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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 27.09.1902
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-09-27
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19020927022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902092702
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902092702
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1902
- Monat1902-09
- Tag1902-09-27
- Monat1902-09
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Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offertenannahme 25 H (excl. Porto). Ertra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderung 60.—, mit Postbesörderung ^l 70.—. Annahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittag- 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittag- 4 Uhr. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richte«. Die Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi- Abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Pol- i« Leipzig. 98. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig, 27. September. Die Zolltarifcommiffiou des Reichstags hat sich übernommen; sie hat in einer knappen Woche in zweiter Lesung von den 19 Abschnitten des Zolltarifs 16 erledigt und ist dadurch so außer Athem gekommen, das; sie gestern die Absicht, die zweite Lesung des Tarifs zu Ende zu führen, aufgcben nnd dieses löbliche Vorhaben ans den Diens tag verschieben mußte. Nun ist es freilich noch fraglich, ob es am Dienstag gelingt, was gestern mißlang, da der Abg. An trick noch eine Rede iiber die Eisencartclle los lassen und der Abg. vr. Beumer über das Cartcllwesen überhaupt sich verbreiten will; jedenfalls aber wird nach der Ruhepause das „Töff-Töff-Tcmpo" bis zum nahen Schluffe fortgesetzt werden. Die Commissionsmitglicder haben eben die Sache satt, in dem Bewußtsein, daß cs doch ganz gleichgiltig ist, was sie beschließen. Auf das schließ liche Schicksal der Tarifvorlage haben die Commissions beschlüsse keinen Einfluß mehr, sonst müßten die Regic- rungsvertreter längst erklärt haben, "daß sie auf die Weiter- berathung keinen Werth legten. Beendet die Commission die zweite Lesung am Dienstag oder am Mittwoch und wird dann das Tarifgesctz ebenso rasch erledigt, so kann das Plenum sofort bei seinem Zusammentritt am 14. October die zweite Lesung beginnen. Wichtiger noch als die öffentlichen Verhandlungen werden dann die hinter den Coulissen sein. Daß mit noch so langen Reden im Sitzungssaale und mit noch so vielen Berathnngcn der einzelnen Fractioneu der verfahrene Karren nicht aus >dcm Sumpfe zu ziehen ist, muß nachgerade allen Parteien klar geworden sein. Rur gemeinsame Besprechungen der Führer aller Fractionen, denen am Zustandekommen der Zollvorlageu gelegen ist, und zwar Besprechungen, zu denen auch Vertreter der verbündeten Negierungen zu gezogen werden, können Erfolg haben. Der Reichs kanzler selbst wird dem Ersuchen, an Einigungsvcr- suchen theilzunehmcn, sich gewiß nicht entziehen. Weist er doch von seinen Vorgängern, daß die meisten der wich tigsten Vorlagen nur dadurch vor dem Scheitern bewahrt wurden, daß kurz vor der Entscheidung zwischen den Führern der ausschlaggebenden Parteien und Negierungs vertretern vertrauliche Berathungcn stattfandcn, in denen von den Letzteren manches zur Sprache gbcracht werden konnte, was die Ersteren zu der Einsicht führte, daß sie durch Versteifung auf ihre Forderungen eine schwere Ver antwortung auf sich laden würden. Bei den LandtagSwablen im Großberzogtlmm Olden burg haben die Socialdemokraten ganz ungeahnte Er folge errungen: nach dem Ausfälle der Wahlmännerwableu steht es bereits fest, daß der eine Socialdcmokrat, der bisber im oldenburgii'chen Landtage saß, zwei neue Kollegen erhalte» wird; vielleicht wird er sogar noch einen vierten bekommen. In einem Wahlkreise nämlich haben die Socialdemokraten wohl die relative, aber nicht die absolute Mehrbeit erlangt und wollen nun versuchen, wenigstens einen Theil der Frei sinnigen für sich zu gewinnen. Das Gelingen dieses Ver suches ist allerdings nickt wahrscheinlich, aber auch nickt ganz unmöglich. Sehr bemerkenSwerth bei der oldenburgiscken Wahlbewegung ist, daß auch in rein ländlichen Wahlkreisen die von den Socialdemokraten vorgeschlagenen Wablmänner gewählt wurden. Sieht man von unserem sächsischen Landtage ab, auS dem infolge der Veränderung LeS Wahlsystems die Socialdemokraten immer mehr verschwanden, so haben diese in allen Einzellandtagen, mit Ausnahme desjenigen von Preußen, immer festeren Fuß gefaßt. Um so größer ist die Spannung, mit der man den kommenden Wahlen gerade für den preußischen Landtag enlgegensieht. Die socialdemo kratische Arbeit für diese Wahlen hat bereits überall eingesetzt und findet, wie es scheint, gerade in der Hauptstadt günstigen Boden. Es gilt daher nicht für ausgeschlossen, daß in Berlin sogar in der II. Abtheilung svcialdemokratische Wablmänner durchdringen. Geschieht dies auch nur in wenigen Fällen, so ist die frei sinnige Herrschaft in Berlin auch für daS preußische Ab geordnetenhaus gestürzt. Jedenfalls fordern die Wahlen in Oldenburg zur Wachsamkeit auch in anderen Theilen des Reiches auf. Sind dort in ländlichen Ortschaften, in denen früher die Socialdemokratie vollkommen machtlos war, social demokratische Wablmänner gewählt worden, so kann man sich auf ähnliche Resultate in zahlreichen preußischen Dörfern gefaßt machen; die socialdeniokraliiche Landagitation scheint überhaupt viel zu leicht genommen zu werden. Die nothgedrungene R e c t i f i c a t io n, die der französische Conseilpräsident seinen Minister colt e g e n v o m K r i e g s - u n d M a r i n e - R e s s o r t in Math« angedeihcn ließ, wird keine Cabinetskrißs zur Folge haben und hat sic wohl auch nicht hcraufbeschwörcn sollen, denn Combes, der angeblich noch durchgreifende Maßnahmen ans dem Gebiete der inneren Politik planr, kann kein Interesse daran haben, dem linken Flügel des Cabinets, dem er selbst angehört, zwei der streitbarsten Kämpen zu entziehen nnd sich dadurch nicht nur ihrer per sönlichen Gegnerschaft, die er allenfalls verwinden und überwinden könnte, sondern auch dem Mißtrauen der Ra- dicosocialisten auszusctzen. Pellctan, der bei aller seiner Erregbarkeit im Grunde bau cnkruit ist und zudem sehr an seinem Portefeuille hängt, hat — so wird der „M. Allg.Ztg." ans Paris geschrieben — dem Conseilpräsidenten die Er haltung des guten Einvernehmens dadurch leicht gemacht, daß er ohne Weiteres die Brücke betrat, die Herr Combes mit dem Worte von den esinionrs eommriuwaiivos eines opulenten Banketts und vom Mißverstandcnwcrden durch übereifrige Reporter ihm gebaut hat. Er ist in Paris wieder eingctroffcn und harmlos und heiter, als wenn nichts geschehen wäre. Um ihn der Nothwendigleit weiterer Proteste und Erklärungen zu nberheben, hatte sich auf dem Bahnhofe eine Abordnung der französisch italienischen Liga cingcfnndcn, die ihn der Fortdauer ihres vollen Vertrauens versicherte. Pellctan ergrifs die Gelegen heit, ans dem Stegreif eine kleine Rede zu halten und sich nochmals in der Nolle des verkannten Biedermannes nnd des zu Unrecht verdächtigten Freundes Italiens dem Wohl wollen des x». k. Publikums diesseits und jenseits der Alpen zu empfehlen. „Sic kennen" — so erklärt er — „meine Gefühle für Ihre Liga, Sie wissen, wie thcncr mir Ihre Interessen sind. Ich habe immer für einen engen Bund zwischen Italien und Frankreich Partei genommen. Sic können in formalster Weise die übelwollenden Works dementircn, die mir zngeschriebcn wurden." Diese Worte bestätigen, daß Pellctan mit den Combcs'schen Aus führungen in Matha völlig einverstanden ist und alles Miß geschick auf den breiten Rücken der Presse schiebt. Der Kriegsminister General A n d rä soll die Sache weniger leicht genommen haben. Sobald er nach Paris zurückge kehrt war und die Rede Combes' gelesen hatte, begab er sich zum Präsidenten Loubet nach Rambouillet, um mit ihm Rücksprache zu nehmen. Nach dem freilich unzuverlässigen Zeugniß der „Patrie" soll er seine Demission «»geboten haben, weil die Anspielungen Combes' auf seine Bankett reden seine Autorität zu sehr geschädigt haben. Sicher ist, daß der Kricgsminister sich in Rombouillet zum Mittag essen zurückhalten ließ, und das gilt als Zeichen der Ver söhnung zwischen ihm und seinen College» im Ministerium. Um das schöne Einvernehmen nicht zu stören, zeigt nun auch der klerikal-nationalistische Abgeordnete Denys- Cochin sich bereit, auf die von ihm angekündigte Inter pellation wegen der vielbesprochenen Ministerreden zu ver zichten. In einem Briefe an das „Journal des Tobats" erklärt er, daß ihn die Auseinandersetzungen des Minister präsidenten »n Matha entwaffnet hätten. Das Wort von der „communicativen Bankettwärme" genüge auch ihm voll ständig, nm die rednerischen Entgleisungen gewisser Ca- binctsmitglieder zu entschuldigen. Deutsches Reich. Berlin, 26. September. (O e ch e l h ä u s e r -f.) Die Beisetzung des dahingeschiedenen Wilhelm Oechclhäuscr findet in Dessa u am Sonntag Nachmittag 4 Uhr statt. Eine große Zahl seiner engeren Parteifreunde aus beiden Parlamenten wird ihn zur letzten Ruhestätte geleiten. Die Nation alltberalc Partei hat an der Bahre des Entschlafenen einen K ranz niederlegen lassen und dem Sohne folgendes Beileidstelegramm gesandt: Gencraldirector von Oechclhäuscr, Niederwalluf. Mit dem Tode Ihres Vaters ist dein Vaterland wiederum einer der verdienstvollen Männer entrissen, denen es vergönnt Ivar, in schöpferischer Zeit bei der Erweckung des deutschen Ein- hcitsgcdankcns und seiner Gestaltung mitznwirkcn. Der Ver storbene hat von frühester Jugend an seine hervorragende Kraft in den Dienst des Vaterlandes gestellt nnd als treues Mitglied der nationallibcralcn Partei deren Ziele im privaten und öffentlichen Leben unentwegt verfolgt. Seine politischen Freunde trauern um ihn, nicht minder auch die weitesten Kreise des Landes, welche durch sein reiches Geistesleben und dessen Bc- thätigung auf wissenschaftlichem und humanitärem Gebiete stets edle Anregungen empfingen. Tas Andenken Ihres Vaters wird dankerfüllt in der Nation bestehen bleiben, so lange cs noch deutsche Männer giebt, welche einen von der Liebe zu den Mit menschen durchglühtcn Charakter und thatkräftigcs Handeln für das Vaterland, für die Bildung des Volkes und für das Wohl der arbeitenden Elasscn zu würdigen wissen. Ccntralvorstand der natinallibcralcu Partei Or. H a ni m a ch c r. fff: Berlin, 26. September. Die Einnahmen der prenßischen Staatsbahnen in den ersten fünf Monaten des laufenden Rechnungs jahres sind nicht allein in Bezug auf die Frage, ob diese Einnahmen den Etatsansatz erreichen werden, son dern auch für die weitere Frage von besonderem Interesse, wie hoch in den nächstjährigen Etat die Eisenbahn einnahmen eingestellt werden können. Denn die Ver anschlagung der Eisenbahneinnahmc» erfolgt regelmäßig unter Zugrundelegung des Istergcbnisses des zuletzt ab geschlossenen Rechnungsjahres und unter Berücksichtigung der Verkehrscntwickeluug in dem abgclaufcncn Theile des jenigen Jahres, in dem die Etatsaufstellung erfolgt. Die Eisenbahncinn,ahmen iir diesen fünf Monaten haben nun diejenigen des Vorjahres um rnnd 5 400 000 über Feuilleton. H Das Testament. Eine oberösterreichische Erzählung v. Fanny Kaltcnhauser. (Nachtruck ohne Honoriruug auch in -Lmcrila vcitctcn.l „Na, ah na!" Noch athemlos, verstummt ter Hoch- gstettner wieder für einen Augenblick, um dann die hastige Frage zu thun: „Franz, hast denn der Hadcrnsammlcrin neulich einen alten Rock aus meiner Truhen hcrausg'sucht und 'geben?" Der Franz ist betroffen. ,Ja, das hab' i 'than", ver setzt er. „Was ist's denn damit? Der Nock ist ja nichts mehr werth g'wesen, Vater!" „Der Rock freilich nct. Aber d rin hab' i was Werth bares g'habt. Eine G'schrift! Aus ist's! Aus ist's!" Hell jammert der Hochgstettner auf. „Wie kannst denn so 'was rhun, so 'was, ha? Wenn nct weißt, ob man's net braucht noch, was D' hergiebst! Mein Gott, mein Gott, was thu' i denn jetzt ?" Der alte Mann ringt die Hände, die furchtbare Qual seines Innern verrätst sich dc.nlich in seinen Zügen. „Eine G'schrift? Drum har's Dirndl g'meint, sie stätt' ein Papier knistern g'hört! lind i dummer Dings schau net ein bißl nach. I stab' g'meint, ein Tabakpapicri könnt' cs höchstens sein. Jesses na, Iessas na!" Der junge Bursch kraut sich in den Haaren. Plötzlich aber fährt cS entschlossen über seine Züge hin: „Ja, da bleibt mir nichts Anders übrig — i muß halt nachschauen, ob i den Rock noch erwischen kann, 'leicht hat ihn 's Dirndl noch daheim." „Ja, wcißt's denn, wo 's ist, 's Dirndl?" stößt der Hoch- gstettner in Angst und Erwartung hervor. „Ja. Ganz nah' bei uns; im Niedcrgstcttncrhänöl. Sind noch net lang' da, die Leut', da wird der Vater wohl nichts wissen davon." Und der Franz nickt mit hellerem Blick dem Vater zu. „Wart't der Vater ein' kleinen Augen blick! I mnß's nctta denen drinnen sagen, daß i ein klein's G'schäftl stab' und bald wiederkomm'; nachher gehen wir's an, ob wir noch 's Glück staben nnd kriegen das alte Frackerl!" Er scherzt, der Franz — nnd weiß nicht, wie viel an dem Papier hängt, auch für ihn selbst. Ter Hochgstctincr aber- verwünscht seine eigene Thorhcit, daß er das Testament bisher nicht vernichtet hat. Neuntes Capitel. Eine kleine Weile später sind die Zwei auf dem Wege zum Niedcrgstettnerhüusl. Der Franz rührt den eisernen Klopfer an der Haus- thür, deren Klinke dem Drucke der Hand nicht nachgiebt. Zwei, drei Sccunden verstreichen. Dann kommen rasche, leichte Tritte über die Flursteine; der Riegel wird zurück geschoben, die Klinke niedergedrückt, und zur offenen Thür schaut die Iula heraus. Ihre Miene ist erregt nnd sic hat verweinte Augen. Die öffnet sie nun weit, voll Schrecken, wie sie den Franz erkennt. „Bist allein?" fragt der, und als sic den Kopf schüttelt, fährt er auch schon fort: „Ist übrigens ein Ding, ob sonst »ich wer da ist! Sag' mir nur gleich, hast den alten Rock noch, den i Dir nculich als ein' Hadern verkauft hab'? Da hat der Vater eine G'schrift darin, die er braucht; und i hab's nct g'wnßt, das!" Das Dirndl öffnet den Mund, als wolle es 'Antwort geben, da aber ruft von seitwärts im Flur her ci^.e etwas gelle Weibcrstimme gebietcrism: „Laß ihn herein, Iula! Er soll in d' Stuben kommen!" Die Iula überläuft ein Zittern; sie schlägt den Blick zu Boden, wie schuldbewußt, nnd vorangehend, sagt sie kaum hörbar: „K'ommt's!" Da gehen ihr die Zwei nach; der Eine, der Franz, schnell, der Andere auf schweren, müden Füßen schleichend. Die Thür der Wohnstube, von woher die Stimme vor hin erschollen, steht halb offen; Iula stößt sic w--'tcr auf und geht hinein. Mitten in der Stube steht ein großes, hageres Weib mit einem stark gebräunten (Äesicht, das einst hübsch gewesen sein mag, dessen Knochen aber jetzt zu stark hervortreten, weil cs cs alle Rundung verloren hat. Aufrecht steht die Frau da und hält die Arm: in die Seiten gestemmt. Die dunklen Augen funkeln unter den dichten, schwarzen Brauen wie drohend. Dieselben richten sich jetzt über den jungen Burschen hinweg ans den alten Mann, nnd der Mund verzieht sich zu einem bösen Lächeln. „Kommst? Kommst?" stößt sic hervor, laut, stöhnend, zum Hochgstettner gewendet. „Kommst und suchst was bei mir, was D' dummer Weis' nct aus der Welt g'scstafft hast?! Gelt? Denn dumm ist's g'wesen von Dir, so eine G'schrift so lang' aufz'bcwastren, i mnß's schon sagen, das! Und jetzt — jetzt hat Dir der höllisch' Feind einen Streich g'spielt: daß er die G'schrift grad' der in die Händ' g spielt bat, die s' am wenigsten von alle Leut! auf der Welt zu sehen kriegen sollt'! Ja, schau nur, als wie wenn'S vor Deine Augen grab' eing'schlagcn hält', 's böse Wetter! I mein', gar so viel kann mich das grauslich' Leben doch net verändert haben, daß D' nct noch ein bißl 'was sind'st an mir, wo mich kennen kannst d'run. Oder thät'st mich wirk lich nct kennen?" Sie schweigt einen Augenblick, wohl auf eine Antwort vom Hochgstettner hoffend, aber es kommt ihr keine; und da fährt lic wieder fort: ,,D' Scph' bin i, Dei' Stief schwester! Und daß i Dir's nur gleich sag', die G'schrift hab' i grab' vor einer Weil' erst g'fnndcn, und jetzt hab' i hinauf wollen zu Dir und Dir das sagen, und das auch, daß ich's Testament nimmer au« 'n Händen gicb'. ch' mir nct meine ganize Sach', was i krieg' mit Zins und Zinses zinsen, heraus'zahlt hast. Den letzten Kreuzer laß i net ab! So, jetzt weißt es, und richt' Dich darnach. Zahlst nct gut willig bald Alles ans, nachher gicb i das Testament zum G'richt, und nachher mußt zahlen und hast die Schänd', — wirst vielleicht gar g'straft auch noch, »'eil das Testament z'rückg'staltcn hast. Zahlst gutwillig, so schenk' i Dir d' Schänd' nnd d' Straf! Freilich nct ans schwesterlicher Lieb', die ist aus bei mir — aber weil i nct haben null, daß mein Mann davon erfahrt, daß so viel mein g'hör:. Der thät mir ja all's versaufen nnd verspielen. Und i will's für meine Kinder anssparcn, daß sie einmal 'was haben. I gicb's in d' Spareassa, nnd hol' mir zeitweis' die Zinsen, daß ich's dem armen Buben dort besser gehen lassen kann!" Die Rechte des Weibes weist nach einem Bette hinüber, das in einer Ecke der Stube steht. Was man von dem Kranken, der still im Bette liegt, erblickt, sieht einem Ge rippe ähnlich, so abgezehrt treten die Knochen hervor. Und wie die Scphi gleichzeitig mit dem Hiudcuten hinüber sieht, flammt der Zorn in ihren Zügen aus, so gewaltig, als mache er sie schier besinnungslos. „Jesus, wenn i denk', wenn i daö Geld schon früher g'habt hätt' —! Der arme Bub! Längst wär' er g'snnd 'worden von einer guten Kost, einer richtigen Pfleg'. Gar ne: s) weit 'kommen n är's, daß er mir daliegt jetzt als Einer, von dem i nct weiß, wird er noch oder net; als Einer, von dem i nct weiß, ob i nct zum Herrgott beten sollt', er soll ihn früher nehmen wie mich, damit er net z'ruckbleibt alser elendig verlass'«:! Mein Gott, und i betet' doch so gern, daß er mir noch dableibcn soll, Jahr und Tag — weil er mir ans Herz g'wachsen ist mit all dem Elend, dem Leide,', was er durch« macht hat und i mit ihm: »'eil ich ihn noch vor meiner siech wie er noch g'sund g'wesen ist und so ein lieber Bub' war, daß mir's Herz g'lacht hat, 'bald ich ihn ang'schaut hab'! Jesus, die Freud', was i damals ost g'habt hab', wenn i mir denkt hab': „Laß 'S gut sein, Seph', 'bald der Bub' groß ist, nach stiegen, und zrvar beträgt das Mehr für den Personen- und den Gcpäckverkehr 267 000 und für den Güterverkehr 3 200 000 Danach könnte es den Anschein gewinnen, als ob die Einnahmen aus dem Personenverkehr nahezu stagnirten, während die Stockung auf dem Gebiete der Einnahmen aus dem Güterverkehr überwunden sei. In Wirklichkeit aber ist so ungefähr das Gegentheik der Fall. Bei dem Personenverkehr kommt in Betracht, daß in das Lommerhalbjahr dieses Jahres kein Osterfest fiel und daß das Wetter während der Pfingsttage so ungünstig war, -aß dadurch die Einnahmen aus dem Pfingstverkehr um rund 2 Millionen Mark gegen das Bckrjahr zurückblicben. Man wird in der Annahme nicht fehlgehen, wenn man die Rückwirkung beider Momente auf die Einnahmen aus dem Personen- und Gcpäckverkehr auf mindestens 5 Millionen Mark veranschlagt. In den normalen Monaten weist der Personenverkehr eine den Verhältnissen entsprechende Zunahme auf. So hat u. A. in dem Monat August, in dem die Witterungsverhältnisse nicht ganz so ungewiß waren, wie in dem Monate Juli, die Einnahme aus dem Personen- und Gcpäckverkehr nahezu 2 Millionen Mark mehr als rin Vorjahre betragen. Umgekehrt kommt für den Güterverkehr in Betracht, daß dem Sommerhalbjahr dieses Jahres nicht der Ausfall in den Osterfesttagcn zur Last fällt. Dieser Ausfall wird mit 3 Millionen Mark sicher nicht zu hoch veranschlagt. Die vergleichsfähige Zu nahme der Einnahmen aus dem Güterverkehr gegenüber dem Vorjahre ermäßigt sich mithin auf etwa 1300 000 .L. Bei einer Gesammteinnahme aus dem Güterverkehr von 370 Millionen Mark will eine solche geringe Zunahme nicht viel bedeuten, und man kann bedauerlicher Weise noch nicht von einer wesentlichen Hebung d e s Gü te rv e r k c h rs re d e n. So sind ja u. A. auch die Einnahmen aus dem Güterverkehr im Monat August um nahezu 700 000 gegen das Vorjahr zurückgeblieben. Tie Schlußfolgerungen, welche aus dieser Lage der Dinge sich sowohl für die Benrtheilung des Jstergebnifses der Eiseubahnverwaltung in dem laufenden Jahre, wie für die Aufstellung des nächstjährigen Etats ergeben, liegen auf der Hand. — Die Mitglieder der Zolltarifcommission werden nach Beendigung der »weiten Lesung, einer Einladung folgend, die Düsseldorfer Ausstellung besuchen. — In den Kreisen der deutsche» Zuckerindustrie neigt man zu der Annabme, daß nach Durchberathung der jetzt der französischen Kammer unterbreiteten Zuckervorlagen auch die jenigen Staaten der Brüsseler Zuckerconvention beitreten werden, die sich noch nicht zum Anschluß an diese Convention entschließen wollten. — Im Zusammenhang mit der zu erwartenden Reform des Militärpensionsgesetzes ist auch eine anderweitige Regelung der PensionSverhältnisse der Unterbeamten zu erwarten, sofern solche jetzt einer ungleichen Behandlung unterliegen. — Als eine» der Haupthindernisse für daS neue Kranken- cassengesetz galt die beabsichtigte Verdoppelung der Carenzzeit von 13 auf 26 Wochen. Wie wir indeß hören, haben sich jetzt alle Einzelregierungen mit dieser Ver doppelung einverstanden erklärt. — Generalfeldmarscholl Graf Waldersee wird in Begleitung ieiner Gemablin in Altona eintreffen, um aus Einladung der Feier des am 9. October d. I. stattfindendrn 25 jährigen Jubiläums der Altonaer Stadimisiion beizuwobnen. Aus diesem Anlasse wird das gräfliche Paar in der Billa des EominerzienratheS Hesse in Blankenese Wohnung nehmen. her wird's anders um Dich! Der arbeit't rechtschaffen und nachher hast in deine alten Täg' einen Menschen, wo dich drauf verlassen kannst, einen, der dich net z' Grund' gehen laßt im Elend, in der Noth, als ein arm's Hadcrn- sammlcr-Weib! Und brauchst sich nimmer schlagen lassen von deinem Lumpen von einem Mann; kannst dir ein still's Ocrtl suchen, wo deine alten Tag' verbringst, und mit ein bißl richtiger Arbeit nnd ein bißl Bcihilf' von deinem Buben brauchst net zu verhungern!" All s hab' i leichter ertragen damals — bis anders 'worden ist, bis er dag'legcn ist, mei-i Bub', elendig, und hat nimmer aufmögen, weil ihm d' Wassersuppen keine Kraft 'geben hat, nnd i oft nichts anders g'habt hab', wenn sein Vater mein' letzten Kreuzer herausg"schlagcn hat ans mir!" Ein thränenloses Aufschlnihzen hob die Brust des an allen Gliedern bebenden Weibes, cs krampfte die Hände ineinander nnd mit wild aufflammcndem Blick und heiserer Stimme schrie cs ans: „Herrgott, wie mir g'wesen ist. heut' — wie i das Papier find' nnd les's, und siech, wie all's anders hott' sein können! Siech, daß i umsonst so elendig' g'lebt hab', daß i umsonst mein ganz's Leben verwunschen hab', daß t ein Freud' haben hätt' können wie and re Leut', nnd net so veracht'» in der Welt Hütt' umeinander zu wan dern braucht! Ah, ein ganz's Menschenleben verlebt, schlechter wie ein Hund — und derweil Haus und Hof haben können nnd sich sortbringen können mit rechtschaffener Arbeit — Jesns, wenn i das denk'! Schau hin dort. Du, braver Hochgstettner — siechst das Messer, was dort in der Kastenkhür' steckt', das hab' i netta in der Hand g'habt beim Lesen, das hab' i hing schleudert in meinem Zorn nnd mein' Schmerz —! Wärst Du vor meiner g'standen — hätt'st Du's im Leib g'habt! Du — Du — elendiger Mensch Du!" Und das im Innern aufgcrüttelte Weib schüttelt drohend, voll mächtiger Erregung die erhobenen Anne gegen den Hochgstettner. „Hör' auf!" sagt da eine klanglose Stimme gebieterisch. „Z mein', Deine Wort' treffen schneidiger wie's fchärsste Messer! Siehst net, daß D' ihn nmbringst, siechst's net?" Der Franz, der zu Anfang der Rede der Sephi starr dagestanden, wie sein Vater, hat diesen jäh schwanken sehen, als er eben, entsetzt über die Anschuldigung, nach ihm gesehen, — und zuspringcnd, hat er den leichenblassen Mann mit seinen starten Armen aufgcfangen und fest gehalten. Immer wieder hat er es durch den Körper des Vaters gehen gefühlt , als rüttele denselben ein Sturm wind mit furchtbarer Gewalt. Jetzt zuletzt aber ist ein Stöhnen über die blutleeren, zuckenden Lippen beS alten
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