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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 07.08.1903
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1903-08-07
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19030807028
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1903080702
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1903080702
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1903
- Monat1903-08
- Tag1903-08-07
- Monat1903-08
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Um der durch die Elementarereignisse heimgesuchten Bevölkerung Teilnahme zu erweisen, wird sich die Kaiserin Anfang der nächsten Woche nach Schlesien und Pofen be geben. Dem vorwärts" kommt diese Reise augenschein lich ungelegen. Es kann kaum zweifelhaft sein, daß aus dem Besuch -er hrchen Frau viel Beruhigung namentlich in Len Kreisen der Bevölkerung erwachsen wird, die mit der Scholle verwachsen sind, die sie bebauen. In der Vor stellung solcher Kreise wiegt ein Besuch der Kaiserin so schwer wie kaum etwas Anderes. Alles, was dazu bei tragen kann, Beruhigung der Bevölkerung, Linderung von Notständen und Herabminderung von Gegensätzen zu bewirken, läuft der sozialdemokratischen Propaganda zu wider. Das Zentralorgan der sozialdemokratischen Par tei Deutschlands scheut sich aus guten Gründen, den Namen der Kaiserin selbst mit seinem Mißvergnügen in Verbin dung zu bringen. Es zeiht statt dessen die „Monarchisten", weil sie den Rat dieser Reise gegeben, des Ungeschicks. Denn die schwer Heimgesuchten würden die Frage auf werfen: „Was soll uns diese Reife und >diese Bekundung der Teilnahme Warum haben die Regierung und die gesetzgebenden Körperschaften nicht bei Zeiten Vor kehrungen getroffen, um das furchtbare Unglück zu ver hüten, wozu die Möglichkeit vvrlag?" So erreichten die Monarchisten, sagt der „Vorwärts", die solche Reisen em pfehlen, nur, -atz die Mißstimmungen der heimgesuchten Bevölkerung von denjenigen, denen sie ruft Recht gälten, auf Persönlichkeiten abgelenkt würden, die gewiß daran keine Schuld treffe. Es ist nötig, diese Verschrobenheit son dergleichen festzunageln, zum Beweise, wie wenig es in die Zirkel der sozialdemokratischen Propaganda paßt, wenn eine königliche Frau in die von Elcmentarereignissen heimgesuchten Bevölkevungskreise tritt, um Teilnahme zu erweisen, sowie Anerkennung für die in den Tagest der Gefahr geleistete Hülfe kundzugcben. Das zu tun, haben die preußischen Königinnen von seher als eines ihrer schönsten Vorrechte angesehen. Im Frühjahr 1888 schickte Kaiser Friedrich auf die Nachricht von den großen Ueber- schwemmungen im Gebiete der Weichsel, der Nogat und der Unterelbe zunächst den Minister v. Puttkamer nach Westgreußen und Posen und sagte demselben: „Sprechen Die, bitte, jedem der Heimgesuchten an der Nogat meine Teilnahme und Betrübnis aus. Könnte ich doch selber hin! Geldmittel sind angewiesen." Später begab sich die Kaiserin Viktoria nach Posen, Dirschau, Marienberg und Elbing. Weiterhin besuchte auch der Kronprinz (unser heutiger Kaiser) das Ueberschwemmuirgsgebiet der Nogat. Der Kaiser gab den Beschädigten aus seiner Privatkaffe einen Betrag von 50 000 der Prinz-Regent von Bayern 10 000 -er König von Italien 40 000 Lire, welcher Sen dung «in Schreiben beigelegt war, das -en Wunsch des Königs aussprach, Deutschland seine Dankbarkeit zu be weisen für -ie vielfachen Beweise -er Sympathie, welche die deutsche Nation bei verschiedenen Gelegenheiten für Italien bekundet habe. In der Reichshauptstadt hatte sich damals, ebenso wie jetzt, ein privates Hülfscomite, unter dem Vorsitz des Oberbürgermeisters v. Forckenbeck, ge bildet, dessen Sitzungen die Kaiserin Friedrich verschvedent- Die preußischen Landtagöwahle» und die Parteien. Die „Kreuzzeitung" verlangt eine bestimmte autori tative Erklärung der preußischen Regierung für die Landtagswahlen; der Inhalt dieser Erklärung soll eine Warnung an die bürgerlichen Wähler sein, etwa zu Gunsten sozialistischer Wahlmünner, bezw. Kandidaten zu stimmen. Der Wunsch der „Kreuzzeitung" geht von der Besorgnis auS, daß liberale, insonderheit freisinnige Wähler ein Kompromiß mit der Sozialdemokratie schließen könnten. Wir glauben trotz mancher, eine der artige Verbindung befürwortende Stimmen im frei sinnigen Lager nicht, daß cs zu einem derartigen Kom- pronriß kommen wird, wenigstens nicht in dem Sinne, daß Freisinnige für Sozialdemokraten stimmen. Hat die freisinnige Wählerschaft schon bei den Reichstagsstich wahlen, die ja doch unter dem Schutze strengsten Ge heimnisses vor sich gehen, nur zu einem geringen Bruch teile für sozialdemokratische Kandidaten gestimmt, so wird sie bei den öffentlichen Wahlen zum preußi schen Abgeordnetenhause erst recht dazu geneigt sein. Eine solche offizielle Einmischung der Regie rung in die Wahlen hat doch auch ihr Bedenkliches — schon darum, weil die Regierung einen schweren Echcc erleidet, wenn die Einmischung erfolglos bleibt —, sie ist deshalb nur uu Falle größter Dringlichkeit am Platze, wie etwa bei den Neichstagswahlen von 1887. Von einer derartigen Dringlichkeit kann bei den bevorstehenden preußischen Landtagswahlen in keiner Weise die Rede sein, denn man kann schon jetzt vorauösehen, einmal, daß kaum ein Sozialdemokrat in das Abgeordnetenhaus ge langen wird, zweitens, daß überhaupt die Verschie bung der Parteivcrhältnisse nur ganz gering werden dürfte. Daß aber diese Verschiebung, soweit sie eintritt, in dem Sinne erfolgt, daß die Macht der Krenzzcitungs- grnppe etwas vermindert wird, kann nnr im Interesse der Regierung liegen. Vir sehen dabei ganz von der Kanalvorlage ab, sondern mir meinen generell, daß in einem nichtvarlamentarisch regierten Staate die Negie rung im Nachteile ist, wenn eine einzelne Partei, welche es auch innncr sei, ein starkes Uebcrgewicht im Parlamente besitzt. Demgemäß kann es der Regierung nur er wünscht sein, zwar nicht, daß Liberale für die Sozial demokraten eintreten, wohl aber, daß die Sozialdemo kraten die liberalen Parteien darin unterstützen, den Kon servativen einige Wahlkreise abzunehmen. Tie Negie rung kann dies um so eher wünschen, als sie in keiner Weise zu befurchten braucht, daß nun etwa dadurch der bisherige überwiegende Einfluß der Konservativen an die liberalen Gruppen übergehen könnte. Es handelt sich vielleicht um ein Dutzend Wahlkreise, deren Besiywcchscl die liberalen Parteien nicht wesentlich stärken, die konser vativen Parteien nicht wesentlich schwächen wird. Troy, dem wäre dieser Mandatswechsel von Bedeutung, weil er die Bildung einer konservativen Zufallsmajorität un- wahrscheinlicher machen würde, als jetzt, wo den konser vativen Parteien nur wenige Stimmen an der Mehrheit fehlen. Aus diesem Grunde glauben wir auch, daß die Sozialdemokraten für die liberalen Kandidaten auch dann stimmen werden, wenn sie nicht auf Konzessionen zu rechnen haben. Man erinnert sich im sozialdemokratischen Lager sicherlich noch daran, wie bei der VcreinSnovelle im preußischen Abgeordnetenhanse nur wenige Stimmen an dem Zustandekommen des Gesetzes fehlten. Wer aber hätte unter diesem Gesetze schwerer zu leiden gehabt, als die Sozialdemokratie? Deshalb handelt die Sozialdemo, kratic unserer Meinung nach durchaus nicht selbst los, wenn sie auch ohne Gcgentonzefsioncn die liberalen Parteien unterstützt, sondern durchaus in ihrem eigenen wohlverstandenen Interesse. Die deutschen Verleger nnd die Weltausstellung in St. Louis. Eine Anzahl deutscher Berlagsfirmen, insbesondere -ie württembergischen, haben bekanntlich vor einiger Zeit den Beschluß gesaßt, der Weltausstellung in St. Louis fern zubleiben, da die Gefahr vorliege, -aß man, da die Re produktion deutscher Berlaasmerke in den Vereinigten Staaten nicht verfolgt werden kann, den amerikanischen Nachdruckern die deutschen Erzeugnisse bequem zur An sicht und Auswahl vorführe. Seit einigen Tagen befindet sich nun ein Delegierter des Ausstellungscvmitös, Herr Bain, in Berlin, nach -essen Mitteilungen Aussicht be steht, daß das für das deutsche Verlagsgeschäft so un günstige Copyright- Gesetz vom nächsten Kon greß zu unseren Gunsten abgeändert werden wür-e, wenn die deutschen Verleger sich etwas lebhafter an der Ausstellung beteiligten. Jeder anständige amerikanische Verleger wünsche eine Revision dieses ungerechten Ge setzes,' z. B. sei -er Sekretär -er „American Copyright League", Herr Putnam, Ches einer der ältesten Verlags- sirmen New jftorks. Ein von diesem Herrn ausgearbeite ter Entwurf habe Aussicht, vom Parlament angenommen zu werden, währen- ein früherer Versuch in -iefer Hin sicht fehlgcschlagen sei, angeblich weil ein einziger Mann, -er Vorsitzende der Arbeitergcwerkvereine in Washington, dagegen gewesen sei. Nach dem neuen Entwurfsoll es dem deutschen Autor gestattet sein, sein Werk inner halb eines Jahres in Amerika schützen zu lassen. Her Bain erklärt nun aber, das Fernbleiben der deutschen Verleger von -er Ausstellung in St. Louis könnte zur Folge haben, -atz das schon von allen Seiten gutgeheitzenc Projekt des neuen Gesetzes wieder in die Brüche gehe. Er meint, es dürfte sich ein Vorurteil gegen die Verleger bilden, denn die Ausstellung sei nicht verantwortlich für das Copyright-Gesetz. Es sei unsinnig, zu behaupten, datz die deutschen Verleger, falls sie ausstellen, riskieren, von den Amerikanern bestohlen zu werden, denn -ie amerika nischen Verleger wützten ganz genau, wie man in Deutsch land über diese Dinge denke. Und der einzige Weg, auf dem man vom amerikanischen Kongreß nichts erlangen könne, sei der, das amerikanische Volk zu beschimpfen und die Amerikaner Diebe zu nennen. Daß lener Beschluß der deutschen Verleger für die Amerikaner -ie Einschätzung als Diebe involviere, ist, bemerkt der „Hamb. Korr." sehr richtig, selbstverständlich eine ganz ungerechtfertigte Ver allgemeinerung. Aber auch Herr Bain wird nicht dafür garantieren können, daß sich nicht drüben einzelne findige Köpfe finden, die einem solchen Geschäft nicht ab geneigt wären. Selbst wenn man übrigens eine solche Gefahr annchmen will, ist es auch, abgesehen von dem von Herrn Bain in Aussicht gestellten Entgegenkommen des Kougresses, doch noch fraglich, ob nicht der Nutzen, -er dem ausstellenden Verlegern in St. Louis erwachsen kann, solche möglichen Nachteile reichlich aufwiegt. Tie Unruhen auf dem Balkan. Schien gestern noch die Bewegung auf dem Balkan nicht schlimmer als vor acht Tagen, so lasten die heutige» Meldungen, die auS tückischer Quelle kommen und die vielleicht etwas blutiger gefärbt sind als wie es in Wirklichkeit ist, um der Türkei Grund zum Losschlazen und zum Vorgeben gegen Bulgarien, den Herd des Ausstandes, zu geben, erkennen, daß da- Bandenunwesen auf einer Höhe angekommen ist, wo e- Pflicht der Türkei ist, scharf, sehr scharf einzuschreiten. Ob ibr ein schnelles Einschreiten hilft, daS scheint mehr als zweifelhaft. Seit dem Frühjahr dieses JahreS zieht die Türkei Truppen auf der Halbinsel zusammen, ihre Befehlshaber drückten sich sehr zuversichtlich auS, auch unserm Berichterstatter hat man s. Z. in Monastir die Ver sicherung gegeben, daß die Truppen im Stande seien, die Ruhe zu bewahren. Wie jetzt die Pforte selbst zugeben muß, ist ihr das nicht gelungen. In einem Bericht an die österreichische und russische Regierung bringt sie die vielen blutigen Fälle zur Kenntniß der Mächte, daß diesen nun nichts weiter übrig bleiben dürfte, al ben Tücken das Zuschlägen zu erlauben. Die make donischen Bandensührer bezeichnen ihre Wege mit Mord, Brand und Zerstöiung. Dabei finden sie immer auS Furcht oderSympalhie Unterschlupf bei den Christen, die von ihnen zum Anschluß gezwungen werden. Höflich benachrichtigen sie vorher die Bebörden, wenn sie ein Eisenbahnattentat im Schilde führen, und obgleich es angemeldet ist, gelingt es den Türken nicht, es zu verhindern. Alles in allem, die Lage auf dem Balkaa ist ernst. Tie Albanesen sind noch nicht beruhigt, der neuge backene König von Serbien muß auch etwas thun, um seine Popularität zu kräftigen, der Montenegriner liegt mit seinen Millionen Patronen schon längst auf der Lauer und die türkischen Untertanen werden zum Aufstande gezwungen. Eins ist bei der Sache von einigem Interesse, daS ist die Haltung der Griechen, die augenscheinlich von den Makedoniern mit bekämpft werden, weil sie am liebsten Rache für Cbäroneia nehmen und nach mehr als 2000 Jahren Makedonien sich angliedern möchten. Uebrigens gibt sich gar niemand die Mühe, die Bulgaren zu entschuldigen oder gar rein zu waschen. Man gibt jetzt offen zu, daß die Be wegung von Bulgarien ausgebt und von dort, wen» auch nicht offiziell, genährt wird. Das Nähere sagen die folgenden Mitteilungen: * Konstantinopel, 6. August. (Meldung des Wiener K. k. Tel.-Korr.»Bureaus.) Von den Mitteilungen, welche die Psorte gestern der österreichisch-ungarischen und der russischen Botschaft übermittelte, besagt die erste, datz der Bali von Saloniki gemeldet habe, datz der Bandenches Jovan in Konicova und Umgebung (Distrikt Jenidsche) die bulgarische Bevölkerung zum Aufstande an eifere und Vorbereitungen hierzu treffe. Der Bali von Monastir habe gemeldet, daß beim Ortsvorsteher von Lihdsche in der Nähe von Monastir Cirkulare und andere revolutionäre Papiere gesunden wurden, welche Einzelheiten über die Organisation des Ausstandes und die Aufforderung enthielte», in der ersten Nacht alle Muhamedaner und Griechen und alle Soldaten zu ermorden, um die Aufmerksamkeit Europas zu er regen, sowie alle Telegraphenlinien zu zerstören. Schließlich meldet Fsuttleton. ij Nenale von Grieben. Roman von Hermann Birkenfeld. Nachdruck verboten. Eine kleine Stadt, mit sehr engen Straßen, aus denen die Düfte der mannigfaltigen Morgenküclzen Mühe haben, durch den rieselnden Nebel über die Firste der meist ein- oder zweistöckigen Häuschen enrporzuquellen. Vor diesen Häusern, an deren grau und gelb getünchten Wänden das Nebelwasser herabrieselt, mittelalterliches Pflaster, bucklig, schlüpfrig, mit Tümpeln hier und da zwischen den spitzigen Granitknollen. Auf solchem Pflaster zu fahren, braucht's Nerven, zu mal in dem rasselnden Gestell eines Hvtelomnibus, der eben durch die Bäckerstratze holpert, um vor einer mit einem Mefsingschild gezierten, braungestrichenen Haustür zu halten. „Georg Volkhard" steht auf dem Schild. Nicht als ob der Kutscher das erst hätte lesen müssen, um seines Zieles sicher zu sein. Nein, dafür kennt er doch seit zehn Jahren sämtliche Haustüren im Orte hinläng lich. Dennoch blinzelt er unter einem trägen Kopfnicken nach dem Schilde hin, als er die Wagentür aufreißt und brummt: „So, Fräulein!" Dann schüttelt er sich den Regen von der Mütze. Das Fräulein, das seinem Gefährt entsteigt, schüttelt sich auch. Oder vielmehr, eS schauert zusammen, als eS das Gesicht mit dem Seidcnschleier darüber in die naßkalte Luft streckt. Dann, mit der Fußspitze auf dem Pflaster, seufzt es leise: „Gott sei Dank!" Der Seufzer gilt der Vergangenheit, ein scheuer Blick aber, mit dem es die Häuser längs der schmalen Bürger steige mustert, der Zukunft. Dann, als dieser Blick gcrvahrt, wie sich am Hanse gegenüber die Gardinen teilen und ein paar neugierige Köpfe zwischendurchlugen, huscht es wie ein ironisches Lächeln Wer das Gesicht, während das Fräulein die Börse zieht, den Kutscher auszulobncn. Aber zur Aussiihrung dieses Vorhabens kommt es nicht. Denn mit einem Ruck wird hinterwärts die Tür des Hauses Volkhard ausgerissen und läßt ein dickbackiges Dtensibotengesicht erscheinen. „Lassen Sie man, Fräulein! — Das Gepäck kommt nach oben, Kruse. Ich zeige Sie das." Die letzten Worte galten dem Kutscher. Noch ein paar Sekunden zaudert das Fräulein, dann folgt es der Magd in den kahlen Hausflur, an einer durch eine Aufschrift als Comptoir bezeichneten Stybe vorbei, über die ausgetretenen Eichcnstufen einer knarrenden Treppe. Im oberen Stock eine Reihe weiß lackierter Türen, deren letzte die Magd nun aufreitzt. „So, das wäre Ihre Stube. Sie möchten fich's nur recht bequem machen, sagt unser Fräulein. Die liegt noch. So um elfe 'rnm will sie aber aufstehcn, und dann hole ich Sie hier ab", spricht sie mit einem fast feindseligen Blick in das nun schleierfreie Gesicht der Angekommenen. Die weiß nicht recht, ob sie sich ärgern oder diesen Enrpfang von der komischen Seite betrachten soll. Doch fragt sie, während Kutscher Kruse ihr Gepäck im Neben zimmer verstaut, mit einem leisen Zucken um ihre Mund winkel: „Schläft Fräulein Hcngler immer so lange?" worauf die Magd den Kopf schüttelt, mit ihren beiden roten Händen nach der Stirn deutet nnd mißbilligenden Tones hcrvorstößt: „Sie hat's hier — hier. Ach das ist ja ein Elend damit." „Womit? bleibt der jungen Dame einstweilen ver borgen, da der dienstbare Geist des Hauses Volkhard, ohne weitere Fragen abzuwarten, aus der Tür watschelt, es dem Gaste überlaßend, sich aus Geste und Bemerkung allerlei unheimliche Verstellungen zu konstruieren. Sie hat's hier — - im Kopf? — Fräulein Friederike Hengler geisteskrank? — Doch nein, ein solcher Gedanke war ja barer Unsinn. Eine Person, welcher ihr Vater auf dem Sterbebette seine Tochter anempfohlen, die ihr wiederholt so klar, so schlicht herzlich geschrieben nnd sic schließlich so dringend eingeladcn hatte, bei ihr zu. wohnen — ein solches Wesen war doch nicht von Sinnen! Gleichviel — der Empfang hier im Hanse entsprach wenig den Erwartungen einer ziemlich verwöhnten jungen Dame. Auf -cm Bahnhofe schon war sie enttäuscht gewesen, niemand zur Begrüßung, zur Orientierung selbst, zu finden, bis sie sich schließlich auf den Rat eines Mit reisenden dem Hotelwagen anvertraute, dem einzigen vor dem Stationsgebäude haltenden Gefährte. Und nun — wenn Fräulein Hcngler krank war, so gab cs doch noch andere Leute in ihrem Hause, z. B. ihren Neffen, den Besitzer des Mefsingschildes an der Haustür, der den Besuch hatte willkommen heißen können .... Nicht in bester Laune entledigt sich Renate von Grieben ihres Reisemantels, wirft ihn mitsamt dem grauen Früh jahrshut auf einen Sessel, stellt sich vor den grünglasigen Pfeilerspicgcl zwischen den Fenstern und schüttelt oen Kopf, daß ihre braunen Stirnlocken fliegen, reckt sich, dehnt sich, öffnet den kleinen Mund zu einem leisen Gähnen und fühlt, daß die nächtliche Fahrt von der Hauptstadt bis hierher sie doch ein wenig angegriffen hat. Auf dem ovalen Sofatisch steht ein Frühstück bereit, zu welchem aufzufordern, die Magd wohl für überflüssig gehalten hat, nnd aus der Ofenröhre blinkt der Senkel einer Kaffeekanne. Denn der altmodische Kachelofen ist geheizt, obwohl Pfingsten vorüber. Fräulein von Grieben gießt sich eine Taffe ein, nimmt aus dem durchbrochenen silbernen Körbchen einen Zwie back, knuspert, den Rücken an der warmen Ofenplatte, daran herum und besieht sich ihre neue Wohnung. Ein reich altväterisches Zimmer, dessen Decke die Hände der Hochgcwachsenen fast erreichen können, die Wände be klebt mit weißlichen, von spinnigen Nankenstreifen durch zogenen Glanztapeten und behängt mit ein paar alten Stichen in schrvarzpolierten Nahmen. Hochbeinige, mit stark verschossenem grünlichen Samt bezogene Polsterstühle, in einer Ecke ein altmodischer Schreibschrank, in der anderen auf einem „Stummen Diener" in steifbemalten Porzellanvasen zwei Maiblumensträuße. Und zwischen diesen Sträußchen eine hingestellte Photographie. Die be merkt sie erst jetzt. Die Tränen treten ihr in die Augen, als sie danach greift: ihr Vater! Leise stellt sie das Bild wieder auf seinen Platz. Mit den Vasen rechts und links und der weißen Decke darunter sieht es ans wie ein kleiner Altar. Aber es ist doch eine Art Willkommen hier im Hause, ein Zeichen von Mitgefühl für die Verwaiste. Denn Renate von Grieben ist elternlos. Seit fünf Vierteljahren schon, die sie teils bei befreundeten Familien, teils in einem Fremdenpensionat der Hauptstadt zugcbracht txtt, wo sie, obwohl bei des Vaters Tode zwanzigjährig, noch reichlich Gelegenheit fand, ihrem lebhaften Geiste neue Nahrung zuzuführcn. Frühzeitig mutterlos, batte sie sich um so enger an den Vater angeschloffen, einen Ver- waltnngsbeamten, der über dem produktiven Anteil an brennenden Tagessragen doch nicht das Interesse an ästbe- tisch-rezeptiver Tätigkeit verloren, der versucht batte, ne zu lehren, was das Leben schön und schließlich einzig er- lebenswcrt macht, insoweit es den Meuschengeist aus der Dunstsphäre des Materiellen emporhebt in den Aether schönheitatmender Ideale. So hatte Renate von Grieben mehr gelernt als andere Mädchen ihrer Lebenskreise, ohne aber mit ihrer, von braunen Locken umsäumten Stirn, den so lebenskeck ins Dasein blitzenden grauen Augen, der so gesund entwickelten Körperfülle auch nur das Geringste des anmutigen Reizes echter Mädchenhaftigkeit eingebüßt zu haben. Nebenbei: wenn ich von blitzenden Augen rede, so habe ich damit keineswegs gerade den Moment im Sinn, in welchem Fräulein von Grieben das Bild ihres Vaters auf das Tischchen zurückstcllt, sich dann langsam umdreht und zum Fenster hinaussicht. In dem Augenblick sehen ihre Augen recht trübe und übernächtig aus. Sie fühlt das auch wohl selbst, weshalb sie mit einem leisen Seufzer in die Um armung eines neben dem blauen Wärmespender stehenden niedrigen Sessels sinkt, ebenbesagte Augen schließt und so hindämmert — bis aus der Dämmerung fester Schlaf wirb. Der Schlaf gesunder Jugend, aus dem sie erst auf wiederholtes Klopfen an der Tür erwacht, um unter einem noch tranmseligen „Herein" die Augen aufzu-- schlagen. „Das Fräulein wäre nun auf —" „Wie? Was?" „Das Fräulein ließe bitten —" Die letzten Worte klingen schon mehr wie ein Befehl. Renate von Grieben aber hat sich rasch in Vic Situation gefunden und ruft aufspringend: „Ich bin in fünf Minuten fertig", worauf sie im Schlafzimmer verschwindet. Sie muß doch erst die Toilette ein wenig auffrischen. Die Mag- steht währcndcssen unbeweglich auf ihrem Fleck an der Tür. Nur die dunklen Augen fahren im Zimmer umher, mißbilligend über Mantel und Hut des Gastes auf der Stuhllehne, und ebenso verdrießlich über das kaum berührte Frühstück. „Der war'S wohl hier nicht fein genug'-'" Mit „Leuten von" hat Lina Salzmann in ihren sechs- nndvierzig Lebensjahren noch nichts zu schaffen gehabt, verbindet aber mit dem Begriff eine unbestimmte Idee von Aufgeblasenheit und allerlei Kränkung, die ein ehrlicher Christenmensch von „so was" hinnehmen müsse. Und dieses junge Ding zumal „Wie? Sie sind noch hier?" fragt Renate, aus Lex Kammer tretend. Lina mustert sie vom Kopf bis -u den Füße«.
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