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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 15.08.1903
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1903-08-15
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19030815011
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1903081501
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1903081501
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1903
- Monat1903-08
- Tag1903-08-15
- Monat1903-08
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Unsere Herren Vorfahren hatten es doch wirklich recht hübfch bequem: wenn irgendwo eine kleine Schlacht auf beiderseitige Verabredung stattfanb — und meistens fand irgendwo eine statt —, so schrie eben jede Partei ihr „Hie Welf" oder ,Hie Waiibling", und dann wußte doch jeder, dem der Kopf blutig geschlagen wurde, daß er das einem „feindlichen Gegner" zu verdanken hatte. Das Er» kennen der Parteien in einem modernen Preßkampfe ist leider bedeutend schwieriger, schon deshalb, weil es nicht viel weniger Gegner als Blätter gibt,' und das Feld geschrei ist eine gar irreführende Luftbewegung geworden. Gegenwärtig ist das beliebteste politische Aufsatzthema: Die Ministerkrise in Preußen. Der geübte Zettungsleser kann hierbei wenigstens leicht aus der „typischen" Behandlung sehen, wie das betreffende Blatt sich zu der Sache stellt. Nimmt es die Sache tragisch, so steht ein Ausrufungs zeichen dahinter, die vorsichtigen Leute versehen die Ueberschrist mit einem Fragezeichen, und die ganz Schlauen haben die Krise in Gänsefüßchen gesetzt. Diese Orientierung reicht zwar nicht weit, aber dafür ist sie ziem» lich zuverlässig. Was dann in den Blättern alles gesagt wir-, geht so weit auseinander und ist auf so viel ver schiedene Zwecke berechnet, daß es eine durch die sommer liche Zeit noch erheblich erschwerte Last wird, einen Ueber- blick über die Campagne zu gewinnen. Von Nutzen ist bei diesem Bemühen ein Blick aus den sachlichen Hintergrund: Nach den großen Ueberschwemmungen bleiben die staat lichen Zentralbehörden zunächst passiv! «dann reist der Reffortminister zum Besichtigen und die gewonnenen Ein drücke werden halbamtlich dahin zusammengcfaßt: das Hochwasser kommt vom vielen Regnen und zur Beseitigung -er Notstände muß gesammelt werden. Darob Entrüstung in der Presse und zumeist in einem freikonservativen Or» gane. Zur Beschwichtigung der Entrüstung werden vom Staate plötzlich viele Millionen zur Verfügung gestellt, und zwar, wie ausdrücklich erklärt wird, auf direktes Ein greifen des damals in Norderney badenden Minister präsidenten. Der Ressortminister geht in den Urlaub und seine Arbeit wird von seinen Ministerkollcgen übernom- men. Und nun wird ein Kronrat angesetzt. In den Blättern wird aus alledem der überaus scharfsinnige Schluß gezogen, es müsse doch etwas im Ministerium nicht ganz in Ordnung sein. Bis hierher ist alles hübsch klar und begreiflich, aber nun kommt der künstliche Nebel: In der „Berk. Korresp." werben absichtlich die Begriffe verwechselt: sie verteidigt krampfhaft das Ministerium gegen den gar nicht er- hobenen Vorwurf, baß es die Ueberschwemmung nicht verhütet habe. Sine Korrespondenz, die ihre reichspoli tischen Informationen aus Berlin bezieht, weshalb sie sich „süddeutsch" nennt, tut so, als habe sie baS ver- schleierte Bild zu SatS mit höchsteigenen Augen gesehen, und erklärt dann, die „orientalische Phantasie" radikal- demokratischer Blätter sehe nur Schatten, während doch alles hell sei und sogar die Nichtbcteiltgten, die Minister, von keiner Zuspitzung etwas wüßten. Auf Gummi schuhen gehen dann noch andere klügere Leute in der Presse um, die zwar nicht bestreiten, daß etwas Ver stimmung bestanden haben könne, dann aber darüber spotten, daß man vom Kronrat so viel Aufhebens mache. Der Kronrat sei keine erregte Aufsichtsratssitzung, sondern eine einfache Besprechung der Minister unter dem Vorsitze -es Königs. Man werde sich überhaupt nur über wasscrbautechnische Details unterhalten, und wer das nicht glaube, solle sich Thomas taufen lassen. Das alles war wohl nur für die interessant, die es ge schrieben hatten; da kam zum Glück eine „preußisch" ge taufte Korrespondenz dazu. Diese hat, wie jedes Organ, das etwas auf sich hält, eine „Seite", die „stets gut unter richtet" ist, und von der hatte sie sich nun ein, zwar nicht sehr ehrerbietiges, wahrscheinlich auch etwas verzeichnetes, aber wenigstens einigermaßen amüsantes Bild von der noch nicht gehaltenen Kronratssitzung entwerfen lassen. Der Zweck der zeichnerischen Uebung war, dem Herrn Ministerpräsidenten etwas am Zeuge zu flicken. Nun dürfte ein in antiquierten Anschauungen Befangener er warten, daß der Autorität des Präsidenten ein konser vativer Kämpe erstehen oder ein bekanntermaßen offi ziöses Streitroß gesattelt werben würde. Aber nein — die „Bossische Zeitung" kam nnd schrieb: „Gute Freunde eines portefeuillelüsternen G e- heimrats, der noch eine Zeitlang Geld machen will, ehe er seine schätzbare Kraft der Rettung des Staates widmet, ver breiten schon seit Monaten in gesellschaftlichen und politischen Kreisen, daß „Bernhard", wie sie im anmutigen Koseton den Reichskanzler nennen, jedenfalls den Winter nicht mehr in Berlin erleben werde. Mit „Bernhard" sei es aus, ganz aus; mit ihm werde der Kaiser auch nicht ein paar Monate mehr auskommen. Diese freundlichen Andeutungen finden die verschiedensten Wege in die Öffentlichkeit; denn der „kommende Mann", der einstweilen mit ganz anderen als politischen Dingen beschäftigt zu sein scheinen will, verfügt über eine stattliche Anzahl von Bewunderern, die seinen Worten lauschen wi? einer höheren Offenbarung und wissen, daß sie nur seinen Namen, nicht aber seine Aeußerungen ge heim halten sollen." Dunkle Andeutungen machen selten etwas Heller. Wer ist -er Geheimrat? Stammt er aus einer Ober bürgermeisterei deS Ostens, wie man vermuten könnte? Dann passen aber wieder die folgenden Sätze des Artikels nicht: Die Maulwurf-arbeit habe -en Zweck, «den Grafen v. Bülow durch einen agrarischeren Kanzler zu ersetzen. Die gute „Boss. Ztg." mag auf diesen freiwilligen Versuch von Ministerretterei nicht wenig stolz gewesen sein, bis ihr dann klar werden mußte, daß man nicht ungestraft anderen Leuten ips Handwerk pfuscht. Von einer Seite, die das Ministerpräsidentenschützen ge werbsmäßig betreibt, wurde ihr nämlich ganz derb die Meinung gesagt. Wenn sie was wisse, solle sie den Mund austun; was sie sage, seien „Klatschbasereien". Die Pre digt schließt mit der üblichen moralischen Nutzanwendung. Inzwischen war der Kronrat dann verschoben worden, obwohl sogar der schon totgesagte Freiherr v. Hammer stein die Zeit, die ihm in Schlesien noch fehlte, gesunden und seinen Urlaub zur Komplettierung des „wasserbau technischen" Kronrats unterbrochen hatte. Und noch etwas passierte: Graf v. Bülow hielt -em Kaiser Vortrag — im Beisein des Herrn v. Lucanns -ff-f-, und dann lud der Kaiser beide Herren ein, mit ihm zu Mittag zu essen. Wenn man nun noch wüßte, ob es dem Ministerpräsidenten auch geschmeckt hat, so könnte man ungefähr wissen, wem die Anwesenheit des ominösen Herrn gegolten habe. Aber so sieht man mit Grauen den kommenden Irre-Leitartikeln über diese bedeutsamen Um stände entgegen, zumal nun auch der verschobene Kronrat am Freitag wirklich stattgefunden hat. „Dem Vernehmen nach handelte es sich vorwiegend um technische Angelegenheiten", kann man darüber in einem Berliner Amtsblatts lesen. Da auch der Bau des sagenhaften Mittellandkanals schließlich eine „technische" Auf- gäbe bildet, so hat das Blatt vielleicht den damit gemeint. So ungefähr sieht ein aufmerksamer, harmloser Zeitungsleser die Dinge an. Aber eins ist ihm da bei wohl nicht ausgefallen, daß nämlich Blätter, die sicher ohne Berliner Inspiration über solche Dinge keine Zeile schreiben, sich nicht gescheut haben, die Handlungen des Grafen v. Bülow gewissermaßen zu rektifizieren und zu erklären, der Präsident denke gar nicht daran, die Ressortinitiative zu beschränken, daß sie also im Be schwichtigungseifer bis zur Bloßstellung ihres höchsten Orakels gegangen sind. Aus dem bloßen Abscheu vor „inne ren Krisen" ist das doch nicht zu erklären. Das läßt vielmehr darauf schließen, daß in der Affäre Hammerstein der Ministerpräsident nicht immer bloß eine aktive Rolle ge spielt hat. — Nun, wir wollen uns für alle Fälle damit „trösten", daß auch manchmal die Rollen der Helden. Trauerspieler de» politischen Drama- von Statisten ge geben werden. 8. Deutsches Reich. H Berlin, 13. August. (Sozialdemokratische Taktik.) Die Sozialdemokraten scheinen Shakespeares „Cäsar" zum Gegenstände besonderen Studiums gemacht zu haben. Insbesondere hat es ihnen die Rede des Antonius an der Bahre Cäsars mit dem Refrain: „Denn Brutus ist ein ehren werter Mann" angetan. Schon während des großen Hafenarbeiter streiks in Hamburg hatte, als es sich darum handelte, ob der Ausstand aufzugeben oder fortzusetzen sei, der sozial demokratische ReichstagSabgeordnete Legten in einer nach dem Muster dieser Ansprache gehaltenen Rede die Hafen arbeiter zwar äußerlich zur Beilegung deS Streiks er mahnt, zugleich aber in einer Weise aufgehetzt, daß mit Sicherheit die entgegengesetzte Wirkung zu erwarten war. In der Tat haben sich damals auch die Hafenarbeiter durch solche Verhetzungen verleiten lassen, statt zur rechten Zeit Frieden zu schließen, -en aussichtslosen AuSstand bis zur äußersten Erschöpfung fortzusetzen. Genau ebenso verführt jetzt der Vorsitzende der sozialdemokratischen Bcrgarbeitergewerkschaft, ReichStagsabgeordneter Huö, im rheinisch-westfälischen Montanrevicr. Er ermahnt äußerlich die Bergarbeiter, sich nicht zu einem Ausstande fortreitzen zu lassen, hetzt gleichzeitig aber in der schlimmsten Weis« gegen die Grubenverwaltungen und schürt die ohnehin schon vorhandene Mißstimmung der Bergarbeiter so, daß man auch dort als Folge der Verhetzungen dem Ausbruch eines Ausstandes entgegensehen kann. Diese Taktik der sozialdemokratischen Agitatoren ist schlau genug berechnet. Gelingt cs ihnen nicht, durch ihre verhetzenden Reden den wirtschaftlichen Krieg zu entfesseln, so erregen sie wenigstens Unzufriedenheit und Mißstimmung und be reiten so die Zuhörerschaft für die Aufnahme der sozial, demokratischen Saat vor. Erreichen sie aber, wie dies nur zu häufig leider der Fall ist, ihren Zweck, so sind sie in der Lage, für den in der Regel wahrscheinlichen Fall eines Mißlingens des Ausstandes ihre Hände in Unschuld zu waschen und darauf hinzuweisen, daß sic ja von dem Eintritt in den Streik abgemahnt hätten. So ernten sie die Früchte des wirtschaftlichen Kampfes zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern, ohne doch Nackenschläge zu erleiden, wie sic nicht ausbleiben würden, wenn sic direkt zu aussichtslosen Ausständen aufgefordert hätten. Wenn jetzt von sozialdemokratischer Seite der Versuch unternommen wird, im rheinisch-westfälischen Montanreviere den wirtschaftlichen Krieg zu insccnieren, so hängt dies offensichtlich mit den Bestrebungen der Partei zusammen, die christlich gesinnte, insbesondere die katholische Arbeiterschaft in den Bereich ihrer Propaganda zu ziehen. Wie die starke Zunahme der sozial demokratischen Wahlstimmen im Rnhrrcvicr beweist, hat man damit bereits einen erfolgversprechenden Anfang gemacht. Wenn daher jetzt im Rnhrrcvicr wirklich wirt schaftliche Wirren entstehen sollten, so wird man trotz Feuilleton. des deutschen Michels im kriegerischen Verkehr mit ande ren Völkern zu veranlassen und zu verbreiten. Wenn man der Meinung gewesen ist, daß der ehemals unter der deutschen Bevölkerung häufig vorkommcnde Taufname Michel die Veranlagung zur Bezeichnung Der deutsche Michel. Von Ernst Flache l. Nachdruck verbalen. Ueber die Herkunft und Bedeutung der häufig ge brauchten Redewendung „der deutsche Michel" sind viel, fach irrtümliche Auffassungen verbreitet. Meist begnügt man sich mit der Annahme, dieser Ausdruck sei eine Er findung benachbarter Völker des angrenzenden Aus landes, welche damit die Schlichtheit und Biederkeit deut ¬ deutscher Michel" gegeben hat, so kann diese Ansicht nicht als begründet erachtet werden. Auch ist dem deutschen Michel die Schlafmütze erst später über die Ohren ge zogen worben. In dem oben erwähnten Michelsliede nun erscheint der heilige Michel als Siegesheld: „O unbesiegter, starker Held, Herzog Michaeli Führ' du das deutsche Heer ins Felo, Herzog Michael! O steh' uns zur Seite, O hilf uns cm Streite! Herzog Michael, Herzog Michael!" schen Wesens in geringschätziger, mit Hohn verknüpfter Redeweise lächerlich zu machen bestrebt seien. Mag nun auch der deutsche Michel tatsächlich in dieser Weise an gewendet worden sein und heute noch werden, so ist diese volkstümlich gewordene Bezeichnung doch keineswegs auf einen derartigen Ursprung zurückzuführcn. Und selbst in wissenschaftlichen Erörterungen begegnet man un richtigen Auffassungen über die Herkunft dieses Begriffs, indem sie dessen Entstehung in eine viel spätere Zeit ver legen, als sic in Wirklichkeit geschichtlich bezeugt ist. An den deutschen Michel erinnert uns der Michaelis tag jeden Jahres, der 29. September, an dem man ehe mals das Michaclisfcst als Engelsfcst kirchlich beging, veranlaßt durch angebliche Erscheinungen des Erzengels Michel, die bis in das 5. Jahrhundert unserer Zeitrech nung zurückführen. Unsere Vorfahren nannten ihn denn auch kurzweg den Michelstag, welcher die ihm folgende volle Woche als „gemeine Woche" cinlettete. In der Person des heiligen Michael Erde Wuvtan, der oberste Gott der alten Germanen, in die christliche Legende cingeführt, und weil dieser letztere der Sieges verleiher im Kampfe war, erschoint auch der heilige Michael als Sicgcohcld. Das Lied „O Horos jnvü-ibiiis ciux" scheint nur eine Umwandlung des altdeutschen Schlachtgesangcs in lateinischer Ucbersetzung zu sein, mit Vertauschung des Hcldcnnamens. An Stelle des späteren Anrufs „l)ux dsiohao! prvtvotor Oormaniay" hat cs früher wohl geheißen „Herzog Odin lWuotanl, Schirm herr des deutschen Volkes". Das christlich deutsche Schlachten- und WallfahrtSlied mit diesen Anfangs- Worten, welches von den Normannen- und Ungar schlachten der Karolinger und Salier her die Kreuzzüge hindurch bis zur Zeit der Reformation al- Bardenlied vor der Schlacht gesungen wurde, und den Anruf „Herzog Michael" zum Kehrwort in jedem Liedersatze mrhrmal- »vtrdir-ott, hat auch da»« betgetragen, den Spottnamen Dementsprechend wird St. Michael als Kriegsmann mit dem Schwerte in der Hand abgcbildet. Bei unseren Altvordern war der Michaelistag ein Hauptgerichtstag, auch ein Merktag fürs Wetter, und auch, wie vielfach noch heute, Zahl- und Pachttag, ersteres besonders in Süddeutschland, letzteres am linken Rhcinnfer. Der heilige Michael galt auch als Schutzheiliger des Weines nnd der Vögel, und sein Gedenktag wurde all gemein als ein Frcudentag gefeiert, welcher mit Fest mahlzeiten feierlich begangen wurde, bei dem nament lich Geflügel ausgetragen wurde. Am Niederrhein steht die Michclsgans, mit Kastanien gefüllt, noch heute in hohem Ansehen. Das MichelSfest führte früher auch den wunderbaren Beinamen „Kllchenhimmelfest", von Küchen — Kücken, l junge Hühner. Die Rauchhühner, welche in vielen alten Urkunden erwähnt werden, und als Abgabe an diesem Tage geliefert wurden, galten als Bezeugung deS Ober eigentums, oft auch als Vergütung für den Wcidegang. Der Name Michelshuhn rührt von dem Tage seiner Ab lieferung her, während seine Bezeichnung als Nauchhuhn davon sich hcrleitet, daß dasselbe von jeder Hausstcllc, von der Rauch anfsteigt, also von jeder Haushaltung, entrichtet werden mußte. Dabei war gesetzlich bestimmt, daß daS junge Huhn so weit hcrangewachsen sein mußte, daß es auf einen Dreibein zu fliegen vermochte. Die oben angeführten kulturgeschichtlichen Einzelheiten der Entstehung des Begriffs „deutscher Michel" scheinen jedoch im Ausgange des Mittelalters -er Erinnerung ent schwunden gewesen zu sein, da es sonst unerklärlich sein würde, daß man später nach -em Ursprünge dieser Be zeichnung Stachforsklmnaen anstellte. Ueber die Ergebnisse der letzteren sei folgende» bemerkt: „Der Gebrauch un- die Anwendung des Au-druckes „deutscher Michel", heißt es da, »hab« sein Entstehen einer historischen P«rson, dem Pfälzer Michael Obertraut zu verdanken. Dieser, einer -er kühnsten Reiterführer im Dreißigjährigen Kriege, habe oft die Ehre der pfälzischen Waffen gerettet, und deshalb sei ihm vom Volke der Ehrenname „deutscher Michel" bcigclcgt worden. Dem gegenüber wurde anderseits ausgeführt, „der Gebrauch des Ausdruckes „deutscher Michel" gehe nach weisbar bis in das lebte Viertel des 16. Jahrhunderts zurück, und der pfälzische Reitcroberst Michael Obcrtraut habe jedenfalls zur Entstehung dieser Redensart den ersten Anlaß nicht gegeben." Als älteste Autorität für -en schon damals ganz geläufigen Ausdruck gilt ein Brief des Tobias Homberg, eines Lehrers, aus dem Jahre 1886, in -cm es nach Ucbertragung ins Deutsche heißt: „Es sind mir am Michaelistage selbst Briefe eines ungelehrten Menschen, des deutschen Michels, wie man sagt, zugestcllt worden." Die Worte „wie man sagt" lassen aber auf eine frühere Entstehung des Ausdrucks schließen. Geläufig ge worden ist der Ausdruck erst seit Mitte des 17. Jahr hunderts. In den „Satyrischen Geschichten" von I61ö heißt es: „Ich teirtscher Michel, versteh' schier Nichel", und „Einer wollte griechisch an mich, der andere spanisch, der dritt' ttaliänisch mit mir reden, aber ich sagte ihnen allen, ich märe ein geborener Teutscher Mchel, mein Lebtag nicht welsch gewesen." Der im Jahre 1968 erschienene „Ala- modische Hobelbauch" enthält die Stelle: „etliche junge teutsche Michel, die ihr lebenlang niemals aus dem Land kommen." Der Titel eines 1673 gedruckten Buches lautet: „Des Weltbcrufenen Simplizissirni Pralerey und Gepräng mit seinem Teutschen Michel." Bezüglich der Auffassung, welche man um die Mitte des 16. Jahrhunderts vom deutschen Michel hatte, führe ich einen der ältesten Belege hierfür an, welcher sich in den Sprüchwörtern Sebastian Francks in dessen wegwerfendem Urteil über die Frauen vorfindet, wo er sagt: „in nötigen fachen könden sic weniger denn der teutsch Michel, da ist ein Mann teurer denn 1000 wciber." Da diese Stelle die weite Verbreitung unserer Redensart schon um 1810 be weist, und zugleich deren Bedeutung weiter ausführt, möge dieselbe im vollen Zusammenhänge hier Platz finden. Es heißt da unter „Eescon": „Du bist von dütticheym, da die dannzapffen wachsen, Ein grober albbawer. Ein grobs Hölzlin. Es were gut, sawtrög «Sautrög.» ausS jhm zu bawen. Du bis auss dem Lchlaurasfenland." Und weiterhin: „Eescon ist ein stat Pomphilia, da so grobe Leut woneten, wie inn Deutschland die Binyger Kröpkfclen bauen, daß davon ein sprichwort entstund: Du bist ein Mann von LoScos, wie man- auss der Alb hat, gleich wt« man spricht: ES ist ein stat wie Heubach, da fraßen die wolff den schultheiß auf dem markt, Wolt ein groben dölpel und Fantasten damit anzeygen. Wir brauchen die ober zelten, Item, Ein grober Algewer Bauvr, ein blinder Schwab . . . Ein rechter -ummer Ian, Der teutsch Michel, Ein teutschcn Baecalaureus." Ein Ehrennamen ist vorstehender Darstellung gemäß der „deutsche Michel" sicherlich nicht. Wenn man aber, wie erwähnt, diese Bezeichnung ans -en Rciterführer Michael Obcrtraut, uud hier in ehrenvollem Sinne, angeivcndct hat, so dürfte hierin wohl eine dem Vvlksbewußtscin nicht gänzlich entschwundene Erinnerung an Wuotun-Odin, bei dem als dem obersten Lichtgotte, die Seelen der im Kampfe gefallenen Krieger Aufnahme fanden, zu erblicken fein. Trug doch selbst der Name Michael, entstanden ans dem Hebräischen Ui-ka-ol: Wer ist gleich Gott? dazu bei, ihm hohes Ansehen zu sichern. So wurde er 'denn auch von den Germanen als gött licher Schutzpatron gedacht, und als ^Heinrich I., der Finkler, in jener Zeit, wo die Macht der Ungarn schwer auf Deutschland lastete, im Jahre 933 das deutsche Heeres- banner mit dem Bildnis des heiligen Michael versah, er weckte er damit unter seinen Kriegern so hohe Begeiste rung, daß die Ungarn eine schwere Niederlage erlitten. Aber die Geschichte, leider diejenige unseres Volkes, hat der in alter Z.it so häufigen Anwendung des Aus druckes „deutscher Michel" eine mir zu wohl begründete Herabsetzung gebracht. Nachdem durch die Selbstsucht Ver deutschen Fürsten die Rcichsmacht gebrochen war, die Feinde a-ber schon weit in nuier Vaterland hereingebrochen waren, ehe der Reichstag zu einem Beschlüsse darüber kam, ob.und wie der böse Nachbar bekämpft werden sollte, ent schwand die Achtung vor dem deutschen Volke und seinem Schutzpatrone nach und nach völlig. Man übertrug das hebräische Michael auf das germanische Mihil, d. h. Größe, Stärke, und verband damit den Nebcnbegriff der Unbeholfenheit. Jedenfalls haben wir die Bedeutung, welche heutigen Tages dem „deutschen Michel" zngeciguet ist, nuferen spott süchtigen Grenznachbarn, und sicher nicht an letzter Stelle denjenigen jenseits des Rheines, zu verdanken. Die Anwendung aber unseres Ausdruckes im deutschen Sprachgebrauch ist nicht immer einwandfrei richtig ge wesen, nnd es fällt uns schwer, jenen Schuldirektor von Koburg zu verstehen, welcher inn das Jahr 1770 zu deut schen Jünglingen, die. um in ihrer Muttersprache sich zu üben, einen Verein geschlossen hatten, sagte: „schamrot sollten sie werden, die deutschen Mickiel!" Nun, wem die Pflege seiner deutschen Muttersprache den Titel eine deutschen Michels einbringt, mag immerhin stolz darauf sein, mich für ihn ist er <in Ehrentitel.
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