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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 10.09.1902
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-09-10
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19020910029
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902091002
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902091002
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1902
- Monat1902-09
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Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offertenannahme 25 H (excl. Porto). Ertra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderung 60.—, mit Postbeförderung 70.—. Ännahmelchluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Die Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. Nr. 4K1. Mittwoch den 10. September 1902. Sk. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig, 10. September. Das Sächsische „Vaterland", da« Organ des conser- vativcn Landesvereins im Königreich Sachsen, knüpfte in seiner letzten Nummer an eine sehr düstere Schil derung des landwirthschaftlichen NothstandeS die folgende Betrachtung: „Gelingt es nicht, eine Wendung zum Bessern und eine allmäh liche Gesundung unseres Bauernstandes herbeizusühren, dann ist sein Ende nicht allzufcrn mehr. Wenn das aber einmal besiegelt ist, die zur Verzweiflung getriebene Landbevölkerung mit dem Proletariat der Städte sich vereinigt, dann werden die Throne zusammenkrachen; und es wird ein Chaos herrschen, bis aus Blut und Brand und greuelvoller Verwüstung sich langsam wieder geordnete Zustände herauswinden können. Schon hört man aus Bauernmund harte Anklagen gegen die Gleichgiltigkeit der Regierenden, eine früher ungekannte Erbitterung hat in diesem geduldigen zähen Stande um sich ge griffen, möge man diese Zeichen der Zeit richtig deuten und nicht untcrichützen, der Fehler könnte sich eines TageS schrecklich rächen." Wir haben bisher von einer Beleuchtung und Zurückweisung dieser Auslassung Abstand genommen, weil wir erwarteten, das; von konservativer Seite Einspruch gegen eine der artige, den sächsischen Bauernstand beleidigende Unterstellung erfolgen werde. Das ist denn auch geschehe» — leider nicht von einem sächsischen, sondern von einem preußischen Blatte, der „Kreuzztg.", die an die Betrachtung des „Vaterland" die folgenden beißenden Bemerkungen knüpft: „Es ist nur zu wahr, daß in vielen Gegenden sich der Bauern und Gutsbesitzer eine verzweifelte Stimmung bemächtigt hat. So weit wir aber den preußischen Bauernstand kennen, darf von einer drohenden Bereinigung der Landbevölkerung mit dem Proletariat der Städte zu revolutionärem Vorgeben nicht die Rede sein. Der preußische Bauer macht seine Königs- trene nicht abhängig von seinem wirtbschastlichen Gedeihen. Daß er freilich als armer, überschuldeter Mann seinen Patriotismus gegen die Mächte Les Umsturzes nicht so unablässig bcthütigen kann, wie in der Zeit, da er auf seiner Scholle ein unabhängiges Leben führte und in harter, gesunder Arbeit seines Daseins froh werde» konnte, das soll und kann nicht geleugnet werde». Aber es heißt den preußischen Bauer beleidigen, es heißt seine schweren Opfer sür daS Vaterland in Krieg und Frieden mit Undank lohnen, wenn man von ihm sagt, er sei als armer Mann Les BerratheS an all den hohen Gütern feines Volkes fähig, die er bisher mit Gut und Blut vertheidigt hat. Der preußische Bauer hat vor hundert Jahren ganz andere Nothsiände in heldenhafter Ausdauer überwunden, und sogar als er am schwersten Larnirderlag, kein Vieh, kein Korn, kein sicheres Dach mehr hatte, da war er mit seinen starken Armen und seinem heldenhaften Muthe Loch noch eine ungebrochene Stütze des Königreichs und des deutschen Vaterlandes. Ter arme Bauer hat an unserer Befreiung von der Franzosenherrschaft hervorragenden Anthcil genommen; er würde auch die Revolution im Innern niederwersen helfen. Daran zu zweifeln sei niemandem erlaubt I Wir halten eS für ganz ausgeschlossen, daß der conser- vative Landcsverein im Königreich Sachsen mit dem Artikel seines osficiellen Organs einverstanden ist. Tenn solche Worte soll ein konservativer Mann gar nicht denken, geschweige drucken lassen!" Es isteinebitterePille,welchemitdiesenWortendie „Kreuzztg." dem „Baterlande" zu verschlucken giebt, um so bitterer, weil der sächsische Bauer an Vaterlandsliebe und Opferwilligkeil hinter dem preußischen nicht zurücksteht und also dasselbe Necht wie dieser zu der Forderung hätte, von der Seite, die sich ihm als seinen einzigen Schützer anprcist, vor dem Ver dachte revolutionärer Absichten geschützt, nicht aber diesem Verdachte preisgegeben zu werden. Deshalb ist die Pille, so bitter sie auch ist, eine von dem „Vaterlande" wohlver diente Darreichung. Vom „Vaterlands", denn zweifel los ist die „Kreuzzeitung" im Rechte, wenn sie es sür aus geschlossen hält, daß der konservative Landes verein im Königreich Sachsen mit den: Artikel seines ofsiciellen Or gans einverstanden sei. Ausfallen muß cs freilich, daß das „Vaterland" in letzter Zeit wiederholt in einer Weife sich geäußert hat, die in gut konservativen Kreisen mindestens befremden mußte. Noch seltsamer muß es aber berühren, daß das preußische konservative Organ, obgleich es von dem sächsischen Landesvereine eine Preisgebnng des „Vaterlandes" indirekt fordert, seinerseits nicht daran denkt, das Organ des Bundes der Landwirtbe, die „Deutsche Tages zeitung", die dem Artikel des „Vaterland" zustimmt, deshalb auch nur zu tadeln. Tas hätte man doch um so mehr er warten müssen, als die „Deutsche Tagesztg." ein in Preußen erscheinendes Blatt ist und durch seine Zustimmung zu dem Artikel des „Vaterland" den preußischen Bauer beleidigt. Fast siebt eS so ans, als traute die „Kreuzztg." dem konser vativen Landcsverein für das Königreich Sachsen dem „Vater lande" gegenüber mehr Muth und Energie zu, als sie selbst der „Dcuschcn Tagesztg." gegenüber an den Tag zu legen wagt. Hoffentlich beweist der konservative Landesverein sür Sachsen recht bald, daß er auch diese gute Meinung der „Kreuzztg." verdient. Ein agrarisch-katholisches Blatt, die „Rheinische Voltsstimme", giebt nachträglichen Betrachtungen über Ru dolf von Bennigsen Raum, als deren Verfasser „ein Großdeutscher" genannt wird. Der Zweck dieser von dem katholischen Blatte au leitender Stelle wiedergegebenen Betrachtungen besteht darin, Bennigsen und andere ihm politisch nahestehende nationalgcsinnte Männer herunter- zurcißen und von der neuesten Entwickelung Deutsch lands aufs Nene jenes Zerrbild zu entwerfen, das ans der großdeutschen Publicistik längst bekannt ist. Dabei ist selbstverständlich, daß der Großdentscke der „Rheinischen Volks stimme" sein Gift um so reichlicher fließen läßt, je denk würdiger und ergreifender der geschichtliche Vorgang ist, auf dessen Entstellung er es abgesehen hat. Was bei diesem Verfallen aus der bistorischcn Wahrheit wird, verlohnt sich der Ver anschaulichung an einem besonders charakteristischen Beispiele. Der Großdentscke der „Rhein. Volksstimme" schreibt über die unvergeßlichen Begebenheiten, die zu Versailles der Kaiscr- proclamation vorauögingen, u. a. Folgendes: „Natürlich durste auch der Clown nicht fehlen; denn als im Feslfaal der Tuilerien die deutschen Fürsten und Heerführer vcr- faminelt waren, um König Wilhelm zum deutschen Kaiser auSzurufen, da tauchte in demselben auch die Gestalt des unvermeidlichen Kronenhändlers Simson auf, um eine lächerliche Adresse im Namen des deutschen Volkes zu verlesen, worin die nationalen Ritter der Couponjcheeren-Zunst gnädigst ihre Zustim mung zur Grändung des Kaiserreiches gaben, vorausgesetzt, daß die liberalen Freiheiten und das Börsengeschäft nicht verkürzt würden." Nur nebenbei sei bemerkt, daß die feierliche Entgegen nahme der Adresse des norddeutschen Reichstages am 18. De- cember 1870, die Kaiserproclamation am 18. Januar 1871 tattgefunden bat. Um aber zu zeigen, daß bei dem Groß deutschen der „Rhein. Volksstimme" die Verleumdungssucht der Unwissenheit die Waage hält, sei der Wortlaut jener Adresse hier in Erinnerung gebracht. Es war der folgende: „Aus den Rus Ew. Majestät hat das Volk um seine Führer ich geschämt, und auf fremdem Boden vertheidigt es mit Heldenkrust das frevelhaft hcrausgeforderte Vaterland. Ungemessene Opfer -ordert der Krieg, ober der tiefe Schmerz über Len Verlust der tapfer» Söhne erschüttert nicht Len entschlossenen Willen der Nation, welche nicht eher die Waffen ablegen wird, als bis der Friede durch gesicherte Grenzen bester verbürgt ist gegen wiederkehrende Angriffe des eifersüchtigen Nachbarn. Dank den Siegen, zu denen Ew. Majestät die Heere Deutschlands in treuer Waffen- gcnossenschast geführt hat, sieht die Nation der dauernden Einigung entgegen. Vereint mit den Fürsten Deutschlands, naht der Norddeutsche Reichstag mit der Bitte, daß es Ew. Majestät ge fallen möge, durch Annahme der deutschen Kaiserkrone das EinigungSwerk zu weihen. Tie deutsche Krone ans dem Haupte Ew. Majestät wird dem wiederaufgerichteten Reiche deutscher Nation Tage der Macht, des Friedens, der Wohlfahrt und der im Schutze der Gesetze gesicherten Freiheit eröffnen. DaS Vaterland dankt dem Führer und dem ruhmreichen Heere, an dessen Spitze Ew. Majestät heute noch auf dem erkämpften SiegesfelLe weilt. Unver gessen für immer werden der Nation die Hingebung und die Thaten ibrer Söhne bleiben. Möge dem Volke bald vergönnt sein, daß der rnhmgekrönte Kaiser der Nation den Frieden wiedergiebt. Mächtig und siegreich hat sich das vereinte Deutschland im Kriege bewährt unter seinem höchsten Fcldherrn, mächtig und friedliebend wird das geeinigte deutsche Reich unter seinem Kaiser sein." So lautete die „lächerliche" Adresse, auf die König Wilhelm I. mit bebender Stimme, wiederholt genöthigt, vor Rührung inne zu halten, ergreifende Worte des Dankes ge antwortet bat. Wer von den damaligen Theilnebmern an jenem geschichtlichen Ereigniß wird Wohl daran gedacht haben, daß ein Menschenalter nach der Ncuerrichtung des Reiches ein preußisches katholisches Blatt sich dazu hergeben würde, den Reichstag des norddeutschen Bundes zu beschimpfen und die denkwürdigste Epoche der deutschen Geschichte zu besudeln? Tas Eingreifen von S. M. S. „Panther" bei Haiti er innert, wie dem „Verl. Lok.-Anz." geschrieben wird, daran. Laß — abgesehen von einigen sonstigen Auseinandersetzungen, in denen Demonstrationen genügten — bereits im Jahre 1872 ein gewaltsames Zusammentreffen zwischen deutschen und baili- anischen Kriegsschiffen slattgefunden hat. Es bandelte sich damals darum einem deutschen Kaufmann Dickmann zu seinem Rechte zu verhelfen. — Unsere Schiffe „Vineta" und „Gazelle" ankerten am 11. Juni in Pvrt au Prince, ohne zu salutiren. Die Stadt wird von vier Forts geschützt; auch lagen im Hafen zwei Naddampf-Corvellen und ein Sckrauben-Kanonen- boot der Regierung. Als der damalige Capitän zur See Balsck, Commandant der „Vineta", ein Ultimatum gestellt batte, daö keine sofortige Erledigung fand, ließ er am Abend beide deutschen Schiffe klar zum Gefecht machen und die Boote armiren. Nach Eintritt der Dunkelheit ruderten letztere längseit der haitianischen Kriegsschiffe und enterten dieselben. Die Negerbcsatzungen erhoben keinen Widerstand und wurden an Land geschickt. Als nunmehr abermals ein deutscher Officier an Land ging und dem Präsidenten der Republik Mittheilung des Geschehenen machte, erfolgte Nachts um drei Uhr die Be zahlung, und die Schiffe wurden der Regierung wieder zurückgegeben. Am 12. Juni wurde dann auch der unterlassene Salut für die Landesflagge nachgeholt. — In den Besprechungen der englischen Blätter über die Vernichtung des haitianischen Kanonenbootes „Cröte L Pierrot" durch das deutsche Kriegsschiff „Panther" wird allgemein anerkannt, daß Deutschland durch fein Vorgehen einen diplo matischen Erfolg erzielt habe. Der „Daily Telegraph" sagt, Deutschland habe sich wahrscheinlich für immer die peinliche Nespectirung seiner Handelsflagge in den südamerikanischcn Gewässern gesichert. Man könne indeß nicht die Gefahr eines ähnlichen Zwischenfalles in der Zukunft übersehen, der dann vielleicht den zündenden Funken in das Pulverfaß der Monroe-Doctrin Wersen würde. Die „Daily Mail" verweist auf die Uebereinstimmung in den Ansichten an den maßgebenden Stellen in Berlin und Washington und sagt, daraus dürfte sich vielleicht ein praktisch brauchbares Ver fahren, mit den lästigen und nicht zu unterdrückenden Re volutionären der kleineren süd- und mittelamerikanischen Republiken umzugehen, entwickeln. In diesem Falle hätte der deutsche Capitän durch sein Eingreifen gegenüber dem „Erbte st Pierrot" Gutes gewirkt. Der „Standard" endlich meint, Deutschland habe bei der Vernichtung des haitianischen JnsurgentenschiffeS etwas ganz Alltägliches mit einem großen Aufgebot von Emphase gethan. Aus Jtschang am Jangtse, 28. Juli, wird unS be richtet: Die Flagge Vcs deutschen Reichs war bisher in Jtschang wie überhaupt am oberen -fangtfc nur ganz ver einzelt gezeigt worden. Es lag deshalb genügender Anlaß vor, die erste Hissung der deutschen Consukals- Flagge am hiesigen Platze besonders feierlich zu gestatten. Der Äct fand am 20. dieses Monats, Vormittags 8V? Uhr, statt. Es betheiligten sich daran S. M. Schiff „Jaguar", der englische Consul, der Zollcommissar mit seinen Beamten, die Spitzen der chinesischen Militär- und Eivitbehörden (General, Pläfcct und Magistrat) und die Herren und Damen der Eolonie. Schon lange vor der festgesetzten Zeit rückten 200 Mann chinesische Infanterie — das ist der vierte Theil der ganzen Garnison — mit Fahnen und Musik in langer Reihencolonne aus ihren flußabwärts gelegenen Lagern auf den Hof des ConsulatS - Grundstücks unv alarmirten mit ihren Bläsern und Trommlern das sonst ans Frühaussteben nicht gewöhnte Jtschang. Nachdem das fünfzig Mann starke Matrosen - Detachement mit der Musikcapelle des „Jaguar" mit den chinesischen Truppen bei dem stattlichen Flaggenmast im Eonsulatszarten Auf stellung genommen hatten, ging die Reich sdienstflagge zum ersten Male hoch, die Capelle spielte den Präsentir- marsch, Flaggentied und Nationalhymne, die deutschen und chinesischen Truppen präsenlirten und der Comman dant des „Jaguar", Corvettencapilän Berger, brachte drei begeistert aufgenommene Hurrahü auf Kaiser Wilhelm aus. Dann versammelten sich die Tbeilnehmer an der Feier auf der mit Flaggen reich geschmückten Veranda unseres Consu- lats, wo der chinesische Seezollbircctor Mr. Nuwin, ein Eng länder, in einer längeren Ansprache Las neue Consulat und seinen gegenwärtigen Vertreter im Namen der Colonie will kommen hieß und mit Worten rückhaltsloser Anerkennung des Aufschwungs gedachte, den das Deutschthum in den letzten Jahren hier im Osten genommen hat. Wenn Feuilleton. g) Der L'iebeshaudel. Nomau von Rudolf H irs ch b c r g - I n r a. A-a-vruck vkrvoten. Ein seliger, schluchzender Aufschrei entrang sich Käthes Lippen. Sie war aufgestanden, neben seinem Stuhl auf die Kniee gesunken und lehnte ihren Kopf an feine Schulter: „Ernst! Ernst! Nun brauch' ich mich nicht mehr zn verstecken! Du willst es also wirklich wagen mit mir, trotz Deiner Familie? Wie dank' ich Dir! Und sei guten Rinthes! Verhungern werd«! wir nicht!" „Rein! Das werden wir allerdings nicht. Tenn ich bin nicht etwa so leichtsinnig gewesen, wie Du anzunehmen scheinst. Auf meinen Assessorengehalt Hütten wir unser häusliches Glück natürlich nicht aufbauen können. So habe ich mich denn entschlossen, auf meine ganze ehren volle Laufbahn um unserer Liebe willen zu verzichten und auf eine andere ehrliche Weise mehr Geld zu ver dienen. Ich werde Rechtsanwalt und thue mich mit meinem Bruder zusammen. Er kennt und schätzt meine juristischen Fähigkeiten und ist bereit, mich als Thcilhaber in seine Kanzlei aufzunchmen. Wir werden also künftig unsere gemeinsamen Einkünfte thcilen, und ich verspreche Dir, in der Bewilligung des Wirthschaftsgcldcs nicht zu knausern." Im Vollgefühl seiner Ritterlichkeit hatte sich Ernst zurückgelehnt und blickte freundlich a>ff den dunkellockigcn Mädchenkvpf hernieder. Er war darauf gefaßt, jetzt die stürmischste Dankbarkeit über sich ergehen zn lassen. Aber ruhig, mit dem Ausdruck seligsten Glückes schlug sie die feuchten Augen zu ihm auf und sagte: „Dein Milder ist ein edler, großherziger Mensch. Ich halw ihm viel abzubittcn, was ich tm Stillen Niedriges von ihm gedacht habe. Komm, laß uns sogleich zu ihm gehen." „Aber doch nicht in diesem Kleid", versetzte Ernst un willkürlich etwas scharf. „Ich meine, es versteht sich von selbst, daß Du zuvor Toilette machst." Gehorsam verschwand Käthe im Schlafzimmer und vertauschte ihr schlichtes Probenkleid mit einem seidenen Prachtgcwand aus ihrem Bühnenvorrath. Dann ließ Ernst eine offene Droschke Vorfahren und fuhr mit seiner schönen Braut stolz durch die Straßen der Stadt. Sogar einen kleinen Umweg mußte der Kutscher machen. Emilie kam der schüchtern errvthenden Schwägerin mit überguellcnder Herzlichkeit entgegen, umarmte sie und küßte sie zärtlich. Dann fand sich auch der Rechtsanwalt ans seiner Kanzlei ein. Er wollte sich wegen gestern Abend ent schuldigen und stammelte etwas von reuiger Ungezogen heit. Aber Käthe blickte ihn in reizender Verwirrung an und flüsterte: „Bitte, nicht mehr davon reden." So begnügte er sich mit einem innigen Händedruck und machte in Bezug auf das erforderliche Verlobungsgetränk einen Vorschlag, der auf keinen Widerspruch stieß: Champagner mit Ananas. Siebentes Capitel. Ostern fiel dieses Jahr sehr spät und in den vollen Glanz des rings erblühten Frühlings. Es bedurfte eines ganz besonderen Reizes, um die Osterspaziergänger, die am ersten Feiertage in den Wald und auf die Dörfer hinausgcströmt waren, Abends in das Theater zu ziehen. Tas Haus war ausvcrkauft. Es wurde „Faust" ge geben, und Käthe Wendelin feierte als Gretchen ihren Abschied von der Bühne. Sie sah wunderschön aus und entzückte heute mit dem weichen Wohllaut ihrer Stimme zum letzten Male die Zuschauer, die ihr mit lauten Bei fallsrufen, sowie mit Kranz- und Vlumenspcndcn be geistert huldigten. Der Assessor saß nrit Bruder und Schwester in einer Loge des ersten Ranges und schaute den Erfolgen seiner Braut mit einem Gemisch von Stolz und peinlicher Be klemmung zu. Besonders die Kcrkcrsccne war ihm un angenehm. Es bereitete ihm keinen Genuß, seine Käthe eine halb wahnsinnige Kindesmörderin darstellen zu sehen. In den Zwischcnaetcn hatte er manches Opern glas auf sich gerichtet gefühlt, und als zum Schluß das »Ist gerettet" ertönte, athmetc er erleichtert auf und kam sich selbst errettet vor. Für Käthe vergingen die letzten Stunden ihres Tbeaterlcbcns wie ein Traum. Wehmüthig lächelnd dankte sie für den stürmischen Beifall. Wehmüthig ging sie in ihr Ankleidezimmer, um ihr Eostüm abzulegen und sich zum letzten Mal die Schminke vom Gesicht zu wischen. Nicht ohne schmerzliche Rührung empfand sie daö Ge fühl des Scheidend. Wenn sic auch nie mit leidenschaft licher Inbrunst am Theater gehangen hqtte, sie war doch darin ausgewachsen, alle Erinnerungen ihrer Kindheit wurzelten darin, es hatte den Inhalt und die Umgebung ihres ganzen bisherigen Lebens gebildet. Und wenn sie auch etwas Sorgloseres und Schöneres eintauschte gegen dieses Dasein voll Mühe nnd Arbeit, es war doch immer ein Abschied, den es zn nehmen galt, es war gewissermaßen die Fremde, in die sie ziehen mußte. Ein Neues, Un- crprobteo stand ihr bevor; all' das Altgewohnte und Vertraute sollte sic mit einem Schlage hinter sich lassen. Richt einmal ihre alte Wohnung durfte sie heute noch einmal betreten. Ernst wollte jede weitere Verbindung mit dem Theater ivic mit ihrer ganzen Vergangenheit kurz und schnell abgeschnittcn wissen. Emilie hatte sich schon lange darauf gefreut, sie ganz unbedingt in ihre mütterliche Pflege zn bekommen, hatte ihre Habseligkeiten bereits in Empfang genommen nnd das Gastzimmer für die geliebte Schwägerin wohnlich hergerichtet. Von ihren Evllegcn durch einen feierlichen Scheide-Kaffee oder dergleichen Abschied zu nehmen, hatte ihr Ernst streng verboten. „Du machst Dir die Sache damit nur unnöthig schwer und schmerzlich", sagte er. „Lei froh, wenn Tn mit der Kvmvdiantenbande nichts mehr zu thun hast. Wir feiern Deinen Abschied von der Bühne lieber zu Hause durch eine würdige Maibowle!" Als sie auS der ivarmcn Theaterluft in die feuchte Frühlingönacht hiuaustrat, erwartete sic Ernst mit einem Lohndiener, der beflissen den Schlag eines stattlichen Landauers öffnete. Der galante Bräutigam war stolz darauf, sic mit allen herrschaftlichen Ehren von ihrem letzten Theaterabend abzuhvlen, und auch Robert und Emilie hatten darauf bestanden, die Schwägerin im Wagen zu erwarten, obwohl sie in der Viertelstunde, die Käthe zmn Abschminken und Umkleiden brauchte, Zeit genug gehabt hätten, nach Hause zu fahren und den Wagen wieder zurückzuschickcn. Gern wäre Käthe in der schönen Nacht am Arme des Geliebten zu Fuß gegangen, aber die herzliche Aufnahme, die sic im Wagen bei den Geschwistern fand, tbat ihr doch wohl, und bei der fröhlichen, gemüthlichcn Stimmung, die dann in der kleinen Tafelrunde herrschte, wich bald der letzte Nest von Webmuth aus ihrem Herzen und machte dem ruhigen, glücklichen Behagen Platz, tm Kreise lieber, gntcr Menschen gut aufgehoben zu sein. Ernst war nie liebenswürdiger gewesen, als heute Abend. Er erschöpfte sich in ritterlichen Aufmerksam keiten, huldigte ihr wie einer Fürstin und vereinigte in seinem Betragen alle Tugenden de» tadellosen Welt mannes und des hingehenden Geliebten. An Zärtlichkeit suchte ihn Emilie noch zu überbieten, die mit mütterlicher Sorgfalt darüber wachte, daß das liebe Kind auch genug aß und trank. Immer von Neuem ermahnte sic Käthe, cs ihr ja mitzutheilen, wenn sie später in ihrem Zimmer noch irgend etwas vermissen sollte. Robert sprach heute weniger als sonst. Aber seine Augen leuchteten freundlich, und Küthe stieß gern mit ihm ans eine fröhliche Zukunft an. „Tie Zukunft ist ja immer fröhlich", bemerkte er, und als Käthe ihn fragend anblickte, fügte er hinzu: „Ich meine natürlich, so lange sie noch Zukunft ist. Wenn sie sich verwirklicht und Gegenwart wird, ver gißt sie freilich oft ihre Fröhlichkeit und geht hastig nnd gleichgiltig an uns vorüber . . ." „An uns nicht!" fiel Ernst übcrmüthig ein. „Wir werden es schon verstehen, dem Augenblick iiÄ Gesicht zn lachen und ihn festznhalten." „Wenn Tn das kannst", erwiderte Robert ernsthaft, „so hast Dn des Lebens beste Kunst begriffen. Ich jage ihr schon lange nach. Immer vergebens." Ta er fühlte, daß der bittere .Klang seiner Worte einen Mißton in die harmlose Heiterkeit der Anderen zn tragen drohte, brach er lächelnd ab nnd verzichtete im weiteren Laufe des Gespräches auch auf seine gewohnten kleinen Spöttereien. Schmnnzelnd trank er seine Bowle und sah schweigend der Lustigkeit der jnugcn Leute und Emiliens zn, nur hin und wieder einen gutmüthigen Scherz da zwischen werfend. Tie Bowle war so gut, wie jedes Getränk, das des Rechtsanwalts kundige Hände bereiteten, und für die vier Menschen, die sie anstranken, war dieser Abcnd der Beginn einer Reibe von unsäglich glücklichen Tagen. Täglich leuchtete der warme, neugierige Frühlingssonnen- schein tief in die prächtigen Zimmer des RccktsanwaltS hinein, und entgegen strahlte ihm von lachenden Lippen und glänzenden Augen der Frohsinn des Herzens. Käthe that der wohlbcsetztcn Tafel ihres künftigen Schwagers täglich alle Ehre an. Tas schmeckte besser, als die wässerigen Kartoffeln der scheltenden Frau Bald auf. Ruch Robert sah feine Fcinschmcckcrfrcuden ange nehm verklärt. Nie war eS so lebhaft nnd heiter bei den Mahlzeiten hcrgcgangen, als seit Käthe mit am Tische saß. Und eine fchätzcnswerthe Tugend entdeckte Robert mit ganz besonderer Befriedigung an ihr: sic spielte Schack,. Ernst hatte sich dieser sonntagnachmittäglichcn Vcr- pslichtung schon seit einiger Zeit ganz entzogen, nun trat
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