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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 29.08.1902
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-08-29
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19020829013
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902082901
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902082901
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1902
- Monat1902-08
- Tag1902-08-29
- Monat1902-08
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Tabellarischer und Ztfferusatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Ofsertenanoahme LL (rxcl. Porto). Trtra-Vellage» (gefalzt), nur mit der Morgen-AuSgab«, ohne Postbesörderuag ^il SO.—, mit PostbefSrdernug 7V.—» Anuahmrschluß für Anzeigeu: Abead-AnSgab«: vormittag» 10 Uhr. Morgen-AuSgab«: Nachmittag» 4 Uhr. Anzeige« stad stet» au die Expedition zu richten. Die Expedition ist Wochentag» ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi» Abend» 7 Uhr. Druck and Verlag vou E. Polz in Leipzig. Freitag den 29. August 1902. 98. Jahrgang. Krieg im Frieden. II. Der Schluß des militärischen Ausbildungsjahrcs steht bevor und mit ihm die Prüfung des Heeres, welche dieses im Manöver, dieser Darstellung des Krieges im Frieden, abzulegen hat. Außer dem Heere selbst ist aber an diesen Hebungen nahezu das ganze Volk betheiltgt, daS dieselben nicht allein mit großem Interesse verfolgt, sondern das in vielen Fällen durch Ouartierlcistungcn und dergleichen in »nmittelbare Beziehungen zu den Manövern tritt. Aber auch das rein militärische Element fordert das allgemeine Interesse heraus, und diesmal vielleicht mehr als sonst, weil bei den Gefechten eine etwas veränderte Taktik zur Ausführung gelangen soll, die wesentlich durch die Lehren des BvcrenkriegcS beeinflußt worden ist. Mehr als bei den Kaisermauövcrn, wo es sich meist um die hohe Strategie handelt, bet der die Truppen nur gleichsam die Figuren eines Schachspiels sind, wird man diese neuartige GcfechtSwcise in den kleineren Verbänden zu beobachten Gelegenheit haben. Hierbei wird besonders zur Darstellung gelangen, wie sehr die Kraft der Bertheidigung nach Einführung eines modernen kleincalibrigen Gewehrs dem Frontal angriff gegenüber gestiegen ist. Ein solcher Angriff über das rauchfreie Schlachtfeld erscheint geradezu aus geschlossen, wenn der in guter Stellung befindliche Gegner nur einige Aufmerksamkeit entwickelt und Schießscrtigteit besitzt. Das ungestüme Draufgehen eines Gegners hat mehr und mehr ausgcspielt, wie die Engländer in Süd afrika zu ihrem Schaden erfahren mußten, denn sie wur den dabei durch das wohlgeziclte Gewehrfeuer der Bvcrcu einfach zerschmettert. Noch viel übler aber wäre cs ihnen ergangen, wenn die Boeren über eine zahlreichere Artil lerie hätten verfügen können. Mit der alten Stoßtaktik, bei der man sogar noch mit geschlossenen Abteilungen auf treten konnte, dürfte es ein für allemal vorbei sein, denn an ihre Stelle ist die Fcuertaktik getreten, die den Gegner aus der Stellung herausschießt und ihn dadurch zum Auf geben derselben veranlaßt. Dieses Herausschietzen kann aber nur von verschiedenen Feucrstationen aus erfolgen und das Einnehmer, dieser Stationen im Vorgehen birgt die größten Schwierigkeiten in sich. Die Ausnützung des Geländes wird dabei eine viel größere Rolle als früher spielen; das sprungweise Vor gehen mit seinen vielen vorbereitenden Maßregeln muß sich ganz anders als bisher gestalten, und auch im Manöver wird man fortan die bisher üblichen Sprünge im Frontalangriff gegen einen in Stellung befindlichen Feind nicht mehr dulden. Niemals wird man dabei die Auf merksamkeit des Gegners erregen dürfen; das Rufen und Schreien der Dienstgrade: „Sprung! Auf!" mutz unter allen Umständen unterbleiben und das Exerciermützige dieser Bewegungen fortfallcn. Schneid und Mannszucht lassen sich während des Manövers noch genügend üben; im Sprunge nach vorwärts im Feuergefccht ist zu solcher Uebung weder Platz, noch Zeit. Hier soll Alles lautlos nach Zeichen und Winken der Führer vor sich gehen, wo bei Schneid und Mannszucht sich auch schon im Frieden bewähren sollen. Geübt müssen sie bereits früher fein; das Manöver ist die Prüfung, in der die Truppe zeigen soll, was sie gelernt hat. Dabei wird mehr noch als früher das einzelne Individuum in den Vordergrund treten, denn das Gelände wird nicht immer die gleichen zusammenhängenden Linien erlauben, wie der Excrcier- platz. Bet den diesjährigen Manövern wird man aber außer der modernen Taktik auch der Bekleidung und Aus - r ü st u n g einige Agsmerksamkeit widmen müssen, denn in der That ist der deutsche fcldmätzig ausgerüstete In fanterist mehr einem Packtrager ähnlich, als einem körper lich gewandten Schützen. Als solchen darf man süü aber den Soldaten nicht arischen, wenn er unmittelbar aus der Cascrne oder dem Quartier kommt, sondern wenn er nach einem nur mittleren Marsch ins Gefecht cintritt und nnn mit dem Gepäck über Kartoffel- und Sturzäcker hinweg erst in geschlossenem Verbände vvrgeht, und dann in der geöffneten Schützenlinie, in der ihm der Sprung mit dem gepackten Tornister auf dem Rücken nicht selten zur Qual wird. Und dabei hat er noch nicht einmal die Kricgs- chargirung bei sich! Man wird nicht darum herum kommen, am Gepäck des Infanteristen und an seiner An ordnung Aendernngen vorzu.iehmcn. Der Mantel ist z. B. im Sommer nnd Herbst meist überflüssig, die Zelt bahn genügt vielleicht vollständig; auch der bis oben zu geknöpfte Waffenrock ist ein ungünstiges Bekleidungsstück, wovon unsere Ehinakämpfer sich hinlänglich haben unter richten können. Die Trageweisc dieses oder jenes Stückes läßt sich auch noch verbessern; jedenfalls wird man auf eine wettere Erleichterung des Infanteristen bedacht sein müssen, denn da er immer nur in Massen auftritt, so braucht eben nicht mehr jeder einzelne Mann Alles bei sich z» haben. In Bezug auf Einfachheit und Genügsam keit, ebenso wie auf hingebendc Vaterlandsliebe, ist aber von den Boeren noch mehr zu lernen, als aus ihrer Taktik, die nicht für alle Heere paßt. Der Krieg im Frieden soll uns aber Gelegenheit geben, von den Lehren, die sich anderwärts her-ausgestellt haben, den weitest gehenden Nutzen zu ziehen. Deutsches Reich. ! AuS Berlin, 27 August, schreibt man unS über die Vereinigung des deutschen graphischen Kunstgewerbes zum Schuye der Urheber- und Verlagsrechte: Am 20. Juni trat in Düsseldorf unter dem Vorsitze des Commerzienrathes E. Nister, Nürnberg, eine Reihe von Vertretern des deutschen graphischen ÄunstgewerbeS zusammen, um die „Ber einigung deS deutschen graphischen Kunstgewerbcs zum Schutze der Urheber- und Verlagsrechte" zu begründen. Der Zweck dieser Vereinigung ist ein doppelter. Einer seits werden ihre Bestrebungen dahin gehen, auf eine Ausgestaltung des nationalen und internatio nalen Urheberrechts an kunstgewerblichen Erzeugnissen hinzuwirt'cn. Bekanntlich leidet das deutsche graphische Kunstgeivcrbe unter dem Mißstände, datz jeder Fabrikant, der künstlerische Qriginale von einem Künstler erwirbt oder durch angestellte Künstler fertigen läßt, sich, sobald diese Erzeugnisse für einen Gebrauchs zweck bestimmt werden, dem unlauteren Wettbewerbe skrupelloser Evncurrenten ausgesetzt sieht, welche seine Originale einfach nachmachen oder mit einigen Ab änderungen in derselben oder in anderen Branchen vcr- werthcn. Gegen diesen Mißbrauch ist unser graphisches Knnstgcwerbe fast wehrlos, da kunstgewerbliche Erzeu- nisse nicht wie Kunstwerke ohne Weiteres gegen Nach ahmung geschützt sind, sondern nur als Muster, d. h. nur in Voraussetzung einer Musterhinterlegung, die vor der Verbreitung des Originals im Handel zu erfolgen hat, und einer bis im Ganzen zu 32 .L. anwachsenden Ge bührenzahlung, geschützt werden. Diesem Mißstand, de^ die deutsche Industrie auch vor Allem auf dem inter nationalen Markte schwer schädigt, kann nur durch eine Aenderung unserer Gesetzgebung abgcholfcn werden. Eine solche durch Sammlung und Bearbeitung von Material mit vvrzubereitcn und auch auf eine Erweiterung unseres internationalen Rechtes hinzuwirken, wird eine der Haupt aufgaben der neugegründeten Bereinigung sein. Ebenso wichtig ist die Schaffung eines Rcchtsbureaus für die deutsche graphische Industrie. Bei den Schwierig keiten, welche die Bcurtheilung der Frage des Urhebcr- und Musterschutzes bieten, ist es für den einzelnen In dustriellen und Verleger fast unmöglich, zu wissen, was er thun und lassen darf, nnd vor Allem, wie weit er im In- landc oder im Auslände gegen Nachahmung seiner Er zeugnisse Schutz genießt, und welche Schritte er zur Wahr nehmung seiner Rechte zu thun hat. Die Vereinigung hat daher ein Rechtsburean errichtet, das ihren Mitgliedern in allen Fragen des Urheber- und Mustcrrechtcs Auskunft ertheilt, das ihnen Gutachten fertigt und ihnen die Füh rung von Processen im In- und Auslande vermittelt. Wie wohlthätig eine derartige Vereinigung wirken kann, beweist das Beispiel des Auslandes. So hat in Frank reich die rounion cles kastriosnl< ckc bronriv, welche aus dem Gebiete des Mctallkunstgemerbes die gleichen Zwecke ver folgt, wie die ncugegründete Vereinigung auf dem Gebiete des deutschen graphischen Kunstgewerbcs. vor wenigen Wochen es erreicht, daß ein neues Gesetz in Frankreich den kunstgewerblichen Schöpfungen den weitest gehenden Urheberschutz einränmt, auch hat sich das Rcchtsburcau dieser Vereinigung als äußerst segens reich für die französische Bronzeindustrie erwiesen. Ten Vorstand der neugegründeten Vereinigung bilden: Evmmerzienrath E. Nister, Nürnberg, Vorsitzender; vr. Hugo Gerschcl, Berlin, 2. Vorsitzender; Fr. Diefen bach, Frankfurt a. M., Schriftführer, Commerzicnrath Schütt, Rhcndt, Schatzmeister; EommerzienrathMeißncr, Leipzig, Beisitzer. Syndicus der Vereinigung ist I>r. Albert Osterrieth, Berlin XV., Wilhelmstratze 57/58. Ter Syndicus giebt Auskunft über die Beitritts bedingungen und nimmt Anmeldungen zum Beitritt ent gegen. Der jährliche Beitrag der Mitglieder wird nach dem Verhältniß der Zahl der unfallversicherungs pflichtigen Arbeiter berechnet. Für jeden versicherungs pflichtigen Arbeiter wird ein Betrag von 25 Pfg. in An rechnung gebracht. Verleger haben einen Jahres beitrag von 50, Künstler einen solchen von 25 zu entrichten. Dafür hat jedes Mitglied das Recht, das Rechlsbureau um Rechts- und Auskunftsertyeilungen in Anspruch zu nehmen. Die namhaftesten Firmen Deutsch lands haben ihren Beitritt schon erklärt, so daß diese, für die wirthschaftliche Förderung des deutschen graphischen Kunstgewerbcs so wichtige Vereinigung wohl in kurzer Zeit alle Interessenten umfassen wird. 0. II. Berlin, 28. August. (Organisation des Handwerks.» Der preußische Handelsminister Möller hat den Aufsichtsbehörden der Handwerks kammern den bemerkenswertsten Bescheid zukvmmen lassen, den er an den Verband Berliner Metallindusiriellcr über die Frage der Organisation des Handwerks ge richtet hat. Herr Möller läßt sich wie folgt aus: Die An sicht, daß die Prüfungsausschüsse der Innungen und Hand werkskammern den in Großbetrieben für ein Handwerk ausgebildeten Personen erst dann, wenn sie in Handwerksbetriebe übcrgetrcten sind, die G e s e l l e n p r ü f u n g abnehmen dürften, theile ich nicht. Die Absicht des 8 129 Abs. 4 des Gesetzes mutz dahin verstanden werden, datz dadurch hin sichtlich der Erwerbung der Besugnitz zur Anleitung von Lehrlingen die bezeichneten Personen den in Handwerks betrieben ausgebildeten jungen Leuten völlig gleichgestellt werden sollen und daß daher, sofern die Voraussetzungen für die Zuständigkeit im Uebrigen gegeben sind, die ge dachten Prüfungsausschüsse auch befugt sind, ihnen die Prüfung abzunchmen. Da die Gesellenprüfung den Nach weis zu erbringen hat, datz der Prüfling für das in Frage kommende Handwerk genügend vvrgebildet ist, so würde aus dem Umstande, daß die in Großbetrieben, na mentlich solchen mit besonders sorgfältigem Ausbildungs gange, vorgebildeten jungen Leute in mannigfacher Be ziehung eine weiter gehende Ausbildung erfahren haben, ein sachliches Bedenken gegen die Zuständigkeit der Prüfungsausschüsse nicht hergelcitct werden können. Das von der Eingabe behauptete Bedürfnis; zur Schaffung besonderer P r ü f u n g s b e h ö r d e n für die in den Verbandsbetrieben ausgebildeten jungen Leute würde allerdings dann anzucrkennen sein, wenn die bestehenden Prüfungsausschüsse es ablehnen sollten, die Prüfung der fraglichen Personen vorzunehmen. Ob die Prüfungsausschüsse der Handwerkskammern — nur diese werden in der Regel hier in Frage kommen — auch ver pflichtet sind, Prüfungen von nicht in Handwerks betrieben beschäftigten Personen vorzunehmen, und ob die Handwerkskammern gegebenenfalls die erforderlichenPrü- fungsausschüsse auch für die Lehrlinge der Großbetriebe schaffen muffen, erscheint rechtlich nicht völlig zweifels frei. . . . Wenn sich bei der Prüfung der mehrbezeichneten Personen durch die bestehenden Prüfungsausschüsse er hebliche Unzuträglichkeiten Herausstellen sollten, würde ich grundsätzlich nicht abgeneigt sein, von den mir durch die Paragraphen t29 Abs. 4 und 132a der Gewerbeordnung eingeräumten Befugnissen Gebrauch zu machen und die Schaffung besonderer Einrichtungen zur Ab nahme der Gesellenprüfung für die Lehrlinge aus Grob betrieben ins Auge zu fassen. Eine solche Maßregel würde selbstverständlich nur für solche Lehrlinge in Frage kommen können, deren Ausbildung in einem Handwerk erfolgt ist und sich nicht auf mcstr oder weniger spectelle Fertigkeiten und Kenntnisse handwerksmäßiger Art, die sich nur in einem Großbetriebe oder anderem Betriebe mir weitgehender Arbeitststcilung verwerthen lassen, be schränkt. Hiernach stelle ich dem Verbände anheim, zu nächst die in den ihm angehörenden Betrieben handwerks mäßig ausgebildeten jungen Leute an die bestehenden zu ständigen Prüfungsausschüsse verweisen zu lassen. Im Uebrigen bemerke ich, daß es nicht angängig ist, einzelne dem Verbände angehörende Betriebe, selbst wenn sie in der Lehrlingsausbildung Hervorragendes leisten, als „Lehrwerkstätten" im Sinne des § 129 Abs. 4 der Gewerbeordnung anzucrkennen." --- Berlin, 28. August. »Ein katholisches Blatt ü b e r F o r ch h e i m - K u l m b a ch.) Nachdem die „Köln. Volksztg.", die „Augsburger Postztg." und andere klerikale Blätter sich über den „k n r o r proteccrankieus" er eifert haben und in dem Zusammenhalten der Protestanten in Forchheim-Kulmbach ein Beispiel der gehässigen Ge- sinnung gegen den KatholiciSmuS erblickt haben, berührt es angenehm, daß ein katholisches Blatt die Sachlage durch aus unbefangen beurtheilt. Es ist das die „R heinische V o l k s st i m m e", das Organ der nicderrsteinischcn katho lischen Aristokratie. Das Blatt spricht die Ansicht aus, datz ein anderes Resultat kaum hätte erwartet werden können, da die Mitglieder deS Bundes der Landwirthe eben den jenigen Eandidaten gewählt hätten, der ihnen konfessionell am nächsten gestanden, und das dürfte bei der Mehrzahl der nationalliberale Eandidat gewesen sein. Ganz ähnlich drückt sich eine Zuschrift aus „adeligen katholischen K r e is e n W e st f a l e n S" an das Blatt aus. Diese Zu schrift, die offenbar vor dem Bekanntwerden des Stich- wahlresultates abgefaßt ist, sagt u. A.: „Da weder der liberale noch der Eentrumscandidat sich auf das agrarische Programm verpflichteten, so werden die Mitglieder der agrarischen Partei sich entweder der Wahl enthalten, oder, Feuilleton. Das Deutschthum in Brasilien. II. (Schluß.) Al» daS wichtigste Mittel, das Deutschtbum in Brasilien zu stärken, erscheint die Einwanderung. Es fragt sich nur, ob sie mit gutem Gewissen empfohlen werden kann. Die Art und Weise, wie man in Brasilien mit dem Ein wanderer umgeht, ist sehr bedenklich, ganz abgesehen von den schlimmen Erfahrungen, die er nachher machen muß. Mit dem Betreten deS brasilianischen Bodens beginnt daS Elend. Selten ist hinreichende Fürsorge getroffen. Auf den brasilianischen Küstendampfern werden tue Menschen »usammengepfercht, wie man eS mit dem Vieh nicht thut. Wochenlang bleiben die Angekommenen in den für sie be stimmten Herbergen. DaS Land ist noch nicht abgemessen. DaS ungewohnte Klima, daS Zusammenleben Vieler in Räumen, die nur für den dritten Theil ausreichend sind, erzeugen Krankheiten. Der Tod hält seine Ernte. Nie werde ich, schreibt der Verfasser deS Buches „Deutsch- evangelische- Leben in Brasilien", daS Schicksal eines jungen deutschen Schlossers vergessen. Es sei ein Beispiel für Viele. Der brasilianische Dampfer, der ihn mit seiner Frau und seinen drei blühenden, im Alter von 3—7 Jahren stehenden Knaben weiter nach dem Süden brachte, war vollgepfropft von Soldaten. Für di« Zwischendeckreisenden, die, falls Ein wanderer, umsonst befördert werden, blieb daS Verdeck als einziger Aufenthalt. Drei Tage und drei Nächte waren sie den glühenden Strahlen der Sonne oder dem strömende» Regen schutzlos preisgegeben. AIS der Schlaffer am Ort seiner Bestimmung ankam, trugen die drei Kinder den Keim tödtlicher Krankheit in sich. Sie starben in wenigen Tagen kurz nach einander und die verzwrifelten Eltern kehrten, im Besitze der uvthigen Mittel, sogleich wieder nach Deutschland zurück. Erhält der Colonist sein Stückchen Land tief im Urwalde, so muß er nicht selten für die erste Zeit ve« der brasi lianischen Negierung mit Nahrungsmitteln versorgt werden. Da ist e» nun mehr als einmal vorgekommen, baß ein Häus lein Deutscher im einsamen Walde dem Verhungern nahe war, weil die versprochene Zufuhr auSblieb. In der Ge meinde de» Verfasser» war ein Mann, der, obwohl eS viele Jahre her war, mit Zittern davon erzählte, wie er mit Frau und Kindern dem Hungertode entgegensah und tagelang sich von Früchten und Wurzeln, welche der Urwald spärlich bot, nährte. Hat der Colonist die ersten sauren Jahre hinter sich, so könnte er ein behagliche» Leben führen, wenn eS nicht gälte: „Der Mensch lebt nickt von Brod allein". Brod giebt Brasilien und Sonne, viel mehr aber nicht, nickt Necdt noch Freiheit, noch Treue, nichts EdleS, Hohe-, Großes, daS er heben und begeistern könnte. Der Mensch gewöhnt sich ja an Alles; auch dem Deutschen ergebt eS so in Brasilien. Es giebt Leute, denen es sogar gut dort gefällt. Man kann reich werden, wenn man Glück hat, eS ist sogar ohne Glück möglich, bei recht weitem Ge wissen. Wer da» nöthige Geld hat, kann eine Rolle spielen, wie bei unS kein Geheimrath. Sehen Sie, sagte ein Neichgrwordener zu Pastor Heeren, hier in Brasilien werde ich jederzeit vom Präsidenten der Provinz mit offenen Armen empfangen. DaS würde ich in Deutschland nicht. Ich mache wohl gern aller paar Jahre wieder bin. Auch für den nächsten Sommer habe ichs wieder vor, will aber einen kleinen Umweg macken, durchs mittel ländische Meer und den PhoSphoruS (Bosporus!) Aber bleiben möchte ich nicht. So mag eS dem Einen oder Anderen in Brasilien gefallen, weil er zu etwa« gekommen ist, was er in der Heimath schwerlich erreicht hätte. Aber mit dem „VorwärtSkommen* ist« überall ein eigen Ding, wenn man eS mcnscklich und christlich betrachtet. Man kann essen und trinken und Geld genug haben und dock innerlich verhungern und verarmen. DeS Verfasser» Meinung ist, betreffe eS Brasilien oder eia anderes Ziel: „Bleibe im Lande und nähre dich redlich.* Der einfache deutsche Arbeiter hat eS in den weitaus meisten Fällen bester als der Colonist und Arbeiter in Brasilien. Kann er sich auch kein Reitpferd halten und nickt mit der Flinte in den Urwald ziehen, keltert er keine Weine und greift nur mit den Fingerspitzen in die Kaffeebüchse, er hat doch sein bescheidene-, ost gute» Auskommen und dazu noch Viele«, was unsere deutschen Brüder in Brasilien vermissen. Er empfängt und genießt bewußt und unbewußt alle die Vor- theile, Segnungen und geistigen Güter, welche das Leben in einem gesitteten, hochentwickelten Volke auch dem Geringsten garantirt. Im deuUcken Vaterlande erfreuen wir unS einer geord neten RechlSpflege, die Beamten arbeiten und stehlen nicht, die Verwaltung ist gut bis musterhaft, die Groschen der Steuerzahler verschwinden nicht am unrechten Ort, der Post kann man getrost Geldsendungen anvcrtrauen, Soldat zu werden braucht sich keiner zu schämen, denn der Soldaten stand ist ein Ebrenstand, Eisenbahnen bringen für wenig Geld weithin, der Staat sorgt für Kirche und Schule, sür Erziehung und Bildung, wissenschaftlich vorgebildele Aerzte sind im entlegensten Dorfe zu erreichen, der Arbeiter empfängt seinen Lohn, bat Hilfe in Unfällen, Ver sorgung im Alter, zahllose Anstalten der Barmherzigkeit mildern daS mannigfache menschliche Elend. Diese und viele andere Dinge erscheinen Manchem so selbstverständlich, daß er gar nicht weiter darüber nachdenkl und meint, es müßte so sein. Wen aber nach der Fremd« gelüstet, der mache erst einen dicken Strich durch die meisten der ebengenannten Puncte und durch einige nicht genannte. Anstatt daß der geringe Mann aus die Hetzer und Nörgler kört, die ihm Heimath und Vaterland verleiden, sollte er sich darüber belehren lassen, daß er eS nirgends bester haben kann, und daß nirgends besser sür ihn gesorgt wird, als im deutschen Vaterland», und daß er nirgends in der Welt auf ein geneigteres Ohr für seine berechtigten Wünsche rechnen darf. Mögen deutscher Wagemutb und deutscher Forschungstrieb in die Ferne schweifen. Daraus kann nur Gutes kommen. Der Deutsche wird auch nie feinen Wandertrieb meistern und immer wieder in der Ferne sehnsüchtig sein Glück suchen. Erst wird er die Heimath verachten, um spater in ungestillter Sehnsucht von ihr zu träumen. Feuerköpfe werden in der Glutb der Tropen sich abkühlen, waS der Schatten deutscher Eichen leidloser gewährt batte. DaS wird immer so bleiben, denn wir können unS unser Herz nicht auSreißen. Aber dem Gedanken muß mit Entschiedenheit entgegengelreten werden, als ob der geringe Mann, der Tagelöhner und Arbeiter, der kleine Bauer und Handwerker, sich verbesserte, wenn er nach Brasilien auSwanderte. Seine äußere Lage mag er in vielen Fällen verbessern, aber diese Verbesserung wird er theuer be zahlen müssen mit dem, WaS er sonst entbehrt. „Wer «S in Deutschland noch eben aushalten kann, wer buchstäblich nicht zu hungern und zu frieren braucht, der bleibe daheim" so hat eS unser Verfasser oft aus dem Munde von ernsten, urtheilsfähigen Männern gehört, und die Erfahrungen, die er gemacht hat, uöthigen ihn, dem zuzustimmen. DaS öffentliche Leben in Brasilien steht unter dem Zeichen des Verfalls. Abgesehen davon, daß bei jedem Parteiwechsel die große Mebrzakl der Beamtenstellen mit solchen besetzt wird, welche den neuen Machthabern nach oben verhalfen haben, wobei nicht im Geringsten auf Befähigung gesehen wird, stebt auch sonst daS öffentliche Leben unter dem Zeichen des Verfalls. DaS Heer wird als eine Einrichtung an gesehen, welcke dazu dient, den Abschaum der Bevölkerung und alle lästigen Taugenichtse aufzunehmen. Der Soldat verbringt seine Tage mit NichtSthun, Rauchen, Stehlen und dem Verkehr mit Weibern. An eine geordnete Rechtspflege ist nickt zu denken: Geld, Ansehen und Partei lenken das Zünglein der Waage. Die Proceffe werden zum Nutzen der Abvocaten in endlose Länge gezogen. ErbschaftSangclegenheitcn bilden willkommenen An laß zum Beutemachen. Krank wie daS Auge deS Gesetze» ist sein Arm, die Polizei. Sie besteht aus eben so großem Ausschuß wie das Heer und ist noch weniger zuverlässig. In der Stadt, wo der Verfasser ansässig war, wurde einem Diebe die Wahl gestellt zwischen Gefängniß und Eintritt in die — Polizei. Natürlich wählte er das Letztere und batte dabei den Vortheil, mit „Anstand" sein bisheriges Handwerk weiter treiben zu können. Oberflächlichkeit und Unvermögen treten besonders bei der Ausübung der Heilkunde zu Tage. Es werden riesige Flaschen Medicin verschrieben, weil der Kranke daS so will und weil er sich sonst keinen Erfolg verspricht. Die Aerzte tkun die» auch gern, weil sie mit den Apothekern gemeinsame Sack« machen. An die Pflichttreue und Zuverlässigkeit der Beamten darf man keinen strengen Maßstab legen. Beliebt ist bei un getreuen Beamten der Vorwand, eine anvertrautc Summe auf unerklärliche Weise verloren zu haben. Dagegen laßt sich natürlich nichts machen. Ein solche» „Mißgeschick* kostet daS Amt nicht. Der Post vertraut man Werthsachen aus naheliegenden Gründen nicht an. DaS ist Brasilien! —§
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