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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 01.10.1902
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-10-01
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19021001014
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902100101
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902100101
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1902
- Monat1902-10
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Aber ebenso allgemein ist umn der Ansicht, daß die Bürgschaften, die für die endgültige Beseitigung dieser Zollschranke verlangt werden, bei weitem nicht ausreichen. Weder hat die chinesische Regierung in den letzten Jahren in der Frage der Aufhebung des Likins und der Befreiung der eingeführten Waren von allen Jnlandsabgaben guten Willen noch auch Fähigkeit bewiesen, und es kann daher nicht überraschen, wenn überall auf das nachdrücklichste die Forderung nach einer genügenden Gewähr für die bona iickss Chinas bei der Durchführung der vorgeschlagenen Bestimmungen erhoben wird. Die schärfste Kritik hat der Entwurf bisher von amerikanischer Seite erfahren. Die Amerikaner sind namentlich am Handel der Nordprovinzen beteiligt, -ort aber gibt es kein oder doch nur sehr wenig Likin im Vergleich zn Süd- und Mtttelchma. Weshalb sollen wir nun, so folgern daraus die Amerikaner, ohne eine an gemessene Gegenleistung zu erhalten, einen Einfuhrzoll von 12^2, statt der bisherigen 5 Prozent bezahlen ? Aus den ersten Blick scheint eine solche Beweisführung gerecht fertigt. Mit Recht aber wird dagegen einerseits von den Verfechtern der Mackayschen Vorschläge geltend gemacht, man könne nicht die Verhältnisse in einzelnen Landes teilen inS Auge fasten, müsse vielmehr, was man tue, im Interest« des Ganzen tun, und andrerseits von den Chinesen angedeutet: wenn ihr euch am Fehlen der Likin- sdation in Nordchtna stoßt, fo kcrnn darin schnell Abhilfe geschaffen werden ; wir eröffnen dort morgen solche. Eine grundsätzlich ablehnende Haltung nimmt mich Frank- re i ch in dieser Frage, wie in so vielen anderen China be treffenden ein. Es erklärt einfach den Vertrag in der Mackayschen Form für unannehmbar, läßt sich vor der Hand aber auf eine «rttil im etv'olnen nicht ein. Es ist dies ein ziemlich bedenkliches Zeichen, weil cs die Ver ständigung zwischen den Mächten ungemein erschwert. Was Frankreich eigentlich bezweckt, weiß man nicht; aber es spricht vieles dafür, -aß es So n - e r i n t e r e s s c n zn vertreten bestrebt ist. So ist eS z. B. eine höchst unliebsame Ueberraschung gewesen, daß Frankreich sich am ver gangenen Sonnabend geweigert hat, den spezifischen Zollvertrag, an dem cS selbst monatelang mitgcarbcitet und den es selbst mit festgesetzt hat, zu zeichnen. Selbst die Vertreter der Mächte, die noch keine Ermächtigung dazu von ihrer Regierung erhalten hatten, »vie Oesterreich, Belgien, Holland u. s. w., zögerten nicht, das Schriftstück vorbehaltlich der nachträglichen Genehmigungen ihrer Regierungen zu unterzeichnen. Nur Frankreich lehnte ohne Angaben von Gründen seine Teilnahme ab. I» französischen Kreisen wird das Gerücht kolportiert, der Mackaysche Vertrag enthalte eine geheime Klausel, nach welcher China im Kalle irgend ivelcher Schwierigkeit den Schutz des Dangtsetales England übertrage und zu diesem Zwecke ihm seine Be festigungen an diesem Flusse öffnen werde. Worauf sich diese „Wissenschaft" stützt, habe ich nicht in Erfahrung bringen können. Für echt möchte ich sie nicht halten; aber Mittwoch den diese Auffassung gibt doch wemgstens eine Erklärung für die grundsätzlich ablehnende Haltung der französischen Regierung zu. c Was Japan anlangt, so verhandelt es zur ZeU >ewst über einen Handelsvertrag, hält aber seine Wünsche ziemlich geheim. Bekannt geworden ist nur, daß Japan einerseits viel schärfere Bürgschaften für die Beseitigung des Likins verlangt, andrerfeits eine ganze Anzahl seiner Haupteinfuhrartikel in China von einer Extrabesteuerung, ivie sie Mackay zugesagt hat, befreit wissen will. Es ist indessen anzunehmen, daß hierbei ein gut Stück Spiegelfechterei ist. Was Japan vor allem an strebt, ist, bestimmenden Einfluß auf die Eröffnung der I n l a n d sch i f f a h r t zu gewinnen, ein Gebiet, über das zur Zeit auch die Engländer noch verhandeln, das aber die Chinesen ganz besonders nachdrücklich gegen die Aus länder verteidigen. Den Chinesen schwebt als endliches Ziel vor, daß die Binnenschiffahrt rein chinesisch wird; die Beamten würden damit nämlich auf die einfachste Art und Weise ein Mittel in die Hand bekommen, mit dem sie sich für den abgeschafften Likin eine neue Einnahmequelle er schließen können. Interessant ist übrigens auch, wie es den Engländern geglückt ist, von den Chinesen schließlich überhaupt die Zu sage zu erhalten, daß das Likin abgeschafft wird. Um ihre Forderung durchzusetzen, sprachen sie fortgesetzt von den Eisenbahnen; wären diese erst gebaut, so würde es ein leichtes sein, mit oder ohne Zustimmung der Mandarine Waren ohne Likin ins Innere zu werfen. Tie Chinesen sahen das ein; sie merkten, daß die Eisenbahn tatsächlich in dieser Beziehung revolutionierend wirken müßte und sagten sich: Gut, wir werden das Likin verkaufen; heute zahlen die fremden Mächte noch dafür, nach zehn Jahren aber gibt uns kein Mensch auch nur einen Käsch mehr da für. Die Sinnesänderung der ausschlaggebenden Man darinen war, ehe diese kleine Geschichte bekannt wurde, einfach unerklärlich gewesen. Es bleibt mir heute nur noch übrig, ein paar Worte über die Haltung der Deutschen in dieser Frage zu sagen. Die deutschen Bereinigungen (die wirtschaftlichen Vertretungen der deutschen Interessen in China) haben bisher zu dem Mackayschen Tarif noch keine offene Stel lung genommen. Wesentlich dürste der Grund dafür ein doppelter sein. Erstens kennen auch sic den Wortlaut des Entwurfs feit drei Wochen, nachdem die erste Skizze er schienen ist, noch nicht, so daß es unmöglich ist, sich mit Einzelheiten zn beschäftigen. Zweitens aber gehen die Interessen der deutschen und englischen Kaufleute wenige stcns im großen und ganzen, io sehr Hand in Hand oder sind so identisch, daß man die Vorbereitung des Vertrags ganz ruhig den Engländern überlasten kann. Daß, wenn besondere deutsche Interessen in Frage kommen, auf sic die nötige Rücksicht genommen werden wird, hat erst jetzt die Ausarbeitung des spezifischen Tarifs gezeigt. Auch h.'eE hatten die Engländer den ersten Entwurf gemacht. Sollte aber Herr Mackay oder sonst irgend jemand den Gedanken gehegt haben, daß dieser Entwurf ohne weiteres Vertrag werden müsse, so hat der Ausgang doch gezeigt, daß die deutschen Interessen in so guten Händen lagen und so ge schickt vertreten wurden, daß in dem schließlich zustande ge kommenen Tarif tatsächlich alle d e u t s ch e n W n n s ch c Beachtung gefunden haben. So wird es auch mit dem Handelsvertrag gehen. Zeigt sich da schließlich, daß in einzelnen Punkten die deutschen Interessen Änderungen verlangen, so werden sie schon durchgesetzt werden. 1. Oktober 1902. Deutsches Reich. -4- Berlin, 30. September. (Zur Misch eh en frage.) Seitdem das Zentrum seinen berühmten „Toleran,antrag" im Reichstage Angebracht hat, empfindet es rücksichtslose Hinweise auf Äußerungen seiner unbestreitbaren In toleranz doppelt schmerzhaft. An einem solchen Hinweise hat eS der Geh. Kirchenralh Pank auS Leipzig auf der letzten Generalversammlung deS Gustav Adolf-VereinS durch die Aufforderung nicht fehlen lassen: die katholische Küche möge doch ihre Haltung gegenüber den Mischehen ändern, d. h. die Trauung von Mischehen nickt mehr von dem Ver sprechen katholischer Kindcrcrziehung abhängig machen, sondern sich damit zufrieden geben, daß die Knaben der Religion des Vaters, die Mädchen der Religion der Mutter folgen. Das rheinische Zentrumsorgan knüpft an dieses sicherlich den Grundsatz der Parität zu Ehren klingende Ver langen die entrüstete Frage, ob Geh. Kirchenrath Pank etwa die Kirche zwingen wolle, eine Verbindung einzusegnen, bei welcher der katholische Teil von vornherein einen Teil der Kinder einem anveren Bekenntnis Überlasse, und es fährt alSdann wörtlich fort: „Auf katholischer Seite erkennt man vollkommen an, daß die Protestanten von ihrem Standpunkte aus berechtigt sind, bei der kirchlichen Einsegnung von Misch ehen die protestantische Kindererziebung zur Bedingung zu machen." — Als Antwort also auf das protestantische Er suchen, im Punkte der Mischehen sich ebenso tolerant zu er weisen wie der Protestantismus, erfolg! durch daS rheinische Zentrumsblatl die Forderung: der Protestantismus möge ge fälligst seinerseits die intolerante Haltung der katholischen Kirche nachahmen! DaS ist doch der eigentliche Sinn Lessen, waS die „Köln. VolkSztg." in den obigen Sätzen unter diplo matischen Wendungen sagt. Dieses Verhalten ist für die Toleranz unseres KlerikaliSmuS überaus kennzeichnend. Für das Wesen der katholischen Kirche aber ist eS nicht minder bezeichnend, wenn sie im Falle deS Versprechens latho- lrscher Kindererziehung aushört, ihre Intoleranz gegenüber den Mischehen geltend zu machen. Zur richtigen Beurteilung dieser Nachgiebigkeit unter der angegebenen Bedingung muß man sich gegenwärtig halten, daß die Frage der Kinder erziehung nur einer unter den vier Gründen ist, auS Lenen die katholische Kirche die Mischehen verwirft. Der vom fürstbischöflichen Ordinariate zu BreSlau heraus- gegebene katholische Katechismus antwortet nämlich auf die Frage, warum vi« Kirche die gemischten Ehen mißbillige: . ,,l) Weil bei solchen Chen die Gemeinschaft des Glaubens ' jedlt, wovon vor allem das wahre Glück der Ehe abhängt; 2) weil der katholische Teil großer Gefahr au-gesetzt ist, seinen Glauben zu verlieren oder gegen denselben gleichgültig zu werden; 3) weil die katholische Erziehung der Kinder ge wöhnlich mangelhaft und nicht selten unmöglich ist; 4) weil der Nichtkatholik nach der Lehre seiner Konfession sich von dttn katholischen Ehegatten trennen und wieder heiraten kann,- was der Katholik nicht darf, da die christliche Ehe un- auslö^lich 'st." — Ueber die hier aufgesührten Gründe mit Ausnahme deS unter 3 genannten, setzt sich die katholische Kirche hinweg, wenn die katholische Erziehung der Kinder versprachen wird, d. h. wenn „der katholischen Kirche Seelen gewonnen werden"! Die vielgerühmte „Konsequenz" der römischen Kirche leidet angesichts der Möglichkeit, der katho- lischen Kirche neue Mitglieder zuzuführen, vollkommen Schiss- bruch.- Berlin, 30. September. Die Kriegsanleihe von 1 87 0 ist Gegenstand der Erörterung in der Presse geworden, nachdem die „Kreuzztg." den Patriotismus der Börse scharf 8K. Jahrgang. kritisiert hatte, weil im Jahre 1870 von den geforderten 100 Millionen Thalern aus dem Wege der öffentlichen Sub skription noch keine 70 Millionen Thaler gezeichnet wurden. Man darf der „National-Zeitung" zugeben, daß die Börse allein für diesen Ausfall nicht verantwortlich gemacht werden kann. Was aber die „National-Zeitung" sonst noch ansührl, um jenes klägliche Ergebnis unserer damaligen Kriegsanleihe zu beschönigen, ist nicht stichhaltig. In der Hauptsache bleibt eö gleichgültig, ob die Börse „als solche" bei derKriegsanieihe heran gezogen war, oder ob gemäß den damaligen Gewohnheiten die Preußische Bank bei allen ihren Geschäftsstellen, sowie die Re- gierungs- und Steuei kaffen Zeichnungen annahmen ; der Börse stand eS auch bei dem letzteren, damals angewandten Modus frei, ihrem Vertrauen auf den Sieg der preußischen Waffen Lurch entsprechende Zeichnungen Ausdruck zu geben. Daß in jenen Tagen nicht nur die Börse, sondern auch die Besitzenden der übrigen Stände versagten, wird mit Recht als ein sehr dunkles Blatt in unserer Geschichte auch vou Denen be- urtheilt, denen der Voiwurf sozialdemokratischer Tendenzmache — wie die „National-Ztg." meint — nicht zu macken ist. In diesem Sinne kann man Historiker der Berliner Univer sität, die über dem Verdachte der Anpassung an sozial- vemokratische tendenziöse Darstellungen erhaben sind, sich äußern hören. Die Panik aller europäischen Börsen, auf welche die „National-Ztg." als auf einen Entschulvigungs- grund hinweist, lann wegen der Geringfügigkeit der geforderten Summe nicht ins Feld geführt werden. Denn daß die ge zeichneten 200 Millionen Mark, wie die „National-Ztg." sagt, „unter den bescheidenen deutschen Wohlstandsvcrhält- niffen jcuer Zeit aller Ehren Werth" waren, ist eine haltlose Behauptung. Vom Oktober 1806 bis Oktober 1808 hat Napoleon I. über eine Milliarde Franken aus Preußen gezogen,allein die baaren sranzösischenEinnahmen auSPreußen in dieser Zeit betrugen nach Schmoller („Epochen der preußi schen Fiuanzpolitik", abgedruckl in seinen „Umriffen und Untersuchungen") 474 Millionen Franken. Mit diesen Zahlen vor Augen muß man gestehen, daß der preußische Volks wohlstand im Jahre 1870 durch eine Kriegsanleihe von 300 Millionen Mark wahrlich wenig genug in Anspruch ge nommen wurde. * Berlin, 30. September. Dem -rutsche u Juristen tage widmet Justizrat Staub in -er „D. Juristen-Ztg." folgende Anerkennung: „Er war so zahlreich besucht, wie keiner seiner Borgänger, und auch seine Ergebnisse sind zufriedenstellend. Mit Unrecht wird dies hier und du in Abrede gestellt. D^ntt man .m die- Festschriften, die er gezeitigt har, an den st->!en Besuch der Bcr sainmlungen, welche von einem hohen Jntbresse zeugten, an die geschickte parlamentarische Leitung der Plenar- und Abteilungs sitzungen, an die rege Teilnahme der Spitzen unserer juristischen Behörden, an die glänzenden Vorträge dfä Professors Kahl, des Wiener Sektionschefs Klein, des Präsidenten Or. Hamm, des Berliner Juslizrats Heinitz u. a., an die schönen Feste, die den engen Zusammenschluß der Juristen aller Gegenden beförderten, so ist sck-on dieser äußere Erfolg ein erheblicher. Verkleinert wird derselbe aber keineswegs durch die Beschlüsse, die er faßte. Er kam zu definitiven Beschlüssen in der Frage der Zwischen prüfung, der Haftpflicht dec Kraftfahrzeuge, des Schutzes der Bauhandwerker, -er Revision des Strafgesetzbuches, der Rechts kraft der Entscheidungen der Verwaltungsbehörden, der Ab änderung der Civilprozeßordnung zum Zwecke dec Verhütung von Prozeßverschleppungen. Er hat besonders in letzterer Hin sicht deutlich zu erkennen gegeben, daß die überwiegende Mehr- Feuilleton. Die „schöne" Iahresreit 1902. Von T. A. Hollberg (Berlin). druck vrrboien. Nun weht der Wind wieder über die Haferstopvelu, die HauSlampe ist an den langen Abenden in ihr Recht ge treten un- der Ofen steht zum Hetzen bereit. Die „schöne" Jahreszeit liegt hinter uns, aber sie läßt keine schönen Er innerungen zurück. Ein Wetter, wie es uns im Jahre 1002 beschert wurde, hat auch der älteste Mann nicht erlebt. Um den Frühling wurden wir gründlich betrogen. Der April war schon nicht besonders/freundlich, das ließ man sich noch von dem launenhaften Monat gefallen, aber der Mai, der Wonnemond mit dem Blütenschmuck, den die Dichter jahraus, jahrein besingen, zeigte ein noch unfreund licheres Gesicht. An Frosttagen und Schneefällen übertraf er selbst den April, dabet wurde das sonst durch milden Frühling ausgezeichnete Südwestdeutschland am härtesten betroffen. Hier lag daS Monatsmittel der Temperatur weit unter dem normalen, das Defizit an Wärme betrug 8—4 Grab, an manchen Orten sogar 5 Grad 0. In Karls- ruhe reichen die meteorologischen Beobachtungen bis in daS Jahr 1770 zurück, aber ein kälterer Mat als der von 1902 M dort nicht verzeichnet. Erst in den letzten Tagen de- MonatS trat unvermittelt sommerliche Hitze ein, bi» dahtn hatte eS keinen schönen Frühlingstag, geschweige denn einen Tag mit sommerlicher Wärme gegeben. Da gegen hatte es häufig geschneit, selbst in der Rheinebene gab eS mehrere Schneetage, und deren Zahl betrug auf dem Brocken 21 und auf der Schneekoppe sogar 24; hier blieb der Schnee bis in Len Juni liegen. In dem Pflan- zenleben «ar überall eine Stockung etngetrrten. Nur mühsam entfalteten sich die Frühlingsblumen, an vielen Orten hatte der Frost die Obstblüte zerstvrt; der Flieder, daS Wahrzeichen deS vollen Frühlings, blüht, vielfach acht bi» zehn Tage später auf, als in normalen Jahren. Der Juni lieh sich zunächst bester an, aber bald kam eine neue Abkühlung; eS traten kalte Nächte ein; um die Mitte -e» Monat» lag die Morgentemperatur fast überall unter 8 Grab (?., und an manchen Orten im Westen wurde sogar Reif beobachtet. Im Gemüsegarten sah e» trübe au» — R« frü-en Gorte« wollten mcht vorwärt». DI« Frü-tar« toffeln und die Bohnen blieben zurück, und ein schlecht;" Gurkenjahr war entschieden. Auch im Juli trat keine Besserunsg ein; er blieb 1 bis 3 Grad kälter als in normalen Jahren, und schlimmer äe- stattete sich noch der August, in dem das Defizit der Test)- peratur an verschiedenen Orten Deutschlands sogar 4 1»iö 5 Grad betrug. Am 12. und 18. des Monats fiel auf dcM Brocken gefrorener Regen in Gestalt glashcller E»s- kügclchcn, die von festen Körpern abprallten und aus i*cr Hand wie Schrotkörner liefen. Darauf folgte ein Schnee fall, der 35 Minuten dauerte. So lange das Observato rium auf dem Brocken besteht, ist dort im August ein Schneefall noch niemals beobachtet worden. Auch im Erz gebirge und im östlichen Vogtland war um diese Zjeit Schnee gefallen, und im östlichen Sachsen war die Nstcht- temperatur auf V2 Grad Celsius gesunken! In den Alpen machte sich die Kälte gleichfalls bemerkbar. Tie Ber,*e in der Nähe von Luzern prangten bis 1600 Meter Höh« im Schneegewande. Vom Säntis wurde eine Schneedecke von ^2 Meter und vom Gottharbpaß eine solche von 14 Zenti meter Höhe gemeldet. Winterlich sa^dort die Landschaft aus wie um die Weihnachtszeit. Gegen Ende des M'onats wurde das Wetter jedoch bester. Es kamen wärm-re, ja sogar heiße Tage, und e» regnete einige Tage nicht, pbwohl der Luftdruck ein niedriger war. Der September zeigte sich wiederum veränderlich- Er konnte auch nicht mehr dazu beitragen, den schlimnien Ein- druck zu verwischen, den der trübe und kalte Sommer hinterlassen hat. Man hörte in den letzten Monaten nicht nstr über kaltes, sondern auch über nasses Wetter klagen. Ju Wirk- lichkeit aber war das Sommerhalbjahr nicht zu nast Prüft man die Messungen der Niederschlagsmengen, so zeigt sich, daß eS eigentlich nur im Mai mehr als gewöhnlich ge regnet hat. In den anderen Monaten blieb die gefallene Regenmenge sogar hinter dem normalen Durchsch-ttt zu rück. Es regnete zwar verhältnitzmäßtg wenig, abeL dafür häufig. Es fehlten fast völlig zusammenhängende Trocken- Perioden von nur einigen Tagen. Ein solches Wester be- cinträchtigte natürlich die Erntearbetten und stört« auch unliebsam diejenigen, die in Sommerfrischen oder Gebirgs wanderungen Erholung suchten. Welchen Ursacken verdanken wir nun den unfreund lichen Sommer? ES gießt „Wetterkundige", die um eine Erftänmg nickt verlesen sind. Bet den einen müssen die Eisberge, die vom Polarmeer südwärts schwimmen, herhalten, un- die Luft übermäßig abkühlen; andere bringen sogar die vulkanischen Ausbrüche auf den Antillen mit unserer Witterung in ursächliche Verbindung. Sie haben un gefähr ebenso recht, wie der Bauer, der da meinte: ,/Die Erdkeule hat sich verdreht". Eine wissenschaftliche Er klärung der abnormen Witterung des letzten Sommers hat soeben Prof. vr. Aßmann in der Zeitschrift „Das Wetter" zu geben versucht. Die nächstliegende Annahme wäre wohl die, daß sich um den Nordpol ein großes Gcbi<t hohen Luftdruckes aus gebildet hat, und daß von ihm kalte Luftströiuc zu uns gelangten. Aus Grund vergleichender meteorologischer Be obachtung muß jedoch auch diese Annahme zurückgewiesen werden. Zu einer besseren Einsicht gelangt man, wenn man die Ergebnisse der modernen Erforschung höherer Luftschichten vermittels der Ballons und Drachen berücksichtigt. Diese hat uns gelehrt, baß es in der Atmosphäre deutlich aus gesprochene Schichtungen gibt, die den wichtigsten meteo rologischen Elementen, der Temperatur, dem Wasserdamps. gehalt und dem Winde horizontale Grenzen ziehen. In der Regel nimmt die Temperatur ab, je höher wir steigen. Oft haben aber die Teilnehmer an wisseiffchaftlichen Luft fahrten bemerkt, daß die Temperaturabnahme aufhörte, obwohl sie höher und höher stiegen, oft gelangten sie aus einer unteren kälteren in eine darüberliegende wärmere Luftschicht. Man nennt diese Erscheinung die Temperatur- umkehrung, und die betreffende Luftzone die Umkehrschicht. Aber nicht nur die Temperatur ist in solchen Schichten ver schieden, häufig herrschen in ihnen verschiedene Verhält- niste der Luftfeuchtigkeit, und auch die Winde kommen von anderen Richtungen, während die Grenze zwischen beiden oft durch eine Wolkendecke bezeichnet wird. DaS Vorhandensein einer Umkehrschicht in der Atmo sphäre hat aus die Gestaltung der Witterung einen großen Einfluß. Tie mit Feuchtigkeit beladenen Luftwaffen steigen von der Erde empor; in kälteren Regionen verdichten sie sich zu Wolken, aus denen, wenn sie noch kühler werben, der Regen fällft Treffen nun diese Luftwaffen auf eine wärmere Umkehrschicht, so werden in dieser die Wolken tröpfchen wieder zur Verdunstung gebracht und dadurch wird die Regenbfidung verhindert. So sichert eine aus gedehnte Umkehrichlcht -en Bestand eines schönen Wetters. In welchem Zustande befanden sich nun die höheren Schichten der Atmosphäre ftn Lause deS letzten Sommer»? Prof. Slsmann prüft« zunächst die Temperaturbeob- achtungen einiger mereorologfscher Hochwarten im Der« ? gleich zu den Auszeichnungen naheliegender Stationen in der Ebene. Er wählte hierzu die Stationspaare Clermont (380 Meter) und Puy de Dome (1467 Meter), Magdeburg (54 Meter) und Brocken (1143 Meter), Eichberg (349 Meters und Schneekoppc (1610 Meter), Zürich (470 Meter» und Säntis (2500 Meter!, endlich Klagenfurt (440 Meter) und Hochobir (2044 Meter). Eö zeigte sich nun, daß eine Tem- peraturumkehr aus keiner der Stationen in der langen Zett von Anfang Mai bis Mitte August beobachtet wurde. Ueberall nahm dieTemperatur mit der Höhe stetig ab, und zwar in Nord- und Südoftdeutschland, sowie in den Ost alpen in einem ungewöhnlich starken Grade. Außerdem wurden in dem Aeronautischen Observato rium vom Juli ab währen- mehrerer Wochen Drachen aufstiege bis zu Höhen von 3000 Meter veranstaltet. Auch diese zeigten die stete Abwesenheit jeder Spur einer Tem peraturumkehrung. Erst der am 22. August eingctrctcne Witterungsumschlag brachte die so lange vermißten Ilm kehrschichten, die in den Tagen vom 23. bis 27. August in Höhen von 900 Meter bis 1900 Meter gefunden wurden. Und in der Tat fehlten während dieser Periode fast alle Niederschläge in Mitteldeutschland, obwohl die Bewölkung nicht selten stark war und auch barometrische Depressionen zur Herrschaft kamen. So haben wir in dem Fehlen der Umkehrschichten wohl die Ursache des abnorm kalten Sommers in diesem Jahre zu suchen. Deutschland und ein Teil Mitteleuropas standen monatelang unter dem Einfluß aufsteigender und sich darum abkühlendcr Luftströme, die auch die fortwährende Neigung zur Regenbildung im Gefolge hatten. Freilich bleibt uns die Wissenschaft noch die Antwort auf die Krage schuldig, warum die Umkehrschichtcn auS- geblieben sind. Aber wir haben allen Grund, mit dem be reits Erreichten zufrieden zu fein, denn erst in jüngster Zeit hat man sich mit wissenschaftlichem Ernst der Erforschung der höheren Luftschichten zugewandt. Schon heute bietet sich die Aussicht, daß wir durst, eingehendere Beobachtung der Temperaturumkedrung in die Lage versetzt werben, daS Wetter sicherer und aus längere Zeit vorauszusagen. Vor derhand schließen wir mit -em Wunsch, daß noch im Spät herbst eine recht mächtige und lang andauernde Umkehr- schicht kommen und die Wolken von oben abtrocknen möchte. Einen klaren Altweibersommer mit den fliegenden, glitzernden Herbstfäben würden wir diesmal doppelt gern vegrüßew
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