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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 01.09.1902
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-09-01
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19020901020
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902090102
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902090102
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1902
- Monat1902-09
- Tag1902-09-01
- Monat1902-09
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Ueber diese Enttäuschung sucht nun die „Köln. Bolksztg." sich selbst und ihren Lesern dadurch hinwegzuhelfen, daß sie folgende Zuschrift abdruckt: „Das Zustandekommen solcher von Herrn v. LucanuS versüßten Danktelegramme wird scharf illustrirt durch einen Vor- gang, der sich bet Gelegenheit der in Bonn am 29. Juni ver anstalteten Papst-Jubelfeier zutrug. Bekanntlich hatte Herr Generaloberst v. Los dort di« vielerörterte Rede gehalten, al« Antwort auf di« Auslassungen der Presse über die ebensoviel besprochene Rede des Kaisers in Aachen. Bei dieser Gelegenheit wurde auch ein Huldigungstelegramm an den Kaiser gesandt, der sich damals in Kiel befand. Auf dieses Telegramm sandte der Kaiser persönlich ein langes, warm gehaltenes Dank telegramm an die Adresse deS Herrn Freiherru von Loe. Herr von Lucanus, der sich zu der Zeit in Berlin befand, hatte nun offenbar von dem Telegramm deS Kaisers keine Ahnung, denn Tag« darauf lief bet Herrn Freiherrn von Loe ein wei teres Telegramm aus Berlin ein des Inhalts, der Kaiser lasse huldvollst danken und am Schluffe wörtlich: „Aus aller höchsten Befehl v. Lucanus". Einig« Stunden später erhielt aber Freiherr v. Los ein zweites Telegramm von Herrn v. Lucanus, er (Freiherr v. Los) solle das von Herrn v. LucanuS abgesandte Telegramm „als nicht geschehen" betrachten. Herr v. Lucanus hatte offenbar in der Zwischenzeit Kenntniß davon erhalten, daß der Kaiser bereit- persönlich seinen Dank aus- gesprochen hatte." An diese Zuschrift knüpft daS klerikale Blatt die Frage: «vllt. Mrllriqn vlr A»tw»«e auf das HuwigungSlelegramm der Mannheimer Generalversammlung der Katholiken Deutschland» ebenfalls auf alleinige Rechnung des Herrn v. LucanuS kommen? Die Antwort auf diese Frage könnte sich freilich die „Köln. Bolksztg." selbst geben, da in Mannheim weder ein zweites Telegramm des Herrn v. Lucanus, noch eine eigene Depesche des Kaisers eingegaugen ist. Auf eine solche werden überhaupt die Häupter deS „Deutschen Katholiken tages" so lange warten müssen, bis GraS über den Beschlüssen dieses Tages gewachsen ist. Und gelingt es ihnen dann auch, bei einer besonders günstigen Gelegenheit durch eine besonders klug abgefaßte Ergebenheits-Kundgebung anS Ziel ihrer Wünsche zu gelangen, so werden sie darauf nicht allzuviel Gewickt legen dürfen. Der Kampf gegen das Centrum und feine Ansprüche wird deshalb vom deutschen Volke nicht anders geführt werden. Hat doch der „Katholikentag" dafür gesorgt, daß eine Milderung nicht eintreten kann. Nach den Berichten auch der klerikalen Presse lauteten die letzten Worte auf dem „Katholikentage", die Erzbischof vr. Noerber sprach, folgendermaßen: „Es giebt nur «ine einzige wahre, heilbringende Weltanschauung, da« ist die christlich-katholische. Ich ermahn« Sie, nicht einen reli giösen, auch nicht einen politischen KatholiciSmuS zu treiben, sondern den praktischen KatholicismuS, der in die Kirche führt, wenn eS läutet, und der gegebenenfalls auch mit dem Stimmzettel dafür sorgt, daß die christliche (d. h. katholische) Weltanschauung auch zum Siege gelangt". Wir verdenken eS einem gewöhnlichen Mitglied« irgend- welcher politischen Partei nicht einen einzigen Augenblick, wenn eS seine Partei-Angehörigen ermahnt, die Partei pflichten durch Ausübung des Wahlrechts zu ersüllcn. Aus dem Munde eines solch hohen geistlichen Würden trägers, wie deS Erzbischofs I)r. Nocrber, gewinnt aber obige Aufforderung eine ganz andere Bedeutung: sie ist nichts mehr und nichts weniger als das Placet für die nieder« katbolische Geistlichkeit, ihre Kräfte und ihren ganzen Einfluß in den Dienst der politischen Wahlkämpfe zu stellen. Zweifellos wird auch die Ermahnung deS Erzbischofs von der katholischen Geistlichkeit so aufgefaßt und praktisch auSgcführt werden. Wenn die CentrumSpresse in gleicher Weise wie die Organe der übrigen Parteien mit Fug und Reckt verlangt, das Beamtemhum solle sich jeder Wahlbeeinflussung enthalten, so müssen wir dasselbe auch von der katholischen Geistlichkeit fordern, die andere Pflichten zu erfülle» hat, als — um mit den eigenen Worten des Erzbischofs zu reden — „politischen KatholicismuS" zu treiben! Bet den bevorstehenden Reichslagswahlen darf man sich nach der Ausforderung des Herrn Erzbischofs Or. Noerber auf eine Thätigkeit der katholischen Geistlichkeit gefaßt machen, die wahrscheinlich alles in dieser Hinsicht früher Erlebte in den Schatten stellt. Und nach der Art des Angriffs richtet sich naturgemäß die Abwehr. Mag cs daher auch den Diplomaten deS Centrums gelingen, durch besonders schlaue diplomatische Künste ein ihren Wünschen entsprechendes Kaisertelegramm zu erschleichen: da daö Ccntrum sogar auf Rom nur hört, wenn es ihm in den Kram paßt, so wird es von den Gegnern Roms und seiner UnfehlbarkeitSansprüche doch nicht erwarten dürfen, daß sie wegen eines HöflichkeiisauStausches zwischen Kaiser und Ccntrumödiplomaten die Waffen vor einem an stürmenden Feinde strecken. ES ist ein Verdienst deS nationalliberalen Abgeordneten vr. Sattler, darauf bingewiesen zu haben, wie die Polen, wo sie sich in einer Machtstellung befinden, andere Völker stämme unterdrücken und vergewaltigen. Die den Ruthcncn in Galizien ausgenöthigten Kämpfe gegen das Polenthum müssen vnS Deutschen in unseren Ostmarken als lebendigste, eindringlichste Warnung dienen, in die frühere Lässigkeit zurückzusinkeu oder dem Polenthume solche Zugeständnisse zu machen, die ein Erstarken desselben befördern könnten. Die Rutheuen in Galizien sind jetzt durch ihre Erfahrungen mit den Polen gewitzigt und weisen die sogenannten Verständi gungsvorschläge der Polen von der Hand, da sie wohl wißen, daß ein solcher Ausgleich nur zu ihrer Unterdrückung durch die Polen führt. Das „Dilv", Organ der Nuthenen, giebt daher folgende Erklärung ab: „ES ist leicht begreiflich, Laß die polnische» Politiker und Führer es gern« sehen würden, wenn ihnen in der Unter drückung eines ganzen Volkes keine Hindernisse in den Weg gelegt werden: eS kau» aber von uns nicht gefordert werden, daß auch wir dies anerkennen. DaS wird auch der Staat nicht thun, dessen Interesse, wie auch unseres Volke« Interesse, ungleich wichtiger ist al» daS Interesse der Clique, die in Ostgalizicn überhandgenommen hat. Wenn die polnischen Blätter bemerken, daß die polnischen Politiker die ruthrnisch« Frage selbst lösen und mit Len Nuthenen sich schon selbst Rath wisse» werden, so müssen wir darauf antworten, daß unsere Rechnungen mit den Pole» schon geschlossen sind. Tie polnischen Politiker mögen sich den Ge- danken au« dem Kopfe schlagen, als wollten wir j« mit ihnen an die Lösung unserer inneren Angelegenheiten schreite». Die Zeit der Versicherungen brüderlicher Liebe und des mit ihnen Hand in Hand gehenden, immer stärkeren Druckes ist vorüber. Durch neue Ver sprechungen lassen wir uns nicht bethören. Einer Perfidie schaut eS ähnlich, wenn die polnischen Führer betonen, sie würden sich mit uns schon Rath wissen. Wie, das zeigen gar zu gut die letzten Ereignisse. Auch darüber mögen sich die Herren Polen nicht täuschen, daß unter den Nuthenen sich Niemand finden dürste, der ihnen die Hand zum Ausgleiche bieten würde. Heute sieht das ganze ruthenische Volk in einer Kampflinie, und wenn es irgend ein Ruthen«, ohne Unterschied der Partei, wagen sollte, zu desertiren, so möge» di« Herren Polen wissen, daß einen solchen Nuthenen die Wogen der nationalen Entrüstung und des nationalen Proteste« Hinwegfegen würden. Die Intervention der Centralregierung verstehen wir so, daß wir nicht bloS wollen, sondern es geradezu ansireben, daß der Staat in Galizien Ordnung mache. Ob dies mit Wißen und unter Mitwirkung der polnischen Repräsen tanten geschieht oder nicht, ist sür uns ganz irrelevant. Was wir ansireben, ist die Begleichung unserer Rechnungen mit dem Staate, der bisher seinen Pflichten gegenüber den Nuthenen nicht gerecht geworden ist. Wenn die polnischen Politiker aus friedlichem Wege bei Intervention der Negierung im Lande Ordnung machen wollen, wohlan, eS sei. Wollen sie eS nicht, so werden wir von unserem Kampfe nicht ablassen, so lange der Staat in dieser oder jener Weise seine Pflicht nicht erfüllt und uns aus dem Joche in unserem Lande nicht befreien wird." Von polnischer Seite wurde dem Abg. vr. Sattler unter den leidenschaftlichsten persönlichen Ausfällen und An griffen das Recht bestritten, von Unterdrückungsgelüsten der Polen gegenüber den Nuthenen zu reden, und ihm die Be hauptung entgegen gebalten, die Polen seien lediglich bestrebt, brüderlich auf dem Fuße der Gleichberechtigung mit dem ruthenischen Volksstamm in Galizien zu leben. Die obigen Ausführungen des „Dilo" beweisen aber aufs Deutlichste, daß vr. Sattler in der Cbarakterisirung deS brutalen Vor gehens der Polen gegen die Ruthencn kein Wort zu viel gesagt hatte. Bezeichnend für den Umschwung, der sich in der Stimmung des englischen Volkes gegen die drei Boerengenerale Botha, De Wet und Delarey bemerkbar zu machen beginnt, ist die Behauptung eines Londoner Blattes, De Wet babe einen gefangenen britischen Osficier aus- peitschen lassen. Die Nachricht ist von anderen englischen Zeitungen schon im Verlaufe des Krieges verbreitet worden und wird jetzt nur aufgewärmt. AuS London wird dem „Hamburger Corresp." berichtet, der Grund des Umschwunges in der Stimmung sei nicht so sehr darin zu suchen, daß sich daS englische Volk etwa auf sich selbst besinnt und deshalb sich wieder der Vorgänge — ob wahr oder erfunden — erinnert, die man so sehr schnell vergessen zu haben schien, sondern darin, daß die dreiGenerale, auf die man so große Hoffnungen gesetzt hat und noch setzt, so wenig thun, um das Ver trauen ihrer neuen Mitbürger zu rechtfertigen. DaS osficielle Dementi in den holländischen Zeitungen, betreffend den an geblichen Bruch mit dem Präsidenten Krüger, berührt hier sehr unangenehm, und die geplante Reise nach Zürich dürfte auch das grade Gegentheil von dem sein, was man in London wünschte und hoffte. Man hat, so lange die Boeren- sührer auf dem Continenl weilen, das Gefühl, als säße man auf einem Pulverfaß, und daß irgend ein unvorsichtiges Wort eines der dreiGenerale die übermäßige Begeisterung für die Boeren und die ebenso starke Abneigung gegen die Engländer wieder zum Ausbruch bringen köunte. „Wir können uns des Gedankens nicht entschlagen," sagt der „Standard", „daß die drei Boerengenerale klüger Hundelten, wenn sie die Discussiouen und Verhandlungen mit Personen aufgäben, die dem von den Boeren angenommenen Regime nicht günstig ge stimmt sind. Loyale britische Unterthanen sollten nichts mit der Scheingesandtschaft eines nicht mehr existirende» Staates zu thun haben. Wenn die Boerensührer wünschen, einen wohlthätigen Ein- fluß aus die politische und wirthschastliche Reconstruction Südafrikas auSzuüben, so können sie das nur durch geschlossenes Zusammen arbeiten mit der Regierung thun. Ihr Rath wird willkommen sein, und es wird allgemein erwünscht sein, wenn eine Gelegenheit gefunden wird, ihre Talente in der Verwaltung des Landes nutzbar zu machen. Aber sie haben selbstverständlich kein Recht, mit der Regierung als formelle Delegirte einer Nationalität zu verhandeln, die keiue gesonderte Existenz mehr führt." Da sieht man, daß, wie wir unlängst schon hervorhobcn, die Begeisterung Englands bei der Ankunft der Boeren generale in London nur den, wie man annahm, zu Kreuze kriechenden Vertretern der Boerenasrikander gegolten hak. Jetzt, wo sich zeigt, daß diese ihre Nationalität nicht Preis geben wollen, ist der Spiritus der Begeisterung auf einmal zum Teufel! Von dem Bündnis; mit England verspricht man sich naturgemäß in Japan nicht nur werthvolle Wirkungen in politischer Beziehung, sondern auch eine Erweiterung des Handelsverkehrs zwischen den beiden Staaten. Die Geneigtheit dazu ist von japanischer Seite, insbesondere seit der Herstellung deS engeren Verhältnisses, wiederholt kundgegeben worden. Man betont jedoch, daß von Englands Handel und In dustrie eine energische Initiative auSgehen müsse» wenn die Allianz auch auf diesem Gebiete Früchte tragen soll. Die statistischen Nachweise über Japans Handel während der letzten zehn Jahre sprechen eine eindringlich warnende Sprache. Die größte Gefahr droht den Engländern von den Stammverwandten jenseits deS Atlantischen OccanS. 1890 betrug der Werth des Handelsverkehrs mit Japan sür Eng land 5,2 Millionen Pfund, für die Vereinigten Staaten 4,3 Millionen. Schon 1897 stellt sich daS Verhältniß: Ge- sammthandel Englands 7,3 Millionen, Gesammthaudel der Vereinigten Staaten 8,1 Millionen. Im vorigen Jahre endlich ergab sich sür England als Gesammtwerth 6,2 Millionen, sür die Vereinigten Staaten aber nicht weniger als 11,5 Mil lionen. Die Einfuhr Englands nach Japan übersteigt aller dings diejenige der Vereinigten Staaten noch immer, aber die Einfuhr von Japan nach den Vereinigten Staaten ist siebenmal so groß, wie die nach England. Wenn man dabei die Vermehrung der Bevölkerung Japans in Betracht zieht und seinen Fortschritt in industrieller und commcrcieller Be ziehung, so ist nicht zu leugnen, daß England stark überholt erscheint. Zieht man den Gesammthaudel Japans mit zum Vergleich heran, so tritt ein noch bemerkenSwertheres Er- gebniß zu Tage. 1895 betrug der Handel Japans 37,8 Millionen, davon entfielen auf England etwas über 5 Millionen, auf die Vereinigten Staaten etwas über Feuilleton. Der Liebeshandel. Roman von Rudolf Hirschbcrg-Jura. Nachdruck verboten. Erstes Capitel. Eben betrat in dem höflich bescheidenen Geleit eines be rückten Vorstandsmitgliedes Fräulein Käthe Wendelin daS Podium, und lauter Beifall begrüßte den „erklärten Lieb- lUg des Publikums". "je war so schön, daß mehrere Damen sie rückhaltlos eine ^cht hübsche Person nannten. Ja, sämmtliche Groß- mütte. lächelten gütig und fanden es ganz in der Ordnung, daß all jungen Herren cinmüthig und vernehmlich „Ah" gesagt h>tten und jetzt, ohne den Mund wieder völlig zu schließen, den ungcistreichen Ausdruck seliger Anbetung über ihre ^sichter breiteten. Die alte, Herren auch. Sie zückten die Operngläser und gcberdet^ sich glücklich. Das Wohehätigkeitsconcert, das -er Verein vom Rothen Kreuz z«», Besten der verwundeten Boeren abhielt, sand vor ausve-kauftcm Saale statt. Die meisten Zuhörer waren aus Begeisterung für den guten Zweck erschauen und freuten sich nun ihrer mit- leidigen Gesinnung. Manche ergötzten sich auch ganz harmlos an den Dar bietungen der Künstler. Einige aber iva«cn zu dem Wohlthätigkeitsconcert weder um der Wohltätigkeit noch um des Concertcs willen gekommen, sondern an» Nächstenliebe im wörtlichsten Sinn. Denn in nächster Nähe Zeigten sich heute die Künstlerinnen des Stadttheatcrs. Zu dicken Anhängern der Nächstenliebe gehörte auch der Gerichisaffeffor vr. Ernst Simrock, und auf seinem Stuhle in der cv»en Reihe saß er mit vieler Frcüde. Ihn freute die schöne Gegenwart, und ihn bewegten noch angenehmere Hoffnungen. Käthe Wendelin sprach mit inniger Stimme ein Heisse- schcs Gedicht und dann eins von Baumbach. ES klang ent zückend, wie Alles, was von ihren Lippen kam. Ob sic auf der Buhne Lhakcspcare'schc Verse redete oder Blumenthal, schc Plaudcrwitze, immer bereitete cs ihr dasselbe Bcr- gnügen, und immer war cS scelenvoll anzuhören und wohllautend. Auch heute bannte sie jedes Ohr und jedes Auge. Die anmuthige Gestalt umschloß ein Princeßklctd von matter gelblicher Seide, das nur am Saum mit einem lila Votant besetzt war: um den fein geformten Hals war ein lila Seidenband geschlungen. In den lässig zusammcngelcgtcn Händen hielt sie einen großen Flicdcrstrautz, dessen üppige Blüthcntrauben sich weich an die glatte Fläche des KleidcS schmiegten und mit kräftigem Leuchten davon abhoben, ein thcurer Frühlingsgruß im kalten Februar! Sic hatte geendet. Die Wogen des Beifalls schlugen über ihr zusammen, und als sie jetzt den braunlockigcn Kopf mit dem fast noch kindlichen Antlitz neigte und einen grüßenden Blick des Dankes über die klatschenden Zu- Hörer gleiten ließ, meinte der Assessor ihre dunklen Augen eine Sccunde lang aus sich allein haften zu fühlen, und be friedigt strich seine Hand das schwarze Bärtchen, als wische er ein Lächeln darunter hinweg. Die folgenden Nummern des ConcerteS ließ er gleich- giltig vvrübcrgchen. Nicht einmal die heiteren Lieder der Frau Sarden-Homanu hatten einen Reiz für ihn. Er sehnte nur noch daS Ende des Conccrts herbei; denn auf dem Zettel war nachher ein gemttthlichcs Beisammensein in Aussicht gestellt, und vr. Ernst Simrock hoffte, sich dieses Beisammensein so gcmüthlich zu machen, als es der Brauch der guten Gesellschaft nur irgend zulicß. Endlich waren die rauschenden Klänge des letzten Orchcsterstückcs verhallt. Er vermied es mit Geschick, den Augen seines Bruders und seiner Schwester zu begegnen, die, ohne ihn zu bemerken, den Saal verließen, und als sich das Durcheinander des aufstehenden und nach den Ansgängcn strebenden PnblicumS etwas gelichtet hatte, gelang eS ihm, sich Fräulein Wendelin zu nähern und ihr mit einer eleganten Vcrbcugnng seine Anerkennung aus- zusprechcn. Die Augen der Schauspielerin ruhten mit Wohlgefallen auf der tadellosen Erscheinung des wohlgeklcideten Ea- valters. Gern nahm sie seinen Arm und ließ sich zu der sür die Künstler bereit gestellten Tafel führen, wo sie von Herrn und Frau Homann bereits erwartet wurde. Ernst Simrock begrüßte in Herrn Homann einen mehrere Jahre jüngeren Universitätssreund, der mit ihm derselben Verbindung angehört, das Studium aber alsbald aufgcgcben hatte und jetzt als Dekorationsmaler am Stadt- theater angestcllt war. Selbstverständlich hatte der vor. nehme Assessor seither keinen Verkehr mehr mit ihm ge pflogen. Aber Frau Lotte, sein junges Weibchen, war bis vor Kurzem Käthe Wendeltn's Collcgin gewesen und innig mit ihr befreundet, und jetzt zeigte sich der liebenswürdige Doctor sehr erfreut, den alten Freund so nett verheirathet wieder zu sehen, und sagte vor Allem Frau Lotten einiges Angenehme über ihre wunderbare Stimme und ihre ent zückenden Lieder. Dann bestellte er zur Feier des Wiedersehens mit seinem lieben alten Homann einige Flaschen mit silbernen Köpfen und bat um die Erlaubnis?, ein kleines Frcudcnmahl zu veranstalten. Das junge Ehepaar gab sich seiner hin reißenden Liebenswürdigkeit mit gutmüthigem Lächeln ge fangen, und Fräulein Wendelin durfte sich natürlich nicht ausschließcn. Ihr Nachbar behandelte sie mit ehrerbietiger Höflichkeit und Zurückhaltung. Aber seine flüchtig aufblitzenden Augen sagten ihr deutlich, daß nur sie selbst der eigentliche Anlaß seiner Keststimmung war. Dankbar empfand sie sein Zartgefühl und seine Gewandtheit, die Wahrheit mit einem Vorwande zu bedecken. Diese verhohlene Huldigung beseligte ihr Mädchenhcrz. Die offenkundige Königin eines Ehampagncrgelagcs zu sein, wäre ihr peinlich ge wesen. Doch trank sie gern aus den hohen Kelchgläsern und hatte an dem süßen perlenden Wein fast noch die lebhafte Freude eines naschenden Kindes. Sie setzte das zum -weiten Mal geleerte Glas auf den Tisch, lehnte sich aufathmend zurück und versuchte, seine kurzen heißen Blicke mit einem freundlichen Lächeln zu er widern. Aber verwirrt schlug sie die Augen sogleich wieder nieder und tauchte ihr Gesicht in den großen Strauß, als röche sie an den duftlosen TreibhauSblüthen. „Ich bin Ihren Liebenswürdigkeiten gegenüber recht vergeßlich, Herr Doctor", sagte sic leise; „noch nicht einmal bedankt habe ich mich! Und Sie haben mir solche Freude mit dem prachtvollen Flieder gemacht." „O bitte, mein gnädiges Fräulein", versetzte Simrock bereits etwas keckeren Tones, „war ja nur meine Schuldig, kett, nachdem Sic mir gleich bei unserer ersten Bekannt- schäft neulich die Farbe Ihrer heutigen Toilette vcrraiheu hatten. Ich bin glücklich, wenn meine bescheidenen Blumen sich dem angenehmen Bilde Ihrer holden Erscheinung ge- fällig einfügten. Gnädiges Fräulein sahen wirklich chic aus. Sie standen da auf dem Podium wie eine Illustration zu den Dichtungen, die Sie vortrugen. Sozusagen die Poesien der Dichter in» Prachteinband. Und gesprochen haben Sie vorzüglich, einfach tadellos!" Käthe fühlte sich zwar durch seine Ausdrucksweise be fremdet, aber der warme, überzeugte Ton seiner Worte that ihr wohl, und herzlich entgegnete sie: „Ich freue mich, wenn meine Leistung Ihnen ge fallen hat." vr. Simrock vergewisserte sich mit einem Blick, daß das Homann'sche Ehepaar augenblicklich in glücklicher Unauf merksamkeit mit sich selbst beschäftigt war nnd sich sehr jung verheirathet betrug. Auch sonst beobachtete sie Niemand, und schmeichelnd fuhr er fort: „Mein gnädiges Fräulein, es mar nicht nur Ihre Leistung, die mir so gut gefallen hat, sondern vor Allem, einer Schauspielerin, überhaupt einer Künstlerin gegenüber ist ein solches Wort ja wohl keine Zudringlich keit vor Allem Sie selbst haben mir so sehr gut ge ¬ fallen, daß ich kaum den Muth finde, Ihnen zu sage», wie sehr." Fräulein Wendelin erröthcte. Das ermuthigte ihn, und fröhlich setzte er seine nicht sehr inhaltrciche, aber an genehme Redeweise fort. Sie empfand etwas Neues, das sie befangen machte, und ihm war solch reizende Besangen, hcit einer Dame nicht minder neu und stimmte ihn um so unbefangener. Sic plauderte lieblich, er plauderte keck, und beide fühlten sich glücklich. Als dann bet dem unvermeidlichen Tänzchen des ge- mitthlichcn Beisammenseins Herr Homann ausschließlich mit seiner Frau tanzte, hätte Ernst dieses Tnrtcltaubcn- bcispicl gern mit seiner schönen Nachbarin nachgcahmt. Aber Käthe Wendelin war doch zu allgemein bekannt und beliebt, als daß sic sich der Fülle der sie nmschmärmcnden Tänzer hätte erwehren können. Der schmachtende Assessor sah sich daher auf sehr knappe halbe Rationen gesetzt. Zwar vcrrieth er als Weltmann mit keinem Wimpcrzuckcn seine eifersüchtigen Wallungen, wenn sic von seiner Seite weg immer von Neuem in den tollen Wirbel des Walzers lssncin- gcrissen wurde, aber er athmeic doch erleichtert ans, als «ach ein Uhr die Tanzmusik ansliören mußte, nnd trachtete sofort danach, die vorhin begründete trauliche Ehainpagner- cckc zn erneuern. Käthe Wendelin leistete keinen ernstlichen Widerstand. Aber außer dem halb todt getanzten Homann scheu Ehe paar fanden sich auch von den übrigen Künstlern des Abends einige an der feuchten Tafelrunde zusammen, so
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