02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 03.09.1902
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-09-03
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
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- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19020903023
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- LDP: Zeitungen
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1902
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Wenn diese Auffassung zuträfe, so thäte man — meint die „Köln. Volksztg." — am besten, den verlängerten Dreibund vertrag zu cassiren und einen russisch-deutsch-italienischcn Drei bund zu begründen; Rußland stände dann, fügt die „Köln. Volksztg." hinzu, an der Spitze von zwei Bündnissen, dcö Zweibundes und des Dreibundes. Mit solchen Witzen glaubt das führende CentrumSorgan sich über eine Auffassung äußern zu dürfen, deren Richtigkeit ohne jeden Zweifel für Deutschlands auswärtige Politik lediglich vom größten Vortheil sein könnte. Aber der Gedanke daran, daß in einem Hauptpunkte der auswärtigen Politik vollkommen in das vom Centrum seiner Zeit verpönte Fahrwasser des Fürsten Bis marck zurückgelenkt worden sei, raubt unseren Klerikalen auch heute noch die Möglichkeit, unbefangen zu prüfen und zu urtbeilen. Von geringerer Bedeutung, in seiner Art jedoch nicht weniger charakteristisch, ist die Art, wie dasselbe Centrumsblatt die Huldigung des Mannheimer Katholikentages vor einem der giftigsten Träger des Deutschenhasses, dem Tsche ch en tb nm e, bemäntelt. Zur Abschwächung des gedachten» über alle Maßen würdelosen Schrittes beruft sich die „Kölnische Voiks- Ztg." darauf, daß der zum Protestantismus nbergetretenc Franzose Bourrier in Deutschland in protestantischen Ver sammlungen aufgetreten ist: die Franzosen seien doch ge fährlichere Feinde als die Tschechen. Bei dieser Beweis führung ist ergötzlicherweise ganz übersehen, daß der Franzose Bourrier zu uns gekommen ist nnd daß nicht die geringste Veranlassung vorliegt, einen Ausländer, der im eigentlichen und im übertragenen Sinne des Wortes uns entgegen kommt, abzuweisen. Für den Mannheimer Katho likentag lag die Sache vollkommen anders; er war es, der sich an die Tschechen heranmachte, unbekümmert darum, daß das tschechische Convcntikel als eine ihrer Natur nach ungleich bedeutungslosere Veranstaltung als der deutsche Katholikentag zum allermindesten die Initiative bei Aus tausch von Begrüßungen mit dem Katholikentage hätte er greifen müssen. Dergleichen wäre den Herren Tschechen selbstverständlich nicht im Traume eingefallen. Weil aber das Parteiinteresse des Centrums es angezeigt erscheinen ließ, mit einer Huldigung des Katholikentages vor dem katho lischen Slawenthum an die Öffentlichkeit zu treten, darum warf sich die Generalversammlung der Katholiken Deutsch lands dem deutschfeindlichen Tschechenthum an den Hals. Einem Hilferufe aus Tcntsch-Ostafrika öffnet der „Hamb. Corr." seine Spalten. Der Ruf kommt von einem seit Jahren kort ansässigen Deutschen, er ist erpreßt Lurch den die Weiter führung des Eiscnbabnbaues von Tanga zunächst bis Mombo ablehnenden Beschluß des Reichstages und lautet folgendermaßen: „Wie bin ich denn eigentlich dazu gekommen, hier die besten Jahre meines Lebens bei aufreibender Thätigkeit in stillem Harren auf Besserung, auf die Einsicht unserer einheimischen Politiker zu verlieren? Als Deutschland den gewaltigen Krieg siegreich zu Ende ge- sührt hatte und es dem deutschen Unternehmungsgeist in den hei- mischen Grenzen zu enge ward, erwarben wir Dank dem Unter- nehmungsgeist hanseatischer Kaufleute und der Staatsweisheit eines Bismarck unsere Colonien, und es waren nicht die schlechtesten seiner Söhne, die der Heimath mit all ihren Vorzügen und Annehmlichkeiten Valet sagten und hinansgingen in dem stolzen Bewußtsein, an der Ent wickelung eines großen nationalen Unternehmens theilnehiuen zu dürfen. Sie wollten sich eine Existenz gründen und wußten, daß ihrer harte Arbeit und Entbehrungen aller Art harrten. Chancen für Las Fortkommen im Vaterland, wie sie mir meines Vaters Geschäft bot, ließ ich fahren, durch drungen von dem Vertrauen, daß der erwachte Colonial gedanke keine Eintagsbegeisterung sei, sondern Rückhalt in der uns Deutschen sonst eigenen Ausdauer nnd Energie finden würde, getragen von der Ueberzeugung, daß wir Deutsche auch im Auslande ganze Arbeit machen würden. Mit Lieser Ucüerzengnng ging ich ans Werk, gründete mein Geschäft, investirte mein eigenes und fremdes Capital, vergrößerte und verbesserte meine Einrichtungen, verdoppelte meinen Fleiß, meine Sparsamkeit nnd murrte nicht, als der erhoffte Erfolg auf sich warten ließ; ich vertröstete mich eben, wie so viele meiner Landsleute, aus bessere Zeiten, auf die endliche Unterstützung meines Unternehmungsgeistes durch das Mutterland; aber wenn ich heute, nach jahrelangem, geduldigem Warten sehe, wie man gar kein Ohr für das Allcrnothwendigste hat, die Colonie zurück anstatt vorwärts gehen läßt, so muß ich ge stehen, ich bereue den Schritt, den ich gethan habe, ich suhle mich in meinen Hoffnungen gründlich getäuscht. Anstatt mit weitem Blick, mit dem man an ein großes Unternehmen Herangehen soll, genügend Capital zu bewilligen, giebt man widerstrebend kleine Mittel her, von Lenen man in der Heimath verlangt, Laß damit etn Riesen land aufgeschlossen und gewinnbringend gemacht werde. Mit dem, was geschehen ist, ist so gut wie nichts geschehen! Will man aus unseren Colonien das machen, was die Engländer und Holländer aus den ihrigen gemacht haben: große Ein nahmequellen, so müssen wir zunächst auch die Capitalien daran wenden, die uusereCon currenten au sgewandt haben; mit solchen Mitteln könnten wirdieBerkchrswege schassen, die LcnWaarcn- transport in Las Inland und Len der Producte an dis Küste ver billigen und in den meisten Fällen erst ermöglichen; nur so kann bewiesen werden, Laß das Riesenland uns nicht blos Schätze ver spricht, sondern auch thatsächlich zu liefern im Stande ist Bleibt man weiter auf halbem Wege stehen, so gehen wir sicher schlimmen Zeiten entgegen; schon entzieht uns das britische Mombassa mit der Uganda-Bahn alle diejenigen Umsätze, die uns zngefallen wären, hätten wir für unsere Colonie das Gleiche gethan, was die Engländer gethan haben, und schon müssen wir unS sagen, lange kann es nicht mehr währen, bis unser Capital ausgczehrt sein wird und wir schwer enttäuscht und mit leeren Taschen entweder nach Deutschland zurückkehren oder in die Colonien einer fremden Nation wandern, wo uns eine Znkunft in Aussicht gestellt wird." Hoffentlich lassen sich unsere Neichsboten diesen Nothschrei in der bevorstehenden Session zu Herzen dringen, wenn eS sich um das Schicksal der Eisenbahn Dar-es-Salaam- Mrogoro handelt. Die Bewilligung oder Nichtbewilligung dieser Bahn, die bekanntlich vom Privatcapital gebaut wird, vom Reiche lediglich zinslich garantirt werden soll, wird gleichbedeutend sein mit der Beantwortung der Frage: Haben wir unsere Colonien erworben, um sie zum theuren Sport zu haben und uns von anderen Nationen beschämen zu lassen, oder wollen wir sie so ent wickeln, das; sie auf eigenen Füßen stehen und zur Größe, Macht und Ansehen unseres deutschen Vaterlandes beitragen können? Bis jetzt hat Deutschland von der Erwerbung und Entwickelung Deulsch-Ostafrikaö noch keinen Vortheil für sich gesehen, Wohl aber fällt ein solcher für die Engländer ab, da ein großer Theil des Handels durch den Bau der Uganda-Bahn in ihre Hände übergeht. ES ist jetzt eine unserer wichtigsten Pflichten, die Flüchte unserer langen Colonialarbeit uns und unfern Nachkommen zu sichern; verkennt der Reichstag diese Pflicht, so wird man auf ihn vas Urtheil eincö bekannten Colonialpolitikers an wenden müssen: „Colonien zum Besten fremder Nationalitäten zu entwickeln, ist von jeher ebenso eine politische Dummheit gewesen, wie cs heute für unö Deutsche ein nationaler Frevel sein würde". Fast in noch höherem Grade wie die bevorstehenden Lands- thinaswahlen in Täncmark, bei denen die Regierungspartei, die Linke, auch in der ersten Kammer die Mehrheit zu er langen hofft, beanspruchen die Arbeiten der Berthe!» d ignngs - Commission das Interesse. Das dänische Kciegsbudget war in den letzten Jahrzehnten so außer ordentlich beschnitten, daß Dänemark in Bezug auf Stärkung seiner Wehrkraft weit hinter Schweden nnd Norwegen — bei denen allerdings die unions politischen Reibungen zu Rüstungen anspornten — zurück blieb. Schuld daran ist, so wird der „Voss. Ztg." aus Kopenhagen geschrieben, der langjährige Conseilspräsident Estrnp, der sich die Aufgabe gestellt hatte, Kopenhagen mit Befestigungen zu umgeben, was ihm auch trotz des Wider standes des FolkelhingS mit Hilfe „provisorischer" Finanz gesetze und gestützt auf das gefügige Landsthing, gelang. ÄlS Estrnp im Jahre 1891, der Noth gehorchend, nach zwanzigjähriger Wirksamkeit zurücktrat, standen zwar die Kopenhagener Befestigungen, die mit den in den provi sorischen Budgets enthaltenen nothwendigen Mitteln gebaut waren, fertig, aber das dänische Heer selbst war vernach lässigt, und so hat nun das heutige Dänemark eine Festung Kopenhagen, deren Werth sehr umstritten ist, jedoch im klebrigen eine Landesvertheidigung, die den jetzigen Ver hältnissen nicht entspricht. Es war denn auch eine der ersten Aufgaben des Linkenministeriums Deuntzer, sich des Militärwesenö anzunehmen, und auf ihren Antrag wurde eine auS zahlreichen Mitgliedern bestehende und je zur Hälfte aus dem Landsthing und dem Folkething entnommene Commission niedergesetzt, die einen voll ständigen Plan über die Neuregelung des Vertheidizungs- wesens ansarbeitcu soll. Um aber schon vorher eine der allerwichtigsten Waffen jeder Armee, die Artillerie schnell in zeitgemäßer Weise zu erneuern, bewilligte der letzte Reichs tag gegen sechs Millionen Mark für Schnellfeuerfcld- geschütze. Die Geschützlieferungen werden, wie verlautet, ter Firma Krupp in Essen übertragen werden. Während somit in der Artilleriefrage eine schnelle Entscheidung fiel, dürfte im klebrigen die Durchführung eines wirksamen Ber- theidigungsplanes die größten Schwierigkeiten bieten, da ein großer Theil der Vertheidigungscommission, die das liberale FolkethingSmitglied Trier zum Vorsitzenden bat, auS ziemlich militärfeindlichen Abgeordneten bestehl. Die Entscheidung über die von der Commission vorzu bereitenden Vorschläge liegt zwar beim Reichstag, aber in der das Folkething beherrschenden Linkenreformpartei ist das Ver- hältniß dasselbe. Viele Mitglieder der Commission wünschen höchstens nur eine ganz geringe Truppenstärke, um die Neu tralität Dänemarls zu „constatiren", und diese Anschauungen dürsten in den radikalen und socialdemokratischen Kreisen des Folkethings überwiegen. Ein Theil der Linken steht sogar auf dem Standpunct, daß die Festung Kopen hagen nur unheilvoll für daS Land sei und wieder be seitigt werden müsse. Bezeichnend ist auch, daß die Ver theidigungscommission ausschließlich aus Reichstagsabgeord- netcn besteht, die nicht dem Heere angehören. Kein einziger Officier befindet sich darunter. Dagegen hat die Regierung einige höhere Osficiere zur Verfügung gestellt, um fach männische Auskünfte geben zu können, aber stimmberechtigt sind diese Ossiciere nicht. So wird die BertheidigungSfrage in Dänemark lediglich durch die Volksvertretung selbst ent schieden werden. Ueber die kriegerische Stimmung -er Mohamedaner in Makedonien schreibt man uns auS Konstantinopel, 3l. August: Nachdem von bulgarischer Seite so lange mit dem Gedanken eines Krieges gegen die Türkei gespielt worden ist, muß man jetzt mit der entgegengesetzten Strömung rechnen. Nach den Berichten einwandfreier Europäer, welche nicht in Verdacht stehen, zu übertreiben, ist die Stimmung unter der mohamedanischen Bevölkerung in ganz Makedonien eine derartige geworden, daß dieselbe ein sofortiges Losschlagen gegen Bulgarien verlangt. Trotz der Abmahnungen der Bot-> schaftcr sind doch dieNizzams in vielenBezirken zu Waffenübungen einberufen worden, und überall ist es deren erste Sorge, Ergeben- beitStelegramme an den Sultan zu richten, der Großherr möge endlich die unhaltbar gewordene Lage beseitigen. Die Alba nesen deö nördlichen Makedoniens gingen natürlich gleich einen Schritt weiter und verlangten 50 000 neue Gewehre, um „für den Sultan ihr Leben opfern zu dürfen." Im Jildiz- palast gewinnt auch die Militärpartei immer mehr an Einfluß; dieselbe bat auch ein sehr wirksames Mittel, um auf den Sulian Eindruck zu machen. Sie weist daraus hin, daß die jungtürkische Bewegung, die Abdul Hamid so viele Sorgen macht, nur dadurch überwunden werden könne, daß sich das türkische Reich wieder in seiner echten Größe und Machtentfaltung zeige und vor Allem den fortwährenden Herausforderungen der kleinen Balkanstaaten ein Ziel setze. Durch diesen Hinweis hat man die Zustimmung des Sultans zu den bedeuten den Truppen ansammlungen und besonders zu der Zusammenziehung von etwa 45 Batterien Ge ich ütze n längs der makedonischen Grenze erlangt. Nach Ansicht des türkischen Generalstabes würde bei dem Ausbruch eines Krieges mit Bulgarien die türkische Armee in längstens sechs Wochen Sofia und die ganze Balkanlinie besetzt haben, so daß eine russische Armee, wenn sie auf dem Kriegsschauplatz erscheine, erst ganz Bulgarien wieder erobern müsse. — Auf jeden Fall muß man von jetzt ab, hinsichtlich der Erhaltung deö Friedens am Balkan mit dem Einfluß der türkischen Kricgöpartei ebenso sehr rechnen, wie mit den Umtrieben des bulgarisch-makedonischen ComitöeS. Feuilleton. Der LiebeshandeL. Roman von Rudolf Hirschberg-Jura. Nachdruck verboten. „Du hast uns aber bis jetzt nie von ihm erzählt." „Ich habe ihn auch nur ganz zufällig gestern Abend im Eoncert wiedcrgcschcn." „Im Eoncert warst Tu? Sag' mal, kleiner Ernst, hat der wiedergesundenc Freund eine Schwester, Schwägerin, Base oder dergleichen?" „Nein, nein!" entgegnete Ernst ärgerlich. „Nnr eine Frau. Tu keimst sie ja! Die Sarden! Na, ich hoffe, Du denkst nicht. . ." „O bewahre", lächelte die Schwester. „Ich wundere mich nur, daß Du so plötzlich Eoncerte besuchst, nachdem Du es neulich noch so entschieden ablehntest, mit uns in diese „langweilige Gcränschmacherci" zu gehend Robert hatte den Geschwistern schmunzelnd zugchört, schenkte die Gläser wieder voll und sagte in scheinbar streng verweisendem Tone: „Es ist unrecht von Dir, Mila, eines bußfertigen Sünders zu spotten. Wenn Ernst sich endlich zu den Freunden der Musik bekehrt hat, so ist das sehr lvbens- wcrth, und wenn der wiedergesundenc Freund auch weiterhin Einfluß auf Ernst's künstlerische Bedürfnisse hat, so begleitet er uns vielleicht in Zukunft auch öfter ins Theater. Nicht wahr, Ernst?" „Ich begreife gar nicht", erwiderte dieser gereizt, „mit welchem Rechte Ihr plötzlich so genaue Rechenschaft über die Verwendung meiner freien Zeit fordert." „Wir verlangen ja gar keine Rechenschaft", antwortete Robert freundlich und ließ sein Glas an dem des Bruders erklingen. „Wir wünschen Dir nur Glück! Prost, mein Junge, »nd viel Vergnügen heute Nachmittag!" Dann ging er in sein Zimmer, warf einen wch- müthigcn Blick ans das Schachbrett nnd dachte an einen neuartigen Springerangriff, den er nun leider erst nächsten Sonntag Prokuren konnte. Ernst stand wieder einmal etwas verletzt vom Mittags tisch auf und freute sich um so mehr auf die frohen Stunden bei Homanns, wo ihn kein Spott, sondern nur Liebe und unbedingte Hingabe erwarteten. Käthe Wendelin hatte ihre Einsamkeit nicht lange zu ertragen vermocht nnd war schon vor der verabredeten Zeit zu ihrer Freundin gekommen unter dem Vorwand, ihr bei der Bereitung des Kaffees helfen zu wollen. Diese Hilfsbereitschaft hatte zwar für Frau Lotte durch aus nichts Ungewöhnliches, wohl aber fielen ihr Käthe's verträumte Augen und ihre cigcnthümlichc Schweigsam keit auf. Plötzlich brach sie ihr Schweigen und fragte ganz un vermittelt: „Sag' mal, Lotte, seid Ihr eigentlich noch in den Flitterwochen?" „Flitterwochen?" erwiderte diese lachend. „Die haben wir überhaupt nicht gemacht." „Gräßlich! Da könnt Ihr doch gar nicht glücklich sein!" „Im Gegcnthcil, kleines, dummes Mädchen. Wir sind so glücklich, daß wir gar keine Zeit haben zum Flitter». Mein Mann thnt seine Arbeit, ich versorge die Wirth- schast, nnd im Herzen haben wir uns lieb." „Gebt Ihr Euch denn nicht wenigstens manchmal einen Kuß? Erzähle doch, Lotte, wie oft, und sei nicht so langweilig." Jetzt glitt ein schelmisches Lächeln über die Züge der jungen Frau. „Sieh 'mal, meine gute Käthe", sagte sie, „nach solchen Sachen darfst Du noch nicht fragen. Davon verstehst Tn noch nichts." „Erlaube 'mal, ich bin zwei Jahre älter als Du." „Stimmt! Aber sechs Jahre dümmer." „Lotte!" „Laß nur gut sein nnd schimpfe nicht. Natürlich nnr in dem einen Pnnct bist Du dümmer. Du bist ein licbcS, hübsches Mädel, bist ein guter, ehrlicher Kerl, und auf der Bühne bist Dn rein zum Küssen und Anfcsscn. Weiß cs Gott, wenn ich ein solches Prachtmcnschlein wäre, wie Tn mit Deinen» braunen Lockenbusch, und ich hätte meinen goldigen Mann nicht, ich würde mir einen Teufelsspaß daraus machen, alle Männer um den Verstand zu bringen, so zum Beispiel den Doctor Simrock gestern Abend. Wär' freilich gewiß recht schlecht von mir. Aber Tn bist eben noch zu harmlos. In Deinem Busen steckt ein kleines Marmorsteinchcn, und vom wirklichen Leben nnd Lieben hast Du noch keine blasse Ahnung." 'Käthe hatte eine stolze Erwiderung auf der Zunge, unterdrückte sie aber und blickte die Freundin nnr zögernd nnd mit gcröthcten Wangen an. Diese durchschaute ihre Gedanken, faßte sic übcrmüthig beim Kopfe und sagte: „Käthe, Käthe! Was sichst Dn mich so absichtsvoll an? Gieb cs von Dir, wenn Dn etwas ans der Seele hast. Ich will Dir's nur gestehen, mich quält die Neugier nicht minder, wie Dich das Mittheitnngsbedürfnitz. Also heraus mit der Sprache! An wen denkst Du, daß Du die Augen so weit anfmachst und den Mund so fest zu?" Ta war es mit Käthe's Verstellungskunst vorbei. Sie fiel der Freundin um den Hals nnd schluchzte unter strömenden Thränen: „Ich hab' ihn so lieb!" „Beruhige Dich", erwiderte diese, ihr die Wangen streichelnd. „Das ist nichts Schlimmes. Du mußt cs ihn nur nicht merken lassen." „Er weiß cS ja schon, und er hat mir's auch gesagt!" „Sv!" rief Fran Lotte erstaunt. „Er hat Dir's schon gesagt? Dann ist ja Alles schon in bester Ordnung. Rian kann also bereits gratulircu?" „Ach nein. Eigentlich so mit runden klaren Worten einen Antrag hat er mir noch nicht .... Weißt Dn, Ernst hat etwas so leichtsinnig Elegantes an sich, daß er nicht gleich daran gedacht hat .... Aber er hat mir gesagt, daß er mich lieb hat. Ich bin ja so sehr überglücklich." Und ein neuer Strom von Thränen brach ans ihren Angen. Ruhig legte ihr die Freundin die Hand ans die Locken und blickte nachdenklich vor sich hin. Da klangen Männerstimmen im Vvrsaal. „Nimm Dich jetzt zusammen, Käthe", sagte sic sanft. „Er kommt. Laß Dir nichts merken. Auch meinem Mann gegenüber nicht. Geh' ins Schlafzimmer und wasch' Dir die Angen. Ich nehme Deinen gefährlichen Doctor inzwischen auf mich." Brautpaare sind in jeder Gesellschaft wegen ihrer Langweiligkeit berüchtigt. Noch ungenießbarer ist aber ein heimliches Liebespaar, und an Homanns sonst so ge- müthlichcm Kafseetisch wollte heute gar keine muntere Unterhaltung in Fluß kommen. Käthe war sichtlich ver legen, nnd Ernst sprach zwar mit der ruhigsten Heiterkeit über allerhand gleichgiltige Dinge, aber er gähnte dabcü Frau Lotte s Augen hatten lange Zeit prüfend auf dem Assessor geruht. Jetzt rief sic plötzlich: „Bernhard, Dn mnßt doch auch Käthe noch die Bilder zur Unterschrift vorlcgcn." „Was für Bilder?" fragte diese. „Ja freilich", antwortete Herr Homann, „ich habe von zwei Herren, wahrscheinlich Besuchern des gestrigen Eon- ccrtes, in meiner Eigenschaft als Ausschußmitglied zwei Bilder von Ihnen zugeschickt bekommen, mit der Bitte, sie mit Ihrer Unterschrift versehen zu lassen. Der Eine zahlt dafür zehn Mark, der Andere sogar zwanzig Mark in die Eassc des Rothen Kreuzes. Das Geld lag bereits bei. Sie thun also ein gutes Werk." „Darf man fragen, wer die Herren sind?" siel Doctor Simrvck ein. „Ein Herr Leutnant Richter und Kaufmann Hesscl- barlh", erwiderte Homann. „Natürlich", rief Käthe, „mit denen hab' ich ja gestern wiederholt getanzt." „Sv?" fuhr Ernst fort. „Und nun geben Sic den Leuten ohne Weiteres Ihre Unterschrift auf Ihr Bild?" „Warum denn nicht? Zn einem guten Zweck! Das thnt doch jede Schauspielerin!" „Es sind auch sehr hübsche Bilder", mischte sich Fran Homann wieder ins Gespräch. „Eins als Rautendelein und eins als Vittorinv in „Renaissance". Bernhard, hole doch die Bilder. Sie müssen draußen auf dem Stuhl neben dem Kleiderschrank liegen." Herr Homann ging. Die Bilder befanden sich aber nicht an der bezeichneten Stelle, so daß Frau Lotte eben falls das Zimmer verlassen mußte, um ihm suchen zu Helsen. „Vittorinv ist doch eine Hosenrolle? Nicht wahr." flüsterte er jetzt mit erregter Stimme. „Ein solches Bild von Dir kann sich also der Herr Leutnant nun jeden Tag besehen, weil er seine zwanzig Mark bezahlt hat!" „Nein, das kann er schon für eine Mark haben. Für diesen Preis sind meine Bilder in den Kunstlüden zu kaufen. Und im Theater kann er mich nicht nur im Bilde, sondern in Wirklichkeit so sehen. Da ist doch nichts Schlimmes dabei." „Ach was! Wenn er gestern mit Dir getanzt hat, sicht er jetzt das Bild mit anderen Augen an, nnd das kann ich nicht ertragen. Hörst Tu?" Käthe zuckte beleidigt die Achseln. In ihm aber wallte die Leidenschaft über, und mit gepreßter Stimme rief er: „Wen hast Du lieb, Käthe? Mich? Mich allein?" „Das weißt Tu doch, Ernst", antwortete sic leise, ihre Angcn leuchteten, und sic widerstand seinen Küssen nicht. Sic hielten sich noch eng umschlungen, als die Thür znm Nebcngcmach sich wieder öffnete nnd Herr Homann, die Bilder in der Hand, raschen Schrittes eintrat, gefolgt von seiner Frau. Er hatte in seiner Harmlosigkeit bis her noch nichts von den zarten Beziehungen der Beiden
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