02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 25.09.1902
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-09-25
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
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- Public Domain Mark 1.0
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- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19020925029
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- LDP: Zeitungen
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- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1902
- Monat1902-09
- Tag1902-09-25
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MUitilrischer. * Marienburg, 24. September. Da« Commando der Lust, schlfferabiheiluag unter Leitung de« Major« Klüßman« und de« Hauptmann« v. Tschudi hat seine Versuch-Übungen mit der Funkentelegrapdie zwilchen Marienburg, Pillau und Königs« berg beendet und kehrte nach Berlin zurück. Da« Ergebnis der Hebungen ist höchst befriedigend; bei 90 km und 124 km Luftlinie wurde mit dem System Braun-Siemen« L Halske eine sehr ante Aerstäudigung erzielt. 55. Hauptversammlung -es Evangelischen Gustav Adolf-Vereins. 8. u. L. Cassel, 24. September. Den heutigen ersten Haupttag der Gustav Aböl,«Versammlung leitet« rin feierlich«- Geläute sämmt- licher evangelischer Kirchen der Stadt rin, an da« sich riu Fest« gotteSdieost in der St. MartinSkirche onschloß, bei dem Ober« consistorialrath v. Dibelius die Festpredigt hielt. Ai« Theilnehmer sind weiterhin zu dec Tagung erschiene«: Der frühere Reich«tagSabgeordnete Professor Hüpeden, Prinz Christian von Hessen.Philippsthal, der Rector der AlbertuS-Universität in Königsberg, Professor 0. Beurath-Sönig-berg, Juslizrath s)r. EckelS-Göttingen, der Vertheidiger deS Generaldirectors Schmidt in dem bevorstehenden neuen Treberproceß, OberlandeSgerichlS« Präsident Eccius-Kassel, Professor v. KirchenHeim-Hetdelberg, Geh. Lberjustizrath Müller-Bielefeld, Wirkl. Geh. Oberpostrath Spilling. Berlin, Lonsistorialrath v. Wagner-Speier u. A. Die erste öffentliche Hauptversammlung nahm um 12 Uhr Mittags im Festfaale des Evangelischen BereiusbauseS ihren Anfang. Nach einem gemeinsamen Gesänge ergriff der Vorsitzende deS GesammtvrreinS Geh. Kirchenrath Professor v. Pank-Leipzig das Wort zu einer längeren bedeutsamen Ansprache: Wenn der evangelische Gustav Adotf-Verein zu seiner alljährlichen Haupt- Versammlung zusammentritt, so thut er eS nicht, um Einzelnen Ge. legenheit zu geben, ihr Licht leuchten zu lasten oder ihren Ruhm zu verkünden, sondern er ist sich dabet seiner Ausgabe, da- edle Gut des Frieden- zu bewahren und seiner großen Verantwortung für Alles, was er thut und treibt wohlbewußt. Er ist sich stet- eingedenk deS Wortes des Apostels: Seid fleißig zu halten die Einigkeit im Geiste durch da- Band deS Friedens. Ich glaube Veranlassung zu haben, gerade dieses Wort als Loosung für unsere gegenwärtige Tagung zu erwählen. Die Einigkeit der Evangelischen im Geiste ist nöthig in unseren Tagen. DaS war es schon, was das Herz Philipp'- des Großmüthigen bewegte und diese Einigkeit der evangelischen Bekenner ist auch heute noch da-, was mau der Kirche als kostbares Gut nur wünschen kann. Und wir wünschen sie der gejammten deutschen evangelischen Christenheit. (Lebhafter Beifall.) Bon Anfang an ist es die Losung des Gustav-Adolf-Berelns gewesen, diese Einigkeit im Geiste zu fördern, nicht im Sinne der ..unicmitLs". aber auch nicht im Sinne der „innkormitas". Wir wollen stets die Freiheit der Ueberzrugung als unantastbares Eigenthum gegenüber allen centralistischen und uniscrmistischen Bestrebungen bewahren, und wenn man auf anderer Seile fortgesetzt auf die bestehende Ceutralisation hiuweist, so mag dies Schauspiel imponiren und blenden, aber sie ist zugleich ein gefährliches Gut, nach dem unser Sinn nicht trachtet. Wir wollen nicht Einerlciheit, sondern Einigkeit, und an dieser Einigkeit ist doch in ihrer innersten Tiefe bei uns Evan gelischen viel mehr vorhanden, alS Außenstehende denken. Und eS wächst auch immer mehr in unseren Kreisen das Berständniß sür die Nothwendiqkeit dieser Einigkeit, die nicht eine gewaltsame Eini gung der Gewissen, sondern die Einigkeit gegen den Unglauben und Mißglauben ist und die Einigkeit gegenüber den großen Ausgaben, die Gott der Herr seiner Kirche gestellt hat. Einigkeit vor Allem auch auf dem Gebiete der Liebesthäügkeit. Der Redner erinnerte sodann an die Rede des Kaisers, in der dieser ebenfalls zur Einigung der Evangelischen aussorderte. Gott sei Dank, wo solche Worte von eines Kaisers Lippen ertönen, da sagen wir gern und freudig dem Kaiser Dank sür seines Auges Weite, für seiner Ueber- zeugung Stärke und zugleich sür die kluge Zurückhaltung seines Willens und Könnens in dieser so schwierigen Frage. Inzwischen hat ja auch die Eiienacher Kirchenconferenz getagt und sich mit dieser Frage beschäftigt, und jo sagen wir in Ansehung alles dessen: Gott segne die beruienen Herren! (Lebhaster Beifall.) Wir im Gustav Adols- Verein aber wollen dabet bleiben, waS uns von vielen Seiten als eine Schwäche ausgelegt worden ist, waS aber in Wahrheit die Stärke des Gustav Adolf-VereinS auSmacht: Wir wollen fleißig die Einigkeit im Geiste durch daS Band des Friedens pflegen. Es ist selbstverständlich, daß wir den Frieden pflegen mit den ver wandten Bestrebungen, auch wenn mau sie als Concurrenz ansehcn könnte, so unter Anderem auch in Bezug aus den lutherischen Gottes- kästen. Zum anderen Theile decken sich ja unsere Bestrebungen. Die Verdienste des Evangelischen Bundes um die Neophyten in Oester reich liegen so klar zu Tage, daß es kaum nöthig wäre, hier noch bejoaders davon zu reden. Und auch wenn man aus gewißer Seite immer wieder bemüht ist, eine gewisse Liaison des Gustav Adols-Bereins mit Lein Evangelischen Bund« zu construiren und erst in Wien kürzlich wieder den Gustav Adols-Bereiu als eine Filiale des Bundes bezeichnet hat. so bedarf das vor Sachkundigen keiner Correctur. Jeder der beiden Vereine hat seine völlige Selbst ständigkeit und Eigenart bis heute bewahrt. Beide glühen sür Jesus, wie Martha und Maria, aber sie sind dabei auch so ver schieden von einander wie Martha und Maria. Und wir halten darauf, daß, je klarer wir an den verschiedenen Zielen und Wegen seslhalten, desto kräftiger die Eigenart sich ausdrücken wird. (Beifall.) Aber wir wollen Frieden halten und pflegen noch in weiterem Sinne. Gerade im letzten Jahre sind wir leider des Gegentheils beschuldigt worden und in drei öffentlichen Landesvertrctungen hat man uns hinzustellen versucht als confejsionelle Friedens- slörer. An sich ist es durchaus erfreulich, wenn deutsche und oußerdeutsche Parlamente sich mit unserem Verein be- schäftigen, und wenn eS sich dabei nicht um grundsätzliche Fragen handelt, so hat der Verein auch sonst stets darauf ver zichtet, selbst seine Vertheidigung gegen allerlei reichliche Angriffe zu sichren, sondern er hat diese Vertheidigung stets guten Freunden, gerechten Feinden und der stillen Macht der Thatsachen überlasten. Im vorliegenden Falle ist aber eine officielle Abwehr und Erklärung nöthig. Der Redner geht hieraus zu Len Vorwürfen, welche im ungarischen Reichstage, in den österreich-ungarischen Delegationen und im preußischen Abgeordnetenhaus« gegen den Verein letzthin erhoben worden sind, deS Näberen eia. Im ungarischen Reichstage habe der Abgeordnete RapowSki u. N. gesagt, daß die nationale Bewegung unler den Deutschen Siebenbürgens mit „zwei Millionen germanischem JudaSgelde" unterstützt werde, da von dem Gustav Adols-Berein nach Siebenbürgen geflossen sei. Gegenüber dieser Anschuldiguog bemerke er: Wir sind kein nationaler, kein deutscher, sondern wir heißen und sind ei« evange lischer Verein. (Lebhafter Beifall.) Wir unterstützen di« deutsch sprechenden Evangelischen in Ungarn ebenso wie die magyarischen, tschechischen, polnischen, französischen, italienische«, belgischen und holländischen evangelische« Gemeinden, ohne Rücksicht auf die Sprache, dir sie sprechen und ohne Rücksicht auf die Nationalität, der sie an- gehören. Der Verein hat eS daher nicht verdient, als ei« in All- deutschthum machender Berrin denuocirt zu werden. (Lebhaster Beifall.) Im Gegentheil, wenn in unserer national überhitzten Zeit irgend etwa- die Brücke, die Hand zur gegenseitige« Verständigung bietet, wenn irgend etwa- die verlöhneude Kraft hat und geeignet ist, die Herzen zu verbinden, so ist e« das gemeinsame Evangelium Christi, das der Gustav Adolf-Verein mit seinem Liebr-werk pflege« will, er ist groodsätzlich gern bereit, zu fördern und unter Umständen auch zu fordern die Einigkeit im Geiste. Der zweite Angriff, der in den österreich-ungarischen Delegationen erfolgt sei, habe den Abgeordneten KramLr zum Urheber gehabt. Auch besten Vorwürfe seien un- verantwortlich. Niemals sei e« dem Gustav Adolf-Verein eingefallen, in Sachen der Los-voo-Rom-Bewegung gewiss« hochverrätherische Pläne gutzuheißeu, sondern wenn er sich an die neuen evangrlischeu Gemeinden in Böhmen gewandt habe, so habe er sie stets ermahnt. Allen voran in der Treue zu der ihnen von Gott gesetzten Obrigkeit zu sein. (Beifall.) Wir Sachsen, die wir den Gustav Adols-Berein hüten und pflegen, sind lutherisch unter einem katholische« König und wir fragen: Wo hat ein Land je inniger gehangen an seinem König-House als Sachsen? Und wir sollten Andere zum Hochverrat!, anballen? Wir wissen aber auch genau, daß di« von uns unter stützten österreichischen Gemeinde« gut österreichisch sein wolle«. Wäre es nicht so, wir hätten nichts mit ihnen gemein. Mit einer bloßen Los von Rom-Bewegung ohne religiöse Grundlage, mit einem heidnisch-germanischen CultuS, ohne jede patriotische Zuneigung zum angestammten Herrscherhaus« wollen und werden wir un- niemals zusammenbinden lassen. (Großer Beifall.) Wir Haden auch unsere Gemeinden niemals im Zweifel darüber gelassen, jonderu ihnen in einer osficiellen Erklärung vor Augen geführt, daß sie sür uns und wir sür sie nicht nationalpolitisch, sondern evangelisch-religiös sind und daß sie jeder Zeit treu zu ihrem Landessürslen halten sollten im Sinne des Jesuswortes: Trachtet am ersten nach dem Reiche Gottes und nach seiner Gerechtigkeit, so wird Euch alles Andere — auch an nationaler Lust und geistiger Freiheit — von selbst zusallen I (Lebh. Beifall.) Der dritte Angriff sei im preußischen Abgeordnetenhaus« bei Gelegenheit der Debatten über die Verweigerung des Günzerich- Saales in Köln an den vorjährigen Gustav Adolf-Tag erfolgt, indem der Centrumsabgeordnete Or. Trimborn dort den Verein der konsequenten Friedensstörung aus conscjsionellem Gebiete an der Hand der Berichte über seine früheren Hauptversammlungen bezichtigt habe. Unstreitig seien wohl verschiedentlich Aeußrrunqen gegen gewisse kirchlich-politische und religiöse Auswüchse in diesen Versammlungen gethan worden, aber keineswegs gegen die katholische Kirche in ihrer Gejammtheit. UeberdieS habe Trimborn selbst zu gegeben, daß «S Heitziporne hüben und drüben gäbe. Auf der anderen Seite sei aber Or. Trimborn mit Recht von den Abgeordneten EynernundHackenberg entgegengrhalten worden, daß zu dem Pro- gramm, das auf Len Katholikentagen in den einzelnen Reden ent wickelt werde, kein Wort mehr über die evangelische Kirche gesagt werden brauche, da allein schon das, was unausgesprochen bleibe, die schärsste Verurtheiluug der Stellung der evangelischen Kirche enthalte. (Sehr richtig! Veisall.) Eine Parallele aus den Vrr- Handlungen des Katholikentages, aus den verschiedenen päpstlichen Encykliken mit ihren Schmähungen gegen die evangelische Kirche dürste erheblich umfangreicher und duftiger ausfallen, alS die uns vorgehaltcne Blüthenlese. (Heiterkeit und Bestall) Ob mit solchen Erörterungen der Welt der Frieden gegeben und die religiöse Polemik, di« angeblich so widerwärtig erscheint, hintangehalten wird, ist eine andere Frage. Wir folgen auf diesem Wege nicht. (Beifall.) Herr Trimborn hat Leun auch in seinen Schlußerklärungen betont, 1) daß unsere Kölner Hauptveriammlung ihm durchaus nicht die erhofften Beschwerden gebracht habe und 2) daß dem Vaterlande neben der Herstellung des socialen Friedens nichts wichtiger sei als die Wahrung des konfessionellen Friedens. Gut, wir wollen den confessionellen Frieden, wir nehmen es ernst mit dem Worte Christi: Vertraget einander in der Liebe! Dolornt«! Das ist die biblische Definition der Tugend-Toleranz. lVeifall.) Ich will hier nicht in eine Erörterung des Toleranzantrages eintreten. Wir haben damit nichts zu thuu. Er behandelt nur die Regelung Les Verhältnisses vom Staat zur Kirche, vor Allem zur katholischen Kirche. (Sehr richtig!) Sie will, daß der Staat ihr volle Freiheit gewähre, sie hat also mehr das ..toierurst', als das „wlorars" dabei im Sinn. (Heiterkeit und Beifall.) Man fordert die staatliche Freiheit der Kirche, obwohl davor im SyllabuS gewarnt, weil damit die Kirche am In- differentismus zu Grunde gehen würde, und man fordert diese Frei heit von einem Staate, von dem Papst Leo XIII. erst kürzlich noch gesagt hat, daß er der einzige Staat sei, in dem jeder Katholik frei und ungestört seinem Glauben leben könne. Aber wir haben damit, wie gesagt, nichts zu thun, wohl aber mit dem Verhältniß der beiden Kirchen unter sich. Und' da sagen wir, wo es sich um den Edelschatz der Toleranz handelt, da müssen sie den Anfang machen. (Sehr richtig!) Wie gelangen wir zur wirklichen Toleranz? Der oberste Grundsatz aller Toleranz ist: Achtung vor der Ueberzeuguug deS Anderen! EL ist aber selbstverständlich, daß mau dazu nicht gelangen kann, indem man die andersgläubige Kirche zu verunglimpfen sucht. Wenn je so etwas auf unserer Seite ge schehen würde, jo würden wir entschieden dagegen Stellung nehmen. (Beifall.) Wir hrgeu aber auch die berechtigte Erwartung, daß die andere Seite die gleiche Gesinnung uns gegenüber hegt und bekundet, insbesondere auf zwei Gebieten, in der Presse und in den Versammlungen. Schwere Verantwortung trägt heute, wer schreibt und wer in Versammlungen redet. Wir wissen, groß ist das Urtheil nicht beim großen lesenden Publicum und bei den breiten Masten der Bersammlungsdesucher und wer diese Massen daher mit fanatischer Rede erfüllt, hat auch die Verantwortung zu tragen. Denn die Besucher solcher Versammlungen sind andere, als die heute hier sitzen. (Heiterkeit und Beifall.) Ganz anders ist es selbstverständlich bei dein Kampf mit den Waffen des Geistes. Hier steht Gewissensüberzeugung gegen Gewisseusüberzeugung, hier stehen sich die Ansichten scharf gegenüber in Bezug auf Wissenschaft und freie Forschung, auf den innersten Kern der Frömmigkeit, in Bezug auf die ratscheidende Bedingung Les Heil- u. s. w., und da muß es zu ernsten Auseinandersetzungen kommen. Hier gilt das scharfe, zweischneidige Schwert, das Christus für den Kamps der Wahrheit in die Welt gebracht hat und das angewandt werden muß. Aber nur dieses Schwert soll uns zur Waffe dienen, nicht das gemeine Messer oder Schmutz und Steine, bewahren wir unsere Hände davor! (Beifall.) Entscheidend auf dem Gebiete der Toleranz ist die Toleranz der That. Solche Toleranz zeigt sich, wenn Katho liken Evangelischen ihre Kirchen bauen Helsen, wie umgekehrt die Evangelischen auch beim Bau des Kölner DomS mitgeholsen haben, oder wen« wie ia Kärnthen eia Bischof vou Klagenfurt die Altar bibel sür ein evangelische- Gotteshaus stiftete o. A. m. Und heute? Wie so traurig ist es doch geworden. Aber eS kann auch wieder besser werden, wenn ma« nur den Willen zur Besserung bekundet, vor Allem aus dem Gebiete, wo die zartesten Dinge in Frage kommen und die Seele gar oft verletzt wird. Wir stellen in dieser Beziehung zwei Anträge an die Leiter und Vorsteher der katholischen Kirche. Der erste be- trifft die Mischehen und damit im Zusammenhang die Kinder« erziehung. Wenn irgendwo Toleranz geübt werden muß, so ist es hier der Fall. Aber herrschen in Lieser Beziehung gleiche Grund sätze? Mit Nichten, sondern man gewahrt die Trauung nur in solchen Fällen, wo man sicher ist, daß die Erziehung der Kinder ia der katholischen Religion erfolgt, inan fordert alle Kinder sür sich Ist das Parität und Toleranz? (Sehr richtig!) Hier sei eine geradezu heillose Quelle couiessionellen Zwistes und ebenso in Bezug aus den zweiten Punct, das kirchliche Begräbniß. Während di« Evangelischen de« Katholiken Ausnahme in Reihe und Glied ihrer Gemeindeglieder gewährten, weise die katholische Kirche den Pro testanten in der Diaspora die Selbstmörderecke zu. DaS verletze tief da-religiöse Empfinden, und er frage daher die Gegenseite, wie sie sich künftighin zu diesen beiden Fragen zu stellen gedenke. Eine befriedigende Antwort hieraus, so schloß der Redner, werde viel dazu beitragen, die bestehenden Gegensätze zu überbrücken und eine Verständigung anzubahnen. Bis dahin wollen wir aber nicht ablasse«, unsere Pflicht zu thun und für das Werk eintrelen, das er uns zugewiesen hat. Sein Werk kann Niemand hindern, seine Arbeit darf nicht ruhen! (Stürmischer, langanhaltender Brisall). Der Schriftführer Pastor O. Hartung-Leipzig gab hierauf mehrere vom Centralausschuß sür Innere Mission in Berlin, vom Frankfurter Zweigverein, vou mehreren böhmischen Gemeinden und von der evangelischen Gemeinde in Paris eingelaufene Begrüßungs telegramme bekannt. Ferner beschloß die Hauptversammlung die Absendung eines Begrüßungstelegramms an den früheren Bor- sitzenden des Gesammtvereins Ged. Kirchenrath Pros. Or. v. Fricke in Leipzig, der ein BierteljahrbunLert lang der Leiter des Vereins war und kürzlich seinen 80. Geburtstag gefeiert hat. Es folgte der Geschäftsbericht über das verflossene Arbeits jahr des Gesammtvereins, aus dem wir bereits Einzelheiten mit- getheilt haben. Der Berichterstatter Pastor O. Hartung-Leipzig führte dazu u. A. auS, Laß auch im letzten Jahre die Diaspora gemeinden wieder sehr viele Anträge um Unterstützung gestellt hätten. In Oesterreich grassire die konfessionelle Schulnoth und auch sonst fehle es in der ausländischen Diaspora in erster Linie an Schulen. Nach Oesterreich seien im letzten Jahre 112 000 mehr als im Vorjahre gegangen, aber die andauernde Zunahme der jungen evangelischen Gemeinden machte auch immer weitere Mittel nöthig. Sehr bedeutsam habe sich das Diakonissenwesen für die Diaspora erwiesen. Der Redner gedachte dann der Tobten de? Vereins, an erster Stelle der hohen Förderer desselben, der Kaiserin Friedrich und des Königs Albert von Sachsen, ferner des l-eute beerdigten Prosessors Or. Luthardt-Leipzig, des Prälaten v. Habicht-Darm stadt, des ConsistorialrathS v. Reichhardt-Posen u. A. m. Im Anschluß au diesen Bericht erfolgte die Ueberweisung der Liebesgaben. Pastor Husnagel-Kefselstadt bei Hanau über reichte 2840 als Sammlung der hessischen Confirmanden, Psarrer Sardemann - Cassel solche der kurhessischen Jungfrauen- und Müttervcreiue im Betrage von 2024 ./s Letzterer bat, diese Gabe einer armen österreichischen Gemeinde überweisen zu wollen, die nicht die Absicht habe, eine große, möglichst stilvolle Kirche zu bauen. Es thue Noth. daß die Evangelischen wieder mehr zur Einfachheit im Kirchenbau zurückkehrlen. Man baue viel zu viel stilvolle Kirchen, die meistens so groß seien, daß man nichts darin höre (Heiterkeit), und jede wenig auf daS innerkirchliche Leben. Ter Verein jollte auch dafür eintreten. (Beifall.) Weiterhin überreichte Haupllehrer Lange-Cassel eine Liebes gabe der hessischen Volksschullehrer in Höhe von 1800 und Geueraljuperinlendent Lohr-Cassel eine solche von 3804Namen- der hejsnchen Psarrer. Die letztere Summe, so führte G.-S. Lohr aus, solle dem cvangelstchen Theologenheim in Wien überwiesen werden, das sich die Ausbildung von Geistlichen sür die neuen evangelischen Gemeinden in Böhmen angelegen sein lasse, nachdem die schmählicheVertreibungder dentschenVicare in Ungarn und andereSchere- reieu der bureaulratisirten österreichischen Regierung gezeigt hätte«, daß eS besser sei, die Geistlichen sür die neuen Gemeinden in Oesterreich selbst auszubilde». Es sei doch etwas Großes, daß in dem Lande des von Jesuiten beherrschten Kaisers Ferdinand, der die Evangelischen mit der denkbarsten Härte verfolgt nnd selbst seine an der Refor mation sesthaltenden Edelleute rücksichtslos dem Henkerbeil über geben habe. Laß gerade in diesem Lande jetzt der Ruf nach dem Evangelium so dringend erschalle. Und ebenso bemerkenswerth sei die Stellung Les Königreichs Sachsen gegenüber Böhmen. Damals habe man die Siege der Kaiserlichen in Sachsen gefeiert und heute, säst sehe es wie eine Sühne aus, stehe kein Land so treu zu den neuen Brüdern in Böhmen, wie die lutherische Kirche Sachsens. (Beifall.) Die Sammlung der evangelischen Gemeinden Hessen- im Betrage von 22840 überreichte Gencralsuperintendent Pfeiffer-Cassel; ferner gingen 60 von den Frauen und Töchtern der Stadt Eschwege, 100 von dem Frauenverein Arolsen und 5000 von einem alljährlich sich einfindenden unbekannten belgischen Wohlthäter ein, die Pastor Meyer-Antwerpen überreichte. Der Haupttheil der Gaben wurde von den Gebern sür die neuen evangelischen Gemeinden in Böhmen bestimmt. Inzwischen war das Antworttelegramm deS Kaiser- eingelausen, dessen Verlesung die Versammlung stehend anhörte. ..Seine Majestät der Kaiser und König lassen der Hauptver sammlung der Gustav Adolf-Stistung für den sreundlichen Gruß herzlich danken. Seine Majestät gedenken gern des großen SegenS, der von der treuen Arbeit der Gustav Adolf-Stiftung für die be drängten Gemeinden in der Zerstreuung ausgeht, und hoffen, daß die werbende Kraft der guten Adolssache auch dazu beitragen werd«, Len Allerhöchst ihm am Herzen liegenden engeren Zusammenschluß der evangelischen Kirche zu fördern. Es folgten dann Begrüßungsansprachen. Mit Gesang und Gebet schloß die erste Hauptversammlung. In der zweite» gestrigen Abendverjaminlung sprach u. A Bicar Rühling aus Graz (Steiermark). Redner bat um gütige Unterstützuug sür die in Graz nothwendig zu erbauende neue evan- gelstche Kirche l6000 Seelen) und meinte, er habe wohl in Cassel an die richtige Thüre angeklvpst, denn es sei besser, mit deulhhem und Casseler Gelbe der Glaubensgenossen Thräuen trockne», als fremder Leute Treber trocknen. (Heiterkeit.) Sehr interessante Mittbeckungen machte auch der nächste Redner, Psarrer Mayrhoffer auS Brüssel, über die Ersolge der Evangrli- saiion in Belgien. Bicar S ch u l c«Wüsterschön berichtete sodaun über di« erfreulichen Erfolge der Los-von-Rom-Bewegung m Nord böhmen, insbesondere aus der Gegend von Tepliy - Schönau. Ganze Ortschaften stehen zu uns, obwohl uns die katholischen Priester in schwerster Weise bekämpfen und verdächtigen und u. A. der be- kannte Pater Alban den Ausspruch that: „Da kommen die kleinen Zwerge und kratzen sich die Finger wund am Felsen Petri". Reüuer schloß ebenfalls mit der Bitte um thatkrästige Förderung der dor tigen Bewegung. (Beifall.) Pfarrer Axenfcld-Godesberg a. Rh. schilderte in kurzen Zügen die dortige Confirmandenanstalt, in welcher hauptsächlich die Kinder auS der Diaspora und aus Mischehen, schon vom zartesten Kindes alter untrrgedracht werden und ev. bis zum 18. Lebensiahc bleiben. Bicar Woidauer auS Stanislaus in Galizien schilderte die dortigen Verhältnisse. Gewöhnlich denke man bei Galizien nur an Schmutz und Schnaps. DaS sei jedoch falsch. Dort biete sich eine große Ausgabe sür das Reich Gottes, seien doch dort im äußersten slawischen Osten all? Nationen und Rassen vertreten. Als letzter Redner des Abends sprach sodann noch Herr Bicar Herrmann aus Neustadt an der Taselfichte und gab recht an schauliche Schilderungen von den Schwierigkeiten, der Noth und den Entbehrungen der kleinen armen evangelischen Gemeinden in der böhmischrn Diaspora. Bisher hat man den Gottesdienst in einem alten Fabrikraume abkalte« muffen, der wochentäglich de» Arbeitern als Speiteraum diente. Dringend nöthig ist der Bau eines BethauseS geworden. Im Anschluß an die erste Hauptversammlung trat um 5 Uhr Nachmittags im Sitzuugssaale des Ständehauses die nichtöffentliche Versammlung der Abgeordneten der verschiedenen Zweigvereine zusammen, um über einige interne Angelegenheiten des Gelammt vereins zu verhandeln. Daneben referirt» Psarrer Tuschek aus Kotin über den Protestantismus unter de» Tschechen. An diese Sitzung schlosse« sich wiederum zwei Abendvertamm- lungen an. In der ersten, die im Festfaale de- Evangelischen Vereinshauses tagte, führte Superintendent Karmann«Schwetz den Vorsitz. Er schilderte als erster Redner deS Abends die Lage in der Diaspora Westpreußens, die gleichermaßen gegen PolonismuS und Romanismus anzukämpfen habe. Ein Untergang deutscher und evangelischer Cultur in jenen Gegenden sei jedoch nicht zu befürchten, denn wenn auch die ehemals deutschen Edelleute, wie Hutten- Czapsky, v. Kalkstein, v. Wollschläger, v. Roffow u. a., unter der polnischen Herrschaft ihr Teutschlhum vollständig verloren oder aus gegeben hätten, so habe doch der seinerzeit auS Westfalen, Friesland, Niedersachien u. s. w. eingewanderte deutsche Bauernstand i« den gesegneten Weichselniederungen trotz der jahrhundertelangen harten Berjolguug durch Leu polnischen KlerikalismuS uiemalS sein Deutsch- thum und jein Evangelium verleugnet und sei noch heute der festeste Wall gegen alle deutschfeindlichen und antirvangelischen Strömungen. «Lebhafter Beifall.) Aber trotzdem sei eS nöthig, ihnen durch den Gustav Adolf-Verein Kirchen und Schule» zu bringen, um auch ihrem Nachwuchs der Väter Glauben zu erhalten. Der zweite Redner, Pastor M a y-Cilli, schilderte die Verhältnisse in dieser steiermärkischen Stadt, die zur Zeit mitten tu der LoS-vou- Rom-Beweguag stehe. So sei der Bürgermeister mit jriuer ganzen Familie übergetreteu und auch die armen Slowenen meldeten sich massenhaft, um des Segens deS Evangeliums theilhaftig zu werde». Pastor Correvon-Frankfurt a. M. verwies aus das Auftreten Abbö Bourrier'S, das in Verbindung mit den kürzlich erfolgte« weiteren Uebertritten vou 40 bis 50 französische« Priestern deutlich zeige, wie auch in Frankreich die LoS-vou-Rom-Beweguug immer weitere Fortschritte mache. Pfarrer JaeHne-Kaadeu i» Nordböhme« bat um LiebeSgabm sür die uordböhmischen Gemeinde«. Es sprachen dann noch Pastor Geißler aus BoSnir», Pfarrer Gutemar aus Arco in Südtirol und der Psarrer von GraSlitz in Böhmen. In der zweite« Adelldversammlung im Stadtparksaale sprach u. A. auch der ehemalige Abb- Bourrier. Sücherbesprrchuugerr. Coloniale Zeitschrift Nr. 18. III. Jahrgang. Heraus geber: Gustav Mein ecke. Verlag der Colonialen Zeittchrift. Berlin VV. 1902. Inhalt: Lolonialpolitik, Colooialwirthschast, Völker kunde. Die deutsche Colonial-Verwaltung und die colonialwirth- schaftliche Bewegung. Vou Colonicus. — Colouiolwirthschastliche«. Von Gottfried Schneiders. — Afrikanische Flußschifffahrt. (Schluß.) Bon A. Hersurth. — Deutsche Goldfelder am Victoriasee. Vou A. Hersnrth. — Dangtse-Fragen. I. Vou W. Weither. — Die Entwickelung der Kolonie S. Louren-o. Von Eberhard Mtinhold. — Amerikanische Ansichten über Ansiedlung auf Samoa. — Coloniale Umschau. Coloniale UuterhaltungSblätier. Ei« Besuch des ältesten deutschen Bergbau-Unteruehmeus in Mexico. Von Heinrich Lemcke. Spielplan der Leipziger Stadttheater. Freitag, den 26. September: Neue- Theater: Hänsel und Gretel. Hierauf: Die Puppen fee. Anfang 7 Uhr. Altes Theater: Alt-Heidelberg. Anfang V,8 Uhr. Spielplan des Leipziger Schauspielhauses. Freitag, den 26. September: Erstes Auftreten des Dir. Anton Hartmann. Kabale und Liebe. Anfang '/.8 Uhr. Hab' i auch außen keine Ehr' von die Leut' — da innen hab' ich eine — und die laß mir, die mußt mir laßen —!" Er greift nach ihr und faßt mit beiden Händen ihre Schultern an; das heiß geröthete (Besicht ist jäh blaß ge worden. „Aula! Aber geh — geh — Jula! In Un- ehren? — Schau, wie kannst denn so 'was denken? Da bin i auch nct dabei! G'wiß nct. In Ehren muß 's sein — in Ehren!" Da jammert sie leise auf: „Dein Vater — Deine Muatter — wie wiirdcn die das gelten lasten? Und mich aufnehmcn — mich? Na, na Du!" Und jäh innerlich erstarkend, sagt sie fest: „'s kann nimmer sein, ich weiß 's! Schon wegen meinem Vatern net! Wegen dem schon gar net. Der paßt net zu ordentliche Leut'. Siehst, wir sind ihm ja davon, ich und d' Muatter und mein kranker Bruder, und sind da her — im Niedergstcttnerhäusl wohnen wir drnnt'; — aber er hat uns wieder auf'gspiirt und liegt uns wieder am Hals und laßt sich wieder er halten von unS. Kriegt er nichts, nachher schlagt er uns. Heut' ist er über d' Muatter her, weil s' net ins Sammeln, fortgehen hat wollen; sie kann aber net, weil der Lenzl, mein Bruder, seit ein paar Tagen wieder schlechter ist. I hab' der Muatter helfen wollen, und da hab' i die Wunden da davon 'tragen; nachher hat er mich hinaus- g'jagt in 'n Regen, „i soll sammeln gehen statt der Muatter". So wild war er heut', i glaub', er hätt' mich erschlagen, wär' i net 'gangen. Da bin i halt fort — und bin zu Dir her'kommen. Und —", sie hält ihn pldtz. lich an der Hand gefaßt und streicht mit ihrer freien Hand leise über die seine hin, während sie mit zitternder Stimme fortfährt: „und bei Dir wär'S schön! Dei' ehr- liche Lieb' — t glaub' dran und sie thät' mir so wohl, weil i zeitlebens so vcracht't worden bin; und i kann doch nichts dafür, t muß doch der Muatter beistehen — in der Arbeit und in der Pfleg' von meinem Brudern. Sonst wär' i ja lang in einem Dienst und thät' fleißig arbeiten mit meine Händ'l Ja — schön wär - da, dürst' i bet Dir bleiben!" Die thräncnnassen Augen schauen in der Stube umher, während sie tonlos wetterspricht: „Aber 1 kann Deine ehrliche Lieb' net annehmenl Und wirst mir recht geben, wenn bk Sach' ordentlich bedenkst, allein Pir Dich.? Die Jnla schweigt. In ihren jungen Zügen steht der Schmerz, und dcr ergreift ihn. Und er tröstet sie, obwohl ihm selber schwer zu Muthc ist; denn wie sie so von ihrem Vater geredet hat, hat er es erkannt, daß — wie die Dinge eben liegen — die Sache eine arg schwere werden wird. '„Sei net verzagt, lieb's Schätzer!, arm's!" sagt er weich. „Es kann schon noch all's gut werden mit uns zwei. I werd' schon reden mit'm Vatern und dcr Muatter. Sic können mir doch nct mein Glück verwehren! Und mein Glück bist Du, herzig lieb's Dirndl, schau! Daß D' so ein' Vatern hast, ist ja freilich net gut, aber — na ja, 'bald er halt einmal da ist —!" Er zuckt die Schultern, fährt aber plötzlich hastig fort: „Schau, 'leicht ist noch 'was zu richten mit ihm, wenn er in ein ordentliches Haus kommt, wo er zur Arbeit ang'halten wird! Vielleicht laßt er her nach vom Trinken. Jetzt hat er halt die G'legcnheit dazu, schafft rrrit Euch Wcibslcut' umeinander und thut selber nichts — nnd versauft's Geld, weil er sonst nichts zu thun hat. Er ist halt nie in der richtigen Zucht g'wesen; Ihr habt's eine Furcht vor ihm, das weiß er und thut, wic's ihm paßt; gegen nns aber darf er sich net viel sperren, wir haben Kräft'l" Und dcr Franz reckt die Arme und lächelt dcr Jnla zu. Die schüttelt den Kopf. „Den alten Mann änderst D' nimmer, da bist g'wiß! Mach' Dir keine gachen Hoff nungen; cs kommt nimmer so weit, daß der ein Stückt Arbeit anrührcn thät' da auf'm Hof. Ja, eher noch mehr faulenzen thät' er, wcnn'S nur noch möglich wär', so bald er müßt', seine Tochter ist eine Bäuerin, die 'was hat!" In den Zügen der Sprecherin regt es sich verächtlich. „Sn einer ist der, daß er Dir am G'nack liegen thät' und thät' in alle Wtrthshäufcr rundum Schulden machen auf Dein' Nam'. Möcht'st nachher geben und sagen: „Wirth, daß D' dem Vater von meinem Weib nichts gtebst auf Borg, kommst um Dein Geld, i zahl' nichts." Na, na, das thu' t Dir net an, daß D' Dich schämen müßtest wegen meine Leut'! Da bist mir schon zu lieb' worden. Schau, meine Muatter ist ja auch keine von die Feinen, die Sanften; die ist ein alt'S abg'rackerte» Weib, und 'S Herz da- versteckt sich oft Sei ihr, tveU - sich schämt, wie hart alL '» 'mord« Ist vor lauter Schlcchtgehen!" Für einen Augenblick verstummt sic, die Jula, und schluckt ein paar Mal, als würge sie etwas in der Kehle. Dann führt sic mit zitternder Stimme fort: „I merk' bei ihr anch oft net viel vom Gntscin! Aber weißt, die ist halt niedcr'drückt worden, so tief, — und wehrt sich und mag net auf; und da schlagt s' halt oft aus, wcnn'S wild wird, und schaut net, wo s' hintrifft. Sichst, daö must i mir manchmal denken, bei ihr — und nachher halt' ich's wieder aus bei ihr, ohne daß 's mir zn viel weh thut. Aber i fürcht', wem andern brächt' mci' Mnatta keine Freud'!" „Jcssas, Tu arm's Haschcrl, 's geht Dir völlig nct gut!" entfährt es voll Mitleid den Lippen des Burschen und er hascht nach dcr Hand Jula's und druckt und streichelt sie. Dcr feucht schimmernde Blick Jula's hängt an ihm voll Liebe. „I weiß nct, wie das ist, daß i Dich so g'schwind gern kriegt hab'!" flüstert sie. „Heut' auf s erstemal Sehen — na, g'seben hab' i Dich ja neulich schon in der Kirchen, und hab' seither manchmal an Dein G'sicht denken muffen!" „Hast? Hast?" unterbricht er sie schier jubelnd. „Geh', d^shastthnnmüssen? Wie il Ja, schau, grab' wie i! Nimmer aus'm Kopf hab' i Dich bringen können scithers. Na, aber so 'waS! All' zwei auf eine Weis' — all' zwei! Sein Jubel thut ihr weh. Traurig siebt sie ihn an. „Wär' besser für uns all' beid', wär's nct so! Jetzt trag' t mit einem schweren Herzen, waS t früher mit einem trotzigen 'tragen hab'. Da thut's wohl mehr weh und 's druckt einem tiefer nieder. Aber — 's geht net weiter wie bis zum Sterben! hat die alt' Kantnerin allwcil g'sagt; da muß i mir halt denken wie sie. Und jetzt b'hüt Dich Gott, mein lieber Bua! I must weiter, 'bald i nichts bcimbrächt' wie das da, und der Vater wär' noch daheim, nachher wär'ö völlig aus! B'hüt' Dich Gott und — ja, und schau nimmer, daß D' zu mir kommst. Mach' mir'S so g'ring, als D' kannst, indem mir anS'm Weg gehst. Gelt Du, das thust?" „Aber geh', aber geh'!" wehrte er völlig erschrocken ab. „So sei doch net gar so ohne Hoffnung! So eine Lieb', wenn s' treu ist und laßt sich net vou einem jeden Mindert wegHlaseu, pachher muß es doch ein güt'» End' nehme« — na, na, eigentlich gar kein End', sondern ein schön's Zu sammenkommen must eS geben!" „I mein', meine Lieb', so jäh als s' kommen ist, aber die blast sclb's ein Sturm nimmer weg; aber da draus glaub' i nimmer, daß uns ein Zusammenkommen b'schieden ist." Und mit gesenktem Kopf geht sic hinaus, aus der Stube und auS dem Hause. Und er starrt ihr nach, so kummervoll, als ging' ihm sein Liebstes von dannen auf Nimmerwiedersehen. Plötz lich fährt er auf. „Daß s' gar so mnthlvs ist, d' Jula, das hat mir jetzt selber schier 's Hoffen auf einen guten Aus gang g'nommen! Und da hab' i jetzt auch noch vergessen, ihr b'hüt' Gott! zu sagen. So 'was!" Dabei eilt er auch schon mit hastigem Schritt hinaus vors Haus. Aber von der Jula ist keine Spur mehr zu sehen, die must schon ein gutes Stück wcggcwandert sein. „Freilich, in dem Regen, dem damischen da, wird s' auch grab' stehen bleiben und warten auf dich, bis 's dir ein fallt, daß d' ihr b'hüt Gott sagst!" murmelt er verdrossen vor sich hin nnd kehrt ins Haus zurück. Mitten im Flur steht die alte Sandl, stemmt beide Arme in die Seiten und guckt nach ihm aus. „JcssaS na, Franz, wegen waS bist denn jetzt a so g'rennt in 'n Regen hinaus? G'wiß hat s' Dir 'was g'stohlcn, das saprtsch' Dirndl, das fremd'! Ha?" Der Franz kann nicht anders, er nickt ihr auflachend zu. „Ja, g'stohlcn hat s' mir 'was, aber tröst' Dich, i hab' ihr's gern 'lassen!" „Ah so? Gern 'lassen?" verwundert sich die Alte und sinnt eine kurze, flüchtige Weile; und als Resumn ihrer verwundcrungsvollen Betrachtung crgiebt sich der Schlußsatz: „Na, nachher mag's net viel werth g'wesen sein, das!" „Nicht viel werth" — sein Herz? Da lachte dcr Franz übermüthig auf, — er hat seine gute Laune wicdcrgcfuu- dcn und damit sein frohe» Hoffen. (Fortsetzung folgt.)
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