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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 06.08.1903
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1903-08-06
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19030806026
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1903080602
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1903080602
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1903
- Monat1903-08
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Die Expedition ist wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi- abend- 7 Uhr. Druck and Verlag von E. Polz in Leipzig. Donnerstag den 6. August 1903. 97. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig, 6. August. Die Einheit der katholischen Kirche. Ueber die Einheit der katholischen Kirche, welche ebenso wie die feste Ge schlossenheit der Zentrumspartei bei ferner Stehenden leicht Bewunderung oder gar Neid er wecken kann, macht der „Reformkatholik" Ur. Joseph Müller in seiner „Renaissance" recht beachtenswerte Mitteilungen: „Der Kathvlik i st gewohnt, daß er nur in Massen denkt und fühlt, daß eine Autorität ihm gebietet, der er sich widerstandslos fügt, der er lieber sein besseres Wissen und Tun unterordnet. Er ist stolz auf diese Einheit, weist mit Hohn aus die Zer rissenheit und Vielgestaltigkeit der andern und fühlt nicht, welches Armutszeugnis er sich damit ausstellt. Man sehe nur, wie es in einer katholischen Versammlung zugcht! Von Debatte meist keine Spur: einer deklamiert, die an dern klatschen Beifall: Wiederspruch wird niedergeschrien. So ist die Presse, so ist die Partei. Bei Differenzen wird peinlich darauf gesehen, daß alle Aussprache hinter ver schlossenen Türen stattfindet, nach außen muß die „Ein heit" krampfhaft festgehalten werden: die Differenzen wer den verkleistert, der Widerstand wird vertuscht, die Min derheit muß sich fügen und triumphierend verkündet dann die „Germania": „Die Hoffnungen der Feinde auf Spaltung -er Partei waren wieder umsonst!" Die Riacht frage ist allentfcherdend, daß nur das Zentrum seine hun dert Mann geschlossen in die Waaichale werfen kann und damit ein Faktor bleibt, mit dem die Regierungen und die inic rechnen müssen! Wer sich dieser Disziplin cinlüg', kann es weit bringen, denn treue Hingabe findet hier ihre» Lohn. Das Zentrum ist auch in der Lage, seine Ge treuen zu versorgen: ein Blick auf die Anstellungen beweist es. Auf Kenntnisse, wissenschaftliche, berufliche Verdienste wird nicht gesehen, nur auf Kameradschaft. Selbst reli- giöse Wilddieberei wird zu Gunsten der Familie nachge- sehen — man erwäge den Fall Spahn! Hier verstieg sich die Clique sogar zu Drohungen gegen Rom. Wie mächtig die Intercssengesellschaft, die sich Zentrum nennt, geworden ist, zeigt die Freude gegen Leo in Sachen Bismarcks, zeigt die offene Verletzung des katholischen Dogmas in Sachen der Civilehe! Rom sprach die in vielen Encykliken ange drohte Exkommunikation nicht aus!" In ähnlicher Rich tung bewegen sich die Bemerkungen von Dr. I. Müller, zu denen ihm das vielbesprochene Betragen des Fürstbischofs Cohn in Olmütz Anlaß gibt: „Das Grundübelun - serer kanonischen Praxis ist die Ueber- spannung des Autoritätsvrinzips. Es ist ja schon so weit gekommen, daß eine richterliche Kommission einen für unschuldig Befundenen doch verurteilen zu müssen glaubte, weil sie dazu den Befehl vom Bischof bekommen hat. Der Vorsitzende jener Kommission soll sogar Tränen vergossen haben, daß er seines traurigen Amtes walten müsse. — Jeder Prälat sollte für apostolischen Freimut dankbar sein: er ist ja auch ein fehlbarer Mensch, und wie könnte er ohne Kritik seine Fehler erkennen! — Und wenn man auf Ergeben- hcitsadressen und Zustimmungsäußcrungen des niederen Klerus Wert legt, so muß man auch die Aeußerungen des Mißfallens desselben Klerus achten und nachschauen, ob sie berechtigt sind." Zur nächsten Berufs- und Gcwerbezählnng. Der bekannte Statistiker R. E. May veröffentlicht in der „Sozialen Praxis" einen bemerkenswerten Wunsch zettel" für die nächste Berufs- und Gewerbezählung. Ein Hauptstück in ihm ist das Verlangen nach besserer Er fassung der „Selbständigen" durch die neue Zäh lung, da die Berufszählungen von 1882 und 1895 in dieser Hinsicht viel zu wünschen übrig gelassen Haven. Bisher hat man höhere Eisenbahn- und Postbeamte, die Geschäfts führer von Genossenschaften usw. zu den Selbständigen ge zählt, so daß 1895 unter den Selbständigen 4—5 Prozent Beamte und mit diesen wahrscheinlich 10 Prozent Ange stellte sich bcsanden. Die Forderung einer schärferen Unterscheidung erscheint deshalb wohlbercchtigt, nicht weniger als der Wunsch, die bisher zu den Selbständigen gezählten Kategorien wie früher gruppieren zu können, damit kein falsches Bild der Strukturveränderung der Wirtschaft entstehe. In Betracht kommt die schärfere Unterscheidung der Selbständigen speziell bei den Laden inhabern. Unter ihnen sind zahlreiche Strohmänner, Filialcnleiter, von Mühlen eingesetzte Bäcker, von Braue reien eingesetzte Gastwirte usw., so daß die von May em pfohlene Frage: „Stehen Sie zu Ihrem Hauptlieferanten in einem Kvntraktverhältnis, das Sie verpflichtet, Ihren oder Ihre Hauptartikcl von ihm zu beziehen'?" — durch aus am Platze ist. Ein zweites Hauptstück in Mays „Wunschzettel" betrifft die „Rentiers". Je mehr die Rentner der Versicherungsanstalten und Beamtenpensiv- näre aller Art zunehmcn, um so notwendiger ist es, durch entsprechende Fragen, zu ermitteln, welchen Beruf und welche Stellung in dem Berufe der Rentner hatte, als er noch erwerbsfähig war, und von wem er seine Pension bezieht: auch die Höhe der Rente müßte aufgesührt wer den. Eine andere Gruppe der von May geltend gemachten Wünsche hat ihren Ausgangspunkt in Mays Theorie von dem bestimmten Verhältnis, welches zwischen Einkommen und Familicnentfaltung in der Weise bestehe, daß das Einkommen aller Klassen und Berufe aus der Zahl ihrer „Angehörigen" berechnet werden könne. Wegen der gro ßen Bedeutung dieses Zusammenhanges für die wichtig sten sozialwirtschasttichcn Probleme fordert May die Frage: „Welches Einkommen haben Sie und Ihre zum Haushalt gehörigen Familienangehörigen einschließlich eventueller Zuwendnngen im Durchschnitt der letzten drei Jahre gehabt?" — Zur klareren Erkenntnis der im Flntz befindlichen wirtschaftlichen Entwickelung, insbesondere zur genaueren Beurteilung des „neuen Mittelst« n- d e s", hält May die getrennte Aufführung der Rayon chefs, Werkführer, Lagerhalter usw. für erforderlich. Zu gleich will May an die Selbständigen, Angestellten und Arbeiter die Frage gerichtet wissen, ob sic früher einer anderen Klasse angehört haben, und welcher Klasse. Ja, May geht noch weiter und verlangt anch die Beantwor tung der Frage, welcher sozialen Klasse der Vater, bezw. die Mutter von Selbständigen, Angestellten, Arbeitern, Beamten angehören bezw. angehört haben. Daß durch die so erweitere Fragestellung größere Kosten verursacht «werden, betont May selbst. Aber im Hinblick auf den Ge- I samtbetrag von 10 Milliarden Mark deutscher Staats lund Kommunalbudgcts könne cs auf die Kosten da nicht ankommen, wo die wichtigsten gesellschaftlichen Probleme in Frage stehen. Die Aufhebung der Kirchenautonomie der Georgier und Armenier in Rußland. Die in den russischen und ausländischen Zeitungen verbreitete Meldung, daß durch eine vom Zaren bestätigte Verordnung des Oberprokureurs Pvbjedvnvsccw das ge samte Vermögen der g r e g o r i a n is ch - a r m e iri sch e n K i r ch c „wegen separatistischer Tendenzen" unter die russisch-staatliche Verwaltung gestellt sei, trifft die tat sächlichen Vorgänge nur zum kleinsten Teile. In Wahr heit handelt es sich um einen viel ernsteren Schritt, welcher geeignet ist, im Südostcn Rußlands ein neues Finlay- zu schassen. Man bezeichnet zwar oftmals die schismatische oder griechisch-orientalische Kirche der Armenier, deren Oberhaupt der armenische Katholikos zu Etschnriadzin ist, als die gregorianische Kirche, im Andenken an Bischof Gregor den Erleuchter, welcher ums Jahr 300 v. Ehr. die Armenier zum Christentum bekehrte. Für die russische Regierung aber gibt es nur die „georgi sch- armenische" Kirche, worunter man die in den Kauka susländern lebenden Georgier loder Grusiner) und Arme nier, bezw. deren nationale Kirchen- und Schulorgani sation versteht. Beide Völkerschaften, die eine ähnliche, zwei Jahrtausende hinabreichcndc Geschichte aufzuweiscn haben und sich schon auf einem verhältnismäßig hohem Stande der Kultur befanden, als das russische Volk noch auf der niedrigsten Stufe der Gesittung stand, waren in früheren Jahrhunderten sehr eifersüchtige Rivalen ge wesen. Seitdem aber beide Völker unter russischer Herr schaft stehen und die gemeinsame nationale Verfolgung zu erleiden haben, schlossen sic sich mehr aneinander an und vereinigten sich im Widerstande gegen die Bedrücker ihres Volkstums. Georgien war schon zur Zeit Alexanders des Großen ein selbständiger Staat unter eingeborenen Fürsten, der sich unter mannigfachen Schicksalen und vielen schweren Kämpfen bis zum Ende des 18. Jahr hunderts erhalten hatte. Der letzte König war Heraklius, der in den stetigen Kriegen zwischen Russen und Türken die Selbständigkeit seines Landes nicht mehr aufrecht er halten konnte und deshalb im Jahre 1783 Georgien an die Kaiserin Katharina II. abtrat, jedoch unter der Be dingung, daß Georgien für alle Zeiten ein selbständigerStaat, ähnlich wie Finland, und mit Rußland nur durch die Person des Herrschers vereinigt werden solle. Auf diesen Vertrag stützen sich noch heute die Georgier, und wenn auch schon Alexander I. Georgien zur russischen Provinz machte, und im Jahre 1882 der letzte Nachkomme des ehemaligen georgischen Königs hauses starb, so hatten die Georgier doch bisher ihre natio nale Kirchcnorganisation und ihre Schulen mit georgischer Sprache erhalten können. Seit etwa zehn Jahren hat nun aber die russische Regierung Schritt für Schritt die Selbständigkeit der georgischen Kirchengemeinden unter drückt und den Schulen die russische Unterrichtssprache aufgcdrungcn. Es sind deshalb zahlreiche junge Georgier ans den bcssergestellten Familien ausgewandert, und haben in den letzten Jahren in Paris und London eine nationale Vereinigung „Das junge Georgien" begründet, welche sich die Aufgabe stellte, den Kainpf um die Erhal tung der nationalen Kirchen und Schulen zu fördern. Diese Bewegung hat jedoch die russische Regierung erst recht gegen die Georgier aufgebracht, und da Pobjedo- noscew der Ansicht war, daß man den Armeniern nicht lassen dürfe, was den Georgiern genommen werde, so setzte er den Ukas durch, welcher das gesamte Vermögen der armenischen und georgischen Kirchengemeinden unter russische Verwaltung stellt. Dadurch hat die Regierung das tatsächliche Alleinrecht der Anstellung aller Geistlichen und Lehrer an den Kirchen und Schulen beider Nationali täten in Anspruch genommen, sodaß die amtliche Russi- fizierung ungehindert ihr Werk vollenden kann. Ob es freilich dem russischen Reiche förderlich sein wird, diese beiden Völkerstämme an der Südostgrenze zu unversöhn lichen Feinden zu machen, ist eine andere Frage. Das Deutschtum in den Bereinigten Staate«. Das Deutschtum in den Vereinigten Staaten hat sich im „Deutsch-amerikanischen Nationalbuüd" nach langer Zeit der Zerfahrenheit und politischen Haltlosigkeit endlich eine Organisation geschaffen, die in der Tat heute bereits eine Macht bedeutet und auch in manchen, die bis dahin an der Zukunft des nordamerikanischen Deutschtums verzweifelten, wieder schöne Hoffnungen wecken könnte. Riit Erfolg wirkt der Bund unter unseren dortigen Lands leuten für die Erhaltung eines gesunden Rassebewuht- seins. Auf einer Zusammenkunft des „Deutsch-amerikani schen Zentralbundes von Pennsylvania", des von vr. C. I. Hexamer begründeten ersten Zweigvereins des Natio- nalbundcs hielt vor kurzem Professor Ferm eine Rede, in der er die Aufgaben und Ziele des Bundes, seine Anfein dung durch die Nativisten und feine Stellung innerhalb des Gesamtstaates so treffend wie maßvoll charakterisierte. „Die Gegnerschaft gegen eine Vereinigung der Deutschen in unseren Staaten", so erklärte Professor Ferm, „ent springt einer falschen Auffassung des Wortes Amerikani sierung. Für den Durchschnitts-Amerikaner bedeutet es einen Zauberprozetz, durch den nach unseren Gestaden kommende Ausländer sofort in Engländer oder Irländer verwandelt werden. Ich werde eine bessere Erklärung zu geben versuchen. Amerikanisierung bedeutet die all mähliche Assimilierung unserer verschiedenartigen Bevöl kerungselemente herart, daß jeder Bestandteil genügend Zeit und Gelegenheit hat, seinen eigenartigen Anteil dem Ganzen einzuverleiben. Wir Amerikaner von deutscher Geburt oder Abkunft haben vieles gemein mit einem aus einen anderen Boden versetzten Baum. Soll er auf frem der Erde gedeihen, dann muß seine Hauptwurzel unbe schädigt bleiben, viel von der heimatlichen Erde muß an den Wurzeln haften bleiben. Was die Haupt wurzel dem Baumist, dasi st unsere Mutter sprache für uns. Die Pflege -er deutschen Sprache und deutscher Sitten und Ge bräuche wird uns daher zur heiligsten Pflicht, denn nur so können wir hoffen, der amerika nischen Nation zu ihrem gerechten Erbteil deutscher Kultur zu verhelfen." — Aus dieser Darlegung, daß Amerikani sierung nicht, wie sonst üblicherweise angenommen wird,' mit Anglisicrung gleichbedeutend ist, folgert Professor Ferm, daß der zusammengesetzte Charakter des amerika nischen Volkes es zur zwingenden Notwendigkeit mache, daß andere Kräfte außer englischen in das amerikanische Volkswesen eingreifen. Nicht jene also, die aus Gründen des Eigennutzes oder falschverstandener Loyalität ihr Deutschtum dem Engländertum zu Gunsten verleugnen, seien die besseren Bürger der Vereinigten Staaten, da Un- treue gegen die alte Heimat „entweder schnöder Verrat Feuilleton. nj Bozena. Roman von C. Deutsch. Nachdruck verboten. Das Mädchen erschrak im ersten Augenblick, als sie Szamko und die übrigen erblickte, aber ein Blick auf das freundliche Gesicht des Pfarrers und ein anderer auf ihren Vater gab ihr ein beruhigendes Gefühl. Sie sprach einen bescheidenen Gruß, ging ruhig an Janck und der Bäuerin vorüber und trat an die Leite des Vaters. Janek ließ keinen Blick von ihr. Er hatte das Mädchen nie vorher gesehen: denn der Gedanke, daß er je in nähere Ver bindung mit ihr treten könnte, lag so fern, wie der Himmel von der Erde. Er war überrascht von der Anmut und Lieblichkeit ihrer Erscheinung und begriff es nicht, wie der magere, gelbe Mann zu einem solch' bildschönen Kinde komme, dessen Gesicht wie Milch und Blut war. Szamko, dem beim Anblicke des geliebten Mädchens alles Blut zum Herzen gestiegen war, und von da ins Ge sicht, näherte sich und sprach leise mit ihr. Sie gab ihm laut und ruhig Antwort, ebenso ruhig blickte sie auf Kreuzar und sein Weib. Auch das gefiel den, Bauern. „Sie hat ein gutes Gewissen", dachte er, angenehm berührt von dem klaren Blick dieser großen, glänzenden Augen. „Nun, Janek Kreuzar, erklärt Euch frei und offen, und schiebt es nicht auf die lange Bank, wollt Ihr Bozcna Josefak zu Eurer Schwiegertochter haben?" „Gewiß — gewiß, hvchwürdiger Herr, will ich's, aber " Jetzt ließ ihn Suska seinen Latz mit dem unglücklichen „Aber" nicht vollenden. Sie hatte sich während der ganzen Zeit still verhalten, kaum aber batte sie von ihrem Manne die zwei Worte „Ich mill's" vernommen, als sic sich erhob, auf Bozena zutrat und sie aus den Mund küßte, dann ihre Hand ergreifend und sie festhaltend, trat sie Hendrik näher und sah ihm eine Weile still in das Gesicht. Es war ein seltsamer Blick, so gut und sanft, so mild und friedlich, wie es das Mondlicht oft ist, das still und versöhnend auf einer nächtlichen Gegend liegt. So sanft klang auch ihre Stimme, als sic die Worte sprach: „Hendrik, mehr als viernnddreißig Jahre sind vergangen, seit du das letzte Wort zu mir und Ich das letzte Wort zu dir gesprochen. Du hattest recht un ¬ täglich hab' ich dir im Herzen das angetane Unrecht ab gebeten. Doch was gewesen ist, kann nie mehr werden, und was geschehen ist, kann kein Mensch ungeschehen machen. Wir sind jetzt alle drei alte Leut' und haben nit mehr so lang' zu leben, als wir gelebt haben, drum ist's Zeit, daß wir vergessen, was uns gekränkt hat. Vergib und vergib, was wir dir aetan, wie wir vergessen, was du uns getan. Sieh', hier stehen unsere Kinder, die sich gut sind und die unsere Freud' und unser Glück sind: willigst du ein, daß sie sich heiraten, und daß sie das vergangene Leid gut machen?" Jetzt lag nicht mehr die starre Unbeweglichkeit auf dem Gesicht des Hirten. Seltsame Eindrücke, bald hell, bald finster, jagten sich darauf wie Licht und Schatten auf einem dunklen Gegenstände. „Ich hab' es schon Eurem Sohne gesagt, wenn seine Eltern einwilligen, so ist die Lach' fertig." Luska führte das Mädchen vor Janek mit den Worten: „Da hast nnser Kind", und trat dann etwas zurück. Der Bauer sah Bozena lange in das Gesicht, und je länger er sie betrachtete, desto besser gefiel sic ihm. „Du hast meinen Szamko, lieb und möchtest meine Schwieger tochter werden", sprach er dann. „Grad' so, wie Euer Sohn mich lieb hat, und der Schwiegersohn meines Vaters werden möcht'", gab sie zur Antwort. Ihre Antwort ergötzte ihn offenbar sehr: denn ein selt sames Lächeln trat in sein rotes Gesicht. „Meinst nit auch, daß es mit unfern Worten hier genug ist, oder bist auch für die Freiwerberei?" „Ich hab' gehört, daß Ihr sehr stolz seid und viel auf Euch haltet, Janek Kreurar." „Wie kommst daraus?" unterbrach er sie, „ist das die Antwort." „Sie ist's: denn wenn Jkr stolz seid, so müßt Ihr selber daraus sehen, daß Euch die Lchwiegertvchtcr nicht wie eine schlechte Dirn' oder eine Landstreicherin ins Haus kommt. Was werdet Ihr darauf sagen können, wenn Euch jemand im Streite wird vvrwerfcn, daß der Kreuzar seine Schwiegertochter nicht nach ehrlicher Litt' und Herkommen habe werben lassen? Ist Pavels Tochter eine ehrlichere Dirn' als ich?" „Wer hat dir denn gesagt, daß ich dort hab' werben lassen, es ist ja am Abend geschehen." „Der Liesse Hornak, der es gesehen hat." „Sv soll's auch bei dir geschehen." Janek erhob sich, winkte seinem Sohne und sprach dann nach langem Still ¬ schweigen: „Weil du mir so gut gefällst, der Herr Pfarrer sich so viel Müh' um die Sach' gegeben hat, eS der innigste Wunsch meines Weibes ist, io will ich vergessen, was zwischen meinem Hochzeitstage und dem heutigen Tage liegt, und nehm' dich als meine Tochter an, auch Frei werber sollst haben, und zwar schon morgen, und da reicht euch die Hand." Er legte ihre Hände ineinander. „Gott segne euch. Amen!" Nachdem Janek die Angelegenheit einmal geschlichtet hatte, befand er sich in der heitersten Laune, die sich in seiner großen Redseligkeit zeigte. Ein derartiger Um schlag der Stimmung war bei ihm nichts Ungewöhnliches, cs trat fast immer ein. wenn er von etwas Unangenehmem sich befreit hatte. Welch' ein Unterschied zwischen ihm und Hendrik! Der Hirte hatte die Lippen zu keinem Worte geöffnet. „Freut Ihr Euch denn gar nicht, alter Josefak?" fragte der Pfarrer. Er mar an ihn hcrangetrcten und hatte ihm die Hand leis« auf die Schulter gelegt. „Kann nit viel Worte machen, Hochwürden. Je tiefer mir's im Herzen wühlt, desto starrer wird mir die Zung'", entschuldigte sich der Hirte. „Gott weiß nur, wie's mir hier ist", setzte er, nach der Brust deutend, hinzu. Und als in diesem Augenblicke die Tochter mit Szamko an der Hand an ihn herantrat und ihn bat, anch dem Geliebten gut zu sein, faßte er mit seinen rauhen Händen die verschlungenen der Kinder, drückte sie fest und lange und sagte dann mit erschütterndem Ausdrucke: „Gott segne dich, mein liebes, gutes Kind! — Gott segne euch beide und geb' euch so viel glückliche Tage, wie ich freudlose gehabt." — Und als über mannte ihn die mächtig aufauellendc Empfindung, die jedes fernere Wort unmöglich machte, ließ er die Hände los und trat ohne Gruß zur Tür und verlieb die Stube. Zwölftes Kapitel. Am andern Tage ging Janck mit seinem Lohne, beide in Festkleidern, zu Freunden und Bekannten, um sich unter den jungen Söhnen derselben die Freiwerber zu wählen: daß der erste Gang zum Gevatter Hornak war, läßt sich denken. „Du verdienst's zwar nit", sagte Stefie zu seinem Freunde, „denn du hast mir einen falschen Streich gespielt. Ich denk' aber, hab' ich den ersten Stein zu der Gcschicht' gelegt, so will ich auch den letzten hertragen." Szamko verstand ihn nicht: denn an Hanka's naives Bekenntnis an jenem merkwürdigen Abend dachte er jetzt nicht. ,^>ast wohl nit gewußt, daß Pavels Tochter die ist, die mit beiden Augen nach mir auslugt?" fragte der heitere Geselle mit komischem Zorn. „Und doch hast dich zum Ver sprach mit ihr niedergesetzt?" „Ich hab' mich nit niedergesetzt, der Vater hat mich niedergesetzt", sagte Szamko lachend. „Hält' dich damals lieber auf meinem Platze geseh'n." „Das kann mir nix nützen, hast mich doch um die Dirn' gebracht: denn mein Vater hat sich in die Sach' gemischt und das vergibt der Pavel nie." „Hast denn früher Aussicht gehabt?" fragte jetzt der alte Kreuzar, belustigt durch die Grimassen, die d«r Bursche bet jedem der gesprochenen Worte schnitt. „Aussichten? gar keine. Aber jetzt hab' ich noch weniger, das müßt Ihr bedenken, Pate." ,/Es geht dir wohl sehr nahe, du toller Bursch'?" „Glaubt Ihr denn, ich bin ein so weinerlicher Kater, wie der Szamko, und werd' gleich verrückt, wenn ich einer hübschen Dirn' in die Augen seh'?" sagte Stefie. „Da kann lang' eine warten, bis sie mich so weit kriegt." An demselben Nachmittag gingen acht bis zehn Burschen, sonntäglich gekleidet, die Hüte und Stöcke mit Bändern geschmückt, nach der Hirtenhütte, und Hendrik- Wunsch war erfüllt: denn die Leute sahen und überzeugten sich von der Richtigkeit der Sache, und als einige Tage darauf der Versprach und Sonntag das erste Aufgebot er folgte, zweifelte keiner mehr daran. Zu vielen Glossen und Spöttereien gab freilich die dreimalige Verlobung des jungen Kreuzar Anlaß und bot viele Wochen Unter haltungsstoff für Haus und Schenke. Nach drei Wochen war Hochzeit und diese dauerte von Montag bis Freitag. Während dieser Zeit wurde nichts getan als gegessen, get?r'nken und getanzt. Janck schien Kisten und Kasten geöffnet zu haben und noch in späten Jahren wurde von dieser Hochzeit als von etwas Nieda gewesenem gesprochen. Es wunderte niemand, daß weder Hendrik noch Janek, noch Suska bei der Trauung zugegen waren. Man hätte sich gewundert, wenn es umgekehrt gewesen wäre: denn Eltern sind nie bei diesem feierlichen Akte zugegen. Wa- rum? Die Bauern würden selbst den Grund nicht anzu. geben wissen. Es ist einmal so. Die Hochzeitsgebräuche sind überhaupt sehr sonderbar. Nachdem sich die Gäste im Hause der Braut an einem kleinen Mahle erquickt haben, gebt es zur Trauung nach der Kirche und von da in eine Schenke, wo einige Stunden getanzt wird, dann ine HauS des Bräutigams. Abends ist großes Hochzcitsmahl.
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