Suche löschen...
02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 08.09.1902
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-09-08
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19020908021
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902090802
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902090802
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1902
- Monat1902-09
- Tag1902-09-08
- Monat1902-09
- Jahr1902
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Großbritannien. ,Lugendschutz" und Eolonialpoltltk. In England besteht die bedingte Verurtheilung seit dem Jahre 1879. Darnach konnte vaS Gericht den Schuldigen gegen das Versprechen guter Führung entlassen, bis er etwa rückfällig wird und von Neuem vorgeladen werden muß. Im Jahre 1887 erfuhr diese bedingte Verurtheilung bezw. bedingte Begnadigung eine Erweiterung durch die Bestimmung, daß für Handlungen, die höchstens mit zweijährigem Gefängniß bedroht sind, allen Gerichten die Befugniß übertragen wurde, die bedingte Verurtheilung bezw. Begnadigung eintreten zu lassen, wenn sie nach Alter und Vorleben des ThäterS und der Art seines Vergehens angebracht ist. — Jetzt scheint nun eine neue Praxis dieser bedingten Begnadigung eiugeführt werden zu sollen. Wir erfahren aus einer Gerichtsverhandlung in einem der Vororte Londons, daß der milde Richter den jugendlichen Verbrecher, der zum ersten Male vor seinem Richterstuhl erschien, sehr ernst vermahnte, dem Verurtheilten zwar die gerichtliche Strafe erließ, aber ihn nach Südafrika schickte, wo er ein besseres Leben beginnen und seine erste Unthat bereuen könne. Das heißt doch wenigstens praktische Eolonialpolitik getrieben! Zwar in Südafrika wird man sich wenig davon erbaut fühlen, als Versuchsland für die bedingte Begnadigung jugendlicher Verbrecher, von welchen England sich befreien möchte, ausersehen zu sein. Afrika. Die Juden in Südafrika. * Johannesburg, 7. September. In einer jüdischen Versammlung hier ist ein Brief Lord Milner's vor» gelesen worden, in welchem dieser den vorzüglichen Eigen schaften, welche die Juden als Colonisten hätten, hohe An erkennung zollt und sagt, daß die Bedingungen für die Naturalisation durch das für Transvaal bestehende Gesetz festgelegt seien. Er erklärt, in dem Gesetz bestehe keine Unter scheidung zwischen den Juden der verschiedenen Länder, auch werde kein Unterschied gemacht hinsichtlich der Religion und der Nationalität bei der Gewährung des Wahlrechtes. Amerika. Roosevelt und die Trusts. * New Vork, 7. September. Präsident Roosevelt hat am 5. September die Oyster-Bay verlassen und ist nach den Südstaaten gereist. In Wheeler (West-Virginien) sagte Roosevelt in einer Rede, er könne die Trusts nicht ver» nichten, er könne ihre industrielle Richtung nicht ändern, er könne aber einen Einfluß auf sie ausüben und sie so lenken, daß sic keinen Schaden anrichten. Man müsse fortschreiten auf dem Wege der Evolution, nicht der Revolution. — Man sagt, die Geldmagnaten hätten Roosevelt gedroht, ihn bei der nächsten Präsidentenwahl nicht wieder als Candidaten aufzustellen, wenn er den eingeschlagenen Weg fortsetze. Marine. G Berlin, 7. September. S. M. S. „Loreley" ist am ü. September in Konstantinopel einqetroffen. — S. M. Tpdbt. „8. 90" ist am 5. September von Nagasaki in See gegangen. — S. M. S. „Geier" ist am 6. September von Wusung nach Nanking und S. M. S. „Jaguar" am 6. September von Wusung nach Tsingtau in See gegangen. — Die Schiffe der Uebungsflotte sind am 5. September vor Helgoland eingetroffen. — S. M. S. „Hyäne" ist am 5. September vor Helgoland eingetroffen und weitergegangen. — S. M. SS. „Württemberg", „Hilde brand", „Hela", „Freya", „Zielen", „Heimdal", „Hagen", „8. 94, 106, 91, 92, 93, 95, 6. 101, 111" sind am 5. September in Wilhelmshaven eingetroffen. — S. M. S. „Kaiser Friedrich III." ist am 5. September in Brunsbüttel eingetroffen, Abfahrt 7. September. — Die I. TorpedobootSflotille ist am 5. September von Helgoland nach Bremerhaven gegangen; desgleichen S. M. S. „Amazone" nach Hamburg. Die Erlebnisse des Loeren-Obersten Schiel. Bei Bonorand war am Sonnabend, den 0. Sep tember, Abends der Saal nicht blos .überfüllt, sondern sämmtliche anstoßenden Räume und Galerien besetzt; im Lchützenhaus L.-Sellerhausen wird es am Montag, den 8. September, Abends erst recht so sein. Der Gast ist von vornherein eine volksthümliche Persönlichkeit, mit Jubel begrüßt. Wo wäre ein Deutscher, der den Namen Schiel nicht kennt? Hat er doch das ausgeführt, was ein Jeder selbst gern gethan hätte, wenn es gegangen wäre: er ist mit Leib und Leben für die Sache der Boeren ein getreten in dem ungleichen Kampfe wider das perfide Albion. Wir wissen auch, daß Schiel Führer des deutschen Corps war, das in -em blutigen Gefecht von Elandslaagte sich durch kühne Tapferkeit auszeichnete, daß er verwundet, gefangen, dann auf St. Helena internirt war — kurz und episodenhaft ist sein Auftreten auf dem Kriegstheater, wie das eines glänzenden Meteors, er kann uns eigentlich nichts Neues mehr erzählen, denn die deutschen Zeitungen haben seiner Zeit viel über ihn berichtet, wir haben s auch gelesen, weil uns Alles interessirte, trotzdem oder gerade deshalb war es gerechtfertigt und ist — auch im Interesse der Deutsch-Boeren, für deren Noth der Reinertrag be stimmt ist — mit Freude zu begrüßen, -aß der Militär verein alter 67er den ehemaligen Kameraden zu diesen Vortragsabenden veranlaßte. Nachdem der Vorsitzende des genannten Mtlitärvereins die Versammelten sowohl wie den Boerenobersten mit herzlichen und kernigen Worten begrüßt und ein Hoch auf Kaiser und König ausgebracht hatte, trat Schiel auf, mit Jubel empfangen. Also das ist er. Eine ritterliche Erschei nung, gebräunt,mit schneeweißemHaupthaar und schwarzem Schnurrbart, das Auftreten bescheiden und schneidig, die Sprache ein klein wenig, besonders in der Bildung der Nebensätze, von holländischer Nüancirung beeinflußt, — Alles interessant und sympathisch. Die Postkarten mit seinem Bildnitz, die an dem Abend zum Besten eines Denk mals für die im Boerenkriege gefallenen deutschen Kame raden verkauft wurden, waren trotz des großen Borraths schnell vergriffen. Schiel erklärte, sie hätten in der Gefangenschaft so viel Liebe erfahren, besonders von Leipzig und Dresden, daß er sich freue, gerade hier dem Dankgcfiihl Ausdruck ver leihen zu dürfen. Hierauf gab er zunächst ein kurzes Bil der Geschichte der Boeren, — auf der einen Seite seit 100 Jahren ein fortwährendes Dchikaniren seitens der Engländer, das zu immer neuen Auswanderungen ver anlaßte, auf der anderen Seite Gewinnung neuen Landes unter fortwährenden Kämpfen mit den Zulus. Der Auf stand 1880 ein militärischer Erfolg, doch der Friede 1881 so, daß er für den Kundigen den Keim des neuen Krieges schon in sich trug. Hat man sich nun gerüstet, wie es gegen eine Macht wie England nöthig war? Nein. Denn man hielt an den alten primitiven Einrichtungen fest, weil sie sich im Kampf gegen die Eingeborenen bewährten. Dabei fehlte es an jeder militärischen Uebung. Die Fel-cornets als Districtscommandcure verloren die Uebersicht über die wachsende Zahl der Mannschaft ihres Bezirks; da ihre vor züglich besoldeten, zugleich administrativen Stellungen von einer Wiederwahl abhängig waren, mußten sie sich beliebt machen, was der Disctplin nicht zuträglich war. Als der Krieg ausbrach, hatten die Boeren eine gute Artillerie, vorzügliche Geschütze, Befestigungen, eine Einheitswaffe, aber für die Disciplin mar nichts getl-an. Dabei hielt man die eigene Taktik für gut. Diese war aber seit den 70er Jahren eine andere geworden. Früher mußten wenige Boeren einen Kaffcrnaufstand durch schnellen Aggressivstoß niedcrmcrfcn, — seitdem hatte man sich ge wöhnt, in größerer Zahl cinrn Kasscrnkraal cinznschlictzen und auszuhungern. Besonders war General Joubert ganz der Mann dieser BelagerungStattik, die sich scheute, im offenen Kampf einen Mann zu opfern. Kurz vor Ausbruch des Krieges bekam Schiel, der Commandant der Transvaaler Artillerie war, von Präsi dent Krüger den Befehl, ein deutsches Corps zu orga- nisiren, und zu zeigen, -aß nicht, wie England be- hauptete, die Ausländer gegen die Boeren ständen. Schiel bat, einige deutsche Officiere (Graf Zeppelin, früher Ulanenosficicr, Hauptmann Weiß von der deutschen Schutztruppe u. A.) einstellen zu dürfen. Diese halfen ihm, binnen vier Tagen.das Corps zu vrganisiren, das er freilich aus Mangel an Pferden und besonders an Sätteln beim Ausrücken am 1. October 1899 zum großen Theil zurücklasscn mußte. Am 5. October war Schiel schon über die Grenze nach Natal cingerückt, als am 8. October die Kriegserklärung erfolgte. Die Bürger von Johannesburg, etwa 100 Mann holländisches Corps und 100 Mann Freistaatler stießen dazu, — das ganze CorpS, -als nun unter dem Oberbefehl des Generals Kock gestellt wurde, war etwa 800 Mann stark mit zwei Kanonen. Bei Elandslaagte traten ihm von der Garnison Ladysmith 4000 Mann mit 19 Kanonen und 2 Maxim- geschützen entgegen. Der Eigensinn Kock's, der die War nungen der deutschen Officiere nicht beachtete, ließ ihn einen isolirtcn Hügel halten, statt sich an den nahen Picklesbergen festzusetzen, wo die Ällckzugslinie offen stand. Schiel, der den rechten Flügel befehligt, bemerkt, wie der linke Flügel in die Berge entweicht und die Hauptpositivn von den Engländern umgangen wird. Ihn selbst bedrohen zwei englische Cavallericregimcnter. Da er gegen diese nicht anreitcn kann, beschließt er, im Galopp auf den Rücken der Hauptstellung zurückzugchen, diese benachrichtigend. Vorausgesandte EelaircurS kehren nicht zurück, so kommt eS, -atz das Schiel'sche Corps in voller Carriöre an einen tiefen Graben gelangt, den nur etwa 30 Pferde nehmen. Mit 'diesen Wenigen gelang es, die Umzingelnden so lange aufzuhalten, bis die Hcuiptposition gerettet war. Die kleine Schaar aber lag todt oder ver wundet auf dem Schlachtfeld, eine schreckliche Nacht! Am andern Morgen wird Schiel verwundet von den Eng ländern eingcbracht, zunächst werden die Gefangenen auf Schiffen, dann im Lager von Simonstown gefangen ge halten. Drastisch schilderte Schiel die Mühsale, die -en gefangenen Boerenvfficieren das Graben eines unter irdischen Tunnels mittels — -er- Eßlöffel bereitete. Und -och gelang das Werk. Schiel sollte als Erster im Gewand eines Geistlichen entweichen — da erkaufte ein junger Boer sich die Freiheit -urch Verrath -es Flucht planes! Auf dem Schiff, wohin die Gefangenen gebracht wurden, behandelte man sie mit unerhörter Grausamkeit. Ganz besonders hatten die halbverhungerten Leute Cronje's nach der Schlacht von Paardeberg auf dein Schlff unter gemeiner Behandlung zu leiden. Sehr liebens würdig dagegen zeigte sich die englische Verwaltung auf St. Helena gegen die dorthin Gebrachten. Es wurde Schiel besonders jede Bitte um Arbeit für die Gefangenen gewährt, so datz manche sich reiche Ersparnisse sammelten. Die seelischen Strapazen waren weit größer als die physischen. Doch wurde die Zeit schrecklicher Langeweile sehr erleichtert durch die Sympathie der Freunde in der deutschen Heimath, die insbesondere nach und nach eine ganze Bibliothek sandten. Die englische Behörde meinte, Schiel werde wohl noch einen eigenen Dampfer ein stellen müssen. Einmal bekam er gleichzeitig 30 Säcke mit Postsachen, darunter Theaterstücke, Musikinstrumente re. Die Engländer, so schloß er, haben uns aber in diesem Kriege eine gute Lehre gegeben. Wir wären mit den eng lischen Generälen fertig geworden, aber wir hatten zu rechnen mit dem geschlossenen Patriotismus ganz Eng lands — ein Vorbild, jeder Nation zur Nachachtung zu empfehlen. Wir Deutschen im Auslände sind stets gute Deutsche gewesen und werden es bleiben. Mein Wunsch ist, daß auch wir, wie die Engländer, immer geschlossen zusammenhalten. — Bei diesen mit Begeisterung ge sprochenen Worten erhob sich die ganze Versammlung wie ein Mann und stimmte das Lied an: Deutschland, Deutschland über Alles. Noch sei erwähnt die Mitwirkung des Gesangvereins „Concordia" mit den vier trefflich gewählten und vor züglich dargebotenen Liedern: Buudcsliod (Mozart), Das deutsche Lied, Das treue deutsche Herz, Alt niederländisches Dankgcbet. Insbesondere letzteres, unter Begleitung von Harmonium und Clavier zart und discret anhebend, mit wundervoller Steigerung mächtig anschwellcnd, versetzte in die rechte weihevolle Stimmung. Als cs ertönte: „Wir treten mit Beten vor Gott den Ge rechten" —, da dachten Alle der frmnmen Boeren — Aller Herzen bewegte die Frage und in erregten Gesprächen kam sie zum Ausdruck: Kann Gott es zugeben, datz gegenüber der gerechten Sache dieses Volkes die brutale Gewalt dauernd Recht behält? v. I-. Fünfte Hauptversammlung -es Sächsischen Neuphitotogen-Vertmndes. e. Oschatz, 7. September. Unter zahlreicher Betheili gung wurde am heutigen Sonntag in der festlich geschmück ten Aula der Realschule in unserer gastfreundlichen Stadt der diesjährige sächsische Neuphilologentag (5. Hauptversammlung des Sächsischen Ncuphilolvgcn-Ver- bandes) abgehalten, welchem eine Deputation des Rathes und der Stadtverordneten mit Herrn Landtagsabgeord- neten Bürgermeister Härtwigan der Spitze, sowie Ver treter der hiesigen Kirchen- und Schulbehörden und andere Ehrengäste beiwohnten. Herr Geheinrrath vr. Bogel vom Kgl. Ministerium des Cultus und öffentlichen Unter richts lietz der Tagung seine Grütze entbieten und besten Erfolg wünschen. Die Verhandlungen wurden Vor mittags 11 Uhr, nachdem der Schülerchor einen Psalm ge sungen hatte, durch den Verbandsvorsitzenden, Herrn Oberlehrer Di-. Reum-Dresden, mit einer längeren Rede eröffnet. Der Redner gedachte u. A. in Trauer des Heimganges weiland Sr. Majestät des Königs Albert und feierte den Todten auch als Förderer der Bestrebungen der Neuphilologen, die ihm die Treue über das Grab hinaus halten werden. Weiter führte er aus, datz Themen, welche der Taktik und Methodik angehören, diesmal^ auf der Tagesordnung fehlen, was aber durchaus keinen Still stand in den Reformbestrebungcu oder eine Erschlaffung des Interesses auf dem Gebiete der Neuphilologen bedeute; die directe Sprachbehandlung gewinne an Einfluß an der Universität und in den Schulen. Die Frage, was sich aus den gegenwärtigen Uebergangsstudien entwickeln wird, sei noch offen, doch bilde die den Neuphilologen gewährte Freiheit beim Unterricht den Ausdruck größten Ver trauens seitens -er obersten Unterrtchtsbehördc. Hiernach hieß Herr Rector Schmidtdie Versammlung Namens der Stadt Oschatz und der Oschatzer Schulbehörden, sowie des Ortsausschusses willkommen. Sodann wurde das Andenken der im abgelaufenen Jahre Verstorbe nen, Professor vr. Franz vom Wettiner Gymnasium in Dresden, Professor vr. Thümig vom Annenrcalgym- nasium in Dresden und Professor Dr. Elle von der Fürstenschule in Meißen, durch Erheben von den Plätzen geehrt. Dem hierauf vom 1. Berbandsschristführer, Herrn Oberlehrer Dr. A tzmann - Dresden, erstatteten Jahresbericht war zu entnehmen, datz der Verband auch in der Bcrichtözeit sich weiteren Blühens erfreuen konnte. Die Mitgliederzahl stieg von 297 auf 306. Die drei als Vcrbandscentren geltenden Gesellschaften zu Dresden, Leipzig und Chemnitz veranstalteten eine grötzerc Anzahl entsprechender Vorträac von Einheimischen und Ausländern. Die Dresdner Gesellschaft erwirkte bei der Gcncraldircction der Kgl. musikalischen Capelle und der Hosthcater für 300 Schüler höherer Schulen Billcts zu er mäßigten Preisen zu einem Moliörc-Cyklus, was aber von den Schülern nicht genügend gewürdigt wurde. Außer dem erfreute sich die Dresdner Gesellschaft einer von Herrn Kunstschriftsteller Professor vr. Schumann eingeleiteten größeren Stiftung von Lichtbildern. An Mitgliedern zählte die Gesellschaft zu Dresden 68, die zu Leipzig 60 und die zu Chemnitz 44. Der von Herrn Prof. vr. Hart mann in Leipzig geleitete internationale Schülerbriefwechsel konnte 1896 deursche An meldungen und 1783 ausländische Adressen, sowie ein un geschwächt andauerndes Interesse für die Sache verzeich nen, ja die neue Sprachlehrordnung für die höheren Schulen Frankreichs erwähnt seiner empfehlend, was die erste amtliche Auszeichnung der Institution ist. Zu diesem Jahresbericht sprach Herr Professor vr. Hartmann- Leipzig einige Wünsche aus, deren Erfüllung zngesichert wurde. An Sc. Majestät den König Georg sandte die Versammlung zum Zeichen unwandelbarer Treue ein Huldigungstelegramm ab, wonach Herr Ober lehrer Professor vr. Besser vom Wettiner Gymnasium in Dresden einen hochinteressanten Vortrag über den englischen Philosophen und Volks wirt h s ch a f t e r John Ruskin hielt. Der Redner stellte über das Lebens- und Wirkungsbild des bedeuten den Mannes, der seinen Idealen nicht nur seine ganze Kraft, sondern auch sein etwa 4 Millionen Mark betragen des Vermögen opferte, dessen Wort „Leben ohne Arbeit ist Verbrechen, Arbeiten ohne Kunst ist Verthierung", und schilderte John Ruskin als den Vater des Gedankens der Erziehung des ganzen Volkes zum Verständnitz und Ge nüsse der wahren Kunst. Zum Schluß seiner lebensvollen Ausführungen beantwortete er die Frage, ob das Lesen von Nuskin'S Werken in der Schule wünschenswerth ist, dahin, datz eine geschickte Auswahl dieses Lesestoffes für reifere Schüler und Schülerinnen sehr zu empfehlen ist, und zwar um so mehr, als sich in unseren sogenannten ge bildeten Kreisen für die bildenden Künste noch lange nicht das Verständnitz findet, das man voraussetzcn darf. Einen weiteren hohen Genuß bereitete Monsieur Paul Ramcau vom Odöon in Paris mit dem feinsinni gen und lebendig bewegten Vortrag dreier Gedichte v o n V i c t o r H u g o in seiner Muttersprache. Schließ lich erstattete noch Herr Oberlehrer vr. Reum vom Vitzthum'schen Gymnasium in Dresden einen Bericht überdieinBrcslauabgehaltene 10. Haupt versammlung des deutschen Neuphilo logen - Verbandes. Nach beendeter Sitzung fand ein gemeinsames Mittagessen statt. Vermischtes. ---r. Aus Thüringen, 7. September. Der Gemeinderath in Jena bewilligte 400 die an die Schutzleute u. s. w. vertheilt werden follen, die sich bei der Verhaftung der Raub mordgesellen Behnert und Genossen betheiligt haben. — In den Pößnecker Wäldern macht sich die Nonne wieder stark bemerkbar. — In Gotha stürzte eine Frau beim Fensterputzen durch die Scheibe eines ObcrlichtdacheS, wobei sie sich so schwere Verletzungen zuzog, daß an ihrem Auskommen gezweifelt wird. — Auf Anordnung des preußischen Eisenbahnministers sollen die Vorarbeiten des Bahnprojectes Geisa-Tann im Anschluß an daS Projecl Gerstungen-Hünfeld beschleunigt werden. — Der Stabt Eisfeld hat der in Amerika lebende Herr W. Lobenstein, der seiner Vaterstadt schon mehrfach Geld summen zu gemeinnützigen Zwecken gestiftet hat, 50 000 -L zur Errichtung eines Kindergartens geschenkt. — Dem ersten Bürgermeister von Halberstadt vr. Oehler war daS Amt des Oberbürgermeisters von Königsberg i. Pr. angeboten worden, ohne daß er sich darum beworben hatte, vr. Oehler hat das Anerbieten aber abgelebnt, weil er die im Gange befindlichen Arbeiten (Elektricitätswerk und elektrische Straßen bahn, Straßenanlagen, Theaterbau rc.) zu einem bestimmten Abschluß bringen will. — Der Mörder des in Lauscha er mordeten 26 Jahre alten Mädchens Brodowsky ist in der Person des Zimmermanns Voigt aus Sonneberg ermittelt worden. Weißenfels, 5. September. Eine eigenartige B c - lastungsprobe hatte dieser Tage die sogenannte „Pfennigs" - Fu ßg ä n g er br ü cke zu bestehen, die am Bahnhöfe in einem Bogen die fast 100 Meter breite Saale überspannt und für größere Lasten nicht gcaicht ist. Ein hier zur Einquartierung kommendes Infanterie-Bataillon rückte mit klingendem Spiele in eng aufgeschlossener Sectionscolonne und im Tritt über die Brücke ein. Das leichte Bauwerk hat zwar gewaltig geschwankt, sonst ist das Wagnitz aber gut abgelauscn. (Wvhlt.) O Naumburg, 5. September. Die unlängst in Dresden verstorbene Wittwe unseres früheren Kreisphysikus Sani tätsrath vr. Kayser hat unserer Stadt 22 500 hinter lassen. Hiervon sollen 6000 zur besseren Einrichtung des Krankenhauses, 3000 zur Unterstützung armer Lehrerswittwen, 9000 zu einer Hilsscasfe für alte Ar beiter, 3000 zur Verthcilung von Weihnachtsgaben an arme Wittwen und 1500 für die Kindcrbewahranstalt verwendet werden. Das Stadtverordnetcncollegium nahm das hochherzige Vermächtniß in seiner gestrigen Sitzung mit Dank an und bewilligte 361000 zur Er bauung eines neuen Gebäudes für das Realgym nasium an der Jakobspromenadc. — Im nahen Kösen haben sich die Stadtverordneten einstimmig damit einverstanden erklärt, daß das dortige Soolbad versuchs weise als Wtntercurort eingerichtet werde. — Die vielbesuchte, der Sage nach um das Jahr 1062 von Ludwig dem Springer erbaute und 1446 im Bruderkriege von böh mischen Söldnern bis auf die zwei Wartthürme und die festen Umfassungsmauern zerstörte Schönburg zwischen Naumburg und Weißenfels war bisher vom Forstfiscus an den hiesigen Verschönerungsverein verpachtet, und von diesem hatte sie der Besitzer der „Neuen Welt" im Croppen- thale in Bcwirthschaftung genommen. Die fünfjährige Pachtzeit geht in diesem Jahre wieder zu Ende. Zu einer Erneuerung wird es wahrscheinlich nicht wieder kommen, da der Fiscus im neuen Pachtvertrag die Uebcrnahme sämmtlicher Reparaturarbeiten an dem alten Gemäuer seitens des Pächters fordert, was dieser für undurchführ bar erklärt. Es wäre ein Verlust für alle Naturfreunde, wenn die herrlich gelegene Schönburg der Oeffentlichkcit nicht mehr zugänglich sein sollte. (Wdblt.) — Woher stammt die Bezeichnung „Zeitungsente"? Zu Anfang des 19. Jahrhunderts war es eine Zeit lang Modesache geworden, allerlei Mystifikationsscherze zu treiben und die unwahrscheinlichsten und abenteuerlichsten Gerüchte zu verbreiten. Ein Brüsseler, Namens Corne lissen, schrieb damals für das Feuilleton eines Blattes, die Gefräßigkeit der Enten sei unbeschreiblich. Um festzustellen, wie weit diese Frctzsucht ginge, habe man zwanzig dieser Thiere zusammengesetzt. Eine wurde dann sammt Federn und Knochen klein gehackt und von den übrigen neunzehn gierig aufgcfrcssen; eine von den letzter» wurde unmittel bar darauf den übrigen in derselben Weise vorgesetzt und ebenfalls aufgcfrcssen, und so ging es fort, bis nach ziemlich kurzer Zeit nur noch eine Ente übrig war, welche ihre neunzehn Schwestern mit Haut und Haar im Leibe hatte. Diese kleine Geschichte, welche in Brüssel für sehr geistreich galt, machte in kurzer Zeit die Runde durch alle Journale. Zu Beginn der dreißiger Jahre tauchte sic dann in Amerika wieder auf. Der Name „Zeitungsente" ist seit dem geblieben. O. 2. Bon -cm Bndget einer „eleganten" Französin aus Großmutters Zeiten kann man sich — so schreibt die „Fronde" — einen Begriff machen, wenn man das „Jour nal des Dames et des Modcs" vom Mcssidor des JahreS XI. liest. Eine solche „Elegante" braucht 365 Häubchen, Kapuzen oder Hüte für 8000 >; zwei Kaschmirshawls für 960 600 Roben für 20 000 365 Paar Schuhe für 4800 ^!; 250 Paar weiße und ebenso viel farbige Strümpfe für 2400 Roth und Weiß iSchminke und Puder) für 240 .4!; 12 Hemden lnurü) für 240 2 echte Schleier für 3900 elastische Corsetts, Perrücken, Haarnetze, Fächer, Schirme für 4800 ./tl; Essenzen, Parfums und andere Drogen, um jung und hübsch zu erscheinen, für 960 .ztl; Juwelen und ähnliche Kleinigkeiten für 8000 griechische, römische, etruskische, türkische, arabische, chinesische, per sische, egyptische, englische und gothische Möbel für 40 000 Mark; 6 Reit- und 2 Handpferde für 8000 französische, englische und spanische Wagen für 20 000 ./tl; Tanzlehrer — 2400 Lehrer der französischen Sprache — 240 .L; ein Bett — 16000 (!); Artikel in den Zeitungen, Logen im Theater, in den Cvncerten u. s. w. — 24 000 ./il; für wohl- thätige Zwecke — 80 lü). Das ist wirklich nicht schlecht für eine Zeit, wo angeblich alle Frauen Mousselinc-Stoffe zu 20 Sous pro Meter getragen habeir sollen! „O, die billigen Mouffelinc-Ltofse unserer Großmütter!" ruft die „Fronde" aus. O. v. Die Heimkehr des verlorenen Sohnes. Eine praktische Darstellung der biblischen Erzählung von der Heimkehr des verlorenen Sohnes unternahm vor kurzem in Buffalo der Negerprediger Rev. I. L. Griff'in. Er halte mit einem anderen Prediger, Rev. W. H. Dvbbius, vereinbart, datz dieser die Rolle des verlorenen Sohnes übernehme und in Lumpen gekleidet in der Kirche er scheine; daran schloß sich die praktische Darstellung der Schlachtung des gemästeten Kalbes in Gestalt eines Schmauses, bei welchem 2000 Pfund Fleisch und 1000 Laib Brod zur Verthcilung kamen. — Nach einer Meldung der „Frankfurter Zeitung" aus New Jork fand in dem New sflork-Bostoner Negierungs pulvermagazin eine Explosion statt, wobei viele Per sonen getödtet worden sein sollen. Aus dem Geschäftsverkehr. k Zur gegenwärtigen Herbstmesse bildet L. Hoffmanu's alt- rcnommirtes Restaurant gegenüber dem Kryslall-Palasr einen sehr geeigneten Treffpuncl für Fremde und Einheimische, namentlich für alle Geschäftsleute. Tie geräumigen uud ele ganten, comfortabel ausgcsratlcten Localitaten gewähren höchst angenehmen Aufenthalt, besonders auch die schonen Glas- colonnaden. Anerkannt musterhaft ist die Bcwirthschaftung von L. Hoffmann's Restaurant durch seinen Besitzer Herrn B runo Fröhlich. Eine gute Küche liefert einen ausgezeichneten Mittagstisch, sowie eine reiche Auswahl der trefflichsten Speisen zu jeder Zeit, namentlich vor und nach den Vorstellungen der Theater und Variöies. Wohlgepflegte Biere, wie echt Francis- caner, Leisrbräu, Reichelbräu, Zwenkauer Lager, Böhmisch, welche Biere sämmtlich mit natürlicher Kohlensäure verzapft werden, munden dazu vorzüglich. Auch werden daselbst die hoch feine Töllnitzer Rittergutsgose, sowie sonstige gute Getränke crcdcnzt. Ilie liilmetloesl le« L Lmmems! LoiNMs (vlreetor: 8«umvr LI. L>oiilt«>u, L»r. ^ur.) «S lkroaelva^, Lkorli. Besorgst alle Keebts^esebätts in äen Vereinißston Ltaaten; Lrb- scüuttea, ^.usllUult« kur solelle, Lohultlkoräoruuxcn, Ermittelun-rea in Kaufmann, unck ^Ltellt-^uLeloLenlleitell. lieillv IflireliililWUiix mein ! Durch daS Stoff-Jmprägnirungs-Verfahren „Wasser perle" werden alle Arten Bekleidungsstosse, fertige Herren- garderobe rc. in wenigen Tagen porös-wasserdicht gemacht. Ta die Herbst- und Winterkleid»»!, jetzt »och cntbcbrt werden kann, so säume man nicht, dieselbe einer Annahmestelle für Jmprägnirung mit „Wasserperle" zu übergeben. Annahmestellen in Leipzig: Xurl Xörme«, Inh. A. Rohland, Klosterg. 5. ZValtlier L kiekirmer. Tauchaer Straße 10. Lmll XIrrxiebel. Kurprinzstraße 2. Aux Lluruer, Eolonnadensiraße 26. Ilerm. Heercke. Bayerische Straße 26. GohliS: Albert kisvber, Landsberger Straße 39. Am 15. Sonntag nach Trinitatis wurden aufgeboten: Thomaskirche. 1) E. O. Lucke, Sergeant im KönigS-Jnfanteric-Rcgi- ment Nr. 106 in Möckern, mit W. K. L. Kronsberg, Schaffners in L.-Eutritzsch hinter!. Tochter. 2> O. E. Schroetcr, Eiscndreher hier, mit C. M. A. Kramer, Tischlers hier Tochter. 3) C. G. Gebert, Schlosser hier, mit H. L. E. Lies hier, Gcschirrführers in Weimar hinter!. Tochter. 4) F. M. Stahl, Handelsmann hier, mit I. Ni. verw. Lehmann, geb. Bröhl hier. 5l O. A. R. Schell, Buch halter in L.-Schleutzig, mit L. M. I. Haupt, Pvstsekretärä hier Tochter. 6) G. P. Thiele, Frieseur hier, mit A. M. Merkel, Lchuhmachcrmeistcrs hier hinter!. Tochter. 7l E. Leipold, Kellner in Erfurt, mit P. E. Brenne hier, Schmicdemcistcrs in Wildcnhain Tochter. 8) A. F. W. Kröbel, Portier in L.-Gohlis, mit H. E. A. Bvtta, General- agentcns hier hinter!. Tochter. 9> P. A. E. Kirsi, Butter händler hier, mit A. M. Blasig, Lohnkutschcrs in Schöne feld hinter!. Tochter. 10) K. F. Müller, Buchhalter hier, mit A. E. Sonntag hier, Handlungoeafsirers in Gößnitz Tochter. 11) I. I. Entz, Kaufmann in Kreuznach, mit M. E. A. Wackermann, Kaufmanns hier Tochter. 12) F. H. Rothe, Hilfsportier hier, mit H. O. Huth hier, Klempner meisters in Berlin hinter!. Tochter. 13) E. A. Wvlan, Maler hier, mit A. M. E. Beerbanm, Ha n darb eitere- hier hinter!. Tochter. 14) F. H. Bvdcnschatz, Viecseldmevel inr Königs-Infantcric-Rcgimcnt Nr. 106 in Möckern, mit L. L. Auerswald, Restaurateurs in Lichtenstein Tochter. Nicolaikirche. 1) F. W. H. Zubcil, Locomotivheizcr hier, mit S. C. Brauer, Eisendrehers in Chemnitz Tochter. 2) C. A. Köhler, Postassistcnt hier, mit O. H. Pfüllcr, Handels manns in Oberlungwitz Tochter. 3) M. H. Temmler, Schlosser in L.-Kleinzschochcr, mit S. L. Junghäncl, Tischlers in Lichtenstein Tochter. 4) E. Th. P. Colditz, Kaufmann hier, mit W. F. Cassel, Wcinhänd'crs Tochter. 5) O. O. Langer, Maschinenbauer hier, mit M. A. Lcitcrt, MarkthclserS hier Tochter. 6) O. B. Nitzsche, Architekt in L.-Volkmarsdors, mit E. G. Macri, Kürschncrmcistcrs hier Tochter. 7) F. E. Hoppe, Kani mann hier, mit A. E. E. Henne, Korbwaaren Fabr, kantens hier Tochter. 8) P. R. H. T-oma-n, Apotheker in Dresden, mit Th. Krüger, Kanfnrauns h.rr Tochter.^9» E. K. P. Hartmann, Markthclscr isier, mit M. E. S. Maschwitz, Zimmerers in Seehausen hinten. Tochter. Malthäikirchc. I) G. O. Schneider, Kaufmann in Leipzig-Neustadt, > mit M. O. Voigt, Pclzboafabrikanlens in Stotler»?
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder