Suche löschen...
01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 17.09.1902
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-09-17
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19020917018
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902091701
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902091701
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Bemerkung
- Images teilweise schlecht lesbar
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1902
- Monat1902-09
- Tag1902-09-17
- Monat1902-09
- Jahr1902
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
«SezugS'PrelS str der Hmrptexpediliou oder deu tm Stadt« lxzirk «d de» Vororten errichtet« «»» gab, stelle» abgeholt: otertrljührlich 4. so, — zweimalig«, tüglicher g»stell»»g in» Hau» kchv. Durch di» Post b»G0gk» für Deutschland «. Oesterreich vierteljährlich für di« übrigen Lä»d«r la»t ZeittmgsprrtSlist«. Aedattisn vud Ln>Eou-. Fernsprecher 13» »»d VS». Alfred Hayn, Vuchtza»dlg„ Uatderfitäk-str.», - L. iiöschä, KrckharillNisir. 1^ » KöaigSpl. f. vres-eAr Sttehttnerftveß« st. Fenisprecher Amt 1 Ar. 171». Hau-t-FMale Serlin: KSniggrStzerstraß« 11». Fernsprecher Amt VI Kr. SSV». Morgen-Ausgabe. MpMer-TaMM Anzeiger. ÄMtsökstt -es Königlichen La«-- und Amtsgerichtes Leipzig, -es Rathes und Volizei-Nnttes -er Lta-t Leipzig. Ertra-Vettagen (gefalzt), »ur mit der Morgen «Ausgabe, ohne PostdesSrdernng ^l 60.—, mit VostbefSrdernng 7V^-> Anzeigen-PrerS die 6 gespaltene Petitzeile SS Necla««» «ter de»Rt^aetionSstrich («gespalten) 7S vor den Famtlteuaach. richte, (S gespalten) SS Tabellarischer und giffrrnsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offertenannahme SS (exrl. Porto). Druck und Verlag von U, Polg in Leipzig. Annahmeschluß siir Anzeigen: Abend-Ausgab«» vormittags 10 Uhr. Msrg«a-AoSgab«» Nachmittags 4 Uhr. Anzeigen sind stets au di« Expedition »u richten. Di« Expedition ist Wochentags »n»t«rbroch«n geöffnet von früh S bis «beuds 7 Uhr. 88. Jahrgang. Mittwoch den 17. September 1902. Vie Auswanderung aus Siebenbürgen. I-. In letzter Zeit hat man sich in Ungarn und Sieben bürgen viel damit beschäftigt, der zunehmenden Aus- rvanderung nach Amerika nnd Rumänien, die stellenweise, insbesortdere im siebenbürgischen Schwabenlandc, so groß ist, daß Gegenden volksarm zu werben beginnen, mit allen Mitteln zu steuern. Man meinte, hierfür die beste Form in der Znsammenbcrufung von Eongressen zn finden. Sv haben denn in dem vorigen Monate zwei solcher Congresse, der eine zu Temesvar in Südungarn nnd -er andere im siebenbürgischen Bade Tusnad stattgefunden. Auf -cm ersteren berieth man über die Verhinderung -er Aus wanderung der Banater Schwaben, und auf dem in Tusnad über die der Szckler Bauern. Es ist nun äußerst interessant, die Verhandlungen beider Eongrefsc mit einander zu vergleichen. Die Hauptursachen der Aus wanderung werden auf beiden Congresscn in derwtrth - schaftlichen Noth gefunden. Im Banat haben die letzten Mißjahre die in den 1860er und 1870er Jahren zum großen Thetle durch Anleihen gekauften Gründe ent weichet. Dazu gesellt sich die Zerstückelung des Bauern gutes, in Folge dessen dieses vielfach nicht mehr ganze Fa milien zu ernähren vermag. Auch die Einführung der lanbwtrthschaftlichcn Maschinen wirkt dadurch schädlich, daß diese viele Arbeitskräfte überflüssig machen, ohne daß sie bet etwaigen Industrieunternchmnngen andere Arbeit finden könnten. Ebenso treiben die Höhe der Gebühren bei Uebertragung von Grundstücken, also die Erichwerung einer friedlichen Regelung -es Verhältnisses -wischen Schuldnern und Gläubigern und in Folge dessen die zahl losen Erecutivfeilbietungett zur Auswanderung, weil auf diese Weise der schuldende Landwirth durch gleichzeitige Zerstörung seines Credites vernichtet wird. Die Preise des Getrei-eS sind zu gering, ebenso die Preise für bas zu schlachtende Vieh. Einen ganz besonderen Grund für die Aus wanderung der Schwaben führte eine beherzte Vor lage auS, in der auf den religiös-sittlichen Rück- gang hingewiesen wird, zum nicht geringen Theile ver schuldet durch die Schule! Daher komme, führt die Vorlage aus, Unzufriedenheit mit den bestehenden Verhältnissen, in denen Fleiß, Sparsamkeit und Tugenden früherer Geschlechter daheim waren und erforderlich sind. Hang nach Bequemlichkeit, Prahlsucht und nicht selten auch das gänzliche Meiden der Arbeit träten an deren Stelle, und der materielle Ruin sei die Folge. In diesem Zu sammenhänge wünschte diese Vorlage, cs solle hinfort das Banater Schwabcnkind bis zum zehnten Schuljahre nicht, wie jetzt, magyarisch, sondern in -er deutschen Muttersprache seinen Religionsunterricht er halten. Da hört man die Schwaben in Ungarn, die lange in nationaler Beziehung zu schlafen schienen, erwachen. Ge mäß dieser gerügten Uebclstände machte der Congreß seine Vorschläge zu deren Heilung, wobei in bescheidenen Grenzen die Ltaatshilfe in Berechnung gezogen wird. Einen ganz anderen Ton, als der Temcsvarer schlug der Ausivanderungscongreß in TuSnad an. Alle Hilfe erwartet derselbe vom Staat, und wenn dieser den Vorschlägen dieses Cvngresscs Nachkommen wollte, müßte er sich an dem magyarischen Tzeklcrvolke allein erschöpfen. Es ist daher kein Wunder, wenn weder der Eultus-, noch der Finanzminister ihre Vertreter nach Tusnad geschickt haben; sie müssen ihre Leute kennen. Bei den Steuern heben die Ncttungsvvrschläge an und gehen dann Über zur Zusammenlegung der Grundstücke, die für die Szekler äußerst wenig kosten sollen,' zudem soll der Staat von diesen Kosten SO Proccnt tragen. Er soll weiter eine Boden- crcditaiistalt gründen Helsen, die nach dem Muster der sächsischen und rumänischen Institute Pfandbriefe aus- giebt. Die Production soll zunächst durch Förderung des Flachsbaues gehoben werben; der Staat hat Spinne reien zu errichten. Zu Werbezwecken sollen Waldwiesen ausgeschiedcn, der Obstbau durch Baunrschulen, An stellung von lanbwirthschaftlichcn Wanderlehrern, Er richtung von Berkaufshallen und Eonfervenfabriken, Herabsetzung der Bahnfracht gefördert werben. Zur besseren Verwerthung der Bergwerkserzeugntsle soll der Staat die Szeklerbahncn auSbauen, u. s. w. Weiter wird vom Staat verlangt, er solle das magyarische Gewerbe heben, da Gewerbegenossenschaften ans Szekler Boden nicht recht gedeihen wollen. Von einev Selbsthilfe daher wenige Spuren nnd wenig zu erhoffen! Weitausgreifend sind die Ansprüche mit Bezug auf das Schulwesen, wobei man nur nicht einsieht, was das dem Volke nützen soll, das heute answandert. Cadettenschulen, Handelsakade mien, Ausbau -er nicht vollständigen Gymnasien, Gründung neuer, Mädchenschulen, eine Masse staatlicher Stipendien verlangt der Kongreß; unter allen diesen Wünschen ist vielleicht der vernünftigste der, daß die bis herigen sogenannten Wiederholuttgsschulen — so heißen in Ungarn die Schulclassen für Kinder von 12—15 Fahren — zu landwirthschastlichen Fachschulen ausgcstaltct werden sollen, in denen auch Hausindustrie gelehrt wird. - Wie sehr übrigens auch auf diesem Szeklercongreh allen Deutschen der Krieg erklärt wurde, iit aus dem Vorfälle zu ersehen, der sich gelegentlich der Tombola ereignete. Da hatten zwei rumänische Juden verlangt, cs sollten die Gewinnste auch in deutscher Sprache ausgerufen werden. Kaum aber waren die ersten deutschen Worte erklungen, so erhob sich Pfeifen und wüthendes Gepolter und die Tombola mutzte aufgehoben werden. Und dieser selbe Kongreß hat die Stirn, vom ohnehin durch ihn stark be lasteten Staate zu verlangen, er solle behilflich sein, daß der T o u r i st e n st r o m auch in die Szekler Gegenden gelenkt werde. Da müßten deutsche Touristen erst magyarisch lernen! Deutsches Reich. -s- Berlin, 16. September. lReichstagSlosig- keit und R e i ch sv c r f a s s u n g.) Herr Bebel ist mit -er socialdcmvkratischen „Fränkischen Tagespost" in eine Meinungsverschiedenheit über eine Berfassungofrage gcrathcn. Er hat nämlich in seinem Artikel zum Partei tage die Ansicht ausgesprochen, daß die Neuwahlen zum Reichstage spätestens auf den 16. Juni 1008 an zuberaumen seien. Diese Ansicht wird von der „Fränki schen Tagespost" als irrthümlich zurückgcwicscn, weil zwar die Legislaturperiode zu dem genannten Termin abgc- laufcn sei, die Wahlen aber eventuell auch spitzer statt finden könnten. Um die Richtigkeit seines Standpunctes zu erweisen, führt Bebel nunmehr gegenüber der „Frän kischen Tagespost" aus, daß las Reich ohne Reichstag ebensowenig sein könne, wie ohne Reichskanzler oder einen Stellvertreter desselben; wohl schreibe keine Gesetzes bestimmung vor, daß spätestens am Tage des Ablaufes einer Legislaturperiode ein neuer Reichstag gewählt werden müsse, doch die Stellung des Reichstags in der Verfassung erfordere dies. Bebel führt schließlich den Ausbruch des deutsch-französischen Krieges als ein Beispiel an, welches die Stichhaltigkeit seiner Auffassung veranschaulichen soll. Zweierlei indessen hat Bebel dabei übersehen. Einmal, daß die Reichsverfassung für die Ausschreibung der Neuwahlen nach Ablauf der Legislaturperiode eine bestimmte Frist nicht vorschreibt. Daher steht die Zeit der Anberaumung der Neuwahlen im Belieben des Kaisers. Nur insofern ist der Kaiser in dem gedachten Puncte beschränkt, als die verfassungsmäßige Nothwendigkeit, den Reichstag jährlich zu berufen und den Reichshaushaltsetat rechtzeitig sestzu- stellen, bei der Festsetzung des Wahltages von ihn: berück sichtigt werden muß. Herr Bebel übersieht zum .Zweiten, daß die Reichsverfafsung die A n s l ö s u n g des Reichstags auf Beschluß des Bundesrathes unter Zustimmung des Kaisers in Artikel 24 vorsieht. Die Reichsverfasinng rech net demnach mit der Möglichkeit, daß nach der Auslösung des Reichstags sogleich ein Kriea auSbrechen könne, keines wegs im Sinne des Herrn Bebel. Für solche Fälle bleibt nur der Ausweg, nachträglich — da eine Mobilmachung stets lediglich unter Berücksichtigung der auswärtigen Politik und der militärischen Lage erfolgen muß — vom später zusammentrelenücn Reichstage die Bewilligung der erforderlichen Mittel durch die Annahme einer J.rdemni- tätsvorlage auswrechen zu lassen. Im Gegensatz: zu dem Verfahren, das bei der Änberaumuna der Neuwahl nach Ablauf der Legislaturperiode einzuschlagen ist, bestimmt die Reichsvcrsassung im Falle der Auflösung des Reichs tags, daß innerhalb eines Zeitraumes von 60 Tagen die Neuwahlen stattfinden und innerhalb eines Zeitraumes von 90 Tagen der neue Reichstag versammelt su.a muß. Die Gleichsetzung von Reichstag und Reichskanzler, die Bebel vornimmt, ist weder in der Reichsverfanung ausge sprochen, noch tm Hinblick auf die Möglichkeit und even tuelle Nothwcndigkcit, den Reichstag auszulvsen, durch führbar. O. II. Berlin, 16. September. lU r l a u b st ct d t i s ch e r Arbeiter.) Unsere Stadtverordnetenversammlung wird sich an diesen, Donnerstag mit einer wichtigen com- munal-svcialpolitischen Angelegenheit beschäftigen. Er handelt sich um den Urlaub der städtischen Arbeiter, deren Berlin viele Tausende hat. Ter Magistrat vertritt die Meinung, daß die große Verschiedenheit der Arbeitsver hältnisse in den einzelnen städtischen Betrieben den Erlaß einer generellen Lrdnnng wegen des Urlaubes nicht ge statte; die Vorbedingung eines solchen Urlaubes müsse aber eine mindestens zehnjährige ununterbrochene Dienst zeit bei der Stadt sein. Tic Socialdemokraten verlangen dagegen, daß den Arbeitern, die länger als ein Jahr im Dienste beschäftigt sind, alljährlich ein Urlaub von einer Woche lsieben Tage) unter Fortzahlung des Lohnes ge währt werde. Im Ausschüsse entspann sich eine sehr aus gedehnte Debatte über diese Frage; man wies von mehreren Seiten daraus hin, daß, nachdem den städtischen Arbeitern durch die Erhöhung der Löhne und Herabsetzung der Arbeitszeit, sowie durch die Gewährung von Ruhe geld und Versorgung der Hinterbliebenen bereits nicht un bedeutende Zugeständnisse gemacht worden leien und daß man ohne Kenntniß keiner finanziellen Tragweite au? den socialücmokratischcu Antrag nicht näher eingehen könne. Von Seiten des Magistrats wurde betont, daß es z. B. bei den städtischen Betriebsverwaltungen, den Canali- sations- ilnd den Wasserwerken, besonders schwer halten dürste, Arbeitsversonal während des Sommers zu be urlauben, obgleich gerade in dieser Jahreszeit ein Er holungsurlaub von besonderem Nutzen i'ein könnte. Auch eine gegenseitige Vertretung dürfte bei solchen Betrieben ausgeschlossen kein. Da aber bemerkt wurde, daß bei den städtischen Betriebsverwaltungen in München, Frank- suri a. M. die Beurlaubung von Arbeitern, wenn auch nur in beschränkter Gestalt, eingesührt sei, so beschloß man im Ausschüsse, die Angelegenheit weiter zu verfolgen. Zunächst ioll der Magistrat ersuch: werden, eine Um stellung der Bertrerungskosten kür einen Urlaub von einer Woche, und zwar nach zehn- bezw. fünf-, drei- und ein jähriger Thätigkeit der Arbeiter im städtischen Dienste zu machen, sodann soll der Magistrat in Erwägung ziehen, ob nicht den stäürnchen Deputationen das Recht gegeben werden könne, solchen Arbeitern, Sie dauernd mit be sonders schweren Arbeiten beschäftig: werden, schon nach fünf Jahren eine Woche Urlaub zu gewähren. Jedenfalls wird es am Donnerstag zu hitzigen Deöarten kommen bei denen die Socialüemokraren nneäer einmal den Be weis liefern dürsten, daß ns ungemein freigebig nnd mit Misteln, zu denen sie am wenigsten beitragen, und daß üs nicht ssben wollen, wie viel bester städtische Arbeiter daran und, als zaüllo'e ''stentesarbeiter. Fsttillststt. Unecht. Eine Manöver- und Liebesgeschichte. Von HannsAlbrecht. Nächt ruck verboten. Der Herr Rcserveleutnant Fritz Christensen, im Civil- stände königlicher Assessor, hatte soeben seine Manöver toilette beendet. Die braunen Handschuhe waren äuge« zogen, noch ein letzter Blick in den Spiegel: Ter Schnurr bart nach dem Motto: „Es ist erreicht", saß tadellos, über haupt war er ein schneidiger Kerl, das mutzte man ibm lassen. Ucbcrraschend schnell hatte er sich — bis aus die Wirrniß bei der Achsclstückbcfcstigung vor der ersten Vor stellung in Uniform — überraschend schnell in den Offi- cierSklcidcrn zurechtgefunden, man könnte beinahe be haupten, er fühlte sich darin wie zu Hause und dachte nur noch mit Bedauern an seine frühere Civiltracht zurück. Und dieses Glück, daß das Manöver diesmal in der Gegend um Hermsdorf stattfand, da konnte er „in Uniform" einen letzten Sturm wagen auf das trotzige Herz dcr CousincEUen. Denn das letzte Mal sollte eS sein, das schwor er sich wohl zum hundertsten Male in seinem guten Herzen; er wat nicht der Narr, sich länger auSlachen zu lassen. Doch der Bursche mahnte, es war die höchste Zeit zum Stellen un andere, streng militärische Gedanken verjagten die süß schmerzlichen an die lachende Cousine Ellen. Das mit dem Lachen hatte so seine Bewandtniß. Wenn Fritz Christensen die Cousine darnach gefragt hatte, da war ein noch übermüthigcrcs Lachen die Antwort und durch das Lachen hindurch wurden die Worte hörbar: „Das ist mir ja s o unendlich komisch, wenn Dn mich s o ansiehst und s o roth dabei wirst, wir sind doch s o verwandt und kennen uns doch s o genau." Da war dann dem Fritz wieder die natürliche Farbe ins Gesicht gekommen, vielleicht ein Scheinchen blässer, und er hatte sich abgewandt und zu jemand anders gesprochen. Also in der Gegend von Hermsdorf war das Quartier der zwei ersten Bataillone des X. Jnfantcrie-RegimenfS aufgeschlagcn. Und im Hermsdorfer Hcrrenhause war seit einigen Tagen eine Freundin nach der anderen eingctroffen, ange- meldet nnd unangemeldet, ein paar Helle Toiletten tm Köfferchen und einen erhöhten Glanz in den Augen. Alle wollten sie die Einquartierung sehen, womöglich eine inter essante Bekanntschaft machen, bei einem etwaigen Tänzchen dabei sein, kurz, etwas erleben. Und so saß denn die Freunoinnenschaar bei einander und sie machten sich wundervolle Pläne und kicherten unaushvrlich. Eigentlich waren sie bis jetzt enttäuscht. Man sah wohl auf weiteren Spaziergängen oder in der Dorfstratze mal ein paar Reiter, ein paar Schützen, ein paar Infanteristen, aber Alles nur Gemeine« höchstens einen Unterossicier dabet und die Kleider meistens strotzend vor Schmutz, denn das Wetter hatte sich bis dahin ziemlich kalt und regnerisch angelasten. „Ha, ich möchte nur wissen, wo Eure Ofsictere bleiben", sagte schließlich die Freundin Marie, in deren Schätzung schon seit der Pcrksionszeit die Menschen erst beim Leutnant anfingen. „Warte nur, sie werden schon kommen", tröstet: Ellen und dachte dabei an den Vetter Fritz, der sich und ein ganzes „Rudel" Kameraden bereits zum so und so vielten Male zum Besuch angckündigt hatte. Endlich rückte die Einquartierung ein, 80 Mann Train mit Rosien und Wagen, die in den Ställen und Scheunen untergcbrachl wurden, und ein Major mit einem Hauptmann, die im Herrenhaus« cinzogcn, „die aber nicht mehr tu Betracht kommen, weil sic zu alt sind", wie Marie mit Bestimmtheit erklärte, ohne sic gesehen zu haben. Die Erwartung war im Hermsdorfer Frcundinnen- kreisc vis aufs Höchste gestiegen. „Ich lachte, wenn sich eine von Euch verlobte", sagte die großmüthige Ellen; „ich gäbe gleich eine Baisertorte zum Besten", schrie die aufge regte Marie; „das würde himmlisch", flüsterte die sanste, uneigennützige Gertrud. Zum Mittagessen erschienen Major und Hauptmann im trauten Familienkreise. Feierliche Vorstellung folgte, hier auf zwei Gänge, dann Kaffee auf der Veranda, wobei Ellen die Pflichten der Haustochter sehr anmulhig erledigte. „Eigentlich ist er noch gar nicht so alt", flüsterte Marie ihrer Freundin Gertrud zu mit einem schwärmerischen Blick aus den stattlichen, noch unvcrmähltcn Hauptmann, den dieser zufällig auffing nnd mit einem Feuer zurückgab, daß Marie die dunklen Augen nicdcrschlug. „Du, das wird was, eon- statire ich", sagte die Vierte, Hannes Hildegard, die beider Blicke gesehen hatte. „Ach Unsinn", antwortete Ellen und beschäftigte sich in Gedanken so ganz unwillkürlich mit dem nächsten Tage, der als Rasttag angcsetzt war und den Vetter mit dem „Rudel" Kameraden bringen sollte. Nicht etwa an den Vetter selbst dachte sie — Gott, wie würde er wohl in Uniform anSsehen! — nein, nur so im Allgemeinen an den Besuch und an die Vorräthe in der Speisekammer und waS für eine Mehlspeise sie machen lassen wollte. Und Bowle, unbedingt Bowle mutzte eS geben — Pftrsichbowl« trank er wohl am liebsten — natürlich, deshalb machte ne sie nicht, sondern wett die vielen Pfirsiche gerade im Garten am Spaliere hingen. Und so brach denn der Tag, der von vielen Gedanken so sehnlichst erwartete Tag an, ein Donnerstag, mit viel Sonne und sommerlicher Wärme. Viel Sonne schien auf schön gebrannte Haariöckchen un rosig angehauchte Mädchemvangen. Die zwei Landauer waren zur Bahn gefahren, nm die acht Qfficirre. die ein Stück die Bahn benutzt hatten, abzuholen. Die Eltern Ellcn'S, der Major und der Hauptmann, die einige der angckündigtcn Herren auch kannten, standen auf der Terrasse und blickten die schnurgerade Pappelallec hinunter, auf der die herankommeuden Wagen bereits zu erkennen waren. Die fünf Freundinnen waren umichtl»ar; ne fanden es „chik", nicht wartend daznstehen und gaben sich alle Mühe, den eben gehörten Ausspruch Marie s zu beioa-r- Helten, die erklärte, indem sic mit den Fingern schnippte und an „ihren" Hauptmann Sachre: „Mir sind sie all; so schnuppe!" Endlich Pserdeaerrappel, Stimmengewirr. freundliche, ja herzliche Begrüßung des Vetters Fris von den Eltern Ellen's. Das festliche Mahl konnte beginnen. Mu ehr gletchgiltigen Gesichtern erschien die Mädchen'chaar. Stumme Verbeugungen an* beiden Setzen. ein .auwarmer Händedruck von Ellen an den Vetter. Man »eyro im >n Tisch und schon bei 2er Suvoc begann nne verstohlene Musterung, die mrr allgemeinem Womgesiillen niöe'c. o daß die gleichgiltigen Mienen nur ;n Mnell mrtzoglm und heiter-liebenswürdigen vlatz namien. Vard mir strahlendes Lächeln überall, nur Cousine k'-len mmue 10m immer, zwar lächelnd, roer eisig tz.rlu vor im im. .nn ärgerte sich im Snlleu, )aß ich Fi'y o lus'chittnum ost ibr beschäftig:« uns'tzr nutzt eumrai kett ie'«. Nrcu . .e i Nachbarn erwas kennen ,u lernen. Dao viro m u anders werden", wüstere stm Vetter vrny, err in e>n. Unwiderstehlichkeit dachte ins im in ''*>ite 'amu lMi'- hielt, mit allen Farven der Ützamasic 'nen roumen uro glänzenden Sieg rnszunnncn. Also verlief das Mahl, ins 's »alle von: een'a» nahmsweiie der Vonne nicht oeourjt, nm -nmnnu:n m, Se.ige wannen zu mjskn. Die Her'.en '.'UI im sogar herbei — wenn nun) erst nam levenllimen Bitten — kindlich« Svnstc mttzumaa-en, nnd Httdegaiö onine wieder einmal nicht imtzur, ,n „eonstanreu" stör Lteolingsworu, datz solch ein Spiel eine ganz andere Sache er als mit Crvilisten. Aber der Abend 'am, nllzujrny, mo es mißte Ab'chied genommen werden. Die veiden Landauer 'Ittzrren die acht Helden wieder >ur Vatzii nnd die 'uns Mädchen herzen träumten in der Nacht nms schone Tramne von bunren Kragen und cur v,ci Gluck. Am anderen Vormittag 'lairerkc in der Hand cineS reitenden Bolen m uisterbliches «Hedich: mr Versmaß des Trvmpeier-Licde»: .Das ist mr Leben häßlich ernge- richtest" in das nun wieder stille «HurshanS. Arn Schi'N's« stand Sie eielNtrye Enttasunri zu Sem iür Sonnabend arrbe- räumten stuaittih coneeisivnirren ..Manöverränzchen' rn der nutzen Kre,ostasl. Um das Geüichr, Sas eine jede zum ewige» AnSenken aiisveivatzre» wollte, brach beinahe ein Streit aus in den» >>reunüinnenkrcrse, Sein nur Sie still: LtSvety zu schlinn«nl verm,achte, Sie bis ieyr noch nie etwas gesagt Hane nnd deahalv auch nicht erwähnt worSen war. Lonna-oenS Nachmittag stand Alles schön ge-chmückt mir Suftigeu stieideril uns Sen leyrcn Rosen im Gürtel auf -er Terrasse brren. Die Cavaliere »rasen pünetUch säbel- rasielnü und iheilweise auch sporenkltrrend ein un) in eifrigem Geipräche wurSe S«r halbstündige Weg nach dem Städtchen zurückgetcgt. Dort im Gasthofsqarten harre Sie Musik schon alle sorgsam bestellter» Lteblrngsmelodien der jungen Damen mronirr. Dte>« letzteren hoben sich mir ihrem We en uns iyren sticiüern vorttz«ilhast von den zavlr.iche r Kleinnadtermncn atz, die ich im Schutze ihrer Mütter »u Ser seltenen Festlichkeit. cingeeunSen hatten. Sie ivare-i denn auch -te Königinnen des glanzen- gebohnren and ar:t rannenguniandcn geschmückten Ballfaales. Die schönster Wa. ;er erklangen, es war eine Lust, Sie mnqen Paar? mir den glücklichen Mienen rnzu'Mauen. In der kurzen Drrnonnie eirnien Ellen rno Naric m der Thür ,n ),-nr rnoßenden Rmim»'. in dem ;cra0e ne »tzttnmnnve öeernrmar" — vre dre Freundinnen nur ium genannt mrrden — mr Vanttlee's :racrtr: werden sollte, eine Same, sic nan nur raM rnenolimen Nützen nuo Smimerigl.ttcn raue m-manen :onnen. .Nun. wie geiällr Dir denn Tein Vener »ritt ragre VUrric, „er macht doch -igenilim inen eur mncidrgen Linoruck in Ulrrsurnr". „Am a. das mon' rwiderre Illen, ,aver im kann mrr man leisen r ienr o i i o ino' Wie in ntlcn Geschichten. e> tano iamr:im rum ncr )rr Vetter Frrrz ;eraöe an se"' inöercn Seite der offenen D.mr uro rarre edrs Wort ;e- wrr. .Also liiechr", 'lüstcrre er, ino scr Abend, der nom oie- am» o listig var, erschien inn nrt einem Male mae ine rin iebsten latrc er der netteren Drnzmttiik, die l:m eur ln.ndtim ttzörichl klang, den siuckcn reteinl. Iber '<a raren Dnkcl nno Dritte, da waren die Frcunüe, ille ivcrmnttng lachend und scherzend. So blieb er denn iitö verdienie ich den den stlenniiadttöchtcru lebenslang- imen Dunk, noenl er ie der Reihe nach, rrvy stirer mo re".'uicheneni r.itznmeil und olumpcn Schutze, >UIN Iru e 'iitttie. Zu der nettesten, einem iingcn Dinge mtt veiler- rugen, enzie er 'ich dann hin und bram euren Flirr nnii Zaune, der stm eivst erstaunte. Immer glücklicher wurde dre N'cne der leinen Schwarzen, nnmer heiler st>r Lamen bei den »liegens,nr Blätter-Wirren, die er Ist' rls ..reu' vvrrrng. Con ine F'-leii atz das Alles gierst mt iröc'- raschlmg, dann m: Smunen nnd »utenjl mt nnveriwttliiiem Aerger rn. Dazu rin. daß ie cm ein verm, ranzre, Senn dre rnSercn Herren wollten mt strrem Freunde 5!)r"ton en. rer die erstellst ast kllln - uleuligki Partner wwe'e» var, ms ,anen llmlliusten unst riv-rti- nren. Diränen standen Lllenr ir den Augen, >»0 ina> >.m letzren Ga wo, den ie tum nun nmim n'nn^l lalle, um Ämbrnch semuhrn wurde iuü Niemans st>r den Namel umgro ober ir die Vegtettmig nir den llachnameweg ur- tru>r. D'e st ideren varcn oie« ,n cur nut ich ins lucn Caoa non o.'chujttm, >»> st> »hem, wu s'Uen «au., »M'n lNd-rn.i-st lulle- tti mttgeii Schaar lergiiig rnd hr e>Ne Ihri ie i.r.h o, mseieu d,e Wauglmn lernmerrnntt. N'I Ve"tN 'N'N an s oder''stylte es vielleicht nur. als .. ... I,,ni, u.ch.nw 1" '"Ihlende, kleine Schwa vcravich'ebei imrc nns glS Cllen itzn ,ormst mit eurem: ,Dus st dv,y uierhör!!" . . . 'eure Strnsthar in einer angeii Rebe ovrtzaucn wollte, nntevvrnch :r ie ehr ern r nn den oaar Worten: „Ich ml) jn 's »netz: aus'." Da war nun an Ellen, Sas Gegenlheil. ;n verAehern und -war io V't'g, daß Fritz es wohl auch geglaubt haben nniß. Denn wie :s gekommen ist, weiß ich nicht io genau, aber mr: eurem Make hielt er seine geliebre Ellen in den Armen n S kützre sie uns nur ein ganz leises Lachen ertönte, daS chm oiver wie Sphärenmusik klang. Und an dem Klopsen eures Herzens wrrd wohl Ellen endlich gefühlt haben, daß wenigstens dieses Herz nicht „unecht" war.
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite