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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 20.08.1903
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1903-08-20
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19030820013
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1903082001
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1903082001
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1903
- Monat1903-08
- Tag1903-08-20
- Monat1903-08
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Morgen - Ausgabe. Nr. 421. Donnerstag den 20. August 1903. HiMpt-FMale Dresden: Marien straße 84. Fernsprecher Amt I Nr. 1718. Redaktion und Expedition: Johannitgaffe 8. Fernsprecher ISS und SSL Filtate»p«dtti»»e» r Alfred Hahn, Bachhaadlg, UlliversttStSstr.8» 8. Lösche, Kathariueostr. 1< n. KüutgSpl. 7. Haupt-Filiale Serlin: T«I vuncker, Herzgl. Bayr. Hefbuchhandig, Lützowstraße 10. Fernsprecher Ao^ VI Nr. 4603. oipMer.TaMÄ Anzeiger. Amtsblatt des Königlichen Land- nnd des Königliche« Amtsgerichtes Leipzig, -es Nates und des Nolizeiamtes der Ltadt Leipzig. Bezugs-Preis i» der HanptexpedMon oder deren AuSgabv- st«ve» obgebolt: vierteljährlich S.—, bet zwetmaligrr täglicher Zustellung in« Hau» 8.7S. Durch die Post bezogen für Deutsch, land «. Oesterreich vierteljährlich 4.S0, für die übrige» Länder laut ZeituugSprriSliste. Anzetgen-Prei- die Sgespaltene Petüzeile SS Reklame» unter demRedakttontstrich sä gespalten) 7K vor den Famtlieaaach» richten (S gespülte») SO H. 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Aber alle die vielen Millionen, die für diesea Zweck bisher auS- gegebeu worden sind, haben nicht vermocht, die grausigsten Eisenbahnunfälle zu verhindern, unausgesetzt reiht sich Unglück an Unglück, immer von neuem wieder hauchen unter Trümmern eines Eisenbahnzuges Menschen ihr Leben auS oder werden zu Krüppel». Gleich einem Schrecken ohae Ende jagt eine Unglücksbotschaft die andere, die Menschheit in Unruhe und vie Betroffenen in verzweislungSvollen Jammer versetzend. Das Unglück bei Altenbeken bat sich ereignet trotz der neuesten und kost spieligsten SicherhcitSriarichtungrn und der Buchbolzer Unfall hat sich auf einer Station zugetragen, die erst neu angelegt ist und von der man deshalb billigerweise an nehmen darf, daß sie mit den vollkommensten Sicher- heitSeinrichtungen der neuesten Zeit versehen sei, anderer Unfälle, die unter gleichen oder ähnlichen Verhältnissen vor gekommen sind, nicht zu gedenken. WaS soll mau unter solchen Umständen zu den viel gepriesenen Fortschritten der Eisenbahntechnik sagen, wenn eine sogenannte mechanische Sicherheitseinrichtung eS nicht vermag, einen Fehlgriff, eine» augenblicklichen Irrtum oder einen zu unrechter Zeit getanen Handgriff eines Bediensteten gefahrlos zu machen, wie eS in den beiden hier angrdeuteten Vorkommnissen der Fall war? Nicht, daß wir diese Frage i» dem Sinne aufwerfen wollten, als ob wir die Zweckmäßigkeit des Blocksystems und StellwerkSbetriebe« bezweifeln möchten, im Gegenteil, wir sind von der«» guten Eigenschaften voll kommen überzeugt — aber wissen möchten wir, ob Mängel wie die obenbezeichneten, wenn sie von der Technik selbst noch nicht überwunden werdeu konnte», auch immer durch zweck mäßige Einrichtungen, insbesondere aber dadurch, daß mit dem Personal nicht gespart wird, nach Möglichkeit aus geglichen werden. In dieser Beziehung meinen wir, daß eS vor allem notwendig sei, derartige wichtige Apparate nicht im Nebenamte bedienen zu lassen, sondern unter allen Um ständen besondere Bedienstete für sie vorzusehen, und wo die« der Fall ist, letztere nicht in einer Weise nebenher zu be schäftigen, daß sie ihrer eigentlichen Funktion nicht die nötige Zeit und Sorgfalt zuwenden können. Der Buchholzer Fall läßt eine Vermutung ia dieser Richtung allerdings auf kommen, und wir möchten danach kaum bezweifeln, daß auch j anderwärts ähnliche Zustände bestehen. Ist auch zuzugeben, daß an vielen Stellen die Bedienung eines SicherheitSapparatcS keine volle Arbeitskraft erfordert und dem Bediensteten noch Zeit zu anderer Beschäftigung übrig läßt, so ist doch zu bedenken, daß eine Ablenkung des Bediensteten von seiner eigentlichen Aufgabe, namentlich wenn sie über eia den örtlichen Verhältnissen angepaßteS Maß hinauSgeht — mit anderen Worten: wenn eia Blockwärter zugleich Bahn- wärterdienst, ein Strllwerkswärter zugleich den Dienst eine« Rangierers, PackerS, Streckenarbeiters usw. zu versehen hat — BetriebSgefahreu in sich birgt und sich früher oder später einmal bitter rächen kann. Wenigsten« hat der Buchbolzer Unfall ei» solche« Beispiel gezeigt, und auch beim Alten bekener Unglück hat die Untersuchung ergeben, daß der Block wärter mehr als gut vom Blockdienst abgeleakt war. Wenn auf kleinen Stationen der Innen- und der Außendienst auf die Person des Vorstandes vereinigt und dieser durch alle möglichen Verrichtungen bei der Abfertigung von Zügen so in Anspruch genommen ist, daß die Aufmerksamkeit für die wichtigsten Dienstgeschäfte sehr geteilt sein muß, so liegt die Vermutung nabe, daß ein solcher Mann von Glücks umständen begünstigt sein muß, wenn ihm nicht ein mal ei» folgenschweres Versehen in seinem Dienste unterlaufen soll. Geschieht aber ein Unglück, dann weist man ihm nach, daß er gegen bestimmte Vor schriften gefehlt hat und der Staatsanwalt nimmt ihn beim Kragen, ohne viel danach zu fragen, ob eS auch mensch lich möglich war, den Vorschriften allenthalben Genüge zu leisten. Hierbei kommt weiter die Ausbildungsfrage in Betracht. Ohne Zweifel wird die Umsicht und DispositionSfähigkeit durch eine ebenso zweckmäßige als gründliche Ausbildung ge schärft. E« fragt sich nun, ob bei den Eisenbahnen die PersonalauSbildung so gehandhabt wird, daß auch jeder Angestellte für daS ihm übertragene Amt gründlich vorbereitet ist. Werden für diesen Zweck Ausgaben gemacht? Besteht eine Methode der Ausbildung? Sind für die Anlernunz besondere Bildner vorgesehen? Geht man in der Besetzung besonders verantwortlicher Stellungen nach bestimmten Grundsätzen vor, so zwar, daß immer der rechte Mann auf dem Posten steht? Ist dafür gesorgt, daß an den Stellen, von welchen auS die Personal-Dispositionen erfolgen, auch die so notwendige Personalkenntnis vorhanden ist? Sind diejenigen Organe, welche Dienstbefehle erteilen und Dienstvorschriften verfassen, im praktischen Dienste allent halben so erfahren und ausgebildet, daß sie immer eine wirklich klare Vorstellung von dem Gegenstände haben, über welchen sie Vorschriften erteilen? DaS sind Fragen, über welche angesichts der immer wiederkehrenden Unfälle einmal gründliche Aufklärung erfolgen möchte; sie erscheinen un« noch ungleich wichtiger als die Frage der Dienst- und Ruhezeiten deS Personal-, bei welcher die öffentliche Kritik gewöhnlich nach erheblicheren Eiseabahnuufällea eiusetzt. Wenn man erwägt, welche großen Summen für Bahn- hofSumbauten, für SicherheitSeinrichtungen, kurz auf technischem Gebiete aufgewendet worden sind, und dann sieht, wie für Personalausbildung kein Pfennig im Staatshaus halt vorgesehen, dagegen in dieser Beziehung alle« beim Alten geblieben ist, so muß man sich fragen, ob denn gegen über den technischen Vervollkommnungen die Personal ausbildung im Punkte der Betriebssicherheit wirklich eine so nebensächliche Rolle spielt, daß sich für diese» Zweck jede Ausgabe, jede« Fortschreiten erübrigt. Es scheint, als ginge durch die ganze Eiseabahnorganisatioa ein Zug, der besagt, eS habe »ur noch die rein wissenschaft liche Bildung Anspruch auf Beachtung. Und doch nimmt die praktische Tätigkeit im Eisenbahnkörper, die man bei der heutigen großartigen Gestaltung de« Verkehrswesen« mit Fug und Recht als eine praktische Verkehrswissenschaft bezeichnen darf, den breitesten Raum ein. Dieser Zug erklärt e«, warum für eine fach-und fachgemäße Ausbildung de« im praktischen Dienste beschäftigten Personals von AmtSwege» nichts getan wird, warum letzteres genau noch wie in den Kinderjahren der Eisenbahnen sich in der Erwerbung der für seinen Beruf nötigen Fachkeuntniffe selbst überlasse», bezw. wa« den Neu ling betrifft, darin auf den guten Willen derjenigen älteren Berufsgenoffen angewiesen ist, mit denen er zusammen zu arbeiten hat. Es dürfte daher höchste Zeit sei», daß im Punkte der PersonalauSbildung Wandel geschaffen wird und die Landstände sich bei Beratung de« EisenbahuetatS auch einmal eingehend mit der Ausbildungsfrage beschäftigen. Es scheint nötig, daß eine Institution ins Leben gerufen wird, die eine methodisch geordnete, gründliche Ausbildung de« Eisen- bahopersonalS für seinen schwere« uud verantwortungsvollen Beruf gewährleistet. Die Oeffeutlichkeit hat darau ein viel größeres Interesse, al« die meisten in dieser hochwichtigen Frage vermuten mögen; sie hat in Rücksicht darauf, daß Gut und Leben der reisenden und handeltreibenden Mensch heit in die Hande dieser Bediensteten gelegt ist, auch ein Interesse daran, daß den in der Praxis erfahrenen Leute» im Verwaltungskörper Befugnisse ein geräumt werden, die ihnen die Möglichkeit bieten, die Er fahrungen zum Vorteil des Dienstes und der Allgemeinheit in Schoße de« leitenden Verwaltungskörpers zu verwerten. Es ist sehr dir Frage, ob die StaatSregieruuge» darin, daß sie bei ihre» Neuorganisationen nach dem Grundsatz« ver fahren, die Eisenbahvpraktiker ihres Einflusses auf die GeschästSleilung völlig zu entkleiden und Betrieb und Verkehr mit der bautechnischen Bahnunterhaltung zusammen zu legen, auf dem richtigen Wege sind. E« scheint vielmehr, daß mit dieser Maßnahme dem Wohle de« Eisenbahn organismus nicht sonderlich gedient ist. Da« Gegen teil könnte doch wohl nur davu der Fall sein, wenn der Bautechniker von früh auf Zeit und Gelegenheit fände, sich so gründlich in das gesamte Wesen de« BrrkehrSdienste« ein- zuarbeiten und zu vertiefen, daß ihm die Praxis diese« Dienstes allrnthalbru geläufig würde. Weil da« aber nicht der Fall ist und nicht der Fall sein kann, da der Bau techniker vermöge seine« sich immer umfänglicher ge staltende» wissenschaftlichen Studium«, wie auch infolge der weitgehende» Anforderungen, die sein technischer Beruf «» ihn stellt, eben gar uicht die Zeit und schließlich bei den vorgeschrittenen Jahren, ia welche» er in den Dienst eintritt, auch gar nicht mehr die reckte Ruhe dazu findet, so meinen wir, daß das alte Prinzip nach dem Sprichwort „Jedem das Seine", nack dem in früherer Zeit organisiert wurde, das richtigere war. Wir glaube» auch, daß gerade i» der heutigen Zeit der riesig arbeitenden Technik der Bautechniker sattsam in Anspruch genommen ist, wenn er auf seinem Gebiete bleibt uud den eigentlichen Betrieb und Verkehr, da« ist das Spedition«- fach, denen überläßt, die daz» berufen sind, ihn zu leite». ES ist ja ohnehin kein Wohlbefinden darin für ihn, da er sich dort immer als ein Fremder fühlen muß. Statt dessen wäre unsere- Erachten- ein harmonische- Zusammengehen vo» Technik und Betrieb-praxi- nach dem schoa erwähnten Grundsätze „Jedem daS Seine" doch viel richtiger und für einen glatte» Geschäftsgang vorteilhafter. Im geschäftlichen Leben ist eS ja auch so, und wer wollte behaupten, daß die Eisenbahueu nicht auch zu den Geschäften zahlen? Der Geschäftsmann nimmt alle-Güte da, wo e- sich ihm bietet. Warum sollte eS bei der Eisenbahn nicht auch so sein? Der einzige Grund i,:S lpu-te schli ßl ' ja doch nur in beamtenhierarchischen Verhältnissen gesucht und gesunden werden. DaS aber wäre ein ganz widernatürlicher Grund, entgegen allem geschäftSmännischen Geist, der auch vom staatswirtschaftlichen Standpunkte au« nicht» weniger al« gutgeheißeu werken könnte. Mau wird vielleicht einweuden, daß bei den heutigen Eisenbahnpraktikern im Durchschnitt nicht die Eigen schaften auzutreffen sind, die die zur Mitwirkung bei der Leitung berufene» Stellen erfordern. Die« aber scheint vielleicht nur so, weil etwa hier und dort einmal ein Fehl griff i» den Personen — vielleicht au« ungenügender Per sonalkenntnis — gemacht wurde. In Wirklichkeit aber mag heutzutage an den höheren Stellen der gute Wille fehlen, mit Leuten nicht schulmäßig wissenschaftlicher Bildung auf gleichem Fuße zusammen zu arbeiten. Wenn eS aber in jenen Kreisen Feuilleton. Der größte internationale Markt der Welt. Von vr. I. Wiese. Nachdruck verdaten. Von allen europäischen Märkten hat derjenige vom Nischnt-Nowgorod, der in den Tagen vom 5. August bis 15. September stattfindet, die größte Bedeutung sich er halten; er beansprucht durch die Roll«, die er in der Industrie und dem Handel, sowie in dem ganzen -wirt- schaftlichen Leben Rußlands und -er Nachbarländer spielt, mehr Interesse als alle andern ähnlichen Einrichtungen der ganzen Welt; der Markt zu Nischni-Nowgorod setzt sich zusammen aus einer großen Anzahl verschiedener Märkte, die sich gruppieren, um ein gewaltiges Emporium zu bilden, das einen bunten, verschiedenartigen Eindruck gewährt. Ausgenommen einige sehr kostbare Luxus- gegenstände oder schwer zu transportierende Waren, gibt eS kaum Naturalprodukte ober Fabrikate, die nicht auf dem Markte von Nischni-Nowgorod verkauft werden. Bis weit ins graue Altertum läßt sich der Ursprung der Nischni-Nowgoroder Messe verfolgen. Im Laufe der Zett an verschiedenen Orten abgehalten, und nach den- selben ihre Benennung wechselnd, wurde sie erst im ersten Viertel des 18. Jahrhunderts an den Platz verlegt, nach welchem sie ihren jetzigen weltberühmten Namen trägt', und welcher alle Bedingungen zu ihrer wetteren Ent wickelung in sich vereinigt. Die ersten Anfänge der Messe müssen in dem an der Wolga und Kama gelegenen Bolgaren-Reich gesucht werden, an dessen an der Wolga unterhalb -er Kama ge legenem Hauptorte Bvlgary oder Bachrimoff ein lebhafter Meßhandel stattfand, zu welchem die verschiedensten asia tischen Völker, namentlich Araber, Persier, Armenier, ja sogar Inder zusammenströmten. Der genannte Ort galt seit alters her, jedenfalls seit Mitte des 19. Jahrhunderts, al- ein Hauptstapelplatz für europäische und asiatische Waren, wie auch das Bolgarenvolk allgemein, auch bet den russischen Chronisten, als handeltreibendes bezeichnet wirb. Unter den Angriffen des allmählich sich au-breiten- den russischen Reiches und in der Folgezeit unter denen der Mongolen fällt das Bolgarenretch allmählich zu sammen, und auf seinen Trümmern erhebt sich das Kasansche Zarenreich, in welchem die Mongolen am längsten ihre Herrschaft auf russischem Boden behaupteten. Die frühere kommerzielle Bedeutung BolgaryS geht am Ende de» 14. Jahrhunderts auf Kasan über, welches der Vereinigungspunkt für die finnischen, tatarischen und mongolischen Völkerschaften des nordöstlichen Rußlands bildet, und wo nach beglaubigten historischen Zeugnissen während der Sonrmermonate ein wichtiger Mcßhandel, zu welchem die Händler Wens, Rußlands und, wie es scheint, sogar Westeuropas zusammenkamen, sich ent wickelte. Diese Messe, welche auf dem heutigen Tags noch augenscheinlich unter demselben Namen existierenden „Arskoje-Pole" (Arisches Feld) abgehalten würde, war, obgleich keine historischen Beweise dafür vorliegen, von Bvlgary ans dorthin übergegangen, und erreichte im Verlaufe des 15., im Beginn und während des 16. Jahr hunderts ihre höchste Blüte. Seit dem Ende des 14. Jahr hunderts beginnen jedoch die Kämpfe des Moskauischcn Reiches gegen Kasan, welche mit der definitiven Besiegung und Unterwerfung des Kasanschen Zarenreiches durch Iwan den Schrecklichen im Jahre 1552 ihr Ende finden. Bereits früher hatte der Zar Wafsily-Jwannowitsch, als während der Messe auf dem Arskoje-Pole russische Kaufleute auf Anstiften des Kasanschen Khanes Mahmet- Amin ermordet worden waren, den Moskauischen Kauf leuten den Handel in Kasan verboten'»«- im Jahre 1524 eine Messe an dem äußersten östlichen Grenzpunkte seiner Reiche, in Wassil-SurSk an der Wolga, gegründet, in der Hoffnung, den Verkehr von dem Arskoje-Pole nach dort hin zu ziehen. Diese Absicht scheint ihm jedoch nicht ge lungen zu sein, sondern der Meßverkehr in Kasan dauerte weiter fort und begann erst nach der Unterwerfung Kasans allmählich dasselbe zu verlassen und in die Um gebung des Makarjewschen Klosters überzusiebcln. Dieses Kloster des heiligen Makarius, welches 80 Werst unter- halb Nischni-Nowgorod am Ufer der Wolga gelegen ist, wurde, nachdem eS früher von den Tataren zerstört worden war, im Jahre 1624 unter den, Zaren Michael wieder aufgebaut, und am 15. Juli, dem Todestage deS genannten Heiligen, strömten zahllose Pilgerscharen da selbst zusammen. An demselben Tage begann auch eine Messe, welche seit dem oben erwähnten Jahre 1624 sich jährlich wiederholte und immer mehr und mehr auS- dehnte. Der gesamte Meßverkehr des Arskoje-Pole bet Kasan ging auf die Makarjewsche Messe über, und eS wurden die Städte Kasan und Moskau die eifrigsten Teil nehmer an derselben. Seit der Eroberung Sibiriens an den dadurch mit dem chinesischen Reiche angebahnten Handelsverbindungen wurde die Makarjewsche Messe um zwei neue Elemente, den sibirischen und den chinesischen Handel, reicher. Alle Abgaben und aus der Messe resultierenden Einnahmen wurden von dem Zaren Michael dem Kloster überwiesen, die gesamte Administration und Polizei der Messe war in der Person des Archimandriten vereinigt. Erst unter der Regierung Peters des Großen wurden die Messe und die Einnahmen aus derselben dem Kloster entzogen und dieselben im Jahre 1718 dem Kommerzkollegium nnterge- ordnet. Im Jahre 1755 wurden die ersten hölzernen Budcnreihen auf Kosten des Staates erbaut, deren Miets ertrag dem Fiskus zu gute kam. Im Jahre 1809 wurde bereits ein steinerner Bazar von der Regierung eröffnet, mit dessen Bau im Jahre 1804 begonnen worden war. Je doch hatte der Platz, auf welchem die Messe abgehalten wurde, manche Mängel. Am linken Ufer der Wolga ge legen, war er mit tiefem Sande bedeckt, der den Waren- tranSport unendlich erschwerte, überdies den Ueber- schwemmungen ungemein ausgesetzt, und da -er größte Teil der zur Messe herangeführten Waren vom rechten Wolgaufer kam, trug man sich bereits längere Zeit mit dem Gedanken, die Messe in daS am rechten Stromufer, dem Kloster gegenüberliegende Dorf Lyskowo überzu führen. Als endlich im Jahre 1816 eine Feuersbrunst den auf RcgicrungSkosten erbauten Bazar vernichtete, wurde die Messe in Ucbereinstimmung mit dem Gutachten des Grafen Rumjanzow nach Nischni-Nowgorod übergeführt, welches bereits seit der Mitte des 16. Jahrhunderts durch seinen Handel berühmt war und als Stapelplatz für die Wolga und den gesamten Osten diente, seit geraumer Zeit bereits durch Handelsverkehr und Schiffahrt in enger Verbindung mit der Moskariewschen Messe stand und endlich näher nach Moskau zu gelegen war. Bald war auch hier ein enormer Bazar auf Regierung»!osten her gestellt und, dank der ausgezeichnet günstigen Lage Nischni» Nowgorods, blühte auch hier der Meßverkehr bald auf und nahm immer größere Dimensionen an. An dem Zu- sammenflussc der Wolga und der Oka gelegen, vereinigt dieser Ort wie kaum ein anderer alle Bedingungen die für die Entwickelung des Handels günstig und unenkbehr- lich sind. Durch den Lauf der Oka, welche die meisten inneren Gouvernement» Rußlands berührt, steht Nischni- Nowgorod in Verbindung mit den Gouvernements Wla dimir, Tambow, Rjäsan, Moskau, Tula und Kaluga und damit mit den Hauptzentrcn -er russischen Industrie, während auf der anderen Seite die nicht wett davon in die Wolga ergießende Kama die Straße zu den ent legensten nördlichen und nordöstlichen Gegenden de» rus sischen Reiches, zum Ural und Sibirien, bildet. Diese Wasserwege sind eS, welche zum Teil das wette Absatzgebiet und die Wichtigkeit, sowie den noch immer steigenden enormen Absatz der Nischni-Nowgoroder Messe herbeige- führt haben. Zu dieser Messe kommen Zufuhren auS Rußland, Deutschland und Schweben, die Getreide und Mehl, Oel, Weine und Liköre, Uhren und Instrumente aller Arte«, Leinen und Baumwolle, Seidengarn und Gewebe bringen, der Kaukasus schickt Ebenholz, trockene Früchte, Weine und Seidenstoff; Persien getrocknete Rosinen, Reis, Lammfelle; China endlich seine Seidengewebe und seine Tees, die teils von Karawanen, teils von Kanton über die Landenge von Suez und Odessa gebracht werden. Im Gegensätze zu anderen Märkten steigt die Gesamt zahl aller nach Nischni-Nowgorod gebrachten Waren von Jahr zu Jahr, waren es 1820 nur für 90 Millionen Mark, so stieg die Zufuhr 1860 auf 220 Millionen und 1880 auf 400 Millionen Mark. Auf dieser Höhe etwa hält sie sich noch heute. Bemerkenswert ist, daß kaum 10 Prozent der Waren unverkauft bleiben. Dieser kolossale Markt ist der jährliche Regulator für Angebot und Nachfrage, für Pro duktion und Konsum allerWaren Rußlands und der Nach barländer. Er gibt den allgemeinen Gang des Handels auf genaue Weise für das verflossene Jahr und ziemlich annähernd den für das kommende Jahr an, und da der Verkauf hauptsächlich gegen Ziel von einem Markt zum andern geschieht, so spiegelt die Abwickelung der Geschäfte den Stand des Finanzkredits in Rußland und den benach barten Staaten, Persien, Armenien, China usw. wider. Die Stabt Nischni-Nowgorod zählt in gewöhnlichen Zeiten etwa 50 000 Seelen; aber die 6 Wochen hindurch, die der Markt währt, zählt sie täglich 100 — 190 000 Be sucher, die mit Boot, Eisenbahn oder in Karawanen kommen. Diese Menge, die eine staunenswerte und pittoreske Mannigfaltigkeit von Raffen und Kostümen zur Schau stellt, bringt natürlich den Restaurants und Kara wansereien jeder Ordnung und jeder Art viel Geld, und bewirkt ein außergewöhnliches Leben und Treiben in der Umgebung der 6000 Läden, die auf eine Länge von 15 bis 16 Kilometern an den Kai-, die die Oka und die Wolga umsäumen, sich htnziehcn. Die Eröffnung der zahlreichen Eisenbahnlinien in Rußland hat für den Markt von Nischni-Nowgorod keine üblen Folgen gehabt, und e« ist nach Ansicht von Kennern der Verhältnisse nicht wahrscheinlich, daß solche nach dem wetteren Eisenbahnbau gegen den Orient «intreten; Now gorod wird noch auf lange Zeit seine vorherrschende Be- deutung als Marktplatz behalten; denn die asiatischen Völker, die sein LebenSclement bilden, haben, wie alle wenig zivilisierten Völker, einen sehr ausgesprochenen Geschmack für den Markthandel, da diese Art deS Handels verkehrs völlig ihrem Charakter und ihren Existenzbe dingungen entspricht.
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