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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 05.08.1903
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1903-08-05
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19030805010
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1903080501
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1903080501
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1903
- Monat1903-08
- Tag1903-08-05
- Monat1903-08
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Morgen-Ausgabe riMgcr Tagtblaü Anzeiger Druck uud Verlag voa L. Bolz tu Leipzig. ttvii. Jahrgang Mittwoch den 5. August 1903. Nr. 393 »o. »lt« »o. >«>». n»u. t«u Fenttletsn NerL: »L r»i.i./io U.L k2»ML ^27-12» Hanpt-Fitialk Dresden: Martenstraße 84. Fernsprecher Amt I Nr. 1718. «.L IO.-- - ffD - 8L m.Op.87 w-Lpü« Pap. Man weiß, er ist ein armer Schlucker, er ist von KossuthS Gnaden inS Parlament gekommen. Er hat wenig Brot, viel, viel Schulden. Man gibt ihm «in Sparkassenbuch über 12 000 Kronen. Warum man ihm ein Sparkassenbuch gibt und kein bare» Geld, daS ist noch nichl geklärt. Pap geht zur Sparkasse und kassiert das Geld ein und gibt dem DieneS 2000 Kronen davon. Warum? 3a, böse Menschen erzählen, daß ein anderer Abgeordneter die Geldgeschäfte beobachtet habe und auS dem armen Pap, der noch niemals so reich war, ward ein strenger Kato — er blättert die zehn Tausend auf den Tisch deS Hauses hin. WaS ist größer, der Edelmut PapS von 12 000 Kronen 2000 auszuzahlen oder die Dummheit SzaparyS, sein schönes Geld zu opfern? Am Sonnabend trat die parlamentarische Untersuchungs kommission zum ersten Male zusammen und nun geschah eS, daß auch die Opposition ihren Halt verlor. In den Aus sagen der Opposition regnet es von Bestechungsversuchen, nur auS Freundschaft teilt man die Namen nicht mit. Der Abgeordnete Olay erklärt, daß er bestochene Parlamentarier kenne und versichert, daß der Ministerpräsident um die Be stechung wisse. Und der Leiter deS „Budapesti Naplo" sagt, daß man auch ihn habe bestechen wollen und daß man seine Schulden aufkaufe, wie man es mit denselben deS Redakteurs des „Magyarorßag" mache. Wo man hinblickt, zeigt sich die Bakschischwirtschaft deS Orients; mögen einzelne daS Trinkgeld nickt angenommen haben, vielleicht weil es zu wenig war, manche haben eS doch getan, wie hätte man sonst so operieren können. Und da kommt daun auch der Hauptzeuge, der oppositionelle Journalist Sereß, und erzählt, daß er mit DieneS be freundet war und daß ihm DieneS die ganze Geschichte er zählt habe und daß er, DieneS, gleich auSreißen wollte, Werl man ihm viel Geld für seine Abreise geboten habe. Man habe ihm auch versprochen, sür seine Familie zu sorgen. Er denke, daß seine Schwiegermutter eine Trafik bekomme und auch für seine Frau und Kinder Mittel geschafft wurden. Und dieser Gemütsmensch, der frühere oppositionelle Ab geordnete, jetzt BuchhaudluugSreisender, dem seine Familie so sehr am Herzen liegt, nimmt die 100 000 oder 200 000 Kronen, die er angeblich erhielt uud reißt, obgleich er nicht strafbar ist, mit seiner Geliebten auS. Sieht daS nicht auS, als ob er den naiven Grafen Szapary mit der ganzen Bestechungsgeschichte geprellt hätte und die Reise ein ge schicktes Manöver sei, um mit dem Liebchen ungestört in die Welt zu fahren? Und Graf Ladislaus Szapary? Der Verkehr zwischen ihm und DieneS ging durch die Hände der Maitresse SzaparyS. Wahrlich eine Kulturnatwn, deren Abgeordnete und Beamte ihre Botschaften durch ihre Maitreffen schicken. Lohnt es sich angesichts dieser Fäulnis überhaupt noch, eine Entrüstung über die Vorfälle aus- zusprechen? Kleine Ursachen, große Wirkungen. Die Sommerreise Ne-aktion und Expedition: Iohanniögaffe 8. Fernsprecher 188 nab LLL FUtalevpehttivno« r Alfred Hahn, Brrchhandlg, UntversitütSstr.H L. Lisch«; Kathariuenstr. Ich «. Köutgrpl. 7. Ertra-Beilagen (gefalzt^ an? mit aer Morgen-Ausgabe, ohae Postbesürderun, SO.—» mit Postbesdrderuag 70.—. Haupt-Filiale Serlin: Carl vuncker, H«r-gl. Bayr. Hosbuchhaudlg. Lützowstraß« 10. Fernsprecher Ao^ VI Str. EL. Khuen-Hrdervary bat beinahe aus freien Stücken der Oppo sition Zugeständnisse gemacht, die in Oesterreich tief ver stimmten und fast zu einer Ministerkrise führten. Durch seine Zugeständnisse hatte eS der frühere BanuS von Kroatien dahin gebracht, daß die Opposition sich trennte. Kossuth ging abseits, er wollte der Regierung keinen Stein mehr zwischen die Beine werfen. So schien alles so leidlich gut sick zu machen. Da, am 30. Juli, wünscht Zoltan Pap daS Wort. Er bringt eine nichtssagende Inter pellation ein, plötzlich halt er inne, zieht eine Brieftasche auS dem Rock und legt zehn neue 1000-Kronennoten auf dem Tisch deS HauseS nieder. »DaS sind BestcchungSgelder", sagt er. DaS unruhige HauS verfällt in die gespannteste Aufmerksamkeit, die Abgeordneten kommen auö den Klub zimmern und den Wandelgängen herein und unter lautloser Stille erklärt Zoltan Pap, daß man ihn durch diese zehn tausend Kronen habe bestimmen wollen, Pest und damit die Obstruktion zu verlassen. Ein Tumult erhebt sich, ein Riesen skandal bricht loS. Alle Welt verlangt den Schuldigen zu wissen. Pap nennt eine Mittelsperson, seinen früheren FraktionSgenossen DieneS. Der hat kein Geld, wer kann eS nur sein? Natürlich die Regierung, brüllt die Opposition, der Ministerpräsident! Dieser erklärt zwar, nichts zu wissen, doch wer soll eS ihm glauben. Endlich tritt etwas Ruhe ein und man beschließt eine parlamentarische UntersuchungSkommission einzusetzen. Vor Gericht kann man die Geschichte nicht zerren, denn die Bestechungen der Abgeordneten sind straflos. Aber man will die Täter wissen, die VolkSvcrräter, die Elenden. Man braucht nicht lange zu suchen. In seiner Herzensangst, in seiner Verwirrung, man sagt bedrängt durch Erpresser, meldet sich der Gouverneur von Fiume, Graf Ladislaus Szapary. Er hat sich deS DieneS bedient, um Pap zu bestechen. Er sagt aber uicht auS, wen er sonst noch be stochen hat und noch bestechen wollte. Wie muß eS wohl im Innern deS Ministerpräsidenten auS- gesehea haben, als er da- Geständnis seines Beamten, seines Freundes erfuhr. Gott schütze mich vor meinen Freunden! Man kann sich ungefähr denken, wie die Geschichte gewesen ist. Da sitzen sie beisammen, die öS, die —i, die —yi und spielen Tarok und rauchen ihre Virginia und trinken Kaffee. DaS Gespräch über Pferde und Weiber ist vorüber, man unterhalt sich noch von Politik. Aber die Grasen sind böse und ärgerlich über die Obstruktion und der gute Szapary ärgert sich am meisten und meint, daß eö ihm so auf ein- oder zwrihuaderttausend Kronen uicht ankäme, die Obstruktion zu beseitigen. Man nimmt ihn beim Worte, eS drängen sich zweifelhafte Elemente heran und der DieneS übernimmt eS, die „Kerle" mürbe zu kci-gen. Sie müssen doch nicht so ganz fest sein, die Herren Magyaren von der äußersten Linken, daß man sich ihnen zu nähern getraut, und schon manches mal muß doch der Gulden einen Einfluß aus geübt haben, denn sonst hätte Szapary den Gedanken nicht fassen können. Unter andern kommt man auch zu Die Bestechungen in Ungarn. Ungarn ist ein Land der Gegensätze. ES gibt weite Strecken, wo der GulyaS seine Herde weidet oder der CsikoS seine Pferde mit dem Lasso fängt. In dem verfallenen Hause regiert der Gutsbesitzer und vor den armseligen Wirtshäusern der Pußta spielen die Zigeuner. Dort sind noch Herreakreaturen zu finden, dort wohnen auch die armen Schlucker, die um einen Gulden ihre Stimme verkaufen, die dem Gespan willig Gefolgschaft leisten, wenn er sie mit Wein und Slibowitz traktiert, und die immer eine feste Stütze der Partei bildeten, die am besten bezahlte. Und am majestätischen Strome, an der blauen Donau, liegt die Hauptstadt dieses Landes, daS schöne, reiche, glänzende Pest, wenn mau eS nur äußerlich betrachtet. Dort erheben sich stolz die Säulen, die daS Parlament tragen, dort blitzen in glänzenden Schau fenstern unechte Perlen unv des Abends oder deS NachtS sind die CasLhäuser hell erleuchtet, darinnen sitzen die Männer und politisieren und da draußen auf dem Franz Joses-Kai oder aus der Andraffystraße promeniert die Halbwelt. „Aeußerste" Kultur hier, Orient im Osten und auf dem Lande. Das Volk der Ungarn erfreut sich einer der freiesten Verfassungen, woran besonders das bemerkbar ist, daß sich die Majorität selbst die Hände gebunden hat und daß sie nichts bestimmen kann, wenn sie eine Opposition von vierzig Stimmen gegen sich hat. So gut gedacht diese Fessel der Majorität ist, so schlimm stellt sie sich für daS ungarische Parlament dar. Seit dem Ausgleich besteht die Partei der Unversöhnlichen unv wenn e- ihr einfällt, legt sie die ganze ReichSmaschinerie durch ihre Obstruktion lahm. Oesterreich ist schlimm mit den Ungarn verfahren und eS ist kein Wunder, daß die Nach kommen eine- Kossuth und der Männer, die daS Elend der Batthyauyi sahen, ihren Groll nicht auS dem Herzen reißen wollen und können. Allein e- hat auch viel wieder gut gemacht und hat ehrlich den Frieden gehalten und hat sogar seit dem Ausgleich 1887 Ungarn einen größer» Einfluß auf die Geschicke der Monarchie eingeräumt, als eS selbst für sich in Anspruch nahm. Im wirtschaftlichen Ausgleich hat eS immer den Kürzeren gezogen und politisch hat e« oft genug auf die Ratschläge von der untern Donau gehört. Auch nicht immer hat sich die Obstruktion gezeigt. Zuweilen bat sie vie Streitaxt begraben und hat mit an der Entwickelung LeS Reiches gearbeitet. Nur in militärischen Fragen kennt di« Opposition keine Versöhnung und immer wieder bat sie ihr Verlangen nach der magyarischen HrereSsprache, nach dem reinen magyarischen Offizierkorps usw. ausgesprochen. Da- zwiscken läuft noch eine soziale Opposition. Im Regierungs lager stehen die reichen Magnaten, die 1848 vergessen haben, stehen alle Paladine deS Kaisers, die Excellcnzen und in der Opposition befinden sich viele arme Manner, denen die Politik daS liebe tägliche Brot gewährt. Szell ist über die Frage der Wehrziffer gefallen und deS Herrn DieneS hat den Anstoß zu einer Krise gegeben, von der man noch nicht sagen kann, wie sie endigen wird. Nach den neuesten Meldungen steht der Ministerpräsident Graf Khuen - Hedervary völlig rein da. Man wird ihn mit Schmutz bombardieren, bis er abdankt. Und dann? DaS Land wird unruhig, eS folgt den Hauptschreiern, denen eS nicht darauf ankommt, die zarten Bande zu vernichten, die daS Ungarland noch an Oesterreich knüpfen. Die politischen, die wirtschaftlichen Folgen sind diesen Leuten gleichgültig, nur die Partei, die Partei muß siegen. Wahrlich, eS gährt in der Monarchie Habs burg cis und trans und mit Wehmut sieht der greise Kaiser, wie nur er allein noch die Völker zusammenhält, die wider streitenden Elemente durch seine Person uiederhält. Und ist eS doch vielleicht gut, daß eS so gekommen ist; wird nach dem Gewitter die Luft nicht reiner und frischer sein uud werden besonnene und vaterlandsliebende Männer diesseits und jenseits der Leitha ausstehen und Ruhe schaffen, Ruhe um jeden Preis, denn daS Land braucht sie? Eine Lehre wird Oesterreich auS den Vorkommnissen ziehen. Für Oesterreich bietet die jetzige Untersuchung deS moralische» Gesundheitszustands Ungarns ein ganz besonders lehrreiches Schauspiel. Seit sechs Jahren wird über seine wichtigste» Angelegenheiten in Wahrheit im ungarischen Reichstage entschieden. Es ist so weit gekommen, daß ein Gesetz, welches beide Häuser deS ReichSrates angenommen haben, zurück gezogen wird, daß seine Regierung heute denselben Beschluß zur Annullierung empfehlen muß, den sie gestern als unumgängliche Staatsnotwendigkeit gefordert hat — einfach weil der ungarische Reichstag es so will. Der mäch tige ungarische Reichstag seinerseits ist wieder der Sklave einer turbulenten Minorität, der uicht bloS die Regierung schon die erstaunlichsten Zugeständnisse gemacht hat, sondern der auch die Majorität fast in allen Stücken oach kurzem Zögern nachfolgt. Diese Minorität aber, von der iu letzter Linie seit einiger Zeit die Geschicke der österreichisch- ungarischen Monarchie bestimmt werde» — so wie sie iu deu Protokollen der UntersuchungSkommission sich spiegelt, so ist sie beschaffen. „Beschämung uud Empörung zugleich", sagt die „Neue Freie Presse", „muß deu Oesterreicher erfülle», wen» er daS kuabenhaft abgefaßte, von logischen uud juristisches Ungeheuerlichkeiten strotzende Schriftstück durchlieft, in welchem die ungarische Unabhängigkeitspartei ihre „RechtSauschauungeu" niedergelegt, ihre Forderungen iu Bezug auf die gemeiusamen Angelegenheiten summiert und an die Krone adressiert hat. Die Verfasser dieses Schriftstückes — das sind dieselbe» Leute, die Graf Szapary uicht nennen will und die sich gegenseitig beschuldigen, vie Geschäftsfreunde deS Martis DieneS zu sein! Toller kann die Verblendung der Masses «S kaum mehr treiben, höher die Verwirrung kaum mehr steigen. ES muß jetzt bald ein Gipfel erreicht sein, auf dem die Uebersckau zur Selbsterkenntnis und diese zu gründlicher Umkehr führt." ».o. ».o. i-Lisou Amtsblatt des Königlichen Land- und des Königlichen Amtsgerichtes Leipzig, des Rates und des Rolizeiamtes der Ltadt Leipzig. BezugS'Preis Ur d«r Hauptexpedttion oder deren Ausgabe- stelle» obgedolt: vierteljährlich ^tl S.—, bei zweimaliger täglicher Zustellung tu» Hau» ^l 8.78. Durch di« Post bezogen sür Deutsch land u. Oesterreich vierteljährlich 4.80, für di» übrigen Länder larrt Zeitnng-prriSlrst«. Anzeigen-Preis die 6 gespaltene Petitzeile L5 Reklamen unter dem Redaktionsstrich ^gespalten) 78 d» vor den Familiennach- richten («gespalten) 80 Dabellarischer and Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offerteuannahme L8 H (excl. Porto). verschwinden die schönen Farben, wenn man eS näher be trachtet; übrigens kann es auch das Gegenteil sein, wir können alles mit den Augen der Einbildungskraft be trachten, und uns so einen Himmel auf Erden träumen." Prinzessin Carola las ,^l prvmsssi sposi" von Manzoni. Im November 1882, erzählt von Schimpf in seinem Buche „AuS dem Leben der Königin Carola von Sachsen" (I. C. Hinrichs), hatten die Prinzessinnen in Morawetz den unerwarteten Besuch der Prinzen Albert und Georg von Sachsen. Diese waren in Seelowitz, einer Herrschaft des Erzherzogs Albrecht, südlich Brünn, zur Jagd, sagten sich abends durch einen Boten an und kamen den anderen Tag zu Tisch. Sie waren sieben Stunden unterwegs, denn sie hatten keine guten Pferde, und Schnee und Nebel verhinderten rasches Fahren. Jedermann in Morawetz war sich wohl der Absicht bewußt, welche sich hinter dem Besuche der Prinzen verbarg, und er setzte alles etwas in Aufregung. Prinzessin Carola war schüchtern und zurückhaltend; die geistreiche Unterhalt tung-gabe, die bezaubernde Liebenswürdigkeit der noch immer schönen Prinzessin Wasa benahm dieser ersten Br- gegnung aber jede Steifheit. Die Freundinnen Witting- Hoff-Schell, von Lenen Sophie den Grafen Zichy ge- heiratet hatte, waren zufällig anwesend. Der Kreis war dadurch vergröbert, und es verging der Lag weniger förmlich und ruhiger, als eS sonst vielleicht unter diesen Umständen der Fall gewesen wäre. Zum Diner erschien Prinzessin Carola in einem einfachen weißen Kleide auS ganz leichtem Stoff, nach damaliger Mode mit feinen Strohbördchen besetzt, dazu rote Schleifen. Sie war reizend, ohne Schmuck, ohne Blume, glich sie selbst einer eben zur Blume entfalteten Knospe. Im Laufe deS Abends, während Gesellschaftsspiele gespielt wurden und die Unterhaltung sich ungezwungener gestaltete, fand Prinz Albert Gelegenheit, sich der Prinzessin, die sich weniger schüchtern zeigte und zutraulicher geworden war, mehr zu nähern. Die Prinzessin gewann an diesem Abend daS Herz des Prinzen. Den andern Morgen verließen die Prinzen wieder Morawetz. Bald nach der Abreise hielt Prinz Johann in einem sehr liebenswürdigen Briefe an Prinzessin Wasa um die Hand ihrer Tochter für Prinz Albert an. Prin zessin Carola wurde dadurch in nicht geringe Aufregung versetzt. Sie bat ihre Mutter »mb ihren Vater, von dem sie inzwischen auch Briefe erhalten batte, den Prinzen näher kennen lernen zu dürfen, besonders um auch diesem Gelegenheit zu geben, sich ein eingehenderes UrteU über sie zu bilden. Der Prinz kam: das erste Wiedersehen war etwas steif und verlegen, das Verhältnis konnte so längere Zett nicht sortdauern. Den andern Morgen, Sonntag den 5. Dezember, waren der Prinz und die Prinzessin im Salon kurze Zeit allein. Der Prinz stellte die entscheidende Frage und die Prinzessin sagte mit vielem Herzklopfen Ja. Der Prinz umgab von rnrn an seine Braut mit Liebe; der Prinzessin sehnlichster Wunsch und teuerste Pflicht war, ihn glücklich zu machen. Prinzessin Wasa freute sich, die Zukunst ihres einzigen, geliebten Kindes dem Herzen wie den Händen eines edlen Prinzen anvertrauen zu können, obwohl mit dem Scheide» ihrer Tochter der Sonnenschein ihres Lebens erlosch. Das sächsische Königshaus gewann an Prinzessin Carola einen Schatz für Familie. Land und Volk. Die Prinzessinnen wollten, erzählt der getreue Chronist weiter, in den ersten Januartagcn 1838 ihr Winterquartier nach Brünn verlegen. Weihnachten feierten sie in Mora wetz. Bon den Gaben unter dem Christbanme war Prinzeß Carola am meisten erfreut über ein Armband von ihrer Mutter mit der Inschrift: „Für Gott, mit Gott" und über «in sehr ähnliches Miniaturbild des Prinzen Albert, welches dieser schon einige Tage vorher gesendet batte. Die Prinzessinnen waren allein in Morawetz im tiefen Schnee, ohne Arzt und im Begriff, nach Brünn überzu siedeln, wo Prinz Albert sie erwarten wollte, als Prin zessin Wasa an einer Lustrührenentzünbnng erkrankte. Prinz Albert kam nach Morawetz und blieb bis zum 20. Jamrar 1868. Während dieser stillen Tage lernte sich das Brautpaar erst reckt kennen. Der lebhafte Geist, mit dem der Prinz an allem teilnabm. und dabei die Ruhe und Gleichmäßigkeit im Charakter beglückten die Prinzessin, die ihn herzlich liebte. Heute, wo Königin Carola zum zweiten Male ihre GeburtStagSfest ohne ihren Gemahl feiert, konnten wir wohl an jene Stunden erinnern, in der sich ihre Herzen fanden. Könige sind Menschen wie wir alle, nichts mensch liches ist ihnen fremd und Gram und Kummer erfüllt ihr Leben ebenso wie Freude und Liebe. Seit Königin Carola »en Witwenschleier trägt, ist sie wenig mehr hervoraetrcten. Aber di« Verehrung des Volkes ist nickt minder groß, und der Wunsch, den ihr das gesamte Volk entgegenbringt, Lessen Erfüllung es hofft, ist der, daß sie einen langen. Leitern Lebensabend haben möge, daß sie sich noch lange der Werke, die sie getan, er freuen möge. Amrahmeschluß für Anzeigen: Abeud-Ausgabe: vormittag» 10 llhr. Mvrgeu-Ausgabe: Nachmittag» 4 llhr. Anzeigen sind stet» an di« Expedition za richten. Dir Expedition ist Wochentag» ununterbrochen geöffnet voa früh 8 bi» abend» 7 llbr. beitet, so sieht man nicht ihre Hand, man spürt sie nur. In den vielen Veranstaltungen, von denen wir in Leipzig a eine große Anzahl haben, in den Nähschulen und Koch- chulen, in den Krankenhäusern und wohltätigen Anstalten pürt man ihre fürsorgliche Hand und bringt der Königin jerzlichen Dank und fröhliche Liebe entgegen. Und neben diesem einen Berufe der Frau hat sie noch einen zweiten mit so viel Hingebung, mit so großer Treue erfüllt. Nur mit tiefer Wehmut sagen wir heute Königin- Witwe. War di« Königin nicht so lange Jahre die liebe volle Gefährtin unseres Königs Albert, des Mannes, der, wenn man Herrschern Beinamen gibt, wohl verdiente, der Edle genannt zu werden. In der langen Zeit einer neun- undvierzigzjährigen Ehe hat man sie beide immer nur ein trächtig gesehen, eines des andern Freund, sich gegenseitig «rgänzend und getragen von der Liebe des Volkes, das ihnen für ihre Le,ttseltakett dankte und ihnen so oft in stürmischer Weise diese Liebe, die nichts Gemachtes an sich hatte, sondern die auf echter Achtung beruhte, kundgab. König Albert ist nun schon ein Jahr tot, und Königin-Witwe Carola ist heute siebzig Jahre alt. Da schweifen wohl ihre Gedanken einmal zurück in eine längst vergangene Zeit, und in ihrer stillen Trauer ge- denkt sie deS Glückes, das sie an seiner Seite genossen, gedenkt sie jener Tage, da sie ihn sah und ihr Herz in stiller, züchtiger Liebe erglühte. Es war um dieselbe Zeit, im Jahre 1882. schon bogen sich die Blätter, die Rosen hatten verblüht, der Wind wehte Über die Stoppeln und der Wald erschien gelb, da befand sich Prinzessin Wasa mit ihrer Mutter und Schwester auf ihrem Schlosse Morawetz in Böhmen. Ts war ihre Heimat, und nach dem sie daS Leben an den Höfen kennen gelernt hatte, war sie wieder zurückgekehrt zu ihrem Herde und in die länd liche Einsamkeit. Der Prinzessin war Morawetz so lieb wie früher. Der Garten hatte sich verschönert, die Zimmer waren so heimlich, sie war stolz auf das ihrige, was sie sich selbst sehr hübsch eingerichtet hatte. Der Aufenthalt war ziemlich einsam, eS waren nur Mutter und Tochter, Fräulein von Sternberg und Baron Gallen anwesend. Allein, die Zeit verging der Prinzessin auch jetzt, wie immer, nur zu rasch. Wie sie sagte, habe sie nie lange Weile, aber zuweilen traurige; nun, die habe man überall, die komme von inneren oder äußeren Ur sachen, vom Schicksal, dem man nirgends entgehen könne. Ein klein wenig Schwermut lag über der Prinzessin. Sie äußerte: „Leider ist alle» Schöne in diesem Leben nur Phantast«, «ntweder ein unerreichbare» Ziel, oder eS Zum Geburtstage LerLönigiu-Mtwe Carota. Unser Leben währet siebenzig Jahre, ruft -er Psalmist aus, und wenn es köstlich gewesen, so ist eS Mühe und Arbeit gewesen. Kann man das von einer Königin sagen? Die Zeiten sind vorbei, wo man sich Könige und Königinnen immer aus dem Throne sitzend dachte, die Krone auf dem Haupte, den Purpurmantel um die Schultern und das Lcepter in der Hand. Jetzt weiß man e» nur zu gut, Könige sind Arbeiter, auch sie müssen von früh bi- spät tätig sein und müssen ihren verantwor tungsvollen Posten in Sorge und Arbeit ausfüllen. Un- Königin,den? Gewiß, es gibt Fürstinnen, die ihr Leben tändelnd verbringen, deren einzige Anregung Vergnügen und Mode ist, deren Sinn hoffärtig hinauSgeht über die Liebe zu ihrem Bolle, die im Herzen einen Stein haben und denen ihre eigene Person alles gilt, andere nickt» gel ten. Aber diesen Ginn für das Gleißende, das Aeußere, das Unechte teilen sie mit ko vielen anderen Frauen, die nicht so hoch gefürstet sind, die manchmal recht niedrig stehen und deren Dichten und Trachten doch nur aus der Lieb« zum Schein beruht, die sich schließlich selbst belügen und betrügen und denen da» Verständnis für ihre Mit menschen ganz abgeht. Diesen oberflächlichen Frauen stehen die guten Gattinnen und Mütter gegenüber, die sorgsamen Hausfrauen, di« täglich nützliche» wirken un immer bereit sind, zu geben und zu beglücken, die nicht nur an sich denken, sondern deren Herz auch noch Raum hat für da» Glück und die Zufriedenheit anderer, und e» gibt auch solche Fürstinnen. In unserem sächsischen Volke ist da» Andenken an Mutter Anna, die Gemahlin August» I., de» Bruder» von Moritz, noch nicht erloschen, wenn auch die kehrende Zett so manche» weggefegt hat und den Sinn für da» Seßhafte, da» Überlieferte geändert hat. Aber wa» tut e», haben wir doch eine andere Mutter Anna in un serer Königin Carola erstehen sehen, die sich wie jene die Herzen im Kluge eroberte und di« wie jene im großen und im kleinen, gleich einer echten Hausfrau, schaltete un waltet«. aroeitete und wirkte, zum Nutzen de» Volke» nach ihrer Kraft betzutragen. Wie viele Schulen, wie viele Verein« erfreuten sich ihrer Beihülfe, wie oft hat sie selbst in die kleinsten und untersten Verhältnisse eingegriffen, um alle» zum besten zu wenden. Wenn eine Königin ar-
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