Suche löschen...
01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 27.08.1902
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-08-27
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19020827017
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902082701
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902082701
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1902
- Monat1902-08
- Tag1902-08-27
- Monat1902-08
- Jahr1902
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
5V10 d«H agrarisch« Einfluss« wenigste»« auf ein:« Theil der (konservativen kopfscheu geworden sind, und die Mittel- standSkreisr, von denen da« Gleiche gilt: diese Kreise sind «, welche die Nationalliberalen wieder um ihre Fahne schaaren und zur kräftigen Mitarbeit an der Aufgabe des CartellS,dem gemeinsamen socialdemokratischen Feinde Mandate zu entziehen, wieder heranzuziehen hoffen dürfen. Wer diese Kreise gewinnt, der wird dem Bürgerthum in Stadt und Land wieder zu der Macht verhelfen, die eö in dem ersten Jahrzehnt unserer Reichsgeschichte besessen hat, wird daö Ver- mächtniß eines Bennigsen, den wahren Liberalismus, treuer behüten, als der, welcher in unzulänglicher Kenntniß der Personen und Verhältnisse leeren Phantomen nachjagt. Vielleicht haben wir die Freude, auö dem SauluS der „National-Zeitung" noch einen Paulus unseres Blattes werden zu sehen, wenn er an der« den ernstlichen Willen hat, das Grundprincip und die Taktik uusrrer Partei richtig kennen zu lernen und zu würdigen. Dann aber wird er den Schaden ermessen, den er mit seinen jetzigen sachlichen Ausführungen und persönlichen Angriffen aus den Nationalliberalismus in Sachsen bei Freund und Feind heraufbeschworen hat. Wenn nicht, dann bleibt ihm nur die Wahl, aus seiner eigenen Taktik auch die Con- sequenz zu ziehen und abseits von seinen bisherigen Partei freunden auf anderen, vielleicht schon bereit gehaltenen Stühlen Platz zu nehmen! Deutsches Reich. H Vertin, 26. August. Der bevorstehende Be such d e s K a t s e r ö in Posen giebt der gro st - polnischen Presse fortgesetzt Anlaß, ihre antideutsche Gesinnung zu bekunden und die Gegensätzlichkeit der deut schen und der polnisch sprechenden und fühlenden Be völkerung nach Möglichkeit zu verschärfen. In dieser Ab sicht sucht die durch ihre wüthenden Ausfälle gegen das Teutschthum bekannte „Praca" darauf hinzuarbeiten, daß diejenigen Kreise der polnisch sprechenden Bewohnerschaft von Posen und Umgegend, deren Haltung während der Festlichkeiten noch ungewiß ist. ebenfalls an den De monstrationen gegen das Deutschthum und seinen obersten Vertreter sich betheiligen. Das genannte Blatt betont, daß das „polnische Volk" mit preußischen Festtagen nichts zu thun habe, hätten doch die „Repräsentanten des Grvß- herzogthums" sich für das Fernbleiben entschieden und so die nationale Würde gewahrt. Von der allgemeinen Be folgung dieser Taktik sollen auch diejenigen Polen nicht ausgenommen sein, die sich in amtlichen Stellungen be finden oder sonstwie mit dem Staate in Beziehungen stehen, und zwar wird diese Forderung mit folgendem PassuS begründet, der mit erschreckender Deutlichkeit zeigt, wie die großpolnische Presse das Hetzgeschüft versteht und betreibt. Es heißt da: „Die Zeiten des Probirens und des Herumtastens im Finstern sind vorüber; heute muß man endlich standhaft sein und nur einen Weg und ein Ziel vor Augen Haben. Und nicht mehr kolettiren! Wir haben doch schon genug Gelegenheit gehabt, uns zu überzeuge», daß jeowede Orden, daß das Allerhöchste Lächeln und daß die kaiserlichen und königlichen Schwellen ein Spielzeug Pir kindisch gewordene Gemeinschaften sind, aber keine Kost für ein Volk, das der Zukunft entgegenschreitet Laßt uns zu Hause bleiben im Kreise unserer Familie. Wenn die Preußen sich auf den Straßen vergnügt halten werden, dann labt unS zu Hanse einen Eid für die Zu kunft ablegen und einen nationalen Gottesdienst abhalten. Laßt unS die Kinder auf den Schooß nehmen und sie lehren, lehren! Arbeiten wir während der preußischen Feiertage kür unser Volk." So wird systematisch in der polnisch sprechenden Bevölkerung der Glaube erhalten und ge steigert, daß die Polen noch immer eine einheitliche Nation bilden, ein eigenes, lebensfähiges Bolksthum besitzen, nnd daH die Wiederherstellung der ehemaligen Bedeutung Polen- nur eine Krage der Zeit sei. Und das nennen die Pole« immer noch eine defensive Haltung gegenüber Ger- WanOrmtg-befireSmrae« k verUn, 2S. August. Urber die Schwierigkeit der Durchführung der preußischen Landtagswahlen i« den industriellen Riesen Wahlkreisen schreibt die national-liberale Lorrespondenz für Westfalen: / Obenan steht hier der Rieseowahlkre!« Bochum-Dortmund, !auf dessen Verhältnisse zu wiederholtm Malen im Abge- orduetrnhanse htngewirsen worden ist und mit dem auch wieder der .vorwärts" in einer seiner jüngsten Nummern sch beschäftigt«. Di« Bevölkerung deS Wahlkreises, die bei sw ZWnng im Iah« 1890 rund 606 000 betrug, war rsse geßbv» auf 783 000 und dürste 1900 weit über 900000 be- krn-e» -ab«. Mein in den Städten nnd Landgemeinden von über 1HOOO Einwohueru betrag der Zuwachs 155 000 Seelen. Die Zahl bw V»sl»ä«»«r, di» sich bei der Wahl im Iah« 1898 auf 2678 HMef — im Iah« 1893 waren « 2217 —, wird eine abermalige Ownuhnag um mindest»« 700 ersah«« und damit glücklich an die ZtAetz StOO herLnkommeo, wenn nicht gar sie überschreiten. Schon bei der Wahl im Jahn 1898 zog sich da- Wahlgrschäft von Morgens 8^ Uhr biß gegen Abend um 10 Uhr hin. Dabei erschienen von d« für gütig gewählt erklärten 26K8 Wahlmännern nur 2439 zur iwahl. Vet d« Wahl Le« zweiten Abgeordneten hatte sich ihre Zahl b«Ü- auf LL83 «dneirt »ad bei der dritten Wahlhandlung waren nm »och 1SVK Wahlmänn« anwesend. Wären all« Wahlmänner erschien«« nnd hätwn all« bi« znm Schlüsse auSgehaltrn, dann wüch« sich die Wahl bi« tief in die Nacht erstreckt haben. Und da- bet glatten Abstimmungen in jeder der drei Wahlhandlungen! S- ist kl«, daß, wenn die Socialdemokratea auch nur wenige Hundert Wahlmäaaer durchdringen nnd diese von der bisherigen Berechtigung Gebrauch machen, den Namea deS Abgeordneten selbst in di« Liste eiuzutrageu, statt ihn vou dem Protokollführer Eintrag«» zu lasten, oder wenn gar im Falle eines größeren Erfolges de» Teatrums, an den wir nicht glauben, aber mit dessen Möglichkeit doch gerechnet werdea muß, auch nur eine einzige Stichwahl mit ihn« mehrmalige» umständlichen Abstimmungen uothwendlg werden sollte, bei einer Zahl von 3400 Wahlmännern eine Erledigung der Wahl an einem Lage vollständig ausgeschlossen ist. Ja, schon unter normalen Verhältnissen ist ei» solcher Apparat kaum noch zu handhaben. Bei der vorigen Wahl ward«» in dreizehn Stunden 6367 Stimmen z» Protokoll genommen; di« gleiche Wahlbethei- liguag voran-gesetzt, wird man da» nächste Mal volle siebzehn Stunden nöthig haben, um daS Wahlgeschäft zu Ende zu führen. Der Abg. Norll« berechnete, daß, wenn auch nur zwei Parteien einander gegeaübergrstanden hätten, man schon 1898 min desten» 30 Stunden gebraucht haben würde. Heute würde im Falle von Stichwahlen auch diese Zeit längst nicht mehr zureichen. ES wird weder einen Wahlcommissar geben, der die physischen Kräfte hätte, einer solchen Aufgabe standzuhalten, noch werden sich Wahl- männer finden» die da- mitmachen. Da» erste, wa» geschehen muß, wenn in solch großen Wahlkreisen eine Wahl überhaupt noch möglich sein soll» ist demnach, daß da» Wahlreglrment, an besten veralteten Bestimmungen die Soeialdemokraten mit ihren Obstruttion-plänra einhakra wollen, geändert wird. Aber damit ist nicht entfernt schon Alle» gethaa. ES muß unbedingt «in« andr« EintheUuag der Wahlkreise, entsprechend den ckogetretenen Verschiebungen der Bevölkerung vorgenommen nnd e» mutz auch die dem ganzen Wahlsystem zowidrrlaufend« vom Leutrum mit Hilf« der Loasrrvativea in dem Gesetz von 1891 durchgrdrücktt B«zirk»dritt«luag wieder beseitigt werden. * Berli«, 26. August. kWie fän g t ma n B auern?) Diese Frage beantwortet die „Freisinnige Ztg." mit einer cnvähnenslvcrlhcn Zusammenstellung socialdemo. kratischer Kundgebungen. Auf dem svcialdcmo- krattschen Parteitage in Breslau erklärte Kautsky im Jahre 1805: „Der Bauer ist ein Fanatiker des Privatcigenthums. Wir wollen die Persönlichkeit des Bauern schützen, aber nicht seinen Betrieb. DaS dem Parteitag unterbreitete Agrarprogramm würde den Eigcnthumsfanatiömus der Bauern neu entfachen. „Für die Erhaltung des Bauernstandes einzu, treten, haben wir keinen Grund, denn das könnte nur geschehen, indem wir die Bauern in ihrem Besitz bcfcstigeu, also ganz entgegengesetzt verfahren wie sonst." Mau müsse den Bauern auch unangenehme Wahrheiten sagen." In seinem Buche über die Agrarfrage schrieb Kautsky im Sommer 1899: „Wenn wir im Besitz der Staatsmacht sind, werden wir nicht daran denken, die kleinen Bauern zu expro- priiren (einerlei, ob mit oder ohne Entschädigung), wie wir dies mit den Großgrundbesitzern zu thun genöth'gt sind. Unsere Aufgabe gegenüber dem kleinen Bauern besteht zunächst darin, seinen Privatbesitz und Privatbetrieb in einen genossenschaft lichen überzuleitcn, nicht mit Gewalt, sondern drrrch Beispiel und Darbietung von genossenschaftlicher Hilfe zu diesem Zweck." In einer vor Kurzem im Verlage des „Vorwärts" er schienenen Broschüre „Am Tage nach der socialen Revo lution" schreibt derselbe Kautsky: „Noch k e i u S o c i a I i st, der e r n st h a f t zu nehmen ist, hat je verlangt, daß die Bauern expropriirt oder gar ihre Güter confiscirt werden sollen. Es wird vielmehr wahrscheinlich jedem kleinen Bauern gestattet bleiben, so loeiter zu wirthschaften, wie er das bisher gethan hat. Der Bauer hat vou einem socialisrischcn Regime nichts zu fürchten. Es ist so gar sehr wahrscheinlich, daß diese bäuerlichen Wirthschaften durch das neue Regime (am Tage nach der socialen Revolution) eine Stärkung erfahren werden." Dazu bemerkt das genannte Blatt: „So fängt man Bauern! Wie aber sind Kautsky's Ver sprechungen zu vereinbaren mit dem geltenden social- dcmokratischen Programm, welches die Verwand lung jedes Privatcigenthunis an Productionsmitteln in socia- listische „für und durch die Gesellschaft" betriebene Production als Allheilmittel proclamirt?" (7) Berlin, 26. August. (Telegramm.) Der Kaiser unternahm heute Morgen einen Ausritt und hörte später die Borträge des Chefs des Militärcabinets Grafen v. Hülsen- Haeseler und des Stellvertreters des Chefs des Marine- cabinets Capitän z. S. v. Müller. (7) Berlin, 26. August. (Telegramm.) Zur Be grüßung deS Königs vou Italien schreibt der „Reichs anzeiger": „König Victor Emanuel von Italien wird während der nächsten Tage als herzlich willkommener Gast des Kaiser» und Königs in Potsdam verweilen und in der NeichShauptstadt feierlich einziehen. Es ist die erste Begegnung, die den erlauchten Herrscher nach seiner Thronbesteigung mit unserem Kaiser zusammensührt. Ihr Verlauf wird Zeugniß dafür ablegen, daß die Gefühle treuer Freundschaft, mit denen der ritterliche König Humbert hier allezeit ausgenommen wurde, aus seinen edlen Cohn und Kron erben mit unverminderter Innigkeit übertragen wurden. Diese Freundschaft der Dynastien ist der deutschen wie der italienischen Nation werthvoll als Unterpfand sür die Festigkeit der beide Länder untereinander und mit Oesterreich - Ungarn verknüpfenden politischen Beziehungen. Der Dreibund beruht auf dem gemeinsamen Bedürsniß der Erhal tung des mitteleuropäischen Besitzstandes. Er bürdet keinem seiner Mitglieder eine Last auf, die nicht jeder einzelne Staat im eigenen Interesse freiwillig übernehmen müßte. Als den Staatsmann, der sür Italien im Sinne seines Königs zur Erneuerung dieses bewährten System» territorialer Garantien mitgewirkt hat, freuen wir uns, den in Begleitung des Souveräns eintreffenden Minister Prinetti begrüßen zu können." Die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung" schreibt: „Am Vorabend des dem Besuche des Königs von Italien gewidmeten festlichen Tages heißen wir den erlauchten Gast, Deutschlands hohen Verbündeten, mit herzlicher Freude willkommen. Nicht als Unbekannter kommt König Victor Emanuel zu uns. Mehrmals, zuletzt als er bei der Feier der Großjährigkeit des Kronprinzen seinen edlen, schmerzlich betrauerten Vater vertrat, haben wir unS seiner Gegenwart erfreut. Jetzt tritt er wieder in unsere Mitte, zum ersten Mal als König von Italien, rin ernster, hoch begabter Herrscher, von besten unbeirrtem Streben sein Land Vieles erwarten darf. Dem Sohne Umbcrto'S nnd Margherita's haben seit seiner frühesten Jugend, wo wir ihn, einen zarten Knaben, ans dem Arme Kaiser Friedrichs's sahen, unsere Sympathien gegolten. In seiner charaktervollen Eigenart sind Züge ausgeprägt, die gerade das deutsche Empfinden besonders ansprechen: Männliche Selbstbeherrschung, dabei, an Körper und Geist sür den hohen Beruf gestählt, soldatische Tüchtig keit, die »hn zum ersten Osficier seines tapferen Heeres macht, und gewissenhafte Erfüllung der königlichen Pflichten, außerdem tägliche Arbeitsamkeit für das Wohl seines Volkes. Ein Rückblick auf daS erste Jahr seiner Regierung zeigt unS Italien im Innern wirthschastlich erstarkt und nach außen an Ansehen und Einfluß unter Len Großmächten gewachsen Einer thätigen Politik, für die der Monarch an dem in seiner Be gleitung gern begrüßten Minister Prinetti einen verdienten Mitarbeiter gesunden hat, ist es gelungen, neben der Neu befestigung der erprobten Bündnisse weitere Freundschafts, beziehungen onzuknüpfen. König Victor Emanuel findet bei un« offene Herzen. Schon in der dritten Generation wird von den Häusern Hohenzollern und Savoyen treue Freundschaft gehalten, die dem politischen Bündniß der Staaten Las Siegel ausdrückt. Zwischen Deutschland und Italien giebt es keine Gegenstände de» Neides. Wir freuen unS des kräftig auf- strebenden Bundesgenossen. Wir wünschen dem italienischen Volke, daß eS, wie daS deutsche, auS eigener Kraft auf der Grundlage nationaler Einheit und Wohlfahrt seine Weltstellung auSbaue. Möge dereinst die Geschichte rühmen, daß die Regierung des dritten Victor Emanuel sür Italien eine lange Epoche friedlicher Erfolge und glücklichen Fortschritte» heraufgeführt hat. Sempra nvauti Lavoin!" (-) Berlin, 28. August. (Telegramm.) lieber die Inhaftnahme zweier Untcrofficiere des Specialschiffeö „Loreley" auf Veranlassung des stellvertretenden russischen Stadtkommandanten tn Ntkolajeff erfährt „Wolff'S Bureau", daß dieselbe erfolgt ist, weil die beiden Unterofficiere, die daS für russische Mannschaften bestehende Verbot des Auf- enthalte- in einem Gartealocal deS Boulevards nicht kannten, daselbst angetroffrn worden sind. DaS Verbot war dem Commandanten der „Loreley" durch die russischen Militärbehörden nicht bekannt gegeben worden. Die Entlassung der beiden Unterofficiere aus der Haft bat am Morgen deS folgenden Tages sofort stattgefunden. Der Gouverneur von Nikolajeff hat sein lebhaftes Bedauern über den Vorfall ausgedrückt. — Trotz der nicht» weniger als günstigen Finanzlage dürfte sich voraussichtlich auch im nächstjährigen Reicks- hauShaltsetat ein Posten finden, der sich auf den Bau von Arbeiterwohnungen bezieht. (Hamb. Nachr.) — Die „Schief. Ztg.", die schon öfter die Ueberagrarier lur Vernunft zu bringen versucht bat, läßt fick heute in einer Besprechung der Forchheimer Wahl auS Berlin schreiben: In Wahrheit bedeutet die Forchheimer Wahl, waö die Zoll frage anlangt, nur dieses: einmal, daß der Freisinn die Unhaltbarkeit der absoluten Negation einzesehen bat, und sodann, daß an ein Obsiegen der extremen Forde- rungen des Bundes der Landwirthe bei den all gemeinen Wahlen, falls bis dabin daS Tarifgesetz nicht verabschiedet sein sollte, gar nicht zu denken ist. * AuS Hirfchberg i. Schl, wird ein Aussehen erregender Beschluß deS dortigen Vereins ehemaliger Marine angehöriger berichtet. Er hat eine Einladung der anderen Kriegervereine der Stadl zu einer Sedanfeier unter der Motwirung abgelehnt, daß die Feier die patriotischen Gefühle der Franzosen verletzen müsse, die ehemaligen deutschen Krieger aber alle Veranlassung hätten, die im chinesischen Kriege erworbene freundschaftliche Kameradschaft mit unseren Nachbarn jenseits der Vogesen auch fernerhin zu pflegen. — Die Herren haben diese zarte Rücksicht wahr scheinlich vom französischen Kriegsminister AndrS gelernt. -r Gera, 26. August. Wie die „Geraer Ztg." auS sicherer Quelle erfährt, wird der Staatsminister Engelhardt wirk lich mit Ende September in den Ruhestand treten. In Bezug auf die künftige Zusammensetzung des Minister- collegiumS sind endgiltige höchste Entschließungen noch nicht gefaßt. O Mannheim, 26. August. (Telegramm.) Der zweiten geschlossene» Generalversamm lung des Katholikentages ging heute Bonnittag eine Generalversammlung des VolkSvereinS für daö katholische Deutschland voraus. Den Verhandlungen wohnten der Erzbischof Noerber« Frei bürg und der Erzbischof v. Mechcl n bei. Der Vorsitzende FabrikbesitzerFranzB randts -M.-Gladbach gedachte deS AblebensOr.Liebcr's,und thcilte mit,dcrVolksverein zähle zur Zeit 210 000 Mitglieder. Den Jahresbericht erstattete der Generalsekretär Dr. Pieper- M.-Gladbach. Die Ein nahmen des Vereins beziffern sich auf 162 721 die Gc- sammtausgaben auf 138 540 Der bisherige Vorstand wurde wiedergewühlt. Neu wurden berufen der Neichs- gcrichtsrath vr. Spahn-Leipzig, Eahensly-Limburg, Pfarrer Graßmcyer - Münster und Seminarlchrer Scheffers-Padcrborn. Die Generalversammlung deS BolkSvcreins wurde mit einem dreifachen Hoch auf den Kaiser, den Papst nnd den Großhcrzog von Baden ge schlossen. In der zweiten geschlossenen Gene- r a l v e r s a m m l n n g, die nm 11 Uhr Vormittags be gann, wurden der B o n i f a c i u s - V e r e i n, sowie die katholische kaufmännische Vereinigung der werk- thätigcn Unterstützung empfohlen. Ferner wurde die Er richtung einer A n n v n c c n - Er p e d i t i o n , möglichst in Verbindung mit der Eentralstclle des Bvlksvercins, be schlossen. Ein Antrag Nics-LudwigShafen wurde ange nommen, der dem Wunsche Ausdruck giebt, daß rede gewandte Männer aller Stände sich der Eentralstclle für die katholischen Vereine zur Verfügung stellen möchten. Schließlich gelaugte ein Antrag des Obervürgcrmcisters vr. Antoni-Fulda und des Justizrathcs vr. CustodiS-Köln zur Annahme, in dem der Eintritt in die Antiduell- Liga empfohlen und die Erwartung ausgesprochen wird, daß den Duellen, besonders dem moralischen Duellzwange, ein Ende bereitet werbe. Darauf wurde die Versamm lung geschloffen. * AuS München geht der „NugSb. Abdztg." das nach stehende lehrreiche Schreiben zu: Wie bereits da und dort initgcthcilt worden, treffen mehrere Führer und Ober führer der Ultramontanen in München sehr um fangreiche Vorbereitungen zu einer großen, für den Monat September geplanten religiös - politischen Kundgebung, die in einem Monstre-Wall- fahrtszugder sämmtlichen katholischen Männervercinc, Casinos u. s. w. u. s. w. nach Altötting bestehen soll. An Kirchcnthürcn und in den Sacristeicn kann man Anklebc- zettel lesen und in Predigten kann man auf der Kanzel hören, es handele sich um eine Sühne der vielen und schweren „Unbilden", welche der „Mutter Kirche" fort während zugefügt werden. DaS ist aber nur ein Schein grund, ein Vorwand, unter welchem der Massenaufzug der wahrhaft echt und allein katholischen Mannen (daö ewig Weibliche ist wohl aus guten Gründen ausgeschlossen) am Sonntag, den 7. September, mit den Vcrcinsfahnen, sowie auch noch mit den kirchlichen Processionsfahnen vom Dom aus durch die Stadt zum Ostbahnhof oder (falls die polizei liche Erlaubniß hierzu erfolgt) zum Ccntralbahnüof gehen soll. In Altötting vergeht der Sonntagnachmittag und der -Abend unter Predigten in der Stiftskirche und unter Ansprachen an die katholischen Mannen in irgend einem Saal, und am darauffolgenden 8. September, als am Fest tag Mariae Geburt, wiederholen sich Predigten und An reden in noch bedeutend verstärktem Maße, denn da ist der eigentliche Haupttag der geplanten Kundgebung, bei der es sich aber weit weniger um einen Act der „Sühne", als nm einen möglichst paradcmäßigen Aufmarsch der nltramon- tancn Vereinsmannschaften und um einen willkommenen Anlaß für ihre Führer und Oberführer handelt, in fana tischen Anreden gegen alles Ntchtnltramontane und Nicht römische zu wettern. Wir sind in der Lage, mit Bestimmt heit behaupten zu können, daß man in sehr vielen gut katholischen Kreisen, ja sogar in einem großen Theil der Geistlichkeit mit dieser ultramontancn Unternehmung und noch weniger mit der Art, wie sie inscenirt wird, durchaus nicht einverstanden ist. Gutgläubige, mit den geistlichen Kreisen in enger Fühlung stehende Männer sprechen offen aus, die ganze Sache sei höchst unnöthig; zu einer „Sühne" an irgend einem Wallfahrtsort ist keinerlei Anlaß gegeben, die Kirche lebt jetzt in Ruhe und Gedeihen, aber durch Reden, wie sie bei derlei Kundgebungen gewöhnlich ge halten werden, kann sie wieder gestört werden, indem in den Hörern die irrige Meinung erregt wird, was alles für Schäden für die Kirche, den Glauben und die Religion schon in den nächsten Tagen drohen. Belgien. Handels- und Jndustric-Eongreß. * Ostende, 26. August. (Telegrmm.) Heute wurde unter dem Vorsitz des Grafen Ursel, Gouverneurs von Ost flandern, der internationale Congreß für Handel und Industrie eröffnet. Auf demselben sind alle euro päischen Regierungen, sowie die Vereinigten Staaten von Amerika und Mexiko durch Bevollmächtigte vertreten. DaS Programm veS CongresseS betrifft zunächst Handelstarife und Maßnahmen für Arbeiterpensionen. Italien. Reise des König» nach Berlin. * Raeconigi, 26. August. Der König ist beute Vor mittag unter Beifallskundgebungen der Bevölkerung über Göschenen nach Berlin abgereist. In Begleitung befinden sich der Minister des löniglichen Hauses Ponzio-Vaglia, General adjutant Brusati, Oberceremonienmeister Gianotli. Minister deS Arußern Prinetti schließt sich in Novara an. Großbritannien. Schah vou Perfieu. * London, 26. August. (Telegramm.) Der Schah von Persien sandte bei seiner Ankunft im Palais folgendes Telegramm an den König Eduard: „Es drängt mich, noch mals meinen aufrichtigen Dank für den wohlwollenden und sympathischen Empfang auszudrücken, der mir während meines Aufenthalts in London von Eurer Majestät wie von der Königin und dem Prinzen von Wales bereitet wurde. Eure Majestät kann überzeugt sein, daß ich mir von meiner Reise nach England eine angenehme und unauslöschliche Er innerung bewahre." Orient. Makedonische Bewegung. * Sofia, 26. August. (Telegramm.) „Agence Tele- grapbique Bulgare" meldet: Am Sonntag versuchte eine auS 70 Mann bestehende bewaffnete makedonische Bande, da die Aufmerksamkeit der Behörden durch die Muuicipalwahlen in Anspruch genommen war, die Grenze zu überschreiten. Die Behörden, welche rechtzeitig davon erfuhren, machten sich sogleich an die Verfolgung und nahmen in der Gebirgskette Vitosch 61 Mann gefangen und erbeuteten die Fahne der Bande. Militär und Manne. D Berlin, 26. August. (Telegramm.) Mitiheilung de» Kriegsministeriums über die Fahrt der TruppeutranSport- schisse: Der Dampfer „Pisa" ist auf der Heimreise am 23. August in Nagasaki angekommen und am 25. August von dort wieder abgegangen. G Berlin, 26. August. (Telegramm.) Capitän zur See und Commodore Scheder hat am 2b. August in New Port News das Commando S. M. S. „Vineta" vom Capitän zur See Stiege übernommen. S. M. S. „Gazelle" ist 25. August in Carupano eingetrnffen und an demselben Tage wieder nach La Guayra in See gegangen. S. M. S. „Tiger" ist am 26. August von Tschifu nach Tsingtau in See gegangen. S. M. S. „Schwalbe" hat auf der Heimreise vom 19. bis 22. August in Wusung Aufenthalt ge nommen. Ankunst in Kiel daher erst am 30. November, anstatt 26. November. S. M. S. „Olga" ist am 2b. August von Wilhelmshaven nach Schillig Rhede zu Schießübungen in See und dort vor Anker gegangen. S. M-S. „Otter" ist am 25. August von Cuxhaven nach Kiel gegangen. S. M. SS. „Freya", „Mars", „Ulan" und „Rhein" find am 2b. August vou Kiel in See gegangen. Kunst und Wissenschaft. Musik. Zur Geschichte der Musik. Als der Nürnberger Flötenmacher Johann Christian D c n n e r im Jahre 1690 die Clarinette er funden hatte, konnte man sich in der damals schon auf musi kalischem Geöicte hervorragenden Residenzstadt Dresden nicht entschließen, sie der Hofcapclle einzureihen. Zuerst wurden die Clarinctren hier bei Gelegenheit des 1792 in dec katholischen Hofkirche aufgeführten Oratoriums „Ou pussione <li Oiesu On-ij>tv" (componirt von Paisiello) gebraucht und kurz nachher auch in einigen Opern. Facttsch eingeführt wurden die Clari- netren bei der Dresdner Hofcapelle 1794 und für dieses In strument zwei Kammermusiker, die Gebrüder Rothe, angestellt. Ebenso waren in der katholischen Hofkirche nie Posaunen ge hört worden. Sie kamen zum ersten Mal 1827 in dem bei den Excqnien für den verstorbenen König Friedrich August vom Capellmeiftcr Morlacchi geschriebenen Requiem zur Verwendung. lq Antonio Scontrino'S 6 moll Streichquartett, das am 14. Januar 1901 durch die Quartcttvereinigung der Herren Faini, Cioppi, Cagnani nnd Broglio in Florenz zur ersten Auf führung gelangt war, ist vor Kurzem bei Carisch L Janicken in Mailand erschienen und fand auch mit Bewilligung dieser Firma Aufnahme in Paync's kleiner Parriturausgaöe (Leipzig, Ernst Eulenburg). Das viersätzigc Werk ist eine Perle der zeit genössischen Ouartettliteratur und zeichnet sich ebenso sehr durch Vorzüglichkeit der satztechnischen Arbeit, wie durch Gedankenfülle und Erfindungskraft aus. Hier hat sich in der glücklichsten Weise italienisch lebhaftes Temperament, südländisch bewegliche Phan tasie mit dem tiefsinnigen Ernst und dem kühnen Gedankenflug der sogenannten neudeutschen Richtung verbunden und ein Ton- wcrl ist entstanden, das in unserer an neuen kammermusikalischen Erscheinungen verhältnißmäßig so armen Zeit berechtigtes Auf sehen machen wird. Seine Ausführung setzt vier temperament volle Spieler voraus, die die Fähigkeit besitzen, im wahrhaft schöpferischen Geiste zu reproduciren. Ter Einfluß von Tönen auf die Handschrift ist durch einen Vortrag vor der k. k. Gesellschaft der Aerzte in Wien von Urbauftchitsch uachgewiesen. Nach den Versuchen an einer großen Zahl von Personen veranlassen tiefe Töne den Schreibenden unwillkürlich dazu, die Buchstaben größer zu machen, besonders gegen das Ende der Sätze und der einzelnen Worte, ebenso fallen auch die Schnörkel größer aus. Die Ur sache ist ein Nachlassen der Muskelsvannung in Folge der Ton empfindung. Bei hohen Tönen werden umgekehrt die Muskeln angespannt, die Buchstaben nnd Schnörkel werden kleiner. Viele Personen fühlten einen solchen Widerstand beim Schreiben, daß sie plötzlich damit innchiclteu, auch die Puncte auf den Um lauten und über dem i wurden häufig weggelasscn. Bei tiefen Tönen besteht die Neigung, unter die Wagcrcchte herunter» zugehen, während bei hohen Tönen die Zeilenlime ansteigt. Wissenschaft. * Saßnitz, 26. August. (Telegramm.) Wie bereits gemeldet, errichtete die Berliner Gesellschaft für drahtlose Telegraphie (System Braun-Siemens) hier eine Station und machte in derselben während der letzten Wochen höchst gelungene Versuche. Das telegraphisch berichtete Erqebniß vom Sonntag, das darin bestand, Laß mit der Station Groß-Moelln, also auf einer Entfernung von über 160 Kilometer, Depeschen empfangen und gegeben wurden, ist nur insofern bemerkenswertb. als aus einer neuen Station die Apparate nicht immer sofort in der wünschenswerthen Weise zu sunctioniren pflegen. Auf der gleichen Entfernung und sogar noch auf längere Strecken wurden früher häufig zwischen anderen Stationen Telegramme ausgewechselt, ohne daß die Deutlichkeit der Zeichen oder der Worte etwa» zu wünschen übrig ließ. Bildende Künste. Kunsthalle von P. H. Beyer L Sohn. Von den gegenwärtig auf dem Gebiete der Malerei ver tretenen Lkünstlern stehen besonders drei in dem Vordergrund des Interesses: Carl Hehn, O. Günther-Naumburg und die Leipziger Malerin Sophie Herwig. Während Günther-Naum burg Oelbild und Aquarell bevorzugt, arbeitet Sophie Her rn i g sowohl in diesen Techniken, als auch in der Stcinzeichnung und der Radirung. Sie bevorzugt das landschaftliche Motiv und weiß in dasselbe jene Klarheit und Ruhe zu legen, die von Hans Volkmann'schem Geiste infpirirt, den Charakter der Land schaft in seinen eindrucksvollsten Zügen erfaßt. Die Wirkung ist denn auch eine überaus günstige. Der Ernst des Waldes, wie die sonnige Heiterkeit des Bachgeländes finden hier ihre entsprechende malerische Betonung; besonders wohlgelungen er weist sich die, allem Anschein nach unserer Leipziger Umgebung entnommene Flußpartie mit der Staffage einer wasserschöpfen den Frau und einer Gänseherde, in der coloristisch-rcizende Effecte zu ihrem Ausdruck gelangen. In ihrem Motiv vom Flcischerplatz hält Sophie Herwig ein Stück von dem alten Stadtbildc Leipzigs fest, das in seiner malerischen Schönheit in anderen norddeutschen Städten fast seinesgleichen sucht. Aber auch diesen schmalen, hohen Giebeln, steilen Dächern und hoch aufragenden Mauern droht einmal der Untergang, wenn das „?rc> prttris-Projcct" Verwirklichung gewinnt. Sophie Her wig» künstlerische „Verewigung" dieser Partie ist daher ganz
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder