02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 26.09.1902
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-09-26
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
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- Public Domain Mark 1.0
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- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19020926021
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- LDP: Zeitungen
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- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1902
- Monat1902-09
- Tag1902-09-26
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Abend-Ausgabe WpMcr TaMaü Anzeiger Druck und Verlag von E. Polz tu Leipzig. 96. Jahrgang Nr. 491 Freitag den 26. September 1902. Feuilleton 71 , ttteUorä »ei'. >,<Ki Haupt-Filiale Serlin: Königgrätzerstraße IIS. Fernsprecher Amt VI Nr. S3SS. esiitnr <l«r »tuoplxir - »' (24/S> >a von vnilu- ' I2LÄ, !a H ia 6orr«l »Uoi»- üLr9> .Loickok»- ll««» ä«m : Lv«wo->- V»Ii>»r»i»o, »reit', sm ldr Lliltse» orx rll sr» »' 6N/»> in >. in 8iors- »rckckomplsr tsräswpkvr ' (L1Ä, von >1 sak ck«r ^ir»rä llsoli Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbrsörderung 60.—, mit Postbeförderung ^l 70.—. lange verschließen können, doch ist zu befürchten, daß bei Abschaffung des betreffenden Postens die Verwirrung bei dem Gütertransport sehr überhand nehmen wird, da eben die Eisenbahnlinien nicht im Entferntesten in der Lage sind, den enormen GUterandrang zu bewältigen. — In den Johannesburger Minenkreisen ist die Unzufriedenheit nicht minder unverkennbar. Die Frage der Beschaffung der schwarzen Arbeiter wird von Tag zu Tag brennender und die Behörden sind nicht in -er Lage, irgend etwas zu thun, um den Minen zu helfen. Bon den benüthigten 100 000 Arbeitern konnten bisher trotz aller Mühe nur etwa 85 000 beschafft werden, also nur eiwa ein Drittel der im Ganzen benüthigten Anzahl. Die Kaffern sind eben während des Krieges von Engländern und Boeren so gut bezahlt worden für ihre Dienste als Wagen führer, Pferdeknechte u. s. w., hauptsächlich aber für ihre Thätigkeit als Spione, daß sie noch nicht zur Arbeit ge zwungen sind; außerdem haben sie in den letzten Jahren stets gute Maisernten gehabt, und bei der sprichwörtlichen Faulheit der Kaffern sind sie nur dann als Arbeiter zu haben, wenn die Noth sie dazu treibt. — Die Behörden Hütten ein einfaches Mittel an der Hand, um die Kaffern zur Arbeit zu zwingen, nämlich hohe Besteuerung der selben; aber da der Schutz der Eingeborenen nun einmal das Feldgcschrci in England ist, so kann sie sich zu solchen Maßregeln nicht entschließen. Flämmchcn. Lockend, verheißend erschien ihm das Licht lein, als würde cs ihm etwas Herrliches zeigen, was er sonst nirgends sehen könnte. Es ließ ihm keine Ruhe. Uud da schlich er hinzu ans Fenster, brachte den Kopf nahe zu den Scheiben, und sah hinein. Mitten auf dem Tische stand die Kerze; in dem nur schwachen Schein sah er eine große, hagere Wcibcsgestalt in der Stube herumyantiren, Bon der Jula sah er nichts. Doch da — sie trat eben aus der Kammer nebenan, hielt ein Bündel in der Hand und ging zum Tisch. Unter diesem stand ein Schemel, sie rückte ihn hervor, liest sich darauf nieder und knüpfte das mitgebrachtc Bündel auf der Diele auseinander. Sie sortirte Hadern; Franz merkte das schnell. Bald bückte sie sich tief nieder, bald erhob sic den Kopf wieder und besichtigte etwas, was sic mit den Händen empor hielt. Wenn sie den Kopf hochhielt, umgab das Haar denselben wie ein Heller Schein; beugte sic sich zu Boden, so glitzerte das Haar, ehevor das Haupt aus dem Lichtkreis kam, selt sam auf, — Franz sah es deutlich. Manchmal sah er auch ziemlich gut die Züge des weißen, feinen Gesichtes. Er biß die Zähne aufeinander nnd preßte die Rechte gegen das Herz. Gar zu gerne hätte er seinem Dirndl ein liebes Wort da hineingerufen. Ah mein, viel lieber noch hätt' er die Jula auf seinen Arm genommen und fort getragen von da, wo sie tzicht hinpasttc, zu so einer Hantirung; fortgetragcn, hinauf in seinen Hof, in seine Stube, wo cs ihr so gut gefallen hatte! Mit tiefgesenktem Kopfe ging er endlich heimwärts und dachte und sann, wann er denn unn daheim reden könnte. Denn heute war der Vater schon eine Stunde lang aufgewescn, und morgen durfte er schon den ganzen Tag außer dem Bette sein. Uebcrmorgcn konnte er wohl schon mit seiner Sache hervvrrücken; morgen war es noch zu früh — nnd richtig, die Mutter hatte ihn heute daran erinnern müssen, daß er morgen znr Hochzeit feines Ver wandten müsse. Er hatte ganz darauf vergessen gehabt. Ja, da hatte er morgen ohnedies nicht Zeit! „Ein bißl mußt schon noch zuwarten, Jula, 's geht net anders!" raunte er für sich hin. „I wart' ja eh' selber hart. Aber nachher — nachher wird's uns umso besser freuen! Freilich wohl, mein lieb's, arm'ö Schätzer!! Und i werd' schon dazuschanen, daß D' bald eine bessere Zeit kriegst — Du — Du!" Der innige HcrzenStvn verstummte. Der Franz preßte die Handflächen auseinander mit starkem, kräftigem Drna. Und als der Mond wieder ein wenig hinter den Wolken hervorlugte, hinunter auf das hübsche Gesicht des Burschen, In kaufmännischen Kreisen der Transvaal kolonie herrscht große Erbitterung darüber, daß dem Handel noch immer recht »ästige Fesseln angelegt sind. Die Versorgung von Johannesburg und Pretoria mit Waaren ist zur Zeit bedeutend schlechter, als sie vor sechs Monaten war, während man doch hätte annehmen sollen, das; mit Beendigung des Krieges, Heimsend»«« vieler Truppen u. s. w. die Eisenbahnen für den gewöhnlichen Verkehr viel freier sein sollten als früher. Der Grund dürfte wohl darin liegen, daß der gegenwärtige „Director für Versorgung der Eivilbevölkernng" ein ganz unfähiger Mensch ist, der auch, abgesehen von seinem Mangel an Organisationstalent, als Militär nicht die geringsten Kenntnisse von Handelsangelcgcnheiten besitzt. Die Han delskammern vom Transvaal, wie die von Durban, East London u. s. w. bestürmen Lord Milncr daher mit Ge suchen, das Amt dieses Directors überhaupt nunmehr ab- zuschaffeu und den Kaufleuten zu gestatten, sich selbst zu helfen. Diesen Vorstellungen wird sich Lord Milncr nicht »Ickor»»«- Mit' zweckwidrig und kostspielig; eine Spurweite von 75 Centi- meiern, wie auch die Kongobahn sie ausweist, würde seines Erachtens völlig auSreicheu und zudem auch die Ausführung deS Projektes wesentlich verbilligen. Als entschiedener Gegner einer großen vstasrikanischen Kentralbahn bezeichnet er ein System von möglichst zahlreichen, von den besten Hauptplätzen in die küstennahen Aergländer führenden Stichbahnen als die Hauptsache in unserer ostafrikanijchen BerkehrSpolitik. Der für die Tage des lO. und N. October bevorstehende Deutsche Koloni alcongreß würde sich ohne Zweifel ein großes Verdienst um die coloniale Bewegung erwerben, wenn er die Streitfragen über die Befolgung einer geeigneten Bahn- und BerkehrSpolitik in unseren afrikanischen Kolonien einiger maßen auszugleichen vermöchte, damit die ganze Agitations kraft sich auf ein wirklich ausführbares Project concentriren kann. Kr..^ol.it5Sgt kootäej — s I1.15/1L Die russische Negierung geht in Finland energisch vor. Soeben ist eine wichtige Verordnung er schienen, welche den Senat zum Theil seiner Selbstständig keit entkleidet, den Gcneralgouverncur und die Gouver neure in ihren Befugnissen stärkt und die Russificirung er heblich fördert. Zunächst soll der Generalgouverneur in Zukunft den Vorsitz im Oekonvmiedepartement des Senats führen nnd er muß, wenn wichtige Angelegenheiten zur Verhandlung stehen, stets zugegen sein. Außerdem wird ihm das Recht crtheilt, in Zukunft einen Theil der Senats beamten zu ernennen, ein Recht, das bisher dem Senate selbst zustand. Die nur durch richterliches Urthcil absetz baren Richter sollen in Zukunft vom Senate ihrer Aemtcr enthoben werden können, wenn sie außerdienstlich rn einer „die Menschenwürde verletzenden Weise ausgetreten" sind. Die Ausländcrbcstimmung, das; nämlich Ausländer nicht Beamte werden können, wird in Zukunft auf Russen keine Anwendung haben. Die Rechte der Gouverneure erhalten ebenfalls wesentliche Erweiterung. Endlich ist zu er wähnen, daß an der Universität zu Helsingfors mehrere russische Lehrstühle, und zwar für russisches 'Recht, russische Staatswisscnschafteu und Rußlands Geschichte, errichtet werden sollen. Die Inhaber dieser Lehrstühle werden den anderen Prozessoren gleichgestellt. Das Bemerkens- wc'vbeft.» h^erb. i ist ober de» iiigüi-:'.daß die jungen Juristen im russischen Staarsrccht nuo in d^ Geschichte Rußlands geprüft werden müssen, und daß die tu diesen Fächern erhaltenen UrtheUc bestimmend wirken auf den Erfolg der ganzen Prüfung. liberalen den von dem Bunde der Landwirthe dictirten und zumeist von den Conservatioen befürworteten Forderungen sich anschlössen. Diese Einschätzung ihres Einflusses können die Nationalliberalen sich wohl gefallen lassen. Sie selbst sind bescheidener in der Schätzung ihrer Macht und bilden sich nicht ein, durch den Hauch ihres Mundes die verbündeten Negierungen umblasen und von ihren nach langen und mühseligen Verbandlungen zu stande gekommenen Beschlüssen abbrinzen zu können. Sie bilden sich auch nicht ein, besser als diejenigen Stellen, denen allein die Berichte unserer Vertreter im Auslande zugänglich sind, zu wissen, unter welchen Umständen neue Handelsvertrags verhandlungen Erfolg versprechen. Wenn es der „Kccuzzlg." und ihren Hintermännern möglich wäre, sich gleichfalls etwas Bescheidenheit anzucignen, so würde die kritische Lage sich gar bald klären. An die Dringlichkeit einer Aufgabe, die der Reichstag in diesem Frühjahr unerledigt gelassen hat, erinnert jetzt der Präsident der Deutschen Kolonialgesellsckaft, Herzog Jobann Albrecht von Mecklenburg, durch eine Eingabe an den Reichskanzler, in der auf dieNotbwendigkeit des baldigenBcginnes des Barns ter Stichbahn von Tar-es-Lalaam nach Mrogoro bingewiejen wird. Bekanntlich war damals die Stimmung im Reichstage selbst für dieses bescheidene Bahnproject so wenig günstig, daß man die Vorlage, um sie der Gefabr der Ablehnung nicht auSzusetzen, in der Kommission zurückbehielt und gar nicht an das Plenum brachte. Die große ostafrikanische Kentralbahn, für deren Verwirklichung der gestern verstorbene Abg. Oechelhäuser bis zu seinem Ende mulhig kämpfte, wagen nur noch wenige Colonialpolitiker zu befürworten; sie schätzen sich glücklich, wenn die Siichbabn Dar-cS-Salaarn—Mrogoro baldigst zu Stande kommt. Für sie tritt auch Professor I)r. HanS Meyer lebhaft in seinem soeben erschienenen Bucke: „Die Eisenbahnen im tropischen Afrika" (Verlag von Duncker und Humblol in Leipzig) ein. Die Vorlage über dieses Project der 23l stm langen Linie Dar-cs-Salaam— Mrogoro gipfelt durch die KvmunssionSberathunz in folgenden Hauplpuncten: „Eine von einem Aankconsortium unter Führung der Deutschs Dank zu oilden'öe Dsn.frik^ llich- Ehe-Wahn,Zclljchast erhält 88 Jahre die Conceisiou zum Bau und Belriea einer Eisenbabn r r Dar-es-salaam nach Mrogoro. Ihrem Capital wird bis zu 22 M.ü. Mark eine Zproe. Verzinsung vom Reiche garaulirt; d!e Anthcilr werden also in 87 Jahren mittels jährlicher Zahlungen von 747 187,32 verzinst uud Lurch Autloosung zu 120 ./« für jeden Antbeil, beginnend in dem aus die BetriebSeröfsnung bis Mrogoro folgenden Velriebsjahr, getilgt. Wenn die Iahrcsdivldenden mehr olS 2 Proccnt Les eingezahlteu Capitols betragen, nimmt das Reich au Lern Ucberschuß zur Hälfte Theil. Das Reich behält sich das Recht vor, das gejammte Unter« nchmen nach 45 Jahren seit der Betrirbscröfsnung zu übernehmen; Kaufpreis: 120 ,/L für jeden noch nicht geloosteu Slntheil nnd der zwauzigsache Betrag des im Durchschnitt der letzten süns Jahre über 3 Prccent hinausgchcndeu Reingewinnes. Nach Ablauf der Cou- cession <88 Jahre) geht das gcsanimle Unternehmen unentgeltlich und schuldenfrei aus Reich über. Tie Coucession ist verwirkt uud das Reich ist berechtigt, das Unternehmen zu übernehmen, wenn die Gesellschaft wegen Zahlungsunfähigkeit den Bau nicht vollenden oder Len Betrieb nicht ein« oder sortsührcn kann." Tie in der koncesüvuSurkundc angenommene Spurweite der Bahn von über I Meier hält Prof. HanS Mcyer für Anzeigen »Preis die 6gespaltene Petitzeile 25 Reklamen unter dem RedactionSstrich (4 gespalten) 75 H, vor den Familiennach richten (6 gespalten) 50 H. Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offertenannahme 25 H (excl. Porto). da sah er den Kopf muthig in den Nacken zurückgebogen und in den blauen Augen einen warmen, tiefen Schein. Achtes Capitcl. Vinzenz saß am Fensterleiu der Tchlafkammer, die er mit seinem Weibe zusammen inne hatte. Die einzige Stunde, die er gestern hatte aufstehen dürfen, hatte ihm wohlgcthan. Heute war er nun schon in aller Frühe auf gestanden: er fühlte sich schon wieder gesund, und wie er meinte: auch kräftig genug zur Arbeit. Aber der Sohn uud das Weib ließen ihn noch nicht hinaus aus der Kammer. Er müsse sich erst wieder «ns Aufsein gewöhnen, eh' er in die frische Luft dürfe, hieß es bei den Zweien. Er mußte sich gedulden. Und er that es schließlich auch und gab ohne weitere Widerrede nach; wußte er doch, daß die böse „modische" Krankheit, die ihn gepackt hatte, die Influenza, oft recht übel ausging, wenn sich eines nicht hielt. Die Sticglbäucrin hatte dadnrch die Lungen entzündung davougctragen und hatte sterben müssen. Ein paar Tage auf oder ab konnten schließlich nicht meür ge rechnet werden, wenn cs nun dock mit frischen Kräften der Gesundheit zuging. Er hatte ja auch den Sohn, dem er leichten Herzens die Aufsicht über das Gut anvcrtrauen durfte; da konnte er schon ein wenig in Geduld dasiyen am Fenster und in den winterlichen, kalten Tag hiuausseheu und die Zeit ungenützt verstreichen lassen. Nachher würde er nm so fleißiger zugreisen. Er seufzte leise. Wenn nur sein fleißiges Zugreifen von jeher mehr Segen gehabt hätte! Aber wie eifrig er auch g.'wirthschaftet hatte, welchen unermüdlichen Fleiß er auch angewandt hatte, arbeitend und schaffend wie der geringste Knecht, es war ihm nicht gelungen, etwas zu ersparen. Blos die Hypothek, die auf dem Gute gelegen, hatte er ab zahlen können, nnd ivie viele Jahre hatte er hierzu ge braucht! Erst kostete die Mutter seines Weibes so viel, da dieselbe bald nach dem Tode ihres Mannes noch schwerer leidend wurde, bis sic endlich der Tod erlöste. Dann kam ein Kind ums andere, die Franzi kränkelte beinahe zwei Jahre hindurch, dann starben die Kinder nacheinander bis auf das einzige, den Franz. Und so ging es mit den Un kosten in Einem fort, während das Erträgniß des Gutes zu wüuschcn übrig ließ. Unglück mit dem Viehstande und schleckte Ernten, letztere von Hagelwetter oder spätem Frühjahrssrost herstammcnd, verringerten in so manchem Jahr die Einnahmen, die zu erwarten standen. „Kein Segen! Kein Segen!" murmelte der alte Mann für sich hin. Ah, er wußte cS ja auch, warum dies so war. Weil er widerrechtlich das Geld behielt, das seiner Stief schwester gehörte. Er hatte geschworen, und den Schwur nicht gehalten. Das war nun seine Strafe, daß kein Segen dabei war bei seinem Thun. Vinzenz krampfte die Hände um seine Knie. Ah, er sollte seinem Herrgott danken, daß er ihm sein liebes Weib, das schon so schwer krank gewesen, gelassen, daß er ihm doch den einen lieben Sohn nicht genommen, — aber er konnte nicht, konnte nicht danken, denn der Herrgott war nicht barmherzig; der sah doch in sein Herz und sah, daß er das Gute wollte, wenn er cs nur thun könnte — aber er half ihm nicht dazu, daß er cs eben konnte. Gedieh Alles gut auf seinem Hofe, so mußte er längst bei seinem Sparen und Hausen einen großen Theil der Summe beisammen haben, die er seiner Stiefschwester zahlen sollte. So aber war er beinahe ein Bettler, zahlte er die Summe hinweg; es war sicher, daß er dann den Hof verlassen mußte. Und er erhielt doch seinem Sohn so gerne das Erbe. Sollte er sein einziges Kind berauben? Den Franz, der ein Bauer werden mußte, wie weitum keiner war, so brav und um sichtig und wirthschaftlich, sollte er den zu einem armen Knechte machen ? Nein, nein, eher trug er seine Sünde weiter und weiter, bis er ans Ende kam. Und wer weiß, ob er sich überhaupt nicht umsonst quälte, ob nicht am Ende die Sepht schon längst verstorben war, und wenn sie Kinder gehabt hatte, diese vielleicht auch! Er hatte ja heim lich nachgeforscht damals, als er die Franzi zum Weib ge nommen, nachgeforscht in dem Gedanken, daß er, wenn die Sephi noch lebe und es ihr schlecht gehe, ihr wenigstens bei stehen wolle, so viel er vermochte, damit die Noth sic nicht zu arg drücke. Und so manche halbe Nacht hatte er damals wach gelegen und heiß gebetet, der liebe Gott möge ihm Glück und Legen schenken, damit er in einiger Zeit wenigstens einen Theil der Schuld au die Sephi abtragen könne. Dann, wenn es so weit war, wollte er mit ihr sprechen nnd sie bitten, mit dem anderen zu warten, bis es sein konnte, daß er sie zahlte. Aber er hatte weder etwas von der Sepht erfahren können, noch hatte der Herrgott sein Bitten erhört. Und da, als er sah, daß es nimme? vorwärts gehen wollte, da war er lässig geworden im Tuchen, und war schließlich oft froh gewesen, daß er nichts von seiner Schwester erfahren, daß er denken konnte, sie sei wahrscheinlich längst todt. Jetzt, da er krank gelegen, hatte er freilich gar viele Stunden hindurch sich wieder mit der Sache beschäftigt und sich gequält. Wie, wenn er nun so recht plötzlich verstarb und bas Testament blieb unversehrt anfbewahrt, biS eS eines Lageß VezugS »PreiS i« der Hauptexpedition oder den i» Stadt bezirk und den Vororten errichteten Aus gabestellen abgeholt: vierteljährlich 4.50, — zweimaliger täglicher Zustellung ins HauS5.50. Durch die Post bezogen für Deutschland u. Oesterreich vierteljährlich ^6, für die übrigen Länder laut Zeitungspreisüste. -»-»> Nedaclion und Expedition: Johannisgasse 8. Fernsprecher 153 und 222. FMale«p<dM»uerr r Alfred Hahn, Buchhandlg., UniversitätSstr.3, L. Lösche, Katharinenstr. 14, u. Königspl. 7. «i-i, Haupt-Filiale Dresden: Strehlenerstraße S. Fernsprecher Amt I Nr. 1713. Amtsblatt des Hönigkichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, des Ruthes und Rotizei-Ämtes der Ltudt Leipzig. Deutsches Reich. Berlin, 25. September. (Oechelhäuser s.) Mit aufrichtiger, tiefer Trauer werden die Parteigenossen die Kunde von dem Hinscheiden eines der treuesten und be geistertsten Mitglieder der nationalliberalen Partei, Wilhelm Oechelbäuser'S, vernommen baden. Nach kaum zweitägiger Krankheit raffte den bald 83 jährigen unermüdlich thätigen Greis eine Lungenentzündung hin. Einem durch Ursprüng lichkeit, idealen Schwung und dichterische Schöpferkraft reich auSgrstalteten und in unermüdlicher Arbeit sich bethätigenden Leben hat hier der Tod ein Ziel gesetzt. Wir dürfen stolz darauf sein, den edlen Mann m seiner hervorragenden politischen Thätigkeit zu unserer Partei haben zählen zu dürfen. Und er selbst hat oft genug geäußert, er vermöge sich sein politisches Wirken nur innerhalb der uation al- liberalen Partei vorzustellen; er war von Anbeginu mit ihr aufS Innigste verwachsen. — Wa» er auf literarischem Gebiete, insonderheit für die deutsche Shakespeare- Forschung geleistet, sichert ihm in den Annalen unserer Literatur einen unvergänglichen Namen. — Ader auch ohne die Gaben, welche ihm der Genius verliehen, würde Oechelhäuser durch seine Persönlichkeit allein, seine Hingabe an die sich selbst gestellten Aufgaben und an seine Freunde in deren Herzen und Erinnerung ein dauerndes und bleibendes Denkmal sich gesetzt haben. — Drückte in der letzten Zeit ihn auch die Last der Jahre ein wenig sein Herz blieb jugendlich und feurig; er verstand die Jugend und konnte mit ihr fühlen, wie er den Pulsschlag der neuen, socialen Zeit mit ihren Aufgaben und Problemen fühlte uud würdigte. — DeS edlen ManneS und Parteifreundes werden wir in tiefer Trauer über seinen Verlust stets in Treue und Liebe gedenken! Wilhelm Oechelhäuser war am 26. August 1820 in Siegen (Westfalen) geboren. Er trat mit 14 Jahren als Lehrling in die Papierfabrik seines Vaters, des Erfinders deS Strobpapirr-Maschineu« syslems, bereiste 1844 und 1845 im Auftrage des pleußischrn Finanz« Ministeriums England und Frankreich zum Studium der dortigen Politische Tagesschau. * Leipzig, 26. September. Die Zolltarifcommtssion deS Reichstags hat gestern ,n so beschleunigtem Tempo gearbeitet, daß sie möglicherweise schon heute mit der zweiten Lesung des Tarifs zu Ende kommt und zur Berathunz des TarisgesetzeS übergehen kann. Sie hat aber, wie der im heutigen Morgenblatte mitgetheilte Sitzungsbericht beweist, die Aussichten auf eine Verständigung zwischen den Mehrheitsparteien und den verbündeten Negie rungen nicht wesentlich verbesseit. Trotzdem hält Li- frci- conservative „Post" eine solche Verständigung nock nickt sür ausgeschlossen. Auch sie nimmt an, daß unter Umständen daS Kent rum mit sich reden lassen werde, denn sie schreibt: „Die Form, welche für eine solche Vereinbarung zu wählen wäre, ist an sich ziemlich nebensächlich, wenn man erst in der Sache selbst einig wäre. Sie wird aber in dem vorliegenden Falle einer besonders sorgfältigen Behandlung bedlrsen, denn es unterliegt keinem Zweifel, daß die Schwierigkeiten der Verständigung keineswegs allein auf dem sachlichen Gebiete liegen. EL wird eine Form der Vereinbarung zu wählen sein, welche sorg« sam vermeidet, daß es den Eindruck gewinnt, als habe sich der eine oder andere Theil vor dem Gegenpart gebeugt. Miquel und wahrscheinlich auch Or. Lieber würden voraussichtlich leicht die Formel gefunden haben, in welche unter diesen Gesichtspunkten eine Verständigung auf der vorge,;eichneteu Grundlage über die Viebzölle zu kleiden wäre. Herr Spahn, welcher anscheinend die Nachfolge l'r. Lieber'S übernommen hat, wird jetzt zeigen können, ob er in der That die Geschicklichkeit seines Vorgängers besitzt." Anders die „Kreuzztg.", die völlig verzweifelt und in ihrer Äerzweifelung, wie gewöhnlich, die Sckuld an der kritischen Lage den Nationalliberalen ausbürdet, denen sie vorwirft: „Wer das Verhalten der Nationalliberalen in der gegen wärtige» LriftS verstehen will, darf nicht übersehen, daß ihre Befehdung der Mehrheilsparteien im Reichstag weniger auf wirth- schastspolitischen Erwägungen beruht, als auf p o l i t i j ch e r Eifersucht, die sich vor Allein gegen die Confer» vativcn richtet. Nur dadurch in der That wird es begreiflich, daß sie sich nunmehr nicht nur für die Bethciligung der Social demokraten au den bevorstehenden LandtagSwahlen in Preußen zu intcressiren beginnen, sondern ihnen dabei sogar Erfolg wünsche n." Auf welche der in Frage kommenden Leistungen der konservativen die Nationalliberalen eifersüchtig sein könnten, wird selbst der geübteste Räthselratbcr nicht heraussinecn und waS die angebliche nationallibeiale Sehnsucht nach social- deniokratiscken Wahlerjolgen in Preußen velriffk, so genügt zur Widerlegung dieser sonderbaren Behauptung ter Hinweis darauf, daß die Socialveniokraten überall die National liberalen bitter bekämpfen und raß also die letzteren sich selbst Niederlagen wünschen mußten, wenn sie den Social demokraten Erfolge gönnten. Bei Lickte besehen, beweist der Groll der „Kreuzztg." gegen die Nationalliberalen nur, daß das konservative Organ der Haltung dieser Partei eine sehr givße Bedeutung beilegt. Die „Kreuzztg." geht nämlich augenscheinlich von der Ansicht auS, daß die verbündeten Regierungen sofort klein beigeben würden, wenn die National- Ännahmeschluß für Anzeigen: Abend-AuSgabe: Vormittag» 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittag« 4 Uhr. Anzeigen sind stets an dre Expedition zu richte«. Die Expeditton ist Wochentag» ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi» Abend» 7 Uhr. Das Testament. Eine oberösterreichische Erzählung v. Fanny Kaltenhauser. (Nachdruck ohne Honorirunz auch in Amerika rcrbrlcn.) Siebentes Capitcl. Der Hochgstettner mußte sich bei der Leichenbestattung der Sticglbäucrin erkältet haben; er fieberte selben Abends noch, hustete und mußte beinahe eine Woche zu Bette liegen. Der Franz, so gerne er mit Vater und Mutter von seiner Lieb' geredet hätte, mußte stille sein; er konnte den Vater nicht aufrcgcn, so lange der nicht wieder gesund mar; mit der Mutter aber mar nicht viel zu reden; die verließ den Kranken nur gerade, wenn sie Nöthiges in der Wirthschaft zu verrichten hatte. Uud da der Hände im Hochgstcttner- hofe nicht zn viele waren, so mußte jede Minute fleißig benützt werden, — der Franz durfte seine Mutter nicht auf halten. Er mußte sich die Sache, die ihm so sehr am Herzen log, zu gelegcnercr Zeit aussparen, so schwer cs ihm auch ankam. Manchmal, wenn die tägliche Arbeit zu Ende war und es ihn gar zu fieberisch packte, da lief er hinunter zum Nicdergstcttncrhäusl, versteckte sich hinter dichtem tzkbüsch und lugte da hindurch, ob er die Jula nicht zu scheit kriege. Aber er sah nur manchmal ihren Vatckr herum torkeln äußern» Haus, wenn er vom Wirthshaus kam, wo er den ganzen Tag hcrumgelungert und den letzten Kreuzer vertrunken, den er im Sacke hatte, — oder wenn er schon halb berauscht noch ins Dorf ging, nm sich noch mals die Schnapsflasche füllen zn lassen. Hinterm Wohnstubeufenster sah er bis tief in die Nackt hinein einen märten Schein leuchten; ein Kerzenlichtlcin brannte dort. Dort lag wohl der tränke Binder der Jula. Vielleicht mar der überaus schlecht und die Jula blieb statt der Mutter am Bett, zur Pflege. Einmal packte ihn die Sehnsucht allzumächtig. Er hatte eben den Alten auf dem Wege ins Dorf dahinschwanken sehen; die Jula mußte mit ihrer Mutter und dem Bruder allein iw Hause sein. Tie Nacht war nur wenig erhellt, und während er nun seit einer Weile schon Hinterm Ge büsch gestanden, hatten Wolken das matte Licht der silbernen Mondscheibe gänzlich verdunkelt. Und dort drttben in der kleinen Stube brannte wieder wie sonst das t»»r» — »—r. ivoso »l. 104.90 90.— <tit.v> S8,60 1 102.70 — o.d, 80.10 z »de 6^.10 -.1,12. 103,5-0 74,50 SSSQ Ü1.7O 6,28 Nil — 16,75 i 155,oO >il 4?.— U»ok 128,— .8»v 116,25 102 166,25 «mr. 96,50 e,ou. — — cko-l — >»t»u 164,25 ILv.l 27,60 18,80 — UL. 140,10 lUtsck 107,70 msvti m vo »evr.! 50,50 .u..^ 12/,75 »Urr 110,75 kl I/b,— vxv 142,— 190.50 i22il. 176,75 kldi. 117,— 0551. 170,50 V.-L. 84,50 io-L. — »UUl. 161,50 irud. 330,— INUr 8o,50 121,— mesv 68,90 123,00 »so 79^0 «Ud. 176,— 1^»1i 1S7 5O n»»-» 160,75 1 154,25 rckdr. 87,— r« 85.35 ö»t» 80,95 v r. — >2»t« 214,— die. 216,10 >2L2. 85,40 cko. 216,75 Zslä — I Lodlr- m«2 181,80 LlsUi 92 20 180.90 r 46,50 > 204.— oa 335,— ron 172.10 16/,90 173,10 wtt 166,25 -stk. 107,90 V<1 106,90 !«d.! 2>2,— 99.40 >d»ricdt.) 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