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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 15.09.1902
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-09-15
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19020915028
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902091502
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902091502
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1902
- Monat1902-09
- Tag1902-09-15
- Monat1902-09
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Preis die 6gespaltene Petitzeile 25 Reklamen «ntrr dem Rrdaction«strich (4 gespalten) 7V Lp vor de« Familiennach- richte« (S gespalten) SV Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offertenannahme LS H (rxcl. Porto). Extra-Beilage« (gefalzt), nur mit der Morgen»Au-gabe, ohne Postbeförderung SV.—, mit Postbeförderuug 7V.—. Ämiahmeschluß für Anzeigen: Ab end-Au-gabe: Vormittag« 10 Uhr. Morge«.Ausgabe: Nachmtttag« 4 Uhr. Anzeigen sind stets an dle Gxpedktion zu richten. Die Erpeditton ist Wochentag« ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi« Abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. Montag den 15. September 1902. Sk. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig, 15. September. Da« »AcrionScomiiS* de« sveialdemokrattsche« Eisen- dahuarSciterverbanPeS hat belanutlich kürzlich an die Eisen bahner einen Ausruf gerichtet, in dem auf die Möglichkeit eine« großen Eiseubabnerau-stande« in Berlin hin gewiesen wurde. Da durch diesen Hinweis zum ersten Male in Deutschland ein Plan concrete Gestalt annahm, der in der Theorie unter den Mitteln zur Verwirklichung deS General streik« den ersten Platz einnimmt, so ist e« be greiflich, daß der größte Theil der bürgerlichen Presse diesen Plan erörtert. Der „Vorwärts" erblickt in der aus diesen Erörterungen sich ergebenden Besorgniß wegen eine« EisenbahnerstreikS den Ausdruck des „bösen Gewissens*; denn einerseits seien die Verhältnisse der Eisenbahnarbeiter in der That äußerst elende und andererseits verweigere jede Eisenbahnverwaltung den in ihrem Betriebe beschäftigten Arbeitern beharrlich das CoalitionSrecht, auf das sie, gleich andern Arbeitern, ein gute- Recht hätten. Da« social demokratische Blatt meint deshalb als wirksames Mittel, die schweren Folgen eine- EisenbahnerstreikS zu verhüten, lediglich anrathen zu können: „An erkennung und Achtung der Arbeiterorganisation*. Mit anderen Worten: es soll den Eisenbahnarbeitern ausdrücklich gestattet werden, sich dem socialdemokratischen Verbände in Hamburg anzuschließen, und die Eisenbahnverwaltungen sollen mit diesem Verbände wie Macht zu Macht ver bandeln. Der „Vorwärts" selbst wird kaum erwarten, mit diesem guten Rathe bei den deutschen Regierungen bereit willige« Gehör zu finde«. Aber auch beim großen Publicum wird er nicht auf allzuviel Zustimmung zu rechnen haben. Die Lage der Eisenbahnarbeiter läßt zweifellos hie und da noch zu wünschen übrig; aber der gerechte Beurtheiler der vielfachen parlamentarischen Ver- Handlungen z. B., die über das Thema stattgefunden haben, kann die Bezeichnung dieser Lage als einer „äußerst elenden* als begründet nicht anerkennen. Gerade gegenwärtig werden viele Taufende von „freien* Arbeitern die „Eisenbahner* bitter be neiden. Sodann ist eS eine unzulässige Darstellung der Rechtslage, wenn mau immer so thut, al« ob den im Dienste der Eisen bahnverwaltungen Angestellten ein gesetzlicher Anspruch auf daS CoalitionSrecht zustehe. Die staatlichen Eisenbahn verwaltungen unterstehen nicht der Gewerbe-Ordnung, und somit findet auch das nur für den Bereich der letzteren verliehene CoalitionSrecht auf sie keine Anwendung. Damit ist aber nicht gesagt, daß die Eisenbahnarbeiter be treffs der Geltendmachung ihrer Wünsche ein für allemal mundtodt gemacht werden müßten. ES ist durchaus nicht ausgeschlossen, daß die Verwaltungen mit Vertretungen der Arbeiter, um in den Worten des „Vorwärts" zu reden, über Lohn- und Arbeitsbedingungen verhandeln und die Wünsche und Beschwerden der Arbeiter auf diese Weise friedlich zu regeln suchen; aber nicht mit einer den Eisenbahnverwaltungen feindlich gegenüberstehenden, social demokratisch geleiteten „Organisation*, sondern mit ihnen bekannten und an der Sache selbst betheiligten Arbeitern. Die vom „Schwäb. Merk." empfohlene Einrichtung von Arbeiterausschüssen ist in den staat lichen Betrieben doch keineswegs unbekannt. Daß aber eine gewerkschaftliche Organisation der Eisenbahnarbeiter mit dem ganzen Apparat de- StreikwesenS nicht zugestandeu werde» kann, darüber herrscht in der öffentlichen Meinung ohne Zweifel eine ganz überwiegende Uebereinstimmung. Nicht da» „böse Gewissen*, sondern die deutliche Erkenntniß des ungeheuren Schadens, den eia umfassender Eisenbahnerstreik verursachen müßte, ist der Grund der in den Blättern zum Ausdruck ge kommenen Besorgniß. Ohne Unterschied der Partei sprechen diese Stimmen sich dahin anS, daß ein solches Unglück jeden falls verhütet werden müsse. Daraus sollte der „Vorwärts* er kennen, waS die unvermeidliche Folge sein würde, wenn der Rath zum massenhaften Anschluß an den Hamburger Verband von den Eisenbahnern wirklich befolgt würde, nämlich eine Gesetz gebung, die den ungestörten Fortgang des Eisenbahnbetriebs zunächst gegen den Contractbruch der Arbeiter durch hohe Strafen und sodann für den Fall einer allgemeinen Arbeits niederlegung durch eine militärische Organisation zu sichern suchte, wie sie vor einigen Jahren in Italien geschaffen wurde. Bei der absoluten Unentbehrlichkeit eine« ununter brochenen Eisenbahnbetriebs für daS wirtschaftliche Leben der Nation wäre die gesetzgeberische Annahme solcher Maß regeln unzweifelhaft. Das «elfische Hauptorgan hatte bekanntlich während der Anwesenheit des Königs von Italien in Deutschland es für paffend erachtet, darauf hinzuwciscn, -aß nn Jahre 1860 -er preußische Minister des Aeußeren, Graf Schleinitz, die Anerkennung Italiens ab gelehnt hatte. Darauf war -em Wclfenblatte entgegnet worden, daß nicht nur das preußische Abgeordnetenhaus wenige Monate später in einer Adresse an den König er klärte, der „fortschreitenden Consolidirung Italiens ent- gcgcnzutreten, erachten wir weder im preußischen, noch im deutschen Interesse", sondern baß bereits auch Anfang 1862 Italien von Preußen anerkannt, mithin der Inhalt der Schleinitz'schcn Note annullirt wurde. Darauf erwidert nuu das Blatt mit gleichem Aufwande von Logik nnd Ge- schichtskeuntniß: „Diese Anführung soll sich gegen nus richten, spricht aber nur für nnS, denn sie beweist, daß die Aera Bismarck die conscrvativcn Bahnen verließ, sich auf nationallibcrale, mit der Revolution sympathi- sirendc Elemente stützte. . . ." Bismarck wurde am 23. September 1862 zum interimistischen Vorsitzenden des preußischen Staatsministeriums und 14 Tage daraus zum Ministerpräsidenten ernannt. Der von uns erwähnte Be schluß des, preußischen Abgeordnetenhauses aber erfolgte am 6. Februar 1861, also volle Is4 Jahre vor dem Beginne der Bismarck'schcn Ministcrschaft; er kann also sicherlich nicht der „Aera Bismarck" zugeschricben werden. Weiter sollte das welfischc Blatt die Geschichte doch wenigstens so weit kennen, um zu wissen, daß Bismarck in seiner ersten Zeit in erbittertem Gegensätze zu dem gesammten Libera lismus Preußens — eine nationallibcrale Partei gab cs damals bekanntlich noch nicht, sie entstand erst 1866 — regierte; die erwähnte Adresse aber entsprang de» Auf fassungen der damals im preußischen Abgeordnetenhause in der Mehrheit befindlichen liberalen Parteien. Wenn es also auch nach unserer Ansicht keineswegs für Bismarck eine Schande gewesen wäre, der geistige Vater der er wähnten Adresse zu sein, so war er es doch eben nicht, son dern der liberale Fikhrcr Freiherr von Vincke war der Urheber dieser vom Wclfenblatte für so revolutionär gehaltenen Adresse. In dem erwähnten Artikel war dann noch auf die eigenartige Aehnlichkeit zwischen den Per sönlichkeiten der letzten welfischcn und der letzten ncapoli- tanisch-bourbonischen Herrscher hingewiesen worden. Das «elfische Blatt findet es „überflüssig", auf diesen Vergleich etnzugehen. Diesen Ausdruck braucht man gern, wenn man nichts zu sagen weiß. Unter -em Titel „Der Batican und die Congre» gationen" veröffentlicht -er bekannte klerikale Journalist Jean - e Bonnefon einen Leitartikel im „E c l a i r", in dem er zunächst ausdrücklich erklärt, daß alle Gerüchte und Mittheilungen über das angebliche Einschreiten -es Vatikans zu Gunsten der Congregationcn vollständig er funden seien. Dann fährt er fort: Wahr ist, daß sich im Vatiean Niemand nm die Con- gregationen kümmert, zum Mindesten nicht, um sie zu unterstützen oder die Existenz -er armen Mädchen und der wackeren Mönche zu sichern, die im Vertrauen auf die Verträge in das Ordenspersonal der Kirche ein getreten waren. Der heilige Stuhl hat all' diese Con- grcgationen ermächtigt, controlirt, gesegnet. Wenn der heilige Stuhl, der keine Armee hat, die Congregationcn nicht verthcidigen kann, so kann er sie doch unterstützen. Aber die Politik des Vatikans ist die des tauben Ohres nnd der halb geschlossenen Augen. Sprechen Sie nur mit dem Cardinal Rampolla, der eine sicUianischc Aufrichtigkeit hat, von den Jesuiten, Benediktinern, Clarissen, Karmelitern, so wird er mit seinen Fang armen herumfuchteln, einen Seufzer ausstoßen und von anderen Dingen sprechen. Die Congregationcn inter- cssiren weder ihn noch seinen Anhang, noch seine Freunde, noch die ganze Bande, die eine Mauer um den Papst bildet. Die Angelegenheit -er Kongregationen ist aber die logische Folge, das unvermeidliche Ende der Politik, die die Gottlosen die Politik Leo ' s XIII., und die wir die Politik des Vatikans nennen. Eines Tages sagte der Papst in einem großen nnd er habenen Gedanken zu den Gläubigen Frankreichs: „Treibt keine Politik!" Das war vortrefflich. Cardinal Rampolla gab aber daraufhin schlaue Weisungen, die sich folgendermaßen zusammenfassen lassen: „Treibt republikanische Politik, um in die Republik cinzutretcn und kleine Lamns an Stelle der jetzigen Männer zu setzen." Die jetzigen Männer haben sich zur Wehr ge setzt und wttthend auf die Unschuldigen eingehancn, wie das in allen Streitigkeiten -er Fall ist. Die Republi kaner stnd von einem neuen Hasse gegen die Kirche er saßt worden und die Politik Rampolla'S, die schöne Frucht eines schönen Baumes, hat die Verfolgungen und Austreibungen bervorgebracht. Der Vatikan sicht, was vorgeht. Man bildet sich ein, daß er einhält nnd sagt: Wir haben vielleicht eine falsche Bahn eingeschlagen. Wir haben es an Aufrichtigkeit fehlen lassen, die fran zösische Negierung und die Katholiken getäuscht. Das Concvrdat ist gefährdet. Versuchen wir cs mit einem neuen System. Es giebt in Frankreich hochverdiente Cardinale, die Laboure, Perrand u. s. w. „Befragen wir sie!" Der Vatikan, -en Rampolla vertritt, lagt aber nicht etwas so Einfaches. Er sagt: „Wir haben Leo XIII. durch zwanzig Jahre getäuscht, hintergangcn, betrogen, fahren wir fort, uns über ihn zu belustigen." Statt den Papst davon zu verständigen, daß die sogenannte päpst liche Politik Bankerott gemacht hat, ist der Vatikan darauf bedacht, -cm alten Papst zu beweisen, -aß die Stunde des Triumphes geschlagen hat. Was bedeutet die Austreibung der Schwestern, was der Ruin -es katho lischen Unterrichts neben dem großen Triumphe Rampolla'S? Und welch' ein Triumph! In den Bullen, die die Ernennung der Bischöfe begleiten, hat Cardinal FeitiHetsn. IS) Der Liebeshandel. Roman von Rudolf Htrschberg-Jura. Nachdruck verdate». „Wenn Du ihn genügend eingeführt hast, dann ist es für Dich zu spät, noch zu verreisen. Du hast eine Erholuntz noch nie so nöthig gehabt, wie dieses Jahr. Du mußt unbedingt etwas für Deine Gesundheit thun. Es hat mir schon oft Sorge gemacht, wie nervös und unruhig Du in letzter Zeit geworden bist. Ich bitte Dich, gieb Deine Reise nicht auf. Wenn Du die Geschäfte in Deiner Abwesenheit nicht in Ernst's Hände legen willst, so ist es ja der einfachste Ausweg, ihn noch vier Wochen bummeln zu lasten und ihn erst nach Deiner Rückkehr zu seiner neuen Thätigkeit heranzuzichen. Die Kinder sind ohnehin noch in den Flitterwochen. Er wird es Dir nicht übel nehmen, wenn Du ihn noch ein paar Wochen weiter flittern läßt!'! „Ja, ja! Flittern!" fuhr Robert heftig auf. „Daß er zu viel flattert, möchte ich befürchten. Ich kann nichts Besseres für ihn thun, als ihn möglichst bald an ernste Arbeit gewöhnen. Morgen will ich mit ihm beginnen. Er wird sich ja wohl selbst wieder nach einer regelrechten Beschäftigung sehnen. Und was meine Gesundheit betrifft, Mila, fo mach Dir gar keine Sorgen. Ich mag etwas ner vös geworden sein aus Sehnsucht nach dem Jungen. Und natürlich auch nach unserer Käthe. Wenn wir erst unseren Famtlientisch wieder vollzählig haben, dann bin ich auch wieder der Alte. So, nun besorge schnell noch die Blumen, damit wir nicht zu spät an die Bahn kommen." DaS heimkehrende Ehepaar wurde von den Geschwistern mit stürmischer Herzlichkeit empfangen und in die traulich und geschmackvoll eingerichtete Wohnung ge leitet. Ernst war von Allem höchst befriedigt und fand auch sehr paffende Worte des Dankes. Käthe fühlte sich durch das gediegene, prächtige Heim, in dem sie nun herrschen sollte, beschämt und blieb dem Schwager gegen über trotz besten Herzlichkeit -en ganzen Abend über bc- fangen. Auch die Pfirsichbowle, durch die Ernst zu den leb haftesten Schilderungen von Sylt begeistert wurde, ver mochte ihren gedrückten Sinn nicht zu erheitern, und -etm Schlafengehen fiel sv-ar Ernst ihre Einsilbigkeit auf. Seinen verwunderten Fragen suchte sie zunächst auszu weichen. Schließlich aber antwortete sie: „Ich fühle mich unfrei vor Deinen Geschwistern, be sonders vor Robert. Die letzten Wochen hatte ich ganz vergessen, -aß wir all' unser Glück nur Deinem Bruder verdanken. Jetzt fällt es mir wieder ein, und auch, daß wir ihm bis jetzt noch gar nichts dagegen zu geben im Stande gewesen sind, so herzlich gern ich ihm seine Liebe vergelten möchte. Auch diese Wohnung, dieses Zimmer, dieser Tisch und diese Stühle hier, das ist doch Alles sein Geschenk!" „Wann wirst Du Dir endlich abgcwöhnen", erwiderte Ernst ärgerlich, „Dich meiner Familie gegenüber auf einen so ängstlichen, demüthigcn Standpunkt zu stellen! Ich habe Dich schon mehrmals gebeten, Dir keine solchen thörtchtcn Gedanken zu machen, die Dir nicht zieme». Was geht Dich Alles das überhaupt an? Was Du bekommen hast und noch bekommst, erhältst Du Alles von mir und nicht von Robert. Woher ich es nehme, kümmert Dich nicht. Mich darüber mit Robert auseinanberzusetzen, ist lediglich eine Geschäftssache, die ganz allein mich angehr. Uebrigens kann auch ich für meine Person bis jetzt durchaus nicht von beschämenden Geschenken Äobert's reden, son dern nur gewissermaßen von einem Vorschuß auf meine morgen beginnenden Arbeitsleistungen." „Gewiß, lieber Ernst. Immerhin stnd wir dann vor läufig in Robert'« Schuld. Und daS drückt mich!" „Läßt er eS Dich denn irgendwie merken N „O, dazu ist er viel zu feinfühlig!" „Nun, dann solltest Du erst recht zu feinfühlig sein, um mich immer von Neuem auf die demüthigende Stellung auf merksam zu machen» die ich Deiner Meinung nach als Schuldner meines Bruders einnehme. Du weißt ja, wem zu Liebe ich mich in diese Stellung begeben und au» welchen Gründen ich auf meine aussicht-volle GtaatSlaufbahn ver zichtet habe." Käthe schwieg und bezwang ihre aufstetgenden Thräncn. Ueberhaupt war sie immer eifrig bestrebt, Alles zu ver meiden, wa» Ernst » Unwillen erregen konnte, und ihm eine musterhaft geduldige Gattin und Hausfrau zu werden. So oft er sie jetzt Abends allein ließ, nie ließ sie eine Klage laut «erden. Nie fragte sie ihn au», wo er gewesen, wenn er spät erst heimkehrtc. Auch ihre Verwunderung, warum sie fast nie mit Robert und Emilie zusammen waren, unter drückte sie um so leichter, al» sie vor Robert eine eigenthttm- liche Scheu empfand. I« den wenigen Stunden ad«, die er ihr widmete oder doch in ihrer Gegenwart zubrachte, überhäufte sie ihn mit unablässiger Zärtlichkeit. Immer, ob er eine Zeitung laS, oder einen Brief schrieb, war sie an seiner Seite, nnd cs hätte der mühsamsten Selbstbeherrschung bedurft, um sie nicht merken zu lasten, daß ihm ihre beständigen stür mischen Liebkosungen lästig wurden. Auf diese Selbst beherrschung aber verzichtete er meistens, nnd Käthe kam sich dann so entsetzlich elend und überflüssig vor, daß sie absichtlich die Augen gegen jede Erkenntniß verschloß nnd sich um so unverdrossener um ihren gleichgiltigcn Gatten bemühte. Trotz des Erkaltens seiner Leidenschaft ließ er cs natür lich, besonders vor Zeugen, niemals an der vollendeten Artigkeit fehlen, die er seiner Gemahlin schuldig war. Ebenso zeigte er in der Kanzlei großen Eifer, sich in seine neue Thätigkeit rasch cinzuarbeitcn. Häufig ging er jetzt frühmorgens auf die Hühnerjagd, und es war ihm eine große Ehre, sogar von den adligen Gutsbesitzern der Um gebung ein paarmal dazu etngeladen zu werden. Wenn auch sonst seine Beute meist spärlich war, so brachte er doch oft die Freude einer neuen Bekanntschaft mit heim. Dabet versäumte er übrigens niemals, rechtzeitig zu rückzukehren und pünktlich in der Kanzlet zu erscheinen. Mit des Bruders Strebsamkeit wäre Robert daher sehr zufrieden gewesen, wenn nicht andere Dinge feinem Scharf blick Sorge gemacht hätten. Auch schmerzte eS ihn, daß von dem gemeinsamen Familienleben während des Braut standes jetzt nichts mehr geblieben war. Es vergingen oft Tage, ohne daß er Käthe zu Gesicht bekam, und er wußte, cs waren durchaus nicht die unablässigen Zärtlichkeiten ihres Mannes, die die junge Frau so sehr zurllckhielten und beschäftigten. In die freudigste Aufregung gerieth Ernst, al» die in zwischen in ihrem Hause etngezogene Frau Dtrksen den bereits in Westerland versprochenen Besuch machte. Sie war von bestrickender Liebenswürdigkeit, zeigte sich schon über alle Vorkommnisse in der Stadt und Gesellschaft unterrichtet, und Ernst berauschte sich an ihren kleinen Mit- theilungen ans den vornehmen Kreisen. „Es wurde auch beim Regierungspräsidenten von Ihnen gesprochen", sagte sie lächelnd zn Ernst. „Plein Onkel scheint Sie sehr gut zu kennen. Ihr Austritt aus der Justiz hat ihn gar nicht überrascht, weil Sie, wie er sagte, schon früher die Absicht geäußert hätten, zur Ver waltung überzugehen. Sehr erstaunt aber ist er, daß Die Rampolla ein Wort zu ändern vermocht. Bisher lauteten die Bullen, wie das Concvrdat vorschreibt: „öui»ernium nowinuvit (Die Regierung hat ernannt). Bei -en letzten Ernennungen schwindelte der Batican aber folgende Fassung ein: „lluborniuin uobis ckesixnavit X" (Die Re gierung hat uns X vvrgeschlagen). Vorgeschlagen, statt ernannt! Welch' glänzender Erfolg! Rom hat die Vor rechte aus der Zeit vor dem heiligen Ludwig wieder er obert! Die Regierung kann nicht mehr die Bischöfe er nennen, sie schlägt sie nur vor, und der Papst ernennt sic! Das wäre vielleicht ein Erfolg gewesen, wenn cs nicht ein Schwindel gewesen wäre. Der einmal übersehene Jrrthum wurde aber bei der nächsten Bulle entdeckt. Der Direktor der Cultc, der sein Cvncordat kennt nnd das zuweilen bestrittene Verdienst hat, es muthig zu ver- theidigen, verwahrte sich dagegen und das Wort „ckesignsvit" geht nicht mehr durch; der göttliche Car dinal hat aber die Freude gehabt, wieder einmal den Meister zu hintergehcn, der in seiner bloßen Halb ewigkeit schlummert. Welcher Cardinal wird den Muth haben, sich dem Papste zu Füßen zu werfen und zu sagen: „Ucber die Vorgänge in Frankreich hintergeht man Sie und unter hält man Sie mit Spitzfindigkeiten lateinischer Worte, indeß das Haus in Flammen steht!" Als Katholik, als nicht „gottloser"; sondern sromm- gläubiger Katholik, mutz de Bonnefvn natürlich die Sache so darstellcn, als sei Leo XIII. der pap» mal« inlormatu^ und sein Staatssekretär Rampolla, -er „nmsvi- ckomus" des Vatikans, allein der Sündenbock. Thatsächlich ist der Papst sehr wohl unterrichtet und Rampolla'S Politik ist seine eigene. 11m so schlimmer aber für -en Batican und seine Sache in Frankreich. Wenn ein Klerikaler so schreibt, dann muß es um dieselbe schlecht bestellt sein. CS kracht aber dann eben nicht die Politik eines eigenmächtigen vatikanischen Ministers, sondern die Politik des Papstes selbst. Deutsches Neich. tt Berlin, 14. September. (Einnahmen der Träger der Invaliden- und Altersversicherung.) Wie außer ordentlich verschieden in ihrer Bedeutung für die Invaliten- nnd Altersversicherung deren einzelne Träger sind, zeigt die Mannigfaltigkeit der Einnahmebeträge, welche die einzelnen Versicherungsanstalten zu verzeichnen haben. Wie schon mitgetheilt, bat sich die Gesammteinnahme aus Bei trägen für die gesammten Träger der Invalidenver sicherung im Jahre 1901 auf 134,8 Millionen Mark belaufen. Die Rheinprovinz hat davon 13,7 Millionen Mark vereinnahmt, es folgten Königreich Sachsen mit 12,6 Millionen, Schlesien mit 10 Millionen, Berlin mit 7 Millionen, Brandenburg mit 6,5, Westfalen mit 6,4 Hannover mit 5,6, die Hansestädte mit 4,6, Württemberg mit 4,5, Baden mit 4,4, Hessen-Nassau mit 4,2, Elsaß-Lothringen mit 3,6, Thü ringen mit 3,2, Schleswig-Holstein mit 3,1, Ostpreußen mit 3, Pommern mit 2,9, Oberbayern mit 2.8, Hessen mit 2,6, Posen mit 2,5, Westpreußen mit 2,3, Mittelfranken mit 1,8, Mecklenburg mit 1,6, Pfalz mit 1,5, Braunschweig, sowie Schwaben und Neuburg mit je 1,2 Millionen Mark. Alle übrigen Versicherungsanstalten haben weniger als eine Million Mark Einnahme an Beiträgen gehabt. Von den zugelassenen Cassen hat eine, die für die Arbeiter der preußisch-hessischen Eisenbahngemeinschaft, eine Einnahme von 3,1 Millionen, die sich nun der Anwaltschaft zugewendct haben. Es wäre schade um Sie, meinte er." Ernst bist sich auf die Lippen. „Schließlich bin ich ja noch nicht endglltig für alles Andere verloren", erwiderte er leichthin. „Meine An- waltöthätigkeit braucht nur vorübergehend zu sein. Für einen tüchtigen Verwaltungsbeamtcn ist auch derartige Arbeit eine gute Vorbereitung. Ich hoffe, Gelegenheit zu finden, mit dem Herrn Regierungspräsidenten einmal per sönlich darüber zu sprechen." Als Frau Dirksen hinausgcrauscht war, mußte sich Käthe den Tadel gefallen lassen, nicht liebenswürdig genug gegen diese einflußreiche Dame gewesen zu sein. Sie hatte thatsächlich fast kein Wort mit ihr gewechselt, und sie rüstete sich für ihren Gegenbesuch mit der Absicht allergrößter Freundlichkeit. Bei Fran Dirksen aber drückte sie die üppige Pracht ihrer verschwenderischen Einrichtung derartig nieder, daß sie vor Beschämung und Verlegenheit abermals kein»- Worte fand. Auch Ernst fühlte sich beim Anblick dieses etwas zur Schau getragenen Reichthums inrfrci, und er machte sich Sorgen, wie er bei seinem vcrhältnißmüßig be scheidenen Einkommen den Anforderungen des gesellschaft lichen Verkehres mit der schönen Millionärin entsprechen sollte. Nachmittags, am Schluß der Arbeitszeit, klopfte er dem Bruder vertraulich auf die Schulter. „Robert", sagte er gcmüthlich, „ich mntz Dich um einige Hundert Mark ersuchen." Robert zog die Augenbrauen hoch: „Ich habe Dir doch erst vor Kurzem tausend Mark Vor schuß auf Rechnung Deines Gcwinnantheiles ausgczahlt! Wozu brauchst Du schon wieder Geld?" „Sich' mal, die Gcsellschaftszcit rückt setzt heran. Man Kat Gäste bei sich oder empfängt doch Besuche. Da möchte ich gern ein paar gute Bilder und sonstige Kunst- und Lttxnsgcgcnstündc im Salon haben, und unsere Wohnung überhaupt etwas anständiger Herrichten." „Anständiger?" entgegnete Robert verletzt. „Ich wußte nicht, daß mein Geschmack zu ärmlich gewesen ist; verzeih'." Ernst ärgerte sich über den Fehler, den er gemacht hatte, nnd suchte cinzulenken: „Du mußt mich nicht falsch verstehen. Ich bin Dir ja sehr dankbar, und cs ist wundervoll bei uns, und sehr gc- müthlich, wenn es auch in manchen Salons, wie zum Bei spiel bei Frau Dirksen, noch prächtiger anssieht. Aber darauf kommt e» ja nicht so sehr an. Die Hauptsache ist,
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