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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 02.09.1902
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-09-02
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19020902014
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902090201
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902090201
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Bemerkung
- unvollständig: S. 6061 - 6064 (3. Beilage) fehlen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1902
- Monat1902-09
- Tag1902-09-02
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Als vor zwei Jahren überzart empfindende Seelen den Vorschlag machten, den Sedantag nicht zu begehen, weil damals deutsche und französische Truppen in China neben einander kämpften, folgten zwar Manche, die diesen Wunsch für einen Wink von oben hielten, der Anregung, der großen Mehrheit des Volkes aber war der Gedanke durch aus nicht smnpathisch. Die Abneigung gegen den Vorschlag, den Sodantag als nationalen Feststtag schlechthin zu streichen, entspricht einem gesunden politischen In stinkte. Gerade in diesem Jahre wird es uns fühlbar, wie werthvoll der Scdantag für uns ist. Der leidige Streit um die Zollfrage hat die Kluft zwischen den Parteien und den Ständen noch erweitert. Dazu kommt, das; gerade in der letzten Zeit eine ganze Reihe von Verdrießlichkeiten unser innerpolitisches Leben verbittert hat. Da erscheint es dann gewiß wünschcnswcrth, daß an einem nationalen Gedenktage fcstgehalten wird, der die kleinen und die großen Verdrießlichkeiten der Politik vergessen läßt und alle Deutschen umschließt, mögen sie nun einen 7 Mark-Zoll oder einen 5 Mark- oder einen 3 Mark- Zoll für wünschenswerth halten. Derartiger gemeinsamer nationaler Festtage haben wir nicht viele, außer dem Sedantage nur noch die Geburtstage des Kaisers und der Landesherren der Einzelstaatcn. Da sollte man sich denn doppelt besinnen, diesen Tag auszuschalten. Die Feier des Scdantagcs aber gilt noch einem anderen Zwecke. Gerade in der letzten Zeit haben sich in Frank reich die Revancheredcn gehäuft und man sah dabei hohe geistliche Würdenträger in anmuthigcm Vereine mit Generalen und activen Ministern. Warum gerade in dieser Zeit die Revanche-Idee wieder lebhafter betont worden ist, wird am besten klar, wenn man daran denkt, daß in der Zeit von der Beendigung des Drcyfus-Prvcesscs bis zum Abgänge Waldcck-Rvnsseau's das Rcvauchcgcschrei sich viel seltener hatte Horen lassen. Damals war eben eine Zeit vergleichsweise;: innerer Beruhigung cinge- treten; heute herrscht wegen der kirchenpolitischcn Streitig keiten der Geist der Unruhe und Verwirrung. Man sicht also, daß der Gedanke der Ablenkung nach außen in Zeiten inncrpolitischer Stürme den französischen Poli tikern heute noch ebenso, man mochte sagen, instinktiv inne wohnt, wie vor mehr als 30 Jahren den Bcratheru Napo- lcon's III., die, um aus den inneren Wirren herauszu kommen, den Krieg von 1870 und damit den Scdantag heraufbeschworen. So lange aber noch diese Neigung, Deutschland ge wissermaßen als Blitzableiter anzusehen, in Frankreich besteht, kann es nur heilsam wirken, wenn die Franzosen an der Begehung des Scdantagcs in ganz Deutschland merken, daß der Blitz in Lindau ebenso einschlagcn würde, wie in Memel. Für uns Deutsche selbst aber ist es nicht minder ersprießlich, wenn wir an einem solchen Tage darüber beruhigt werden, daß das particularistischc Gezänk, daS gerade in jüngster Zeit sich in so unerfreulicher Weise wieder hat hören lassen, die Grundvcstcn der deut schen Einigkeit nicht erschüttern kann. Das soll das Sedanfest sein: das Fest deutscher Einig keit. Es soll nicht sein und ist nicht ein Fest der Verhöhnung des damals besiegten Gegners. Davon kann schon darum keine Rede sein, weil Thaten, wie die Vertheidigung von Bazeille durch die französische Marine-Infanterie und wie der große Nciterangriff Gallifet's, Heldenthaten ersten Ranges waren, und weil der Deutsche viel zu gerecht ist, diese Thatsachc nicht anzucrkennen. Hat also das Fest nichts für die Franzosen Beleidigendes, so braucht auch keine zarte Rücksichtnahme auf Frankreich seine Feier zu verhindern oder auch nur zu beeinträchtigen. Das Eartcll und seine Gegner in der „Nationlcheijung". Von Herrn Rechtsanwalt vr. Züphel geht unS die folgende Zuschrift zu: Unter der oben genannten Ueberschrift hat Ihr hoch geschütztes Blatt in den Nummern 432 und 434 vom 26. und 27. August einen Artikel gebracht, von dem es heißt, er stamme von einer Seite, die der Leitung der national liberalen Partei im Königreich Sachsen nahe stehe. Ter Artikel wendet sich gegen eine Zuschrift, die, unter dem Titel „Der Nationalliberalismus in Sachsen" von der „Nationalzcitung" in deren Nummer 497 vom 23. August 1902 ausgenommen, verschiedene Einwendungen gegen die Cartellpolitik des nationallibcralen Landcsvereins erhebt. Der Gewährsmann Ihres hochgeschätzten Blattes nennt meinen Namen, schildert meine Haltung zu dem Cartctlantrage des Vorstandes und deren Erfolg bei der letzten Hauptversammlung des Landcsvereins, jedoch in unzutreffender Weise und nimmt in wenig erfreulicher Art auf meine Stellung als Vorsitzender des Junguational- liberalen Vereins Leipzig Bezug, so daß ich mich ge zwungen sehe, mich zu diesem Artikel zu äußern. Der Cartellantrag wurde in der letzten Hauptver sammlung von dem Berichterstatter mit einer umfänglichen Begründung empfohlen, in der die Neigung, das Eartcll grundsätzlich für alle Wahlkreise SachscnS anzuprciscn, den Mangel an politischen Erwägungen in meinen Augen nicht aus gleichen konnte. Der gleiche Hang, der auch in dem Artikel Ihres Blattes vorherrscht und der eine unerfreu liche Beigabe der Cartellpolitik zu sein scheint, der Hang, politische Zweifel, wenn solche überhaupt auftauchen, durch Zahlen und Statistik anszulöscu, veranlaßte mich zu der Mahnung, doch vor Allem in jedem einzelnen Falle die veralteten Zahlen des angeblichen Besitzstandes nach zuprüfen. Mir schien ferner die Frage keineswegs so leicht zu beantworten, ob denn nicht durch das Cartcll dieser oder jeuer Wähler, der nach reiflicher Prüfung sich für eine Partei entschieden hat —und solcher Wähler giebt es Dank der vorzüglichen Schulbildung in Sachsen gewiß mehr als anderswo —, ob nicht gerade solch ein Wähler unserer Sache entfremdet werde. Man braucht nur zu er wägen, wie umfassend die nationalliberalc Partei ist, und mau wird ohne Mühe erkennen, daß das Cartcll mit irgend einer entschiedenen Interessengruppe — und das sind die anderen Ordnungsparteieu alle — der Partei so mid so viele treue Anhänger kostet. Tenn es ist gewiß, daß zwei Gruppen verschiedener Parteirichtungen von je tausend Mann, die man nm Einen Candidaten vereinigen möchte, nicht zweitausend Wähler geben. Die Politk hat hier auch ihr Hexen-Einmaleins. Wenn 1887 zuletzt die Verwirklichung dcV Cartcllgedankcns die schönsten Früchte brachte, so darf nicht übersehen werden, daß der Erfolg unter ganz außergewöhnlichen Umständen erzielt wurde. Es ist aber doch immer mißlich, Ergeb nisse, die die äußerste Noth gezeitigt hat, vom Alltagsleben zu erhoffen, in dem der begeisterte Schwung fehlt, doppelt mißlich, wenn man den einigenden Gedanken von ldd7 mit der Jntcresseuzersplittcrnng bei der nächsten Wahl ver gleicht. Daß das Cartcll, wenn man cs abschließen will, hier in Tnchsen nur mit den rechts stehenden Parteien der Conscrvativen und Reformer cingegangen werden kann, gebe ich gern zu. Doch lohnt es sich gewiß der Mühe, ehe man den Schritt thut, recht reiflich zu erwägen, ob die großen Opfer an höheren politischen Gütern emem Erfolge geweiht werden, der dessen würdig und der auch sicher genug ist. In ähnlichen Gcdankengängen wie die hier zu Grunde liegenden bewegten sich damals meine Ausführungen. Wenn nun Ihr Gewährsmann die Abstimmung zu dem Cartcllantrage, bei der einzig ich gegen den Antrag ge stimmt habe, zum Anlaß für die Behauptung nimmt ich sei ein Ossicier ohne Soldaten gewesen, so fällt der Vor wurf, den er dem Correspondenten der „Nativnalzeitung" wegen lückenhafter Wiedergabe der Vorgänge macht, auf ihn zurück. Da er, wie ich annehmen darf, der Ver sammlung beigewohnt hat, so kann ihm nicht entgangen sein, das; während meiner Ausführungen und nachträglich mir von vielen Seiten Uebereinstimmung mit meiner Haltung ausgedrückt worden ist, und zwar geschah dies nicht nur aus der Versammlung heraus, sondern, wie ich noch ergänzend bemerken möchte, später von angesehenen und geachteten Parteifreunden, die den Bericht gelesen hatten. Auch lehrt ein Blick ins Protokoll, daß zwei der Herren, die vor mir sprachen, keine unbedingten An hänger deS Cartclls genannt werden dürfen und daß ein dritter Herr, der bisherige Generalsekretär, doch recht ge wichtige Zweifel gegenüber dem Cartcll anregtc. Daß diese Herren nicht gegen den Antrag stimmten, kann seinen Grund in der Fassung gehabt haben, die in ihrer be dingten Form auch den Ausführungen der zweifelnden Parteifreunde Rechnung trug. Von dieser schonenden Berücksichtigung abweichender Anschauungen, die dem Vorstände bei dieser Gelegenheit zur Zierde gereichte, läßt aber nun die Ab handlung Ihres Gewährsmannes Alles vermissen. Ich kenne den Ccrrcspondenicn der „Nationalzcitung" nicht und bin auch nicht in der Lage, allen seinen Aus führungen zuzustimmen, aber was er sagt, hätte gewiß eine sachliche Widerlegung gefordert ohne die persön lichen Anspielungen auf seinen Ehrgeiz, von sich reden zu machen, auf seinen Has; gegen die eigene Parteileitung, der ihm alle Besinnung ranbe, auf Mangel an Selbst zucht und politischer Schulung. Man möchte fast daran zweifeln, das; diese persönlichen Ausfälle von einer der Parteileitung nahestehenden Seite kommen, denn es wäre beklagcnswerth, wenn unser Vorstand einer derartigen Ausdruckswcise bedürfte, um seine Entschließungen zu rechtfertigen. iJch kenne die Herren des Vorstandes per sönlich und schäßc sic hoch und darf auS dieser Kenntnis; versichern, daß, wenn der Einsender des Artikels auch der Parteileitung nahe stehen mag, er doch des vornehmen Geistes, der dort waltet, keinen Hauch verspürt haben kann.) Mir ist keine Kundgebung unseres Vercinsvor- standes bekannt, die in so eigenmächtiger Weise den anders denkenden Parteifreund von den Stühlen der Partei hin- wcgweist, wenn er sich in dem Mittel, seine Beschwerden vvrzubringcn, vergreifen sollte. Das zeichnet den Vor stand des Landcsvereins in hohem Maße aus, daß er bis heute im Interesse der Partei stets sich zu der Anschauung bekannt hat, die auf tiefer Erfassung unseres politischen Bekenntnisses beruht: In meines Vaters Hcnrse sind mancherlei Wohnungen. Es darf aber weiter zu Ehren des Vorstandes angenonnncn werden, daß er in dem Artikel Ihres Gewährsmannes nicht eine erschöpfende Wiedergabe seiner Erwägungen erblickt. Wohl sind manche von den angeführten Gründen beachtenswcrth und auch sehr gewichtig, andererseits fehlt jede politische Erwägung, die auch das besondere Interesse der Partei ins Auge faßte, gänzlich und jede tiefer gehende Er örterung, ob das Cartcll mich einem höheren politischen Ziele zuftthre, vermißt man leider ebenfalls. Darum bleibt der Artikel ziemlich unfruchtbar. Durch solche übertrieben einseitige Betrachtung, wenn sie obendrein mit persönlichen Anwürfen verbunden ist, kann meinem Empfinden nach der Sache nicht gedient sein. Deutsches Reich. H: Berlin, 1. September. In der Beurthcilung der wirthschaftl i ch en Zukunft unserer Colonien findet man Freisinnige und Social- d e mokrat e n, wie auf so vielen anderen Gebieten, stets einmüthig und von dem Drange beseelt, die Luge und die Aussichten der colonialen Unternehmungen tu den schwär zesten Farben zu malen und so in den Augen der Wähler massen sich als Vollbringer der bekannten „rettenden That" Yinzustellen. Nebenher geht natürlich die Absicht, unter den breiten Schichten der Bevölkerung das Vertrauen zu den Organen der Ltaatsregierung immer mehr zu er schüttern und die Unzufriedenheit über den Gang und den Aufwand der deutschen Colonialpolitik zu schüren und zu schärfen. Daß durch solche Taktik der Entstellung die Aus gabe der leitenden Beamten des Reiches außerordentlich erschwer: wird, liegt auf der Hand: glücklicherweise fehlt cs aber auch unter den angeblich auf das freisinnige und das socialdemokratische Programm eingcschworcncn Staats bürgern nicht an urtheilsfühigen und einsichtigen Ele menten, die für die Zweckmäßigkeit und Nothwcndigkeit der Colonien ein offenes Auge besitzen und ans der That- sache, daß trotz der systematischen Warnungen und Ver hetzungen von colonialseindlicher Seite die Entwickelung unserer ausländischen Besitzungen eine in anbetracht Ver kürzen Zeitspanne ihrer Zugehörigkeit zum deutschen Reiche durchaus erfreuliche und befriedigende gewesen ist, die Ueberzeugung herlciten, daß diese Territorien lebens fähig und aussichtsvvll sind. Im Anslandc — und man braucht dabei nicht einmal auf den Colonialstaat par exesllonco, auf England, zu verweisen — im Anslandc wird die Colonialfrage von c rem durchaus sachlichen Standpuncte aus behandelt: dort sind alle Parteien über einstimmend der Meinung, das; coloniale Unternehmungen mit Rücksicht auf die nationale Sicherheit und Wohlfahrt eines Landes, das im internationalen Wettbewerb lcbens- unü leistungsfähig bleiben und seiner Bevölkerung eine angemessene Lebenshaltung sichern will, unbedingt noth- wcndig sind, nnd das; cS daher Pflicht der Parteien ist, dieser Nvthwcndigkcit gegenüber nicht nur den Partei hader und die Svnderintcrcssen verstummen zu lassen, sondern vielmehr danach zu streben, daß der coloniale Ge danke unter der Bevölkerung des Mutterlandes Wurzel -chlägt uud in den weitesten Kreisen Verständnis; und praktische Vcrwcrtlmng findet. Frankreich z. B. ist sicherlich ein Land, das in Folge seiner finanziellen Schwie rigkeiten alle Ursache hätte, augenblicklich die Durch führung seiner Colonialausgaben zurückzustellen,- das ist aber keineswegs der Fall, vielmehr treten gerade jetzt wieder die französischen Blätter lebhaft für die Forderung der colonialen Unternehmungen im französischen Sudan ein und betonen, durchdrungen von der Wichtigkeit regel mäßiger und schneller Verkchrsgelegcnheiten, das; der Bau einer Eisenbahn unter allen Umständen erfolgen müsse. Gewiß ist es fraglich, ob die hohen Erwartungen, welche die französische Presse betreffs der conrmerzicllen Zukunft des Sudan hegt, sich erfüllen werden, andererseits aber ist es sicher, daß eine Behandlung colonialer Fragen, die den jeweiligen Verhältnissen Rechnung trägt und nicht nur die Energie und auch noch so geringe Erfolge der Unternehmer bereitwillig anerkennt, sondern auch zur kräftigen Unterstützung des begonnenen Werkes auf fordert, weit mehr im Jutcressc der gesummten Nation liegt, als die Taktik der linksstehenden Parteigruppen in Deutschland, die darin besteht, wie die meisten Maßnahmen Feuilleton. Ein unwillkommener Manövergast. Humoreske von Ferd. Gruner. Nachdruck verboten. In dem schmucken Herrenhaus» des Gutshvfes, welcher Ehrhard Frohnstätteu gehörte, herrschte eifrige Thättgkeit. Der Gärtner brachte, unterstützt von einigen Dienst mädchen, an den vier Säulen, welche den breiten Balcon unter dem HauSthorc trugen, Rcisiggewindc an, in denen Rosen steckten. Vom Thürmchcn, das westwärts weit ins Land schaute, wehte eine mächtige Fahne. In den Corri- doren und auf den Stiegen waren neue Läufer aufgelegt und da8 beste Fremdenzimmer im Herrcnhause zu einem wahren Schmuckkästchen gemacht worden. Der Gutsherr, eine breitspurige Gestalt mit buschigem, weißem Schnurr bart, der schier jugendlich aussah, trotz der Farbe, hatte an den Vorbereitungen selbst thätigeu Anthcil genommen. Der Maihövergast, den man erwartete, sollte sich wie zu Hause fühlen. Ehrhard Frohnstättcn war ja selbst, als er noch den bunten Rock des Kaisers trug, öfters Manöver gast gewesen und wußte, wie wohl cs thut, nach des Tages Hitze und Beschwerden irgendwo gut aufgehoben zu feilt. Nun trat der Gutsbesitzer in das freundlich-elegante Speisezimmer, wo Marianne, seine Frau, eine Dame mit feinem Teint und nußbraunen Haaren, aus der alt eichenen, riesigen Crcdcnz kunstvoll geschliffene Gläser nahm, in denen die Sonne spielte. „Marianne, ich glaube, wir sind fertig", sagte Frohn stättcn mit Genugthuung und warf sich auf einen Sessel. „Nun kann der Herr Leutnant anrückcn. UebrigcnS wird er auch kaum lange auf sich warten lassen. Denn wir haben jetzt elf Mr, und spätestens um halb Zwölf soll die Truppe hier cintrcffcn, wie mir der Bürgermeister sagte." „Wir sind in der Küche auch fertig", erwiderte Frau Marianne. „Desto besser. Aber wo steckt denn Julie?" bemerkte fragend der Gutsbesitzer, uud seine Stritte zog sich in Falten. „Ich glaube gar, das Mädel weicht Einem aus, weil ich von der Liebelet nichts wissen will." „Aber, Ehrhard! Sic ist auf ihrem Zimmer und zieht sich um. Quäle doch das Kind nicht immer. Sic hat Rvbmann nun schon drei Monate nicht gesehen und einen Briefwechsel führen sie nicht. Es geschieht also doch Alles nach Deinem Willen." „. . . . Der hoffentlich auch der Deine ist! Denn einen Maler, von dem man annehmen kann, daß er, wie die meisten seiner Genossen, erst nach seinem Tode berühmt werden wird, halte ich nun einmal nicht für das Ideal eines Schwiegersohnes", erklärte bestimmt der Guts besitzer und schritt in dem Zimmer auf und ab, zeitweilig stehen bleibend und an den Fenstern trommelnd. „Ich bin sehr froh, daß wir Heuer Einquartierung bekommen. Sonst sah Julia Officiere ja ganz gern, bis sie in der Residenz diesen Nobmann kennen lernte. Ich denke, die Einquartierung wird sie auf andere Gedanken bringen. Vorgestern, als ich drüben in Arnsdorf mar, traf ich mit dem Oberst zusammen. Ein ganz charmanter Herr. Wir unterhielten uns famos. Ich habe ihm angedeutet, daß ich gern einen jungen, lustigen Osfictcr in meinem Hause hätte." „Aber, Ehrhard", wandte Frau Marianne vorwurfs voll ein. „Na, so direkt habe ich es dem Oberst natürlich nicht gesagt. Er verstand inich und meinte, er hätte bei seinem Regiment einen sehr netten Menschen, einen Mann, witzig, humorvoll und — hübsch. Na, crnmhne mich nur nicht schon wieder. Vielleicht . . ." In diesem Augenblicke erschollen Trompctensignale, bald darauf Pferdegctrappel, Helme und Säbel blitzten im Sonnenschein. Braune Soldatengesichter tauchten auf der Dorfstraße auf. Stramme l^cstalten, an denen man seine Freude haben konnte. Alles war denn auch auf den Beinen, und die jüngste Generation in kurzen Hosen und knielangen Röckchen lief mit glänzenden Augen neben den Cavalleristen her, die vor dem Gcmcindehause, wo die „Quartiermacher" sie erwarteten, Halt machten. Bald schwenkten sie in die ihnen zugcwiesenen Quartiere ab. Geführt von einem Cavalleristen, bog jetzt auf einem hochbeinigen Fuchs ein junger Officicr in den Weg zum Gutshofe des Herrn Ehrhard Frohnstättcn ein. Dieser erwartete den Gast an der Seite Marianne's an der Schwelle der Haipsthür. Frohnstätteu hatte den schwarzen Gehrock angelegt und weiße Handschuhe ungezogen. Lang sam kam der Ossicier herangeritten. Sein Auge musterte den Schmuck des Herrenhauses. Ein Lächeln der Genug- thunng ging über das hübsche, braune Antlitz, dem der schwarze Schnurrbart etwas Männlich-Sympathisches verlieh. Wie angewachsen saß er auf dem Pferde: die kleid same Uniform paßte ihm wie angegossen. „Ein prächtiger Mensch", flüsterte Ehrhard Frohn stättcn, der etwas kurzsichtig war, seiner Marianne zu, die ebenfalls mit regem Interesse den Officicr betrachtete, der nun in kurzem Trabe hcrankam sein Pferd zwei Schritte vor dem Thore parirte und im Nu auf dem weißen Kies boden stand. Die Hacken klirrten zusammen, die Rechte fuhr nach dem Helm. „Willkommen, herzlich willkommen", rief Frohnstättcn, welcher den Hut gezogen hatte, und reichte dem Leutnant die Hand. Auch Frau Marianne khat dies mit freund lichem Gruße. Der Ossicier verbeugte sich tief und küßte respektvoll der Dame die Halt'«. Als er den Kops mit dem lächelnden Gesicht erhob, starrte ihn Ehrhard Frohnstättcn mit merkwürdiger Nachdrücklichkeit an. Das Aiulitz des Gutsbesitzers wurde nm einen Ton bleicher, Bestürzung und Aerger und wer weiß noch Alles spiegelte sich auf dem selben. Denn eine unheimliche Ahnung überkam ihn, als er in dieses kleine, braune Gesicht mit dem schwarzen, auf gedrohten Schnurrbarte sah. Er batte den Maler Nob- mann zwar nur zwei Mal in der Residenz gesehen, und damals in einem saloppen und natürlich bürgerlichen Anzüge, aber .... Frohnstättcn warf einen Blick aus Marianne, und sie lächelte. Sie bemühte sich zwar, cs zu verbergen, aber um ihre Mundwinkel zuckte es ver- rätherisch. . ; . Es war also der Leutnant . . . Nobmann, der Maler! .... Fröhnstüttcu schwindelte: er hätte vor Scham und Acrgcr in die Erde sinken mögen! Und nun hatte er Julie noch anbefohlcu, das; sic au der Schwelle des SpcisezinnnerS den Gast nnllkommen heiße!... Ihn auch noch willkommen heißen! . . . Der Gutsbesitzer fühlte aber, das; er hier nicht länger mit seinem — er ahnte es — nichts weniger als geistreichen Gesichte stehen könne, und so würgte er denn die Worte heraus: „Bitte, Herr — Leutnant, treten Sie ein . . . ." Das ließ sich Leutnant Nobmann nicht zwei Mal sagen. Mit einer tiefen Verbeugung ergriff er den Arm der Dame des Hauses. Zerschmettert folgte Frohnstätteu. Er dachte gar nicht daran, zu verhindern, 'daß Julie den (hast be grüßte. Er dachte nur daran, daß dieser Mann, den er bisher ängstlich von seiner Tochter fern gehalten, nun vierzehn Tage unter seinem Dache als Gast wohnen werde! Er hatte sich gefreut auf diese zwei Wochen, so Vieles von ihnen erwartet, und nun? — Er überhörte den kleinen Schrei der Freude, der über des Gutsfräulcins Lippen floh, als es mit freudigem Schreck den Officicr er kannte. Was t-hun? Frohnstätteu floß kalter Schweif; von der Stirn. Für Abends batte er eine kleine Gesellschaft, darunter auch den Obersten, eingcladcn. — Absagen konnte er also nicht lassen. Im Speisezimmer füllte eben nach altem Brauche, wie er im Hause Frohnstättcn stctS gepflegt morden, Frau Marianne die blinkenden, feingeschlifscnen Gläser nnd sah nach dem Gatten aus. War das ein Lcidcnskelch, der seine Hand zittern machte, als er ihn hob nnd so ruhig, als cs ihm möglich mar, sagte: „Eiu Willkommen nach ehr würdigem Brauche dem Officiere Seiner Majestät in diesem Hause." Ein Schatten huschte über Nobmann's Gesicht,- er ver stand den dunklen Sinn der Worte. Schweigend trank er nach kurzem Dank. Dann zog er sich auf sein Zimmer zurück. Grollend, wie ein verwundeter Löwe, marschlrte det
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