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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 01.08.1903
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1903-08-01
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19030801020
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1903080102
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1903080102
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1903
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Anzeigen «Preis die 6gejpultene Petitzeile 2S Reklamen unter dem RedaktionSstrich (4 gespalten) 75 vor den Familiennach» richten («gespalten) 50 Tabellarischer und Ziffernjah entsprechend höher. — Gebühren sür Nachweisungen und Offertenannahme 25 H (excl. Porto). Extra Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen'AuSgabe, ohne Postbesörderung 60.—, mit Postbesörderung X 70.—» Ännahmeschluß für Anzeigen: Abead-AuSgabe: BormittagS 10 Uhr. Margen-Ausgabe: Nachmittag- 4 Uhr. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Die Expedition ist wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi- abend- 7 Uhr. Druck und Verlag von E. P o lz tu Leipzig. Nr. 387 Sonnabend den 1. August 1903. 97. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig, 1. August. „Dentsch-Englisches" läßt sich die „Südd. Rcichskvrresp." aus Berlin, das in diesem Falle wahrscheinlich eine Deckadresse für Norder ney ist, schreiben: „Der hiesige Korrespondent der „Nowoje Wremja" berichtet seinem Blatte: „Die Deutschen schreiben der bevorstehnden Zusammenkunft zwischen Kaiser Wilhelm und König Eduard VII. eine ungeheure Bedeutung für die Lösung von Kragen, be treffend die Bagdadbahn und den fernen Osten zu". Diese Meldung ist recht sonderbar. Die ersten Angaben über eine deutsch-englische Monarchenbegegnung sind doch nicht in der deutschen, sondern in der englischen und russischen Presse anfgetaucht. „Die Deutschen", um mit dem Bericht erstatter der „Nowoje Wremja" zu reden, warten ruhig ab, ob noch in diesem Kahre und wann und wo eine Be- grüßuüg zwischen Kaiser Wilhelm und König Eduard statt finden wird. Tritt dieses Ereignis ein, so braucht man, um es richtig zu erklären, weder die Bagdadbahn, noch den fernen Osten hcranzuholcn. Die Zusammenkunft fände ihre hinreichende Begründung in den verwandtschaftlichen Beziehungen der Herrscher und in dem von ihren Ne gierungen geteilten Wunsche, das gute Einvernehmen zwischen zwei Ländern zu erhalten, die, was auch Ber st immungspolitiker auf beiden Leiten oder absichtsvolle Dritte sagen mögen, durch gemein same, schätzenswerte Kulturintcrcsscn verknüpft sind." — Daß doch die Offiziösen das „Spitzen" gegen die eigenen Leute selbst da nicht lassen können, was gar nicht in den Zusammenhang paßt, und sie sind doch selbst so empfindlich! Zur Dessauer Kandidatensragc. schreibt die „Natlib. Korresv ": Der Vorsitzende des kürz lich gegründeten liberalen Wahlvereins für Anhalt I er läßt an verschiedene Zeitungen Zuschriften, welche dar legen sollen, es sei als ausgeschlossen zu betrachten, daß die Liberalen „einem andern als einem Kandidaten der frei sinnigen Vereinigung, als derjenigen Partei, welcher Roesicke angchörte, ihre Stimme geben." — Ohne weiter auf bie von der „Kreisinnigen Zeitung" gemachte Hin weisung: der junge liberale Wahlverein bestehe haupt sächlich aus Mitgliedern der freisinnigen Vereinigung, in einer Gesamtzahl von 300—100, näher einzugehen, möchten wir doch nicht unterlassen, hervorzuhcbcn, daß jene Wähler, die am 16. Juni Herrn Nocsickc ihre Stimme gaben, durchaus nicht sämtlich, sogar zum größten Teile nicht der freisinnigen Bereinigung, die zur Zeit der Wahl im Kreise Dessau noch keine Organisation besaß, zu gerechnet werden können. Die Kandidatur Nocsickc war seit dem Kahre 1890 eine rein persönliche, die sich auf keine Parteiorganisation stützte, wohl aber war er von den n a t i o n a l l i b e r a l en Wählern des Kreises, der bis 1890 stets nationallibcral vertreten war, in dem Vertrauen gewählt, daß er, als „Wildliberaler", nähere Beziehungen zur nativ nalliberalen Kraktivn unterhalte, was auch viele Kahre hindurch geschah. Da Roesicke sich erst im Dezember vorigen Kahres der frei sinnigen Vereinigung anschloß, so kann daraus der Vor sitzende des eben erst gegründeten Dessauer liberalen Wahlvereins doch keineswegs den Anspruch herleitcn, daß die liberalen Wühler keinem andern, als einem An gehörigen der freisinnigen Vereinigung ihre Stimme geben dürften. Wie schon erwähnt, beruhte die Kandida tur Roesicke im Wahlkreise Dessau auf persönlichen Ver hältnissen, und nicht etwa auf seiner erst etwa Dezember erfolgten Zugehörigkeit zur freisinnigen Vereinigung. Dieses Unterschiedes wird man sich im Dessauer Wahl kreise voll bewußt werden, wenn wirklich die freisinnige Bereinigung auf einer Kandidatur lediglich ihrer libe ralen Karbe beharren und keine Verständigung mit den übrigen liberalen Elementen suchen sollte. — Was schließ lich die Anregung der Kandidatur Büsing augcht, so haben wir niemals geschrieben, daß „alle liberalen Parteien des ersten atthaltischen Wahlkreises sich auf die Kandidatur Büsing vereinigt hätten." Eine solche Fassung würde einen bereits vollzogenen Beschluß der liberalen Parteien voraussetzen, der am 25. Kuli, wo wir von einer Kandi datur Büsing sprachen, noch gar nicht gefaßt sein konnte. Nach den uns durch die Presse zugcgangencn Mitteilungen schrieben wir nur: „Die vereinigten Liberalen gedenken Herrn Büsing aufzustellen!" Auswanderung nach den Vereinigten Staaten. Ter Anteil der europäischen Auswanderer au der Entwickelung der Vereinigten Staaten wird zunächst nur «ach Maßgabe der sichtbare» Werte beurteilt, welche die Einwanderer vermöge ihrer technischen und wissenschaft lichen Leistungsfähigkeit in ihre neue Heimat mitgebrachl und den eingesessenen Bewohnern des Landes vermittelt haben. Ohne Krage ist schon dieses Moment geeignet, den Nachweis zu erbringen, daß ohne diese fortgesetzte, die Lebenskraft der amerikanischen Nation materiell und ideell steigernde Einwanderung eine Erschließung und Nutzbarmachung der natürlichen Hülfs- mittel des Landes in dem Maße, wie sie tatsächlich erfolgt ist, nicht möglich gewesen wäre. Diese erfolgreiche Mitwirkung der cingewanderten Elemente an der kul turellen nnd civilisatvrischen Aufgabe ist von den maß gebenden Politikern der nordamcrikanischen Republik jederzeit bereitwillig anerkannt wordcu, und wenn die Einwanderer deutscher Nationalität von den Vereinigten Staaten besonders hoch angesehen sind, so kommt darin zum Ausdruck, daß dieser Einwanderung im Vergleiche zu dem Zugänge aus anderen Ländern ein überlegener Wert zuerkannt werden kann und zu erkannt wird. Will man in ihrer ganzen Größe der Be deutung der Einwanderung für die Vereinigten Staaten nahe kommen, so darf man die numerische Stär kung der amerikanischen Nation durch die einwandernden Elemente und die damit verbundene Steigerung derphysischcn Vvlkskraft nicht außer acht lassen. Amerikanische Statistiker haben ge sunden, daß die Geburtsrate der geborenen Amerikaner ständig zurückgeht. Am Anfang des vorigen Jahr hunderts war das Wachstum der einheimischen Be völkerung um daS Siebenfache größer, als die der Ein wanderung, und Thomas Jefferson, der dritte Präsident der nordamerikanischen Republik, berechnete die Ein wohnerzahl, die im Jahre 1875 vorhanden sein würde, demgemäß auf 80 Millionen Seelen. Km Jahre 1900 aber waren erst 76 Millionen Einwohner vorhanden, worunter sich 24 Millionen Einwanderer und Kinder von Einwanderern und 10 Millionen Schwarze befanden. Aus eigener Kraft heraus zählte also die einheimische Be völkerung erst 42 Millionen Seelen. In mehreren Staaten und Städten sind mehr als die Hälfte der Be wohner im Auslande geboren, oder stammen von im Auslände geborenen, cingewanderten Eltern ab. In den letzten Jahren hat übrigens die Einwanderung aus den östlichen, in kultureller Beziehung noch mannigfach rück ständigen Staaten Europas in einem Maße zugcnommen, daß dadurch das geistige und materielle Durchschnitts niveau der Einwanderer erheblich herabgesetzt und die Washingtoner Negierung zum Erlaß der bekannten, die Einwanderung erschwerenden Bestimmungen veranlaßt worden ist. Japans asiatische Pläne. Im August-Hefte der „Deutschen Rundschau" veröffent licht O. Franke eine sehr beachtenswerte Abhandlung über Japans asiatische Bestrebungen. Franke zeigt, wie schnell in der japanischen Volksseele China gegenüber das Gefühl des Siegers dem der Nassengcmein- schaft Platz gemacht hat. Dieses Nassengefühl erhielt für seine Aeutzcrungen bald eine feste Form in dem „Ostasiati schen Kulturbund", der 1899 in Tokio gegründet wurde. Der Ostasiatische Kulturbund fand sich mit dem chinesischen Literatentum auf dem Boden der gemeinsamen Schrift nnd der gemeinsamen Abneigung gegen das Abendland zu sammen. Unter Beachtung des in den Schriften der chine sischen Reformatoren immer wieder ausgesprochenen Grundsatzes, daß die Macht eines Volkes in letzter Linie auf seiner Bildung beruhe, begann der Ostasiatische Kultur bund in China seine Arbeit damit, die allgemeine Er ziehung im modernen Sinne umzuformen. Zu diesem Zwecke wurden Schulen gegründet, Zeitungen geschaffen, Uebersctzungsanstalten eingerichtet, Studenten nach Japan hinübcrgezogcn. Das massenhafte Hinüber str ü m e n ch i n e s i s ch e r S t u d c n t e n nachIapan hat naturgemäß den Einfluß japanischer Anschauungen in China ungemein gestärkt. Es liegt aber hier zugleich eine Klippe, an der die chinesisch-japanischen Be ziehungen einen gefährlichen Riß bekommen können. Denn die chinesischen Studenten lernen in Japan nicht nur die neuen technischen Wissenschaften, sondern auch die politischen und die sozialen Ideen des gerade in diesen beiden Punkten noch völlig unreifen, atzcr sehr alt klugen Volkes. Ein politischer Doktrinarismus, wie er hier in jugendlichen Köpfen gedeiht, und der von Volks vertretung, Parteiministericn und ähnlichen westeuro päischen Einrichtungen phantasiert, ist mit dem chinesischen Staatswesen völlig unvereinbar. Denn als notwendige Ergänzung gesellt sich zu ihm die Verachtung sämtlicher althergebrachten chinesischen Staatseinrichtungen, und es hängt nur von dem Temperament der Einzelnen ab, daß dieses Gefühl in gewalttätigen Umsturzfanatismus aus artet. Symptome einer derartigen verhängnisvollen Ein wirkung des in Japan betriebenen Studiums auf die chinesischen Studenten sind in zahlreichen Schulnnruhcn in einem Grade zu Tage getreten, daß ein besonderer Studiendirektor seit dem Herbste 1902 die Aufsicht über die chinesischen Studenten in Tokio übernommen hat. Trotz dem warnen chinesische Stimmen eindringlich vor den japanischen Einflüssen, und empfehlen die Erziehung in Europa als die bessere. Im Hinblick auf die Tragweite der ErziehungSverhältnisse beklagt cs Franke, daß auch von deutscher Seite die Erziehungsfrage immer verschmolzen wurde mit der religiösen Propaganda. Dabei mußte der europäische Einfluß umso mehr verschwinden, je mehr die MissionStätigkcit dem Chinesen als eine wesentlich politische, mit dem Ziele der Zerstörung der Grundvesten Chinas erscheint. „Gerade sür Deutschland", schreibt Franke, „das in die'Missions frage vielleicht noch am wenigsten verwickelt ist, würde sich bei der Unterrichtsreform in China ein reiches Feld der Wirksamkeit geboten haben, wenn man den Eifer, mit dem man einst die Lieferung von Milttärinstruktoren betrieb, deren Erfolge doch nur ganz ephem sein konnten, später auf die Entsendung geeigneter wissenschaftlicher — aber nicht missionierender — Lehrer verwandt hätte." Deutsches Reich. Berlin, 31. Juli. (Welfentum und „Deutsches Adelsblatt") Das hannoversche Welfenorgan jubelt darüber, das „Deutsche Adels blatt" endlich „auf dem rechten Wege" getroffen zu haben. Im „Deutschen Adelsblatte" wurde nämlich türzlich das große Wort gelassen ausgesprochen: „Die chronische Revolution und nicht zum wenigsten die von oben hat so ziemlich alles auf den Kopf gestellt, was einst auf den Füßen stand." — Zeugt das vorstehende Diktum im Urteile der Unbefangenen für die Wahrheit des Gvctheschen Spruches, daß ein Wort zur rechten Zeit sich da einstellt, wo Begriffe fehlen, so erblickt das han noversche Welfcnblatt darin einen „fetten Happen" im Sinne welfischer Politik. Für die Haltung des „Deutschen Adelsblattes" soll, meint der kundige Thebaner in Hannover, der fragliche Lrakelspruch „epochemachend" sein. Natürlich wird dieser „Wandel" des „Deutschen Adelsblattes" „mit Genugtuung" begrüßt, „denn die Revolution von oben muß jedem königstreuen Edel- manne als schwerste Verirrung auf der Seele lasten, und die wahre Königstreue fordert von ihm, -aß er die Sühne durch Wiederherstellung des Legitimitätsrechtes nicht nur ersehnt, sondern auch erstrebt". — Nach der „erlösenden Tat" jenes „offenen Bekenntnisses" spricht das Welfen organ die Erwartung aus, „daß der bessere Teil des preußischen wie des übrigen "deutschen Adels zu der wahren Loyalität zurückkehrt, welche das Prinzip der Legitimität auch über die schwarz-weißen Grenzpfähl« hinaus achtet und da, wo letztere auf Grund der Eroberung von 1866 aufgestellt sind, mit uns deren Beseitigung erstrebt". — Das „Deutsche Adelsblatt" ist bas Organ der Deutschen Adelsgenossenschaft, und der erste Vorsitzende der Deutschen Adelsgenossenschaft ist Herr o. Wedel, Minister des königlichen Hauses — von Preußen. Es ist demnach unter mehr als einem Gesichts punkte von politischem Interesse, einmal, daß das „Deutsche Adelsblatt", wie oben gezeigt, mit wölfischen Grundanschanungen übereintraf, und zweitens, welche Aufnahme die Erwartung des Welfenblattes bei dem Organe der Deutschen Adelsgenossenschaft finden wird. * Berlin, 31. Juli. Ueber die Abfassung der Thronreden zu Zeiten Bismarcks wird dem „Berliner Tagebl." von „unterrichteter Seite" mitgeteilt: In den „Erinnerungen an Graf Bismarck und sein Parlament 1867", die Wilhelm Oncken in der Auaustnummer von „Velhagen und Klasings Monatsheften" veröffentlicht, findet sich der Satz: „Aus Bismarcks mündlichen und schriftlichen A.'ußerungen ergibt sich sür mich, daß die Thronreden seiner Amtszeit teils von ihm allein, teils von Wilhelm I. und ibm gemeinsam abgesaßt worden sind." In Bezug auf die Thronrede vom 5. Dezember 1866 ist dieser Satz richtig; in seiner Allgemeinheit verrät er aber eine völlige Unkenntnis der Alt und Weise, wie unter dem Fürsten Bismaick die Thronreden zu Stande kamen. Jedes Departe- Feuilleton. Lorena. Roman von C. Deutsch. kN ne? r c* „Du tust mir unrecht, Janek", sagte sie in ihrer ge wohnten stillen Weise. Ihr Gesicht zeigte keine Spur von Erregung, obwohl die Augen voll Tränen standen. „Du tust mir unrecht. Ich war dir immer ein gutes und willfähriges Weib, und bin nie deinen Worten und deinem Begehren cntgegengetreten, und wenn ich jetzt nicht einen Weg mit dir gegangen bin, so war's, weil ich ein altes Unrecht hab' gut machen wollen." „Unrecht?" fuhr er auf, „hast wohl Ursach' gehabt, zu bereuen, daß du mein Weib geworden bist?" „Daß ich dein Weib geworden bin, nicht", erwiderte sie mit großer Herzlichkeit, „aber daß einem anderen da durch ein großes Unrecht geschehen ist, das werde ich immer bereuen, das wird immer an mir nagen, und wenn ich hundert Jahr alt würd'; drum bitt' ich dich, Janek» aus tiefster Seel' bitt' ich dich, hast mir Zeit meines Lebens schon so viel zu Lieb' getan, tu's auch diesmal, dies einzige Mal noch, dann brauchst mir keinen Wunsch mehr erfüllen. Sieben Kinder hat uns der liebe Herrgott genommen. Mit Schmerzen hab' ich sie geboren und sterben hab' ich sie gesehen, wie die reisen Garben auf dem Feld." Ihre Stimme sank zu einem tränenerstickten Flüstern herab. Nach langem Schweigen fuhr sie dann ruhiger fort: „Soll ich auch noch daS einzige Kind, das uns geblieben, elend und unglücklich sehn? Er hat ein groß' Unrecht begangen, hat sich arg gegen dich benommen, wie cs sich für einen Sohn nie und nimmer schickt mich hat er ja aber auch getäuscht und betrogen, vielleicht noch mehr als dich; denn ich war für ihn und mit thm. Aber deswegen, weil er mich ge kränkt hat, soll ich ihn zeitlebens elend machen? Er ist ja mein Sohn, und ich seine Mutter, und was ich für sein Glück tn', tu' ich ja sür mich; die Sache ist einmal ge schehen, laß sic so bleiben. Der Hopnak hat'S dir la auch geraten, laß sie so bleiben!" setzte sie flehend hinzu. „Nie und nimmer!" unterbrach sie der Bauer. Er sprach dies nicht mit Heftigkeit, aber fest und unbeugsam; obwohl er sich bemüht hatte, ihr zu verbergen, so zeigte doch sein Gesicht, wie sehr ihm ihr Schmerz und seine Worte nahe gingen. „Nie und nimmer! Verlang', was du willst, und du sollst's haben, nur dies nit. Ehe ich das auf mir sitzen lass', lieber will ich gleich auf der Stelle tot sein. Bon dem, was ich gesagt, nehme ich kein Wort zurück: Er geht und tut, was er will, oder er bleibt und tut, was ich will!" „Ich kann beides nit", sagte jetzt der Bursche und stand auf. Der Hut mit den bunten Bändern rollte unter die Bank, er merkte es nicht. Die Worte der Mutter hatten ihn bewegt und seine Reue geweckt, die des Vaters kamen ihm unerhört hart und grausam vor, und doch lag nichts von Zorn oder nur Unehrerbietigkeit in seiner Hal tung, als er jetzt dem Vater gegenüberstand. Denn der Bauer erzieht seine Kinder in tiefster Untertänigkeit gegen sich, und so lange sie ledig und in seinem Hause sind, gibt cs keine höhere und unnahbarere Macht, als den Vater, darum war Janek so außer sich über den will kürlichen Streich seines Sohnes, und darum machte er eben so viel Aussehen im Orte. Dies Verhältnis der Untertänigkeit ändert sich, wenn der Sohn verheiratet ist, selbst wenn er im Vatcrhanse wohnhaft bleibt. Eine Art Mitregentschaft, eine Gleichheit tritt ein, der Vater achtet im Dohne den verheirateten Mann, hört auf seine Worte und läßt auch seinen Witten gelten. Und diese Wahrung der Selbständigkeit und Geltung des Willens nimmt mit den Jahren zn, bis der Sohn allein maßgebend wird und der Vater, wenn er alt geworden, in dieselbe Ab hängigkeit tritt, in der sein Sohn gelebt. Tie Mutter hat nie eine so geachtete und gefürchtete Stellung, weil sie vom Mann selbst abhängig ist, obwohl eS auch hier, wie überall, auf die Natur und den Charakter der Kinder viel ankommt. Um die Töchter kümmert sich der Bauer wenig; diese sind ganz der Fürsorge der Mutter über geben; nur beim Verheiraten tritt der Vater ent scheidend ein. „Ich kann beides nit", sagte der Sohn, ,^ZHr weist mir zwei Mühlsteine und sagt: Leg' dich unter diesen oder jenen und laß dich zermalmen. Ich kann von dem Mädel nicht lassen, denn meine Seele ist mit ihr; ich kann aber auch nicht von Euch gehen und mich loSrcißcn, denn von dieser Stund' an wär' ich der elendeste Mensch auf Erden und würde keinen frohen Tag mehr haben. Als ich mich hab' aufbieten lassen, da war cö fest in mir, Ihr gebt nach, Vater, und laßt das Geschehene geschehen sein, ja, Ihr würdet mir noch danken, daß ich Eurer Un entschlossenheit abgeholfen und Euch mit einem Sprung hinübergebracht hab'. Ich bin fehlgegangcn und hab' unrecht getan, die Mutter sagt's und ich glaub's auch, da jetzt die Hitz' vorüber ist. Es ist nun einmal ge schehen, drum laßt's auch so sein, Vater! Ich weiß ja, was Euch so schwer ankvmmt, und warum", setzte er nach kurzer Uebcrlegung hinzu; „wenn ich an Eurer Stell' wär, ich würd' das sür einen Fingerzeig Gottes ansehen, der die Kinder gut machen lassen will, was sich die Eltern angetan haben." „Was rod st da, wozu sagst ihm das?" rief die Bäuerin, zu Tode erschrocken. Janek sah auch eine Weile seinem Sohne starr in das Gesicht, dann sagte er langsam: „Das hast auch gemußt, und doch hat dein Fuß die Schwelle von Josefaks Hütte betreten? Hast's gewußt, und doch hast dich an die Dirn' gehängt und ihr zu Lieb' deinem Vater aus solche Weise mitgcspielt? Geh mir aus den Augen, es ist kein Segen nit an dir!" „Ich hab's nit gewußt, die erste Zeit nit gewußt, und als ich's dann erfahren hab', dann war's zu fpät, da könnt' ich mich nicht mehr losreißen. Sie hat's mir ja selber erzählt, nm mich zurückznschrcckcn." „Dich zurückzuschrecken?!" unterbrach ihn der Alte. Das Wort brachte ihn offenbar außer sich. „DaS willst mir auch noch einreden, noch anderweitig willst den Vater hänseln? Daß das Donnerwetter in dich fahr', du ver- fluchter Bube; aber hör', ich will mich von der elenden Geschicht' nicht mehr aufrcgen lassen, sonst trifft mich heute noch der Schlag. Wärst wie ein ehrlicher Kerl zu mir gekommen und hättest gesagt: „Vater, ich kann's nit länger ertragen, die Dirn' ist mir mehr als alles, gebt sie mir oder ich sag' mich von Euch los und laß mich aufbieten", so war's an mir gewesen, ja oder nein zu sagen, und was ich gesagt hätt', das weiß ich nit; denn du bist mein einziges Kind, und ich war auch einmal jung und weiß, was das heißt, nach einer Dirn' schmachten nnd vergeh n. Aber so, nachdem du mir das getan käst, nachdem du mir so hinterrücks das Messer an die Kehl' gesetzt, nie und nimmer, nnd wenn du hier vor meinen Augen gleich zu Grunde giugst. Dies ist mein letztes Wort zu dir. bis an den Tag, an dem du mit Pavels Tochter an diesem Tisch beim Vcrsprnch sitzen wirst." Damit schlug er die Tür hinter sich zu, ging nach der Kammer, warf die Gnba um und verließ das Haus. Bald jedoch kehrte er wieder um und ging nach dem Hofe, um zu sehen, ob alles Vieh ausgctrieben sei; denn er war ein ordentlicher und strenger Wirt und alles mußte bei ihm am Schnürchen gehen. Der Hof war groß und sonnig, nur der Wald, welcher dessen Hintere Begrenzung bildete, warf reiche dunkle Schatten. In der halbossenen Scheuer lag ein Kmechl und schlief. Kreuzar störte ihn nicht; es war der Waldhüter, der nachts die Holz- und Blätterdiebe fernhielt und am Tage den Schlaf nachzuholen pflegte. Der Bauer ging von Stall zu Stall und fand alles in Ordnung; als er an der Remise vorüberging, die sich an den Wald anschloß, hörte er plötzlich Pscrde- gewieher. Mit drei Sprüngen war er hinter dem Ge bäude. Ein Knecht stand dort mit zwei Paar gekoppelten Pferden, das eine Paar war an einen Baum gebunden nnd graste ruhig, das andere kielt er in der Hand und seiner Haltung und Gebcrde nach zu urteilen, wollte er sie durch die Hintertür in die Remise und von da in den Stall bringen. „Da bist ja schon wieder", rief der Bauer in höchstem Grade erstaunt, „was. zum Teufel, soll denn das heißen?" Der Knecht trug breite, schmutzige Leinwandhosen und ein ebensolches Hemd, sein Gesicht war schwammig und die niedere Stirn, die kleinen, grauen Augen, die fleischige, aufgestülpte Nase, der Ausdruck von List und Verschlagen heit in seinen Zügen zeigten den echten Typus der niederen Bevölkerung. Als er seine List mißlungen sah, griff er zu keinen Aus reden. sondern sagte in frechem Tone, wobei er nach Branntwein roch, als er den breiten Mund öffnete: „Die Pferde haben genug gegrast und ich will beut' nachmittag in mein Dors " „Vorerst seh' ich. daß du wieder betrunken bist", rief der Bauer, ohne aus des Knechtes Worte zu achten; „wo hast die Pferd' gelassen, dieweil du in der Schänke warst?" „Ich bin nit betrunken", behauptete der Knecht. „Man riecht's ja meilenweit." „Das ist noch von gestern", versetzte der Knecht, ihn mit blöden Augen anstarrend. ,^!Lart', Schurke, ich werd's dir auf einmal zahlen, will erst das andere zusammenrechnen. Heut' früh hast mir Spektakel gemacht, als ich dir befahl, die Pferd' auf die Weid' zu führen, und jetzt bist schon nm ein Uhr zu Haus, anstatt bis um fünf sortzubleibcn." „Die Bestien haben genug und ich will zu meiner Mutter."
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