Suche löschen...
01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 11.09.1902
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-09-11
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19020911013
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902091101
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902091101
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1902
- Monat1902-09
- Tag1902-09-11
- Monat1902-09
- Jahr1902
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
BezugS-PreiS » d«r Hauptexpsdttto« »d«, d«i im Vtad»> bezirk und du Vorort«, errichtet«, «a». godestellra abgeholt: vierteljährlich ^l L.SO, — zwei malige« täglicher tzustellaag in« Haus ^l V.LO. Durch die Post be-og«, für Deutschland ». Oesterreich vterteljährltch^ss«, für di« übrigen Linder kaut ZeitungSprei» liste. Ne-artion und Lrxeditiou: Johannt-gaffe 8. yerssprecher ISS und LLL. FUtnInvPNdM»»«» r Alfred Hast«, Buchhandlg, Uaiv«rsttLt»str.S, L. Lösch«, Kathartnuftr. 14, n. Küuigüpl. V. Hau-t-Filiale Vre-deu: Strrhleuerstraß» S. Fernsprecher Amt I Ar. 171». Haupt-Filiale Lerliu: König grSherstraß« IIS. Fernsprecher Amt VI Ar. SS«, Morgen-Ausgabe. MpMerTaMM Anzeiger. AWsMtt des Königliche« Land- nnd Amtsgerichtes Leipzig, -es Mathes und Volizei-Amtes der Ltadt Leipzig. Nr 482. Donnerstag den 11. September 1902. Anzeigen-PreiS die Ügespaltene Petüzeüe LS L,. Reklamen unter dem RedactioaSstrich (ä gespalten) 7K vor den Famtlieuuach- rtchten (6 gespalten) KO H. Tabellarischer und Zisternsoy entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offertrnanuahme Lk H (excl. Porto). (?rtra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderung ^l 60.—, mit Postbesörderung 70.—. Äuuahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittag- 10 Uhr. Morgen-AuSgabe: Nachmittag- 4 Uhr. Anzeige« stad stet- an dm Expedition zu richten. Die Expedition ist Wochentag» uuunterbrochea geöffnet von früh 8 bi- Abend- 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Pol- in Leipzig. 98. Jahrgang. ZU drn künftigen HMdeisbeziehungen mit Oesterreich-Ungarn. v. In wetteren Kreisen dckundet man nur geringes Interesse und noch geringeres Verständniß für die wich tigen Vorgänge, die sich gegenwärtig in Oesterreich-Ungarn hinter den Coulissen abspielen: für das Ringen der beiden Reichstheile um möglichste Wahrnehmung ihrer Sonder- interessen bet der Aufstellung des neuen Zoll tarifs. Zwar haben sich die beiderseitigen Regierungen über alle wesentlichen Bedingungen des neuen Zoll- und Handclsbündnisses, im Großen und Ganzen auch über den neuen Zolltarif, geeinigt, aber noch nicht über d,e Be messung der künftigen Rohstoff-, Textil- und Eisenzölle. Hier bestehen sehr erhebliche Gegensätze, die bisher trotz aller Bemühungen der beiden Ministerpräsidenren und trotz der Einwirkung des Kaisers nicht ausgeglichen wer den konnten. Die ungarische Regierung verlangt in Ueber- einstimmung mit den österreichischen Landwirthen die Einführung von Zöllen auf gewisse Rohstoffe, insbesondere auf Flachs, Hanf, Jute, Baumwolle und Häute, welche Forderung von der österreichischen Regierung im Jnter- csse -er österreichischen Industrie auf das Entschiedenste be kämpft wird. Dagegen besteht die österreichische Re gierung auf einer erheblichen Erhöhung gewisserTextil- und Eisenzölle und stöbt dabei auf den entschiedensten Wider stand der ungarischen Regierung, die die Monopolstellung der österreichischen Industrie auf dem ungarischen Markt nicht noch mehr als bisher befestigen will. Nun hat allerdings Lieser Tage das „Ungar.-Tclcgr.- Corresp.-Bur." gemeldet, in den Beratungen der unga rischen und der österreichischen Regierung sei es gelungen, einen beträchtlichen Theil der bezüglich der Zolltarif positionen vorhandenen Meinungsverschiedenheiten zu be gleichen, so daß die noch schwebenden streitigen Puncte wesentlich vermindert seien. Da aber über die Art dieser Verminderung nichts gesagt, wohl aber ausdrücklich hinzu gefügt wird, die Vertreter der Regierungen würden noch mals zusammentreten, „um über die noch bestehenden Meinungsverschiedenheiten schlüssig zu werden", so mutz man annehmen, datz noch mancherlei zu überwinden ist. An dem Ausgange dieser Verhandlungen ist das deutsche Reich von allen fremden Staaten am meisten inter- essirt, einmal wirtschaftlich wegen der hohen Entwickelung feines Güteraustausches mit dem verbündeten Nachbar reiche, und sodann politisch, weil eine Trennung des Zoll- und Handelsbündnisses schließlich auch die politische Trennung der beiden Reichshälften zur Folge haben und die habsburgische Monarchie in zwei Mittelstaaten zer schlagen würde. Vom reichsdcutschen Standpunkte aus ist in erster Reihe zu wünschen, daß eine dauernde Ver ständigung zwischen der österreichischen und der unga rischen Regierung über den neuen gemeinsamen Zolltarif ersolgt. Diese Verständigung wäre, wie uns scheinen will, wohl erreichbar, wenn die positive Forderung Ungarns nach Einführung von Rohstvffzöllen zugestanden würde, zumal da diese Forderung auch die Unterstützung der österreichischen Landwirte gesunden hat. Die Einstellung von Zöllen auf die genannten Rohstoffe kann ernstlichen Bedenken nicht unterliegen, wenn diese Zölle von vorn herein als Eompensationszölle betrachtet werden. Bei neuen Handelsvertragsvcrhandlungen wird man Gelegen heit haben, diese Zölle auf Grund von Zugeständnissen der davon betroffenen Staaten wesentlich herabzmnindcrn oder ganz fallen zu lassen. Nicht zu begründen sind die übermäßig hohen Industrie zölle, wie sie von der österreichischen Regierung im Inter esse der österreichischen Industrie gefordert werden. Der art hohe Zölle müssen die Handelsvertragsverhandlungen mit dem deutschen Reiche auf das Aeußerste erschweren, wenn nicht von vornherein aussichtslos gestalten. Ungarn nimmt in dieser Hinsicht einen verständigeren Standpunct ein. Zunächst will eS nicht mit dem deutschen Reiche in Zollkrieg gerathen. Sodann muß Ungarn befürchten, dem Monopol -er österreichischen Industrie vollends aus geliefert zu werden, wenn die fremde Concurrcnz durch übermäßig hohe Jndustriczölle, namentlich für Textil erzeugnisse, nahezu ausgeschlossen erscheint. Die Verständigung der österreichischen und der unga rischen Regierung über den neuen Zolltarif liegt im Interesse des Gesammtstaates, sie ist die unerläßliche Vor bedingung für die Wiedererneucrung des Zoll- und Handelsbündnisscs. Erfolgt diese Verständigung auf der «»gedeuteten Grundlage, begnügt sich Ungarn mit Roh- stoffzöllcn als Compensationszöllen und verzichte! Oester reich auf übermäßige Textil- und Eisenzölle, so würde da bei auch der Gcsammtstaat am besten fahren und der Güteraustausch mit dem deutschen Reiche unter erträglichen Bedingungen fortdauern können. Deutsches Reich. A Berlin, 10. September. (Folgen des neuen Jnvaliditätsversicherungsgesctzes für Landwirthsch aft und Industric.) Tas mit dem 1. Januar 1900 in Kraft getretene neue Jnvaliditäts- versichcrungsgesetz hat bekanntlich, da einige Ver sicherungsanstalten unter dem alten Gesetze mcht im Stande gewesen waren, allen gesetzlichen Anforderungen bezüglich der Vermögensansammlung nachzukvmmen, durch die Scheidung der Anstaltsvermögen in Gemem- und Sondervermügcn auch die Ausgabe der Herbeiführung eines Ausgleichs in der Vermögenslage der Versicherungs träger gehabt. Schon im ersten Jahre der Geltung des neuen Gesetzes war eine ganze Anzahl von Versicherungs anstalten in Folge dieser Neuerung stark entlastet worden. Der Vorgang hat sich, wie sich aus den vom Rcichs-Bcr- stcherungsamtc für das Vorjahr festgestellten Zahlen er- gicbt, 1901 wiederholt und eö hat sich dabei hcrauSgestcllt, daß nicht nur die entlasteten Versicherungsanstalten die selben gewesen sind, sondern daß auch die Entlastung vcr- hältnißmäßig in beiden Jahren nahezu die gleiche ist. Bei spielsweise wurden tm Jahre 1901 entlastet die Ver sicherungsanstalt Ostpreußen um 48 Proc. gegen 4'.) Proc. im Jahre 1900, Niederbayern um 41 Proc. gegen 44 Proc., Westpreußen um 38 Proc. gegen 37 Proc., Poicn um 35 Proc. gegen 35 Proc., Oberpfalz um 30 Proc. gegen 30 Proc., Unterfrankcn um 28 Proc. gegen 27 Proc., Ober franken um 28 Proc. gegen 26 Proc., Schlesien um 27 Proc. gegen 27 Proc., Schleswig-Holstein um 26 Proc. gegen 27 Proc., Mecklenburg um 24 gegen 25 Proc. und Pommern um 23 gegen 24 Proc. Man ersieht aus dieser Aufzählung, daß es sich bei den Entlastungen in erster Linie um Ver sicherungsanstalten handelt, in deren Bezirk die Land- wirth schäft überwiegt. Kleinere Entlastungen sind 1901 noch eingctreten bei Brandenburg, Sachsen-An halt, Hannover, Oberbayern, Schwaben-Neuburg und Württemberg. Alle übrigen Versicherungsanstalten, sowie sämmtliche zugelassencn Casseneinrichtungcn bis auf eine sind durch das neue Gesetz mehr belastet worden. Bei ihnen hat sich der Vorgang auch uicht in ähnlicher Weise wie im Jahre 1900 abgespielt, vielmehr haben sich größere Unterschiede in den Verhültnißzahlen gezeigt. So wurden mehr belastet die Versicherungsanstalt Berlin mit 99 Proc. gegen 121 Proc. im Jahre 1900, die Hansastädte mit 98 Pro cent gegen 89 Proc., Königreich Sachsen mit 36 Proc. gegen 31 Proc. Die hauptsächlichste Mehr belastung hat die Arbeiterpensionscasse für die badischen Staatseisenbahnen und Salinen auszuwciscn, bei der sie im Jahre 1901 nicht weniger als 167 Proc. gegenüber 157 Proc. im Jahre 1900 betrug. Bei den Anstalten West falen, Hessen-Nassau und Mittelfrankeu belief sich die Mehrbelastung im Jahre 1901 auf je 26 Proc., beim Grotz- hcrzogthum Hessen auf 23 Proc., Pfalz 21 Proc., Baden 16 Proc., Rheinprovinz und Braunschweig je 15 Proc., Thüringen 14 Proc. und Oldenburg 6 Proc. Man ersieht aus dieser Aufzählung, daß es sich bei der Mehrbelastung in der Hauptsache um Anstalten handelt, in deren Bezirk die Industrie überwiegt. Das neue Juvaliditatsvcrsichc- rungsgesetz hat demnach in dieser Beziehung der L and- wirthschaft zahlenmäßig nachweisbare Borlheile, der Industrie Mehrbelastungen gebracht. lH Berlin, 10. September. (Zur Charakteristik der Socialdemokratie.) Nachdem die deutsche So cialdemokratie durch ihren professionellen Theoretiker Kautsky wiederum ihren revolutionären Charakter, so wie die Thatsache in Erinnerung gebracht hat, daß die vor nehmste Aufgabe des socialdcmokratischen Zukunftsstaates die Entziehung alles Privateigcnthums sein werde, wenigstens soweit dasselbe nicht in Händen von Prole tariern ist, scheint eö sich neuerdings auch die socialdemo- kratischc Presse zur besonderen Aufgabe gestellt zu haben, das deutsche Volk recht nachdrücklich daran zu mahne«, daß die deutsche Socialdemokratie eine internationale Partei und zwar in dem Sinne international ist, daß dieses Wort soweit das deutsche Reich in Frage kommt, gleichbedeutend mit anti national erscheint. Dies gilt sowohl hin sichtlich der Auseinandersetzung zwischen dem Deutschthum und anderen Nationalitäten innerhalb des deutschen Reichs, als in Bezug auf die äußeren Beziehungen Deutsch lands zu anderen Nationen und Staaten. In ersterer Hinsicht ist dem Kokettircn mit dem Polenthum, auf das die polnischen Socialdemvkraten Oberschlesiens aller dings mit einem verdienten Fußtritt geantwortet haben, alsbald die offene Parteinahme für diejenigen Be strebungen gefolgt, welche darauf abziehen, die deutsch und dänisch gemischten Thcilc Schleswigs als Südjütland wieder an Dänemark zu bringen. Nach der anderen Seite hin ist noch in frischer Erinnerung, wie eifrig die social- demokratische Presse für die chinesischen Boxer gegen Deutschland und die Deutschen Partei ergriffen hat und wie eifrig sic bemüht gewesen ist, die deutschen Truppen und ihr Verhalten während der chinesischen Expedition auf das Gröblichste zu beschimpfen. In jüngster Zeit hat so dann allein die socialdemvkratische Presse sich ohne Weiteres und unbedingt die Auslegung der bekannten Rede des Präsidenten Roosevelt über die M o n r o e d o c tr i n, als sei diese Rede ausschließlich gegen Deutschland gerichtet, «»geeignet, während doch sonst überall mit Recht darauf hingewicscu ist, daß diese Ausführungen sich mindestens in demselben Maße gegen die imperialistische Cvlonialpvlitik Großbritanniens richten. Diesem antideutschen Verhalten setzt aber die Behandlung des h a i t i s ch e n Z w is ch c n - fallesdieKrone auf. Während es sich darum handelte, einen seeraubartigeu Angriff aus ein deutsches Schiff und die deutsche Flagge zu sühne«, und soeben diese Sühne in geradezu musterhafter Weise durch S. M. L. „Panther" herbeigcführt worden ist, bringt cs das socialdemvkratische Parteiblatt fertig, Deutschland und die Reichsregicrung wegen ihres Vorgehens zu verhöhnen. Es hat sowohl für die deutsche Nechtsauffassung der Behandlung des Ham burger Schiffes durch ein Rebcllenschiff wie für die prak tischen Consegucnzen, welche in der Erecution jenes Schiffes durch den „Panther" aus dieser Rcchtsauffassung gezogen sind, nur grimmigen Spott. Die Thatsache richtet sich selbst, sic bedarf keines Connnentars. Sie enthält auch für uns, die wir die Bezeichnung „international", welche sich die deutsche Socialdemokratie beilegte, stets richtig in dem Sinne von „deutschfeindlich" aufgefaßt haben, nichts Neues, wohl aber ist cs von einem gewissen praktisch-poli tischen Interesse, daß dieser antideutsche Charakter der So- cialdemokratie gerade jetzt so nachdrücklich von ihrer Presse betont wird, wo die Svcialdemokralie sich anschickt, die Rolle des Vorkämpsers in dem Kampfe gegen den Zoll- tarifentwurf zu spielen, und wo unsere bürgerlichen frciyändlerischen Parteien nur zu bereit sind, ihr Gefolg schaft zu leisten. Man wird auch in denjenigen Kreisen, in denen man bisher dieser Seite der Sache nicht die nöthige Aufmerksamkeit zugewendet hat, sich sagen müssen, daß eine Sache, welche von einer so entschieden antideutschen Partei, ivic die Soeialdemvkratic, so lebhaft bekämpft wird, wie der Zolltarif, nicht blos im deutschnationalen Interesse liegen, sondern für die deutschnativnale Sache von der allergrößten Bedeutung sein muß. Man wird sich in diesen Kreisen ferner nicht verhehlen dürfen, daß man mit der Unterstützung der Sveialdcmokratie in dem Kampfe gegen den Zolltarif die Geschäfte dieser grundsätzlich das deutsche Reich bekämpfenden Partei macht. Auf diejenigen unserer Politiker, denen der Freihändler über Alles geht, werden solche Erwägungen zwar keinen Eindruck wachen, aber diejenigen Kreise unserer Bevölkerung, welche sich auch in den wirthschastlichen Kämpfen noch ein Stück nationalen Bewußtseins erhalten Haven, werden doch stutzig werden müssen, ob die Waffenbrüderschaft mit der Socialdemokratie sich mit dcntschnationalcr Gesinnung und deutschnationalem Denken und Fühlen verträgt, und sic werden bei näherer Erwägung zu der Ucbcrzeugung ge langen müssen, daß, wer treu zum deutschen Reiche steht, auch in den Handels- und zollpvlitischen Kämpfen seinen Platz uicht neben der Svcialdemokratie nehmen kann, sondern »vthwcndig auf der Leite stehen muß, welche diese nachdrücklich bekämpft. Berlin, 10. September. (M a r i n c st i f t u n g.) Bei dem großen Interesse, welches aus allen Kreisen der kaiserlichen Marine cntgegcngebracht wird, ist es ausfällig, daß die Mariucstiftung Frauengabe Berlin-Elberfeld in den letzten Jahren nnr in wenig Fällen eine Forderung erfahren hat. Sie verdiente letztere in vollstem Maße in Anbetracht ihres Zweckes und ihrer Geschichte. Ihre Entstehung hängt mit der Bewegung zusammen, welche im Jahre 1850 zur Erwerbung eines Kriegsfahrzcugcs von deutschen Frauen ausging und zur Anschaffung des nach her „Frauenlob" genannten Schooncrs führte. Damals blieben 25 000 Thaler überschüssig, zu denen später 7900 Thaler traten, die in Elberfeld gesammelt worden waren. Aus diesen Beiträgen entstand die Stiftung, Feuilleton. Eine Liebesh eirath. Bon Helene Lang-Anton (Königsberg). Nachdruck dtrdvlcu. „Meine süße, süße, kleine Braut!" Er flüsterte diese Worte und preßte das schlanke, blonde Mädchen an seine Brust, er küßte ihren Mund, ihre Augen, ihre Wangen, und sie ließ es ruhig geschehen. Regungslos lag sie in seinen Armen, die Augen geschlossen, ein Lächeln um den halb geöffneten Mund, die vollen Lippen ihm zu gewendet. Wie sie ihn liebte! Wie ihre ganze junge Seele ihm entgegendrängte, wie ihr Herz, ihre Sinne nur von ihm erfüllt waren, nur in engen Grenzen um seine Person sich zogen. Wie süß ihr selbst jedes Leid, jede Qual war, die sie seinetwegen erlitten hatte. Nun gehörte er ihr, und keine Macht der Erde sollte ihn ihr entreißen. Nnr der Tod sollte sie trennen. Und inniger noch schmiegte sie sich an ihn, mit hingehender De- muth sich ihm bietend. Er staunte über ihre große Liebe, über ihre Willens kraft, die alle Hindernisse siegreich überwunden hatte, und — er schämte sich. Wie klein kam er sich in seinem Empfinden, Denken und Wollen vor. Verdiente er diese Lisbe? War er dieser Kämpfe mich werth? Er liebte sie doch auch? Eine Blutwclle schoß ihm ins Gesicht. Liebte er sie wirklich ? Welche Umstände hatten ihn zu ihr geführt? Welchen wahren Grund hatte seine Liebeswerbung? War es nicht ein großes, unverzeihliches Unrecht, was er da beging? Unwillkürlich sanken seine Arme herab, und er schob sie von sich. Mia schlug die Augen auf und sah ihn ver wundert darüber an, sich eben noch heiß umschlungen und jetzt zurückgcdrängt zu fühlen. Ihr fragendes Auge quälte ihn, und er zog sie wieder an sich, so konnte sie wenigstens sein Gesicht nicht sehen. Seine Stimme hatte er besser in der Gewalt und so wieder holte er: „Meine süße, kleine Braut!" Als er Abschied von ihr nahm, sah sie ihn noch einmal mit überströmender Zärtlichkeit an Md flüsterte: „Morgen!" Er wiederholte das Wort, und mit einem langen Kusse schieden sie Es war schon Alles im Haufe zur Ruhe gegangen, nur Mia wachte. Sic sah sich immer wieder ihren Hochzeits staat an, der gleißend in seiner Pracht über Tisch und Sopha lag. Sie preßte den atlasartigen Stoff liebkosend an ihre Wangen, berührte mit ihren Fingerspitzen das duftige Gewebe des Schleiers und den Myrtenkranz un dankte Gott ans tiefstem Herzen für das Glück, dem sic entgcgenging. Morgen würde sic die seine. O, wie sehr sie ihn liebte! Und sic wußte, diese Liebe würde nie erkalten, nie vergehen. Nur mit dem Tode würde sie aufhören. Und überwältigt von dem Ucbcrmaß ihres Glückes fing sie zu schluchzen au. Am nächsten Morgen wurde ihr ein Beilchcnstrauß ihres Verlobten überreicht mit einem Briefe. In der Dämme rung erschienen die Blumen fast schwarz. Sie erschauerte, und mit einem leisen Unbehagen schob sie die Blumen fort, griff hastig nach dem Briefe und erbrach ihn. Während sie ihn überflog, wich aus ihrem Gesicht alle Farbe, und mit einem Wchlaut sank sie zu Boden. Erst nach einer Weile ermannte sic sich wieder, glättete den Brief, den ihre Hand zerknittert hatte, und las ihn noch mals durch. Das war ja nicht möglich, was da stand, das war ja Heller Wahnsinn! Nie konnte ihr Verlobter, -er Mann, den sie über Alles liebte, diesen Brief geschrieben haben. Und doch stand es da, in unbarmherziger Klarheit: „Meine arme kleine Nelly! Verzeihe, wenn ich Dir Schmerz bereite. Ich habe, was doch gesagt werden muß, bis zum letzten Augenblick ausgeschoben. Daraus magst Du ersehen, daß cs mir schwer genug geworden ist. Ich verhcirathe mich. Gräme Dich nicht zu sehr, cs geht nicht anders — und wir werden uns ja wohl im Leben Wiedersehen. Dein P." Mia starrte wie entgeistert auf das Blatt Papier, dessen Inhalt ihr Glück, Frieden, Lieben und Hoffen zerstörte. ES gab ihrem Herzen den Todesstoß. Nie wieder würde das Vertrauen zu ihm zurückkchren. Es war Alles zu Ende. Der Mann, dem ihre erste und einzige Liebe galt, -en sie sich mit schweren Kämpfen er rungen, hatte eine Geliebte gehabt. Das war nicht schlimm. Sie hatte oft genug gehört, daß dies bei Bielen der Fall sei. Aber er hatte diese Geliebte beibehalten in der Zeit ihres Verlöbnisses und hatte mit denselben Lippen sie und Jene geküßt.... Erst heute, am Tage ihrer Verbindung, hatte er den Muth gefunden, der Anderen seine Vcrhcirathung einzugestehcn! — Er hatte wie ein Feigling an jenem Mädchen gehandelt, das ihn gewiß auch liebte, — elender aber noch an ihr. Nur ein Zufall hatte cs ihr vcrrathen. Denn daß hier eine Ver wechselung der Briefe vorlag, war ihr gleich im ersten Augenblick klar. Er bedauerte jenes Mädchen noch, tröstete sie, weil es nicht anders ginge. Mia's ganze Gestalt erzitterte im Schmerze bei dieser banalen Redewendung, und doch wäre sic vielleicht darüber hinweggckommcn, hätte ihm in ihrer großen Liebe ver ziehen, wenn die Hoffnung auf ein Wiedersehen nicht den Schlußsatz gebildet hätte. Das trennte sie für immer! — Als ihre Mutter in das Zimmer trat, fiel sie ihr auf schluchzend nm den Hals. Diese, in dem Glauben, daß nur der Ernst des Tages sie so aufrege und weich stimme, suchte sie zu beruhigen. Als sic aber die ganze Verstörtheit Mia'S, ihre trostlosen Augen, ihre wie im Krampfe geschlossenen blassen Lippen sah, sah sic sofort, daß etwas Ernstes ge schehen war. Bald wußte sie Alles, und, obwohl im tiefsten Innern empört über das uncorrccte Vorgehen ihres Schwiegersohnes, suchte sic ihn zu entschuldigen. In wenigen Stunden war die Trauung, daran war nichts zu ändern, und sic hoffte, je leichter sic ihrer Tochter die Sache vorstclltc, desto eher wurde diese darüber Hinweg kommen. Aber sie irrte sich. Je mehr die Mutter ihm daS Wort redete, die ganze Sache als etwas Alltägliches hin stellen wollte, desto entsetzter starrte sie Mia an. Endlich schrie sie gepeinigt auf: „Mutter, Mutter, Du glaubst doch nicht wirklich, daß ich jemals diesen Mann zum Altar folgen werde, daß ich jemals —" Die Mutter unterbrach sie. Was waren das für Thor, hciten, für Ueberspanntheitcn! Alles war bestimmt, be stellt. Was gäbe das für einen Skandal! Die ganze Stadt würde darüber sprechen und spotten. Und wegen einer solchen Bagatelle, die doch jeden Tag sich wiederholte! Solche Männer gäben meist die besten Ehemänner. Sie und der Vater hätten diese Verbindung nie gewollt. Mia selbst habe sie erfleht, schließlich erzwungen, und nun wollte sie der Welt ein solches Schauspiel geben! Mia stand schmerzverloren da und hörte der Mutter zu. Sie verstand die Worte auch, aber sie begriff sie nicht. War das ihre Mutter, ihre gütige Mutter, die sie gehegt und gepflegt hatte, die stets nur auf ihr Glück bedacht war, die sie hineinsticß tu ein Vcrhältniß, wo cs kein „zurück" gab, hinausjagte in ein Leben, das nur endloses graues Elend für sie sein konnte? Die Mutter wußte doch, wie heiß, wie übermenschlich sie diesen Mann geliebt, und wie tödtlich sie dieser Streich getroffen hatte. Nie gab cs mehr ein Glück für sic, und deshalb hatte die Mutter ja Recht. Wozu der Welt das Schauspiel geben ? Ob sic ihn nahm oder nicht, es war ja gleich. Elend war und blieb sie. Sie nickte nur noch zu Allem, was die Mutter sagte: und als sie einige Stunden später zur Trauung festlich ge schmückt wurde, ließ sie eS ruhig geschehen. Sie war ent setzlich bleich und fror vor innerer Kälte. Die vielen herzlichen und cvnventioncllen Glückwünsche gingen an ihren Ohren wie leerer Schall vorüber. Sie glaubte nicht mehr an Glück. Für sic gab cs keines mehr. Mit dem Glauben an ihn und seine Liebe war Alles in Trümmer gegangen. Er hatte von der unglückseligen Verwechselung schon Kenntnis; und war tief erschrocken und angsterfüllt zu ihc geeilt. Erleichtert athmete er auf, als er sie in vollem Braut staat sah. Was er gefürchtet hatte, war also nicht cingc- trcten. Sie war klug und vernünftig, eine Frau, -ie in die Welt paßte, und daS Leben nahm, wle cs ist. Er würde seine Freiheit auch künftig haben. Daß sic so apathisch nnd blaß war, siel weiter nicht ans. Leine Freunde neideten ihm das schöne, reiche Mädchen, und Einer von ihnen konnte sich nicht versagen, ganz in seiner Nähe zu einem Anderen zu sagen: „Ich freue mich über sein Glück, aber noch mehr werden sich seine Gläubiger freuen." Er zuckte zusammen. Der Hieb saß . . . Ja, das war der erste und zwingendste Grund zu seiner Bewerbung gewesen. Und eben deshalb ging es nicht anders. Er liebte das stolze, edle Mädchen ja auch, nach feiner Art. Großer Gefühle war seine Natur nicht fähig. Die Er innerung an das kleine, süße Mädel, das gewiß jetzt daheim sich die Augen halb blind weinte, zog an seiner Seele vorüber. Aber auch das schüttelte er von sich ab. Er war in dieser Beziehung ein Lebcnskünstler, wie Wenige, und hatte es stets vortrefflich verstanden, das Angenehme uns seine Leite zu bringen, allem Unbequemen aus dem Wege zu gehen. Als er jetzt seine Braut umschlang, sie die Treppe znm Vagen sorgsam hinnntcrfnhrte, waren seine Gebärden un fein Blick von so überströmender Zärtlichkeit, daß sich die Freunde des Hauses lächelnd zurauntcn: „Gott sei Tank! Doch endlich wieder einmal eine echte LicbeShcirath" ... ———
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite