feuer gewesen, welches erst die Feuersgefahr ge- chaffcn habe, und daß die jetzt nur scheinbare Drohung im Herbst zur Verwirklichung gelangen würde, wenn die heutige Politik in Bulgarien andauere. Schon vor einigen Wochen zirkulierte in Sofia das Gerücht, daß ein Teil der Armee sich unverläßlich zeige nnd ein anderer Teil sich um so enger und fester um den Fürsten schaare, daß dieser Zwiespalt gefährliche Folgewirkungen haben könne und dergleichen mehr. Im Orient verdichten sich Berdächti. gungen, unbedachter Acnßcrungen und Vermutungen nur allzu leicht zu Nachrichten, welche im Aus lände und insbesondere in Berlin, wo man geneigt ist, jede Zumutung an bulgarische Eventualitäten für wahr zu halten, Glauben begegnen. Man wird daher gut daran tun, alle diese Nachrichten vorläufig mit großer Skepsis anfzunehmen. Das, was bei der Entthronung des Batten bergers maßgebend war, nämlich die Tatsache, daß die Bulgaren aus eigenem Antriebe niemals aggressiv gegen den Thron vorgcgangen wären, gilt noch immer für diese Nation. Der äußere Anstoß, wie er damals erfolgte, ist aber offenbar aus höheren politischen Motiven jetzt ausge schlossen. Deutsches Reich. /X Berlin, 27. Juli. (Parteipolitische Heer- s ch a u.) In den Monaten August nnd September halten die beiden größten politischen Parteien Deutschlands, das Zentrum und die Sozialdemokratie, ihre alljährliche Heer schau ab, beide diesmal unter einem für sie besonders be deutungsvollen Stern. „Der „Katholikentag" begeht sein 50jähriges Jubiläum zu Köln: der neue Papst wird der Versammlung seinen Segen spenden. Auf dem Programm der Verhandlungen steht wiederum die „römische Frage", d. h. die Forderung der weltlichen Herrschaft für den Papst. Je nach der Persönlichkeit des Mannes, der aus leichtsinnige Dirn' und sag' dir: deine Geliebte will ich nit sein, dein Weib kann ich nit werden, drum gehen unsere Wege auseinander. Willst deine Worte lassen und so sein, wie die andern, so komm zu uns wie früher: wenn nicht, so meid' unsere Hütte." Er stand ihr stumm gegenüber, die verschiedenartigsten Empfindungen rangen in seiner Brust. Er war bis jetzt wie ein Berauschter, ein Blinder vorwärts gegangen, ohne des Weges zu achten. Durch ihre Worte hatte sie den Zauber gebrochen, den Abgrund sichtbar gemacht und ihm gezeigt, daß jedes weitere Vordringen unmöglich: denn hinter sich sah er plötzlich die drohende Gestalt des Vaters, und er fühlte Furcht bei diesem Gedanken und hatte einen Moment das dunkle, dämmernde Bewußtsein, daß sie recht habe und daß es das Beste sei, nmzukehren. Wer aber denkt im Moment hcibaufauellendcn Gefühls, der ersten überwältigenden Leidenschaft lange an das Später mit seinen Folgen und Kämpfen? Von der Empfindung be herrscht, wie groß seine Liebe zu ihr sei, so groß, daß er glaubte, die Flammen seines Herzens müßten auch das ihre entzünden, bemächtigte sich seiner ein tiefer Schmerz darüber, daß er sich geirrt, daß das Feuer nur in seinem Herzen brannte, und daß seine Liebe verschmäht werde. Diese letztere Empfindung drückten auch seine Worte aus, als er sich nach langem Schweigen zu einer Aenßerung auf raffte. „Ich seh' nur das eine ans deinen Reden, das, ich dir gleichgültig bin: mär' das nit der Fall, könntest dn nit so überlegt sprechen." „Kannst recht haben", erwiderte sie, „aus Lieb soll man auch schon die größten Sünden und Torheiten begangen haben." „Du hast mich nit gern, nit im geringsten gern!" rief er, als fasse er es nicht und glaube cs nicht, was sie ge sprochen. „Nein, und erzwingen kannst's auch nit", entgegnete sic mit einer etwas aufacreaten Stimme. Rüdiger fubr sic dann fort: „Dank' Gott, daß cs so ist; denn wenn ein Bursch' weiß, daß ibn eine Dirn' nit mag, ibn, der nur die Hand ausznstreckcn braucht, um an jeden Finger ein paar Dutzend zu bekommen, so wird er doch ko viel Ehre im Leibe haben, ihr nicht noch nachzulausen." „Hast.recht", entgegnete er und »eine sonst weiche und melodische Stimme klang ranb und sein sonst ernstes Ant litz mit dem mild sinnenden Blicke der Augen war zorn gerötet, „hast recht. Der Lohn des Janck Kreuzar hat wirklich nicht nötig, bei einer Dirn' um Lieb' zu betteln und sich so wegzuwerfen." Damit wandte er ihr den Rücken und ging hastig denselben Weg zurück, den er ge kommen. Viertes Kapitel. Wochen vergingen, Szamko lieb sich in der Hirtenhütte nicht sehen, betrat den Weg nicht, der nach dcrWiese führte. Sonntags pflegte er Bozena bei der Musik zu sehen: da benahm er sich aber, als sei sie für ihn nicht auf der Welt, als kenne er sie nicht, dabei zehrte er ab, wurde sichtbar mager und besuchte häufiger Schänken, als es für einen ordentlichen jungen Mann paßte oder zuträglich war. Suska ängstigte das Wesen des Sohnes, Kreuzar war auch nicht ohne Sorgen, aber er hütete sich wohl, zu fragen, wie man sich scheuet, den Stein über einer Grube abzu heben, worin man giftiges Gewürm weiß. Auch Bozena fing an, ihre Frische und Lebendigkeit zu verlieren. Tie Wangen wurden blasser und um die Augen bildete sich ein dunkler Rand: auch mar sie stiller ge worden, ohne daß sie es wahrzunehmen schien. Hendrik sah sic oft mit Befremden an. Wenn sie cs merkte uns -en besorgten Blick ihres Vaters auf sich gerichtet fühlte, zwang sie sich freilich zu ihrer alten Natur, da sie aber die natür liche Grenze nicht mehr kannte, überschritt sie dieselbe oft und verlor sich in eine Lustigkeit, die Hendrik noch mehr ihren Leelenzustand verriet, als ihr Ernst. „Was für ein Ende wird das nehmen?" -achte er oft, und über dieses Nachdenken ging ihm bei Tage mehr als einmal die Pfeife ans und verlor er des Nachts mehr als einmal den Schlaf. So kam der Herbst heran. Eines Abends versammelten sich die Burschen wieder vor der Hirtenhütte; auch Stefie war darunter. Seit sein Freund wegblieb, kam er noch seltener. „Du versündigst dich, Mädel", sagte er in einem un bewachten Augenblick zu ihr. „Der Kreuzar tut sich noch deinetwegen ein Leid an. Du hast aus einem stillen, fleißigen Burschen einen wilden, streitsüchtigen Menschen gemacht." „Was will er von mir?" fragte Bozena und ihr Gesicht übergoß sich mit einem dunklen Rot. um dann noch blasser zu werden, als es war. „Er sieht ja, daß es aus rechtliche Weise »it sein kann, und auf unrechtlichc Weife nie sein wird. Er soll sich zusaiumcnnehmen und es hinter sich werfen, wie cs sich sür einen Menschen schickt, und nit ivie ein alt Weib sich gcbcrden." „Tu hast recht, und wenn ich's wär', würd' ich entweder
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