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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 04.09.1902
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-09-04
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19020904025
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902090402
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902090402
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1902
- Monat1902-09
- Tag1902-09-04
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Tabellarischer und Zifserusatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offertenannahme 25 H (excl. Porto). Ertra - Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderung «0.—, mit Postbesörderung 70.—. Ännahmeschluß für Äiyeigen: Abend-AuSgabe: Vormittag- 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittag- 4 Uhr. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Die Expedition ist Wochentag- ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. Nr. 450 Donnerstag den 4. September 1902. 88. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig, 4. September. Daß der Verlauf des KatferbesucheS in Pofen den ultra montanen Protectoren des PolenihumS nicht gefällt, ist begreiflich. Man kann also auch verstehen, daß das Polen blatt am Rheine bei dieser Gelegenheit mit nassen Augen der Zeiten gedenkt, da Herr v. KoSzielski im Costüm eines deutschnationalen Patrioten als „Admiralsk," Lorbeeren erntete. Unverständlich aber ist uns, wie die „Kölnische Volkszeitung" darauf kommt und welchen Zweck sie damit verfolgt, anläßlich der Posener Kaisertage dem Grafen Bülow eine gröbliche Beleidigung an den Kopf zu werfen. Behauptet doch das führende CentrumSorgan, es habe sich immer noch nicht recht überzeugen können, „daß Graf Bülow den heutigen Polencurs im Herzen billige". Angesichts der vom preußischen Landtag in diesem Sommer angenommenen neuen Vorlage zur Verstärkung des deutschen Ansiedelungswerkes im Osten und angesichts der großen Polenreden, die Graf Bülow seit Beginn dieses Jahre- wiederholt gehalten hat, stellt sich jene Auslassung der „Kölnischen Volkszeitung" als ein überaus starkes Stück dar. WaS insbesondere die Polenreden des preußischen Ministerpräsidenten anbetrifft, so wollen wir zur Beleuchtung der Insinuation, als ob Graf Bülow den gegenwärtigen Polencurs nicht billige, bloS aus einer seiner Reden eine Stelle ins Gedächtniß zurückrufen. Am 13. Januar sagte Graf Bülow im preußischen Abgeordnetenhaus«: „AIS preußischer Ministerpräsident erkläre ich, daß unsere Ostmarkenpolitik verharren wird in den nativ- nalen Gleisen, welche ihr der größte deutsche Mann, welche ihr Fürst Bismarck vorgezeichnet hat. In Schwankungen, in Nachgiebigkeit werden wir nicht verfallen." Solcher Erklärungen, auS denen unzweideutig bervorgeht, ob Graf Bülow den gegenwärtigen Polencurs „im Herzen" billigt oder nicht, giebt es noch eine ganze Reihe. Die vor stehende und der Hinweis auf die jüngste Polenvorlage aber genügen, um die fragliche Auslassung der „Köln. BolkSztg." in ihrem wahren Werthe erkennen zu lassen. Nun mag eS ja sein, baß das klerikale Blatt in den Kreisen, denen es am nächsten steht, nicht selten schroffe Gegensätze zwischen öffentlichen Erklärungen und innerer Ueberzeugung entdeckt; es wird ihr auch nicht schwer fallen, unter den Lehren ihrer geliebten Jesuiten eine solche aufzusinden, die ein wider besseres Wissen ausgesprochenes Wort für verdienstlich erklärt, sofern eS zur größeren Ehre der Kirche gesprochen wird. Aber Graf Bülow ist doch weder Iesuitenzögling, noch gekört er den engeren Kreisen an, in denen die „Köln. Volksztg." ihre Erfahrungen sammelt. Ist eS also unverständlich, worauf daS ultramontane Blatt seine beleidigende Unterstellung gründet, so ist noch unverständlicher, was es mit dieser bezweckt. Meint eS vielleicht, es könne den Kaiser von dem heutigen Polencurs« dadurch abbringen, daß es die Billigung dieses CurseS durch den Grafen Bülow in Zweifel zieht? DaS wäre doch eine Naivetät, die einem ultramontanen Blatte am wenigsten zuzutrauen ist. Zur Klosterfrage in Baden erhält die „Kreuzztg." von einem evangelischen badischen Geistlichen eine Zuschrift, in der eS heißt: „Auf Bernharditag (20. August) waren die Decane der meisten evangelischen Diöcesen des Unterlandes in Heidelberg versammelt, um eine Adresse gegen die Klöster zu genehmigen und zu unterzeichnen. Die Adresse ging seitdem an die Pfarrer, um die vsficiellen Kirchen- gemeinderäthe und Kirchengemeindeversammlungen zur Unterschrift zu veranlassen." Der Gewährsmann der „Kreuz zeitung" ist sehr unzufrieden damit, daß der Oberkirchenralh nicht gegen die Veranstalter der Versammlung eingeschrilten ist, und verzeichnet mit Wohlgefallen die Nachricht, daß die Geistlichen der evangelischen Diöcesen, die um die Ufer der Pfinz Herumliegen, die Adresse der Decane deS Unterlandes zurück gewiesen haben. Es sei eben wieder einmal „ein Pfälzer Rummel" versucht worden, diesmal aber glücklicherweise ohne Erfolg. Zum Schluß erhalten die Oberbehörden nochmals einen Verweis: „Es leuchtet ein, daß es vom Uebel ist, wenn sich Behörden dazu hergeben, der Agitation Vorspann zu leisten. Der Einzelne kann in der Klosterfrage so oder anders stehen. Er handelt als Glied des Staates, nicht der Kirche. Wenn aber Decane und Pfarrämter die amtlichen Vertretungen der evangelischen Kirche zur Agitation heranziehen, muß sich der evangelische Oberkirchen rath ungesäumt äußern. Laß das nicht statthaft ist. Daß das unterblieb, ist ein großer Fehler, zumal da die Agitation auch noch einzelne Mitglieder Les Oberkirchenrathes für sich beanspruchte. Es ist unbedingt nothwendig, daß ein Wandel eintritt." Der Verfasser dieser Zuschrift hat für diese wahrscheinlich keine Unterkunft in der evangelischen Presse Badens gefunden und sich deshalb an die „Kreuzztg." gewendet, von der er wußte, daß sie seine Unzufriedenheit mit dem Verhalten des Oberkirchenrathes theile. Hat doch daS führende Organ der preußischen Conservativen unlängst einem Zusammen schlüsse der Conservativen mit dem Ultramontanismus für den nächsten Wahlfeldzug daS Wort geredet, zunächst unter Hinweis auf die Verhältnisse in. Bayern und in Baben, aber mit dem nicht mißzuverstehenden Wunsche eines Zusammengehens im ganzen Reiche. Und wer solche Wünsche hegt, dem muß es wider den Strich gehen, wenn der evangelische Oberkirchenrath in Baden nicht gegen die Geist lichen einschreitet, die es durch Betheiligung an einem „Rummel" gegen die Zulassung von Klöster» in Baden mit den Ultramontaneu verderben. Dem evangelischen Oberkirchenrath in Baden wird der Groll der „Kreuzztg." nicht zu Herzen gehen; er wird nach wie vor es als seine Pflicht erachten, auch seinerseits vor Maßnahmen zu warnen, von denen eine Verhetzung der Coufessionen und die weitere Stärkung einer Macht zu erwarten ist, welche die evangelische Kirche mit ihrer Feindschaft verfolgt. Den evangelischen Conservativen im ganzen Reiche aber legt die neuerliche Besorgung der Geschäfte deS Ultramontanismus durch die „Kreuzztg." die Pflicht aus, eine scharfe Trennungslinie zwischen sich und diesem Blatte zu ziehen und dem Verdachte vorzubeugen, daß auch sie politischer Machtgelüste halber mit dem ewigen und unerbittlichen Gegner ihres Glaubens zu pactiren gesonnen seien. Aus Tanger, 23. August, schreibt man uns: In der marokkanischen Bevölkerung macht sich je länger je mehr eine gewisse Nahrung wegen der Euro päerfreundlichkeit und reformlustigen Gesinnung dcs Sultans bemerkbar. Einstweilen nimmt der Sultan auf diese Stimmnugeu keine Rücksicht. So gab er Ende Juli zu Ehren des Evnsularcvrps, der Officicre der Militärcvmmissioncu und sonstiger oervor ragender Mitglieder der europäischen Colvnie von Fez (über 50 Personen, meistens Engländer) ein großes Bankett in seinem Palastc, der sonst immer nur Einzelnen zu kurzen Audienzen geöffnet wurde, was ebenso gut einen Fortschritt im Sinne der Eivilisation bedeutet, wie die An fang August erfolgte Eröffnung einer 10 Kilometer langen schmalspurigen Eisenbahn, die von dem genannten Palast nach den Sultansgärten am Fuß der Berge führt. Auch die Arbeiten zur Anlage der Gärten von Dar Dbibah, das 1500 Meter von der Hauptstadt entfernt liegt, haben be gonnen und ebenso sind in dieser Woche drei englische In genieure zum Studium der Wege in der Richtung nach Mequinez abgegangen, nach welcher Stadt sich der Sultan binnen zwei Monaten mittels Automobils begeben will. Täglich kommen viele Kisten mit Maschineubestand- theilcn an, unter Anderm zehn Wasserstoffbomben für einen Luftballon, den der Sultan in England gekauft hat. Ter wachsende Einfluß der Europäer auf das Gc- müth des jungen Herrschers, der mit ihnen in täglichem, vertrautem Verkehr steht, zum Nachtheil seiner musel männischen Rüthe und Minister, entfremdet demselben die einheimische Bevölkerung, welche den Pontifex der Koran gesetze, den Abkömmling des Propheten mit ungünstigem Auge die alten Traditionen aufgeben sieht. Auch die Verschwendungssucht des Sultans erregt große Mißstimmung. Von den großen Reichthümern, die Äaha- mcd hinterlassen, ist nichts mehr übrig, und die Regierung ist in eine schwierige Lage gerathen. Vor dem Widerstand der K abylcn und der Bewobner von Fez selber gegen die 5—10 v. H. betragende Steuer auf alles Eigenthum zaudert sie und wagt eS nicht, die Kaids mit hinreichenden Kräften zur Einziehung dieser Steuer auf ihre Posten zu entseuden, dieselben warten in Fez noch immer der Befehle des Hofes. Da der Sultan aber von seiner Verschwendung nicht lassen will, wird er, wie versichert 'wird, sich zur Auf nahme einer Anleihe von 2 Millionen Pfund Sterling im Ausland entschließen. So wird die Bevölkerung immer unruhiger. Aus dem hohen Atlas kommen Berichte über die R e b e l l i o n m e h r e r c r S t äm m e ; da die Ernte sitzt beendet ist, kann das Kricgführcn) wieder beginnen. Auch gegen die Europäer wird künstlich Erbitterung er zeugt. So ist vor einigen Tagen durch öffentliche Ausrufer in Fez das Gerücht verbreitet worden, die Brunnen von Fez seien dadurch vergiftet worden, daß die italienische Waffcnfabrik ein Faß voll Arsenik in den sie versorgenden Ued-Fcz geworfen habe. Der Ursprung des thörichten Gerüchtes ist unbekannt, es hätte angesichts des Fanatis mus der Mohren vcrhängnißvolle Folgen haben können. Das Kaiserpaar in Posen. O Posen, 3. September. Der Kaiser empfing heute vor der Paradetafel den Generalgvuverneur von Warschau, General Tschertkoff, sowie das Offi- cicrcorps seiner beiden russischen Regi menter. Der Kaiser unterhielt sich längere Zeit mit jedem Einzelnen der Herren und richtete zum Schluß an dieselben folgende Ansprache: „Ehe Ich von Ihnen, Meine Herren, Abschied nehme, drängt es Mich, Ihnen Meine Freude auszusprcchen, die Officiercvrps zweier Meiner russischen Regimenter, deren Uniform Ich mit Stolz trage, in Posen bei unserer Parade haben begrüßen zu können. Ihre Anwesenheit verdanke Ich der Güte Seiner Majestät des Kaisers Nicolaus, welcher Mir bei Meinem Besuche in Reval freudige Zustimmung zu Ihrer Einladung gewährte. Ihre Anwesenheit in Posen bedeutet nicht nur einen Besuch der Officicre Meiner schönen russischen Regi menter, sondern ist auch ein Beweis der alten Waffenbrüderschaft, welche seit einem Jahr hundert unsere Heere mit einander verbindet. Daß die selbe noch lebend ist, das mögen noch zwei Thatsachen er läutern. Am Tage Ihrer Ankunft habe Ich das Nayvngesetz für Posen aufgehoben, wo durch eine friedliche Entwickelung der alten Festungsstadt ermöglicht werden wird. Zum Anderen halbe Ich die Ehre, heute zum ersten Male vor den Officieren Meiner beiden russischen Regimenter die Schnüre anlegen zu können, welche Seine Majestät Kaiser Nicolaus mit Mir als Zeichen unserer persönlichenFreund- schaft ausgetauscht hat. Sie sollen, nach den eigenen Worten Ihres Allerhöchsten Herrn, einGlied in der fe st en Kette dar st eilen, welche Uns Beide in treuer Freundschaft umschlingt. Gott gebe seinen Segen dazu, daß das immer so bleibe." Der Kaiser hielt bei dem Festmahle in den Räumen des Provinzialmuseums zuerst folgende Rede: „Zur Parade des 5. Armeecorps sind mit Genehmi gung Seiner Majestät des Kaisers von Rußland der Generalgvuverneur von Warschau und Deputationen der Regimenter erschienen, von denen Ich Chef bin. Ich be grüße die Herren von Herzen und gebe der Freude Aus druck, daß dieselben am heutigen Tage erschienen sind, da durch, daß Ich Sie auffordere, mit Mir auf das Wohl des obersten Kriegsherrn der mit uns in treuer Waffen brüderschaft verbundenen russischen Armee, Seiner Maje stät desKaisers Nicolaus, zu trinken. Hurrahl Hurrah! Hurrah!" Die Musik spielte die russische Hymne. Im weiteren Verlaufe des Mahles erhob derKaiser sich zu folgendem Trinkspruch: „Dem 5. Armeecorps spreche Ich zum heutigen Tage von ganzem Herzen Meinen Glückwunsch aus. Es hat bei seiner Parade die Probe auf seine Entwickelung im Frieden gegeben. Ich kann wohl sagen, daß, als Ich die Reihen der Regimenter an Mir vorüberzirhen sah, Mir die Geschichte des Corps wieder lebhaft vor die Augen getreten ist. In ernsten Zeiten haben die gelben Achselklappen sich bewährt. Vor allen Dingen ist Mir dabei das Bild Meines unvergeßlichen Herrn Vaters wieder vor Augen getreten, der stets mit Stolz von seinen gelben Achselklappen sprach. Ich glaube, nicht zu viel zu sagen, wenn Ich dem Corps mit einen Theil -es Ver dienstes zuschreibe, daß cs in den Kriegen, wo cs unter dem Oberbefehle Meines Vaters gestanden hat, durch seine tapfere Haltung mit dazu gewirkt hat, daß er sich den Marschallstab erwerben konnte. Niemand, in dessen Busen ein Preußenherz schlägt, wird der Königs- Grenadiere vergessen, und Niemand wird vergessen den Moment, als Leine kaiserliche Hoheit der Kronprinz auf dem Geisberge den sterbenden Kaisenberg in seinen Ferrilletsn. 4) Der Liebeshandel. Roman von Rudolf Hirschbcrg-Jura. Nachdruck verboten. Wohl dachte er daran, wie er schon als Knabe, als früh verwaister, sich jederzeit bei dein älteren Bruder Bescheid und Trost in seinen kleinen Angelegenheiten und Kümmer nissen geholt hatte. Bis auf den heutigen Tag war er ihm immer ein treusorgender Freund und Berathcr ge wesen. Aber seine Eitelkeit, die er für Manneswürdc hielt, kitzelte ihn, sich endlich einmal selbstständig zu zeigen. Er glaubte es seiner Ehre schuldig zu sein, sich diesmal nach eigenem Urtheil zu entscheiden, und nach nochmaliger reiflicher Ueberlegung hielt er es für richtig, die übereilte Verlobung wieder rückgängig und damit der ganzen un angenehmen Sache ein Ende zu machen. Erleichterten Herzens begab er sich zur Tischzeit in seines Bruders Wohnung hinunter und freute sich seines mannhaften entsagenden Entschlusses. Während des Essens aber kam cs ihm doch wieder vornehmer und besser vor, an dem Vcrlöbniß festzuhalten, die Folgen kühn und männlich auf sich zu nehmen und dem Bruder nach Tische durch einfache Mitthcilung der Thatsache gewaltig zu im- poniren. „Ich habe Dir dann etwas zu sagen", warf er mit nachlässiger Wichtigkeit hin. Robert nickte glcichmüthig, schärfte das Bratcnmesscr und schnitt mit leichter Hand einige frische Scheiben von der duftenden Nindslcnde ab. Schwester Emilie horchte auf und ließ ihre Augen in unbefriedigter Neugier von einem Bruder zum andere» gehen, und Ernst selbst suchte sich die kürzesten Worte und die gleichgiltigste Miene zu sammen, um damit den Bruder recht wirkungsvoll zu überraschen. Als ihm Robert jedoch nach Tisch in dem behaglich ernsten Arbeitszimmer auf dem Lcdersopha gegenüber saß und mit ruhiger Freundlichkeit die beste Kiste Cigarren vor ihm aufklappte, da sand Ernst die kurzen Worte seiner überraschenden Mitthcilung nicht. Wie er cs früher so ost gcthan hatte, schüttete er sein ganzes Herz aus, er zählte ihm die dumme Geschichte, thcilte ihm ganz be scheiden seine gestrige Verlobung mit und wartete nun mit befreiter Seele auf seine Meinungsäußerung. Er glaubte sie schon im Voraus zu kennen. Er war überzeugt, daß Robert als eingefleischter Junggeselle ihm kräftig von der Hcirath abrathen und alle schwerwiegen den Gründe für Aufhebung der Verlobung cntgegenhaltcn würde, die er sich selbst schon klar gemacht hatte. Er war auch fest entschlossen, sich dein brüderlichen Rathc zu fügen. Es gab ja nichts Beguemcres, als sich hinter dem Willen des älteren Bruders zu verstecken und dann die Ver lobung „wegen mangelnder Einwilligung der Familie" mit blutendem Herzen aufzuhcbcn. Aber diesmal hatte er sich in seinem Bruder getäuscht. Ohne eine Miene zu verziehen oder ihn auch nur an zusehen, sagte Robert einfach: „Du hast Dich verlobt. Na, da wünsche ich Dir von Herzen Glück." Dabei streifte er aufmerksam die Asche seiner Cigarre in die schlichte, bronzene Aschenschale ab, während Ernst seine Uebcrraschung unmöglich verbergen konnte und seine Cigarre erstaunt aus der Hand legte. Er zwang sich zu einem Lächeln und stotterte: „Na, weißt Du, Robert, das hatte ich eigentlich nicht von Dir erwartet." „Was hattest Du nicht erwartet, mein Junge?" „Daß Du mir Glück dazu wünschen würdest." „Hm. Es mag ja auch ziemlich zweck- und erfolglos sein. Aber noch überflüssiger und auch herzloser wäre es, Dir Unglück zu wünschen. Hattest Du das von Deinem Bruder gedacht?" „Scherz bet Seite, Robert, mir wäre allerdings, wenn auch nicht der Wunsch, so doch die Prophezeiung großen Unglücks aus Deinem Munde nicht überraschend ge kommen. Du hast doch dem Heirathen immer sehr feindlich gegenüber gestanden." „Bitte sehr! Nur der eigenen Hcirath! Davor habe ich mich gehütet. Fremden Eheschließungen habe ich immer ein großes Wohlwollen cntgcgengcbracht. Ich ziehe ja aus meinen Ehescheidungsprveessen recht hübsche Ein nahmen. Persönlich halte ich den Trauring für ein sehr überflüssiges und unangenehmes Kleidungsstück. Aber bei anderen Leuten sicht er manchmal ganz artig aus." „Was denkst Du also von meiner Verlobung mit Fräulein Wendelin?" Der Rechtsanwalt blies einige zierliche blaue Ringe in die Lust und folgte ihnen mit nachdenklichem Blick. Dann sah er den Bruder von der Seite an und sagte wohl wollend: „Ach so? Deine Verlobung mit der Wendelin! Hm. Na, ich denke, sie wird immerhin eine reizvolle Er innerung für Dich bleiben." Ernst wurde unruhig. „Erlaube mal, Du sprichst davon so ohne Weiteres, wie von einem nnr vorübergehenden Zustand. . . ." „Selbstverständlich! Ein Vcrlöbniß kann seiner eigenen Beschaffenheit und natürlichen Bestimmung nach gar nichts Anderes sei», als ein vorübergehender Zu stand, der entweder durch Aufhebung oder durch kleber gang in die Ehe sein Ende findet. In beiden Fällen habe ich wohl Recht, wenn ich so nahe Beziehungen zu unserer schönsten und gefeiertsten Schauspielerin als die reiche Quelle reizender Erinnerungen für Dich bezeichne." Ernst's Ungeduld wurde durch diesen gleichgiltigcn, lehrhaften Ton des Rechtsanwalts aufs Aeußcrste gereizt. Er wollte von dem Ledersessel aufspringcn. Ein ruhiger Blick des Bruders hielt ihn jedoch zurück und gab auch ihm seine Ruhe einigermaßen wieder: „Ich bitte Dich, Robert", stieß er endlich in beinahe flehendem Tone hervor, „lasse jetzt einmal Deine logisch gewiß ganz unanfechtbaren Späße bei Leite. Ich habe Dir jetzt meine Verlobung, zuerst von allen Menschen, mitgctheilt, nicht um mich Deinen gewohnten Spöttereien auszusetzcn, sondern um . . . um ... na ja, gewissermaßen Deinen Rath in der Angelegenheit zu erbitten." „Das glaube ich nicht, Ernst, und das glaubst Du auch selbst nicht. Wen» Dir an meinem Rathe gelegen war, so hättest Tu mir Deinen Vorsatz vor vollbrachter Thal mit- thcilcn müssen. Jetzt gicbt's nichts mehr zu rathen. Jetzt ist der Würfel gefallen!" „Gewiß, gewiß. Selbstverständlich", entgegnete Ernst nervös. „Ich meine auch nur. . . . Sich mal, wenn'man auch selbstständig ist, nnd wenn man auch selbst am besten weiß, ivas man zu thun und zu lassen hat, so ... so ist cs mir doch wichtig, wenigstens Deine Meinung darüber zu hören. Du hast Dir doch sicher bereits eine Ansicht gebildet. Also, wie denkst Du Dir das, was nun geschehen muß? Wie stellst Du Dir meine Zukunft vor?" Robert lächelte seltsam vor sich hin. Dann sah er dem Bruder voll ins Gesicht und sagte mit tiefer, voller Stimme: „Ziemlich unangenehm für Dich stell' ich mir sie vor. Genau so, wie Du sic Dir wohl auch selbst vorstcllst. Aber das schadet nichts. Da Du Deine Braut liebst, wirst Du das ja Alles überwinden. Was Du zu thun hast, ist ziem lich selbstverständlich. Ich kann Dir da also nichts An deres sagen, als was Du Dir schon selbst klar gemacht haben wirst. — Zwei Puncte hast Du zu bedenken: den gesellschaftlichen und den Gcldpunet. Wenn Du eine Dame vom Theater hcirathest, so weißt Du wohl, was Du damit thust. Die Vorurtheile gegen diese Damen sind nicht ganz unberechtigt. Indessen theile ich sie nicht. Aber ich erkenne sic als vorhanden an. Du wirst also Deine an genehme gesellschaftliche Stellung einbüßcn. Diese Ein buße kommt aber nicht weiter in Betracht, da Du ohnehin, und das ist der zweite Punct, aus Deiner bisherigen Lauf bahn und Deinen jetzigen Kreisen wirst ausscheiden müssen." Ernst stieß einen Laut der Uebcrraschung aus und schien den Bruder lebhaft unrcrbrcchen zu wollen. Der aber schnitt ihm mit einer ruhigen Geberdc die Rede ab, lehnte sich recht behaglich zurück, indem er das linke Bein nus das Polster cmporzvg, nnd fuhr mit heiterer Deutlich keit fort: „Na ja! Du bist doch nicht vom Stamme jener Asra, welche sterben, wenn sic lieben. Sondern Tn wirst trotz Deiner Verliebtheit nach wie vor gut essen und trinken wollen, sowie angenehm wohnen und Dich anständig kleiden. Das kostet für zwei Personen natürlich mehr als für Dich allein. So gering mein monatlicher Zuschuß auch ist, so bedeutet doch sein künftiger Wegfall immerhin einen Ausfall in Deiner Bilanz. Dein «Asscssorcngchalt allein reicht unmöglich für die Bedürfnisse eines ehelichen Haushaltes aus. Also wirst Du schon selbst daran gedacht haben, ihn mit einem einträglicheren Einkommen zu ver tauschen. Die Rechtsanwaltschaft, zu der ich Dir früher aus Erfahrung und Ueberzeugung rieth, kann jetzt natür lich nicht für Dich in Betracht kommen, da sie eine sofortige wesentliche Erhöhung Deiner Einkünfte auch nicht mit Sicherheit verbürgt. Demnach wirst Du Dein Augenmerk auf eine 'Bank oder noch bester aus irgend ein industrielles Unternehmen gerichtet haben. Solche Aeticngcscllschaftcn pflegen ja brauchbare Juristen ganz anständig zu be zahlen. Ernst strich sich verlegen über daS Bärtchen, das von gewissenhafter Benutzung einer vorzüglichen Bartbinde ehrenvolles Zeugnis; ablegtc, und entgegnete nach einigem Zögern: „Weißt Du, Robert, so wie ich Dich bisher kennen ge lernt habe, glaubte ich eigentlich auch in dieser Sache auf Deine Unterstützung rechnen zu können!" „Aber selbstverständlich! Ich habe in kaufmännischen Kreisen manche Verbindung und werde Dich da gern
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