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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 06.09.1902
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-09-06
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19020906028
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902090602
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902090602
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1902
- Monat1902-09
- Tag1902-09-06
- Monat1902-09
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Ob sie der polnischen Presse zur Einsicht verhilft, ist freilich noch frag lich; vorläufig halten die meisten polnischen Blätter noch mit Acußerungen über den ganzen Kaiserbesuch zurück; da aber einige von ihnen schon jetzt die volle Schale ihres Zornes über den Erzbischof von Stablewski auSschütten, weil er dem Kaiser und der Kaiserin seine Huldigungen dargebracht hat, so läßt sich leicht vorauS- sehen, was in den übrigen Blättern derselben Richtung nächstens zu lesen sein wirb. Unter den Organen deö CentrumS ist eS, soweit wir übersehen können, nur die „Köln. VolkSztg.", die sich über die Bedeutung der kaiser lichen Worte nicht täuscht. Sie sagt von ihnen: „Die Posener Kaiserrede ist eine runde Vertheidigung der bisherigen polni schen Politik, und an ein Abweichen von diesem Wege ist vorläufig nicht zu denken." Die „Germania" da gegen, die wohl im Grunde nicht anders denkt, sucht ihren Groll hinter allerhand Abgeschmacktheiten zu verbergen. So sagt sie u. A., die nothwendige Folge der Kaiserrede müsse doch die Annahme deö Antrags aus Aufhebung deS Jesuitengesetzes und die Annahme des „ToleranzantrageS" von Seiten der verbündeten Regierungen sein! In einem zweiten Artikel stellt die „Germania" die Absichten deS kaiserlichen Redners geradezu auf den Kopf und sucht auö seinen Worten einen Zwie spalt zwischen ihm und dem deutschen Beamteinhume der Provinz Posen in der Auffassung und Befolgung einer richtigen Polenpolitik zu construiren. Mit jesuitischer Dialectik weiß schließlich das Berliner CentrumSorgan die Kaiserreden für die Sache der Polen und gegen den Ostmarken-Berein auSzunützen, indem sie nach dem bekannten Centrumsrecepte den sogenannten Hakatisten einzig und allein die Schuld an den hervortreteuden nationalen Gegensätzen und Kämpfen zuschiebt. Aehnlich verfährt der „Vorwärts", der unter der Ueberschrift „Hoheazollernretter für die Polen?" den „Hakatisten" klar zu machen sucht, daß sie durch die Kaiserrede enttäuscht sein müßten. Von einer Enttäuschung der Hakatisten ist aber weder etwas zu bemerken, noch hat die Rede dazu irgend welchen Anlaß gegeben. Daß die ganze Tonart dieser kaiserlichen Ansprache einen landesväterlichen Charakter trug, daran werden die Hakatisten wahrlich keinen Anstoß nehmen, um so weniger, als - die nöthige Entschiedenheit sowohl der Sache wie der Form nach in wichtigste« Stücken klar zum Ausdrucke gelangt ist. Was die einzelnen Puncte der Kaiserrede anbelangt, so hat der Kaiser in erster Linie die Deutschen vor dem Erbfehler des ParteihaderS gewarnt. Ganz die gleichen Warnungen werden seit Jahr und Tag von den Hakatisten ausgesprochen, mag dem Parteihader von bündlerischer, antisemitischer, llerikaler oder freisinniger Seite gehuldigt werden. Der Kaiser hat sodann mit großem Nachdrucke die Beamten vor dem Wider streben gegen die Polenpolitik der Negierung gewarnt. Auch damit können die Hakatisten durchaus zufrieden sein. Denn sie haben von jeher den Standpunkt vertreten, daß in der Ostmark kein Beamter an seinem Platze sei, der die Polen politik der Regierung nicht nachhaltig unterstützt. Der Kaiser hat weiter für die deutschfeindlichen Bestrebungen der preußischen Polen in der Hauptsache die „schwere Lüge" ver antwortlich gemacht, mittels deren in den Polen die Besorgniß vor Antastung ihrer Confession wachgehalten werde. Gerade von hakatistischer Seite ist stets darauf hin gewiesen worden, in welchem Umfange in Beicht stuhl und Volksversammlung, in Parlament und Presse die Religion zum Deckmantel politischer Bestrebungen ge macht wird. Je tiefer durch das scharfe Wort deS Kaisers nicht blos die polnischen Agitatoren, sondern auch ihre Schirm herren aus der deutschen Centrumspartei getroffen werden, um so mehr Anlaß zur Genuzthuung über jene Stelle der Kaiserrede haben die Hakatisten. Diese fühlen sich endlich auch dadurch nicht in ihren Bestrebungen beeinträchtigt, daß der Kaiser Verwahrung gegen die Unterstellung einlegte, es sollten die polnischen Stammeseigentbümlichkeiten und Ueberlieferungen ausgelöscht werden. Wenn der „Vor wärts" im Hinblicke auf diese Auslassung davon spricht, man habe soeben erst versucht, den Polen die wichtigste Stammeseigenthümlichkeit, die Sprache, auSzuprügeln, so ist auch das lediglich eine Irreführung. Die vom HakatiSmus unterstützte preußische Schulpolitik will weder in Wreschen noch sonst wo den Polen die Muttersprache auSprügeln; was die preußische Schulpolitik im Osten, und mit ihr der Haka- tiSmuö will, zielt nur darauf bin, der Vergewaltigung der deutschen Sprache in jeder Form vorzubeugen und im preußischen Staate, als in einem deutschen, der deutschen Sprache unter allen Umständen zu ihrem Rechte zu verhelfen. Auch diejenige Stelle der Kaiserrede, die von den polnischen Stammeseigenthümlichkeiten handelt, deutet in keiner Weise darauf hin, daß in der Ostmark eine andere Schulpolitik wie eine deutsche getrieben werden soll. Und darum giebt auch diese Stelle der Kaiser rede dem HakatiSmus keinen Grund zur Unzufriedenheit oder zu Besorgnissen. Wohl aber beweist die augenfällige Ver drehung der Ansichten deS Kaisers, daß die Socialdemokratie trotz aller Fußtritte, die ihr die Polen in den letzten Zeiten versetzt hat, der unterwürfige Schildknappe des PolenthumS ebenso bleibt, wie das Ceulrum. Hoffentlich zieht Kaiser Wilhelm aus dieser letzteren Thatsache endlich auch den Schluß, daß entschiedene Polenpolink und Stützung auf das Centrum zwei Dinge sind, die sich schlechterdings nicht mit einander vertragen. Wie der Telegraph bereits gemeldet hat, sind die englischen Ossiciere, die als (Säfte des Kaisers den deutschen Kaiser manöver« beiwohnen werden, gestern in Berlin eingetroffen. Es sind: Kriegsminister Brodrick, Genrral-Feldmarschall Roberts, die Generale Kelly-Kenney, French und Jan Hamilton, Oberst Schlater und Leutnant Dudley Marjoribankö. Die „Times" drücken die Hoffnung aus, daß diese Ojficiere eine beson ders herzliche Aufnahme finden werden und erwähnt bei dieser Gelegenheit von Neuem die Anfeindungen, die in einem Theile der deutschen Presse gegen diejenigen englischen Truppen gerichtet worden sind, die sich in Südafrika Un gehörigkeiten haben zu Schulden kommen lassen. Der „Voss. Ztg." geht darüber folgendes Telegramm aus London zu: Zur Abreise Brodricks, Roberts' und der übrigen britischen Ossiciere zu den deutschen Manöver« schreiben die „Times": „Keine Ossiciere sind bereitwilliger wie die deutschen, den Errungenschaften und Eigenschaften ihren Kameraden in anderen Heeren unpar- teiischen, hochherzigen Tribut zu zollen, und keine sind comvetenter, sich ein gesundes, intelligentes Urtheil darüber zu bilden. Wir hegen daher die Zuversicht, daß die Armee, deren Erfolge in Südafrika angesichts beispielloser Schwierigkeiten in deutschen Militärkreifen nach ihrem wirklichen Werthe gewürdigt worden sind, eines aus nahmsweise herzlichen Willkommens unter den fremden Gästen des Kaisers sicher sind." Die „Times" bemerken dann, in gewißen Kreisen Englands sei Neigung vorhanden gewesen, die Einladung des Kaisers abzulehnen. Diese Ansicht ver mögen sie indeß nicht zu theilen. Es sei zweifelsohne natürlich, daß die Verleumdungen britischer Truppen deutscherseits ohne sichtbares Zeichen der Mißbilligung Seitens derjenigen, die sie hätten unterdrücken können, die britische Armee und Nation tief verletzt haben, aber es sei kein Grund vorhanden, warum die Einladung des Kaisers nicht in dem Geiste, in welchem sie zweifellos erlassen wurde, angenommen werden sollte. Mit dem ihm eigenen Takt und Scharfsinn habe der Kaiser die erste wichtige Gelegenheit, die sich ihm seit dem Ende des Krieges darbot, ergriffen, der Armee, die den Krieg führte, eine hervorragende Auf merksamkeit zu erweisen. Es würde unserer unwürdig gewesen sein, die ehrenvolle Genugthuung zu verwerfen, die mit so viel Grazie und guter Gesinnung geboten worden ist. Die „Times" führen sodann aus, daß die britischen Ossiciere von dem deutschen Heerwesen noch viel zu lernen haben. Selbstverständlich werden die englischen Ossiciere in Deutsch land mit der Aufmerksamkeit behandelt werden, auf die sie als Gäste des Kaisers Anspruch haben; daß sie aber irgend ein Recht hätten, vor den übrigen Gästen des Kaisers, besonverS den österreichisch - ungarischen und den italienischen, ausgezeichnet zu werden, müssen wir entschieden bestreiten. Sie gehören einer Nation an, die sich in ihrer „spwuäiä Isolation" gefällt, und müssen schon deshalb hinter den Vertretern derjenigen Nationen stehen, die unsre treuen Verbündeten sind. Ferner weiß man in Deutschland sehr wohl, daß die englischen Ossiciere in Südafrika besonderen Schwierigkeiten gegenüberstanden und die Schuld an diesem Kriege nicht trugen. Aber man weiß auch, daß trotz der Ableugnung der englischen Presse während dieses Krieges auf britischer Seite Dinge vorgekommeu sind, die sich mit den Gesetzen der Humanität und des Völkerrechts nicht vertragen und mithin auch ven Vertretern der britischen Armee einen Anspruch auf besondere Anerkennung schlechterdings absprechen. Endlich ist man in Deutschland nicht gewöhnt, den Grad seiner Aufmerksamkeit nack den Ansprüchen an maßender Blätter, unter denen die „Times" eine besonders hervorragende Stelle einnehmen, zu bemessen. Gerade dieses Blatt leistet den englischen Gästen unseres Kaisers durch seine durchaus unangebrachte und dünkelhafte Forderung den übelsten Dienst. Von bestunterrichtetcr Seite wird uns bestätigt, daß die Absicht der Bocrcngenerale bei ihrer Reise nach Europa von Anfang an auf persönliche Unter handlungen mit der englischen Regierung gerichtet >var. Sie haben beim Abschied ans der Heimath ihrem Volke in einer Proklamation als den ihnen von ihren Stammesbrüdern gewordenen Auftrag hingestellt, in Europa nach Kräften für eine Besserung der gegen wärtigen Lage zu wirken. Dementsprechend werden die Bvercnführer sich um freiwillige Ge l d u n t e r st ü tz u n g bemühe«, andererseits werden sic von der englischen Re gierung reichliche Geldmittel und Zugeständnisse hin sichtlich einer Selbstverwaltung zu erwirken suchen. Den von England aus immer wieder erneuten Behauptungen gegenüber, daß es zu einem Conflict oder auch Bruch zwischen ocn europäischen Boercn- delegirten und den Genetalen gekommen sei, muß nach drücklich betont werden, daß unter den Bverensührern in allen entscheidenden Puncten volles Ein- verständniß herrscht. Auch die Veröffent lichung der Schriften Krüger's und De Wet' s wird gemeinsam vorbereitet. Krüger's Denkschrift wird im Octobcr erscheinen, De Wet's Buch ist ebenfalls im Laufe der nächsten Monate zu erwarten. Während der Reise von Eapstadt nach Southampton arbeitete De Wet ununterbrochen. Nur zu den Mahlzeiten erschien er au Deck; während des Aufein- haltes in Madeira blieb er an Bord des „Sarou". Ter Gesundheitszustand Steijn's giebt leider noch immer zu Besorgnissen Anlaß. Im September wird er den Süden aufsuchen. Auch Krüger wird den Winter voraussichtlich in einem wärmeren Klima zu bringen. Louis Botha erfreut sich des besten Wohl seins. Delarey erkrankte kurz nach dem Besuch aus Madeira an einem Bronchialkatarrh, der ihm besonders bei seinem Aufenthalt in London lästig war, so daß der Besuch beim König für ihn eine Strapaze bedeutete. Am Abend kehrte er erschöpft nach London zurück. Seitdem ist eine bedeutende Besserung cingetrcten. General Delarey ist überhaupt der an, wenigsten kräftige unter den drei Bverensührern. Auch während des Krieges mußte er mehr als die Anderen auf seinen Gesundheits zustand Rücksicht nehmen. General De Wet litt in Eng land an einer Bindehautentzündung. Tclareu und De Wet werden auf der Reise von dem sie begleitenden deutschen Ambulanzarzt I>r. Tilemann behandelt. — Wie weiter aus London berichtet wird, beabsichtigen, der „Daily Mail" zufolge, die Bocrcngenerale auf der Con- ferenz mit Chamberlain folgende Forderungen vorznbtringen: 1> Innerhalb zweier Jahre nach Be endigung der Feindseligkeiten sollen den Boeren volle bürgerliche Rechte gewährt werden; auch soll das Land in autonome Distrikte eiugetheilt werden, nach Muster der kanadischen Provinzen, ivcil sonst die industrielle Be völkerung die Bocrcnbevvlkerung überstimmen könnte und die Nationalität der Boeren vernichtet würde 2) Die Bocrcnsprache soll in den Volksschulen beibcbaltcn werden. 3) Die Boeren, welche als „national soouts" auf englischer Seite gekämpft haben, sollen keine Ver- lvaltungsstellcn erhalten. Die Generale können nicht den Frieden in den Landbezirken garantiren, wenn Leute, die als Verräther betrachtet werden, Aemter erhalten. 4) Die Reguisitionsscheine der Boerenregierung und andere Ansprüche gegen dieselbe sollen von der englischen Regierung anerkannt werden. 5) Die für den Aufbau der Farmen bewilligte Summe soll nm drei Millionen Pfund vermehrt werden. 6) wollen die Generale für Milde gegen die Caprebellcn und für Milderung von Strafen, welche gegen Bvcrenführer verhängt worden sind, ein treten. 7) wünschen sie Aufhebung von Kitchencr'S Pro klamation, durch welche viele Bocrenführer ihres Eigcn- thums verlustig gegangen sind. Wenn Chamberlain sich geneigt zeigt, auf die Wünsche der Generale eiuzugehcn, dann werden Botha und Delarey sich wahrscheinlich bereit erklären, an der repräsentativen Regierung des Landes theilzunchmen; wenn nicht, dann werden sic sich fern halten. De Wet wünscht auf keinen Fall ein Amt. * London, 5. September. (Telegramm.) Auf eine an ihn gerichtete Anfrage erklärte Chamberlain, daß ein voll ständiger Bericht über die Vorgänge in der heute Nachmittag stattgchabtcn Zusammenkunft mir den Bocrcnfnhrcrn in einem Blau buche veröffentlicht werden werde. Feuilleton. g) Der Liebeshandel. Roman von Rudolf Hirschberg-Jura. Nachdruck verboten. „Ernst", fragte sie daraufhin ganz bescheiden, „Du hältst mich wohl für recht anspruchsvoll und unwirth- schaftlich? Da bist Du aber sehr im Jrrthum. Der Schinken-Eierkuchen, der Dir eben so gut geschmeckt hat, war meiner Hände Werk. Ich werde gewiß auch mit wenig Wirthschaftsgeld auskommen. Denn ich lerne bet Lotten auch noch alles Andere kochen!" „Um Gotteswillen", erwiderte Ernst nervös, „nur nicht aus Deinem Petroleumkocher! Das riecht scheußlich. Auch siehst Du so erhitzt aus, wenn Du vom Kochen kommst, und ganz und gar nicht elegant. Da wir nun leider mit unseren Zusammenkünften fast ausschließlich auf Deine Wohnung angewiesen sein werden, so wäre cs mir schon angenehm, wenn ich Dich nicht immer mit ge- röthctem Dienstmädchenangesicht vorfändc. Mach' Dir ja keine Gewissensbisse, wenn Du die dumme Kocherei wieder verlernst. Von meiner Frau verlange ich solche Arbeit nicht, und so lange ich nicht genug Geld habe, um Dir eine Köchin halten zu können, warten wir eben noch mit dem Hcirathcn. Nicht wahr?" Käthe blickte ihn betroffen an, und Frau Lotte hatte schon eine derbe Erwiderung auf der Zunge, als nach einem kräftigen kurzen Klopfen Herr Homanu ins Zimmer trat. Er sah zufrieden aus und begrüßte seine Frau mit Herzlichkeit: „Denke Dir, Lottchcn, cs werden ungefähr cinhundcrt- undfünfzig Mark Reingewinn aus der Decorations- Malerei im Kaiserhof für uns hcrausspringcn. Ich habe mir auch schon überlegt, wie wir sie anwcndcn. Ein Drittel kommt in die Sparcasse, ein Drittel gehört Dir, damit Du Dir Deine Svmmertoilette etwas eleganter einrichten kannst, und ein Drittel bcnntzcn wir, nm unsere Tisch- und Bettwäsche noch etwas zu vervollständigen." „Natürlich, Bernhard! Tn machst wieder die Rech nung ohne die Frau. Vor Allen: mnßt Tu Dir doch endlich " „Nein, nein", unterbrach er sie lachend, „laß das nur fetzt! Es ist überhaupt sehr unschicklich, daß wir hier bet fremden Leuten unsere Wirthschaftsangelegeuheiten aus kramen. Entschuldigen Sie, Fräulein Käthe!" „Bitte sehr", wehrte diese ab. „Für mich als an gehende Hausfrau hat jetzt kein Gesprächsstoff einen größeren Reiz als der Haushalt und Alles, was drum uud dran hängt, also Wirthschaftsgeld, Einkommen, Er sparnisse und so weiter. Sagen Sie 'mal, Herr Homanu, wie viel Einkommen haben Sie, wenn die Frage nicht unbescheiden ist?" „Warum sollte wohl die Frage nach etwas so Be scheidenem, wie es mein Einkommen ist, unbescheiden sein? Ich beziehe zweihundert Mark festes monatliches Gehalt. Allerdings habe ich noch oft Ncbeneinnahmen." „Ohne die Sie nicht auskommen würden?" verhörte ihn Käthe mit erwartungsvoller Miene weiter. „O nein!" entgegnete er stolz. „Unser Haushalt ist so eingerichtet, daß mein festes Einkommen zur Deckung aller Kosten gerade ausrcicht. Außerordentliche Ein nahmen dienen dann entweder zur Befriedigung außcr- ordcntlichcr Luxusbedürfnisse, oder wir sparen sie für un vorhergesehene Fälle oder auch für einen vorhcr- zusehendcn Fall auf. Hm." Frau Lotte erröthetc und schlug ihren Mann, indem sic ihm die Caviarbrödchen reichte, auf die Finger. Käthe aber wandte sich nun in beinahe amtlichem Tone an ihren Bräutigam: „Und wie hoch ist Dein Gehalt, Ernst?" „Vorläufig einhttndcrtundfünfzig Mark monatlich. Ich werde aber wohl auch bald zweihundert Mark bekommen", erwiderte er etwas widerwillig. „Na also", jubelte sie, „das langt doch für uns Beide, und wir sind auf die Zuschüsse Deines Bruders gar nicht angewiesen." „Nein, Käthe, cS langt nicht. Für meine Bedürfnisse und meine berufliche und gesellschaftliche Stellung mit ihren Anstandspflichtcn ist das viel zu wenig!" „Nun, dann bleibe ich einstweilen beim Theater. Wir hcirathcn ganz heimlich und legen unsere Einkünfte zu gemeinsamer Verwendung zusammen." Ta nmgürtete sich Herr Assessor Dr. Ernst Simrock mit den: ganzen Stolze seiner Männlichkeit. „Nein", rief er auS, indem er das Haupt edel zurück warf und sich ein Stück Trüffcllcberwnrst auf den Teller legte, „nein, das ist unmöglich! Tn bietest mir ja geradezu an, mich von Dir ernähren zu lassen. ?lber es ist gegen mein Ehrgefühl, auch nur einen Pfennig von Dir an zunehmen. Ich hab' Dich zu lieb, Dir und mir diese Schande anzuthun. Sieh' 'mal meinen alten Freund Homanu an. Frau Lotte hat auch auf ihren Theatcrkram und ihre persönliche Erwcrbsthütigkeit verzichten müssen. Und das ist ganz in der Ordnung. Nicht wahr?" „Natürlich", versetzte Herr Homann trocken. „Ich ver diene ja selbst genug, wie viel wir Beide brauchen." Ernst bemerkte die kleine Spitze nicht oder wollte sie nicht bemerken und fuhr in seinem überlegenen Tone fort: „Also müssen wir eben warten, bis ich ebenfalls genug für uns Beide verdiene." „Aber wie lange kann das dauern?" fragte Käthe mit leisem Seufzen. „Ich weiß nicht. Müssen Geduld haben. Wenn alle Stricke reißen, müßte ich Dir schließlich dals Opfer bringen und mich um eine Anstellung bei irgend einer Actien- gescllschaft, Bank oder so etwas bewerben. Aber ich begreife gar nicht, warum Du cs so eilig hast. Abwarten ist das Gehcimniß jeden Erfolges. Es geht uns doch jetzt ganz gut so. Wir haben uns klar ausgesprochen. Wir machen kein öffentliches Aufsehen mit unserer Liebe. Aber ich komme öfters 'mal Abends zu Dir, und wir essen dann gcmüthlich zusammen. Nicht wahr, kleines Kätzchen?" Während dieser Worte hatte er sich ein Küscbrödchcn sorgfältig bereitet und nahm zum Lohn für diese Thätig- kcit einen Schluck von dem reichlich mit Rvthwcin uud Cognac veredelten Thce zu sich. Plötzlich kam ihm ein Gedanke. Er sah nach der Uhr und rief kostend: „O weh! Nur noch eine Viertelstunde bis Neun! Na, cs wäre kein Wunder, wenn ich mich in Deiner an genehmen Gesellschaft verspätet hätte. Jetzt entschuldige mich. Es wird die höchste Zeit, daß ich mich zu meinem Kcgclabcnd begebe." Rasch hatte er sich verabschiedet. Herr Homann wollte sich pflichtgemäß ebenfalls empfehlen. Seine Frau aber hielt ihn zurück und sagte: „Nein, Bernhard, erst mußt Du Dich satt essen. So lange bleiben wir noch. Auf uns wartet ja kein Kegel abend. Sollen denn all' die schönen Sachen hier ver derben?" Mit freudigem Gehorsam ging Herr Homann wieder ans Werk, Fron Lotte aber wandte sich ernst an Käthe und fragte: _ „Glaubst Tu nun wirklich, daß er Dich über Alles lieb hat?" „Ach Gott", entgegnete diese erröthend, „einen solchen Mustermann wie Tu kriegt eben nicht Jede von uns. Ich will zufrieden sein, wenn ich seine Frau werden und ihn glücklich machen kann!" Fünftes Capttel. Käthe Wendelin fand an dem heimlichen Brautstand, in dem sie nunmehr mit dem Assessor lebte, zunächst ein romantisches Wohlgefallen. Das frohe Gefühl de: Hoff nung, die Airssicht aus ein zukünftiges volles Glück ließen ihr das Unwürdige ihrer jetzigen Lage nicht sogleich zum Bewußtsein kommen. Zu Anfang täglich und auch dann noch mehrmals wöchentlich schickte er ihr durch einen Dienstmauu Blumen ins Haus, wie das einem eleganten Bräutigam ziemt, dem es glcichgiltig sein muß, wenn die Rechnung des Blumenhändlers fast so hoch ausläuft wie die Schulden im Cigarrcnladen. Er selbst kam sehr unregelmäßig, aber nie ohne besondere briefliche Verabredung, und so ver brachten sie, bald bei Homanns, bald in Käthe s Wohnung, einige Stunden unter gebührender Ehrenaufsicht in musterhaft bräutlichen Gesprächen. Trafen sic sich zufällig einmal auf der Straße, so grüßte Ernst ehrerbietig, vermied aber jedes Gespräch oder sonst den Anschein einer näheren Bekanntschaft. Auch dieses heuchlerische Verstcckcnspicl vor der Oeffeutlichkeit be lustigte Käthe in der ersten .seit. Sie fand es scur spaß haft, und es kitzelte ihr Selbstgefühl mit heimlichen Wonncschaucrn, wenn sic daran dachte, daß alle die dummen Menschen rings herum keine leise Ahnung von ihrem Glück und ihrer Liebe hatten. Sic kam sich dann wie eine kühne Räuberin vor, die sich den kostbarsten Schatz deS Herzens mitten anS der bald boshaften, bald gleichgiltigen, immer aber thörichtcn Welt hcranSgcrissen und erobert hat. Bald aber genügte ihr daS stille Bewußtsein des glücklichen Msitzes nicht mehr. Sic spürte das lebhafte Bedürfniß, ihr Glück zu zeigen, vielleicht auch, darum be neidet zu werden. Zum Mindesten kränkte sie die immer deutlicher werdende Erkenntniß, daß sich Ernst seiner heimlichen Braut schämte. Denn warum sonst dieses vor sichtige Verbergen, diese ängstliche Scheu vor der Ocffcut- lichkeit? Wohl wußte sic, daß er sich nicht ihrer selbst, sondern nur ihrer Armuth und ihres Standes schämte. Aber anch das war niedcrdrückcnd genug. Täglich fühlte sie sich bitterer gcdcmüthigt und wagte auch bei Homanns nicht mehr so oft vorzusprechen wie sonst. Besonders an den Sonntagen lernte sie eine bisher
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